15. KAPITEL

 

Robby legte eine Hand über das Telefon und warf Phineas einen finsteren Blick zu. »Jetzt geh endlich.«

Der junge Vampir sollte eigentlich eine Runde über das Gelände gehen und überall nach dem Rechten sehen, aber Phineas war in der Tür stehen geblieben, als Robby Olivias Nummer wählte, und grinste ihn nun an.

»Du brauchst vielleicht ein wenig Hilfe vom Love Doctor.« Phineas deutete auf sich selbst. »Ich kann dir die richtigen Worte einflüstern, um das heiße Babe in deinen Bann zu ziehen.«

»Ich schaffe das schon allein«, flüsterte Robby. »Verschwinde.«

»Sag ihr, sie ist atemberaubend heiß. Und zum Anbeißen scharf.«

»Verzieh dich!«

»Bitte?« Olivia schien etwas verstört.

»Nicht du«, beschwichtigte er, schnitt Phineas eine Grimasse, und der junge Vampir verließ lachend das Büro. »Entschuldige bitte. Ich musste jemanden im Büro loswerden, damit wir ungestört sind.«

»Bist du bei der Arbeit?«

»Aye. Ich arbeite nachts.«

»Deshalb beantwortest du deine E-Mails auch nur nachts?«

»Aye.«

»Und du arbeitest bei Romatech Industries, wo sie synthetisches Blut herstellen?«

»Ich arbeite für MacKay S & I. Mein derzeitiger Auftrag ist Romatech.« Er runzelte die Stirn. Das war nicht die lustige, flirtende Unterhaltung, die er sich vorgestellt hatte. Warum fragte sie ihn so aus?

»Ich habe gelesen, dass zwei Standorte von Romatech letzten Sommer bombardiert worden sind. Anscheinend hatten nationale Terroristen damit zu tun?«

»Ja. Olivia, hast du deinen Überzieher und die Briefe, die ich dir geschickt habe, bekommen?«

»Du... du meinst den Pullover?«

»Aye.«

Sie zögerte, ehe sie murmelte: »Ja, habe ich. Danke.«

Irgendetwas stimmte nicht. Statt wie gewöhnlich gut gelaunt und freundlich zu sein, schien sie misstrauisch und reserviert. »Du hast Patmos ohne Vorwarnung verlassen. Ich habe mir Sorgen um dich gemacht.«

»Ich musste meine Großmutter so schnell es ging zu meinem Vater nach Hause bringen. Ich hatte Befürchtungen, was ihre Sicherheit angeht.«

»Wegen der Äpfel?«

Ein tiefer Seufzer war durchs Telefon zu hören. »Woher weißt du davon? Das habe ich in meiner Nachricht nicht erwähnt.«

»Oberflächliche Untersuchung. Du hast mir von dem Bastard erzählt, der dich belästigt. Ich habe die Frau in der Taverna gefragt, warum du so plötzlich aufgebrochen bist, und sie hat gesagt, etwas hat dir Angst gemacht. Ich habe sie gefragt, ob du Äpfel bekommen hast, und sie hat Ja gesagt.«

»Oh.«

»Ich wünschte, du wärest geblieben, Olivia. Ich bin ein Experte in Sicherheitsfragen und Detektivarbeit. Ich hätte dir helfen können.«

»Ich... ich bin es gewohnt, mich um mich selbst zu kümmern. Und ich musste hierher zurück, wo ich den Dingen auf den Grund gehen kann.«

War ihr überhaupt in den Sinn gekommen, dass er helfen wollte? Verstand sie nicht, wie viel er sich aus ihr machte? »Und, hast du herausgefunden, wer dir die Äpfel geschickt hat?«

»Nein. Aber ich hoffe, ich mache dieses Wochenende einige Fortschritte. J. L. und ich fahren nach Missouri, um die Mutter von Otis Crump zu befragen.«

Robby packte das Telefon fester. »Wer ist J. L.?«

»J. L. Wang. Ein Special Agent aus dem Büro. Er hilft mir dabei, der Sache auf den Grund zu gehen.«

»Er?«

»Ja. Er ist ein guter Freund. Oh...« Sie hielt inne. »Bist du... eifersüchtig?«

»Nay.« Robby zuckte zusammen. »Ja, verdammt. Ich sollte es sein, der dir hilft.« Er war versucht, sich direkt zu ihr zu teleportieren, aber das würde im Augenblick nur noch mehr Probleme verursachen. »Ich dachte, du begreifst, wie viel ich mir aus dir mache.«

»Ich... ich will es glauben.«

Sie glaubte ihm nicht? Verdammt, das tat weh. Er griff nach einem Stift und einem Block Papier. »Ich werde dir helfen, Olivia. Erzähl mir alles, was du über Otis weißt.«

»Ich... Mach dir keine Sorgen deswegen. Ich habe das im Griff.«

»Du willst meine Hilfe nicht?«

»Ich... weiß dein Angebot zu schätzen, aber ich kümmere mich selbst darum.«

Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht. Warum wies sie ihn zurück? Sie hatte kein Problem damit, Hilfe von diesem J. L. anzunehmen. »Was ist passiert, Olivia? Warum kannst du mir nicht vertrauen?«

»Das will ich. Ich will es wirklich. Aber es ist schwer, weil ich dich nicht lesen kann, und es kommt mir so leichtsinnig vor, dir blind zu vertrauen.«

Es gab für Robby nichts Schlimmeres, als nicht für vertrauenswürdig gehalten zu werden. »Auf Patmos warst du glücklich. Du hast mir vertraut. Was hat sich geändert?«

Olivia zögerte und machte dann ein verzweifeltes Geräusch. »Die Äpfel sind gekommen. Wer auch immer sie geschickt hat, wusste, wo ich bin.«

Er warf seinen Stift auf den Schreibtisch. »Gut. Und wer wusste, dass du auf der Insel bist?«

»Meine Familie, ein paar Leute im Büro.«

»Wenn deine Familie so treu und fürsorglich ist wie deine Großmutter, dann kannst du sie guten Gewissens von der Liste nehmen. Gibt es in deinem Büro irgendwelche Verdächtigen?«

»Es gibt jemanden, der mich belogen hat. J. L. ist dabei, ihn zu überprüfen.«

Wieder dieser J. L. Robby stöhnte innerlich auf. »Was ist mit diesem J. L.? Wang, hieß er nicht so? Könnte er es sein?«

»Oh, nein. Er ist immer ehrlich zu mir gewesen. Er lässt sich ganz einfach lesen.«

Und ihn konnte sie nicht lesen, weil er untot war. Robby bemühte sich, seine Ungeduld im Zaum zu halten. »Dann wollt ihr also die Mutter von Otis verhören? Woher sollte sie wissen, dass du auf Patmos gewesen bist?«

Olivia seufzte. »Ich weiß es nicht. Ich klammere mich zurzeit an Strohhalme.«

»Es muss eine andere Erklärung geben.« Als sie nicht antwortete, wusste er, dass sie ihm etwas vorenthielt. »Sag es mir.«

»Ich kann nicht. Du regst dich darüber nur auf. Ich habe mich selbst ja auch ganz schrecklich aufgeregt.«

»Erzähl es mir!«

»Mein Vorgesetzter meint, Otis hat vielleicht einen Profi angeheuert, um mich zu verfolgen.«

»Bei deiner Ausbildung hättest du doch gemerkt, wenn jemand dich verfolgt.«

»Vielleicht«, flüsterte sie. »Es sei denn, er war so gut darin, sich dort zu verstecken, wo ihn alle sehen können, dass er mich einfach hereingelegt hat.«

Das Beben in ihrer Stimme ließ Robby einen Schauer über den Rücken laufen. Hatte sie auf Patmos jemanden getroffen, der sie hereingelegt haben konnte?

Endlich begriff er, was sie sagen wollte. Verdammt noch mal. »Du dachtest, ich wäre es?«

»Robby, denk doch nach«, sagte sie schnell. »Du bist ein Profi. Wir kannten uns kaum eine Woche...«

»Wir haben unsere Seelen voreinander entblößt! Wie konntest du...« Es schrie in seinem Kopf. Sein Herz verkrampfte sich in seiner Brust.

Tatsächlich, sie dachte, er hätte sie hintergangen. Er? Noch nie in seinem Leben hatte Robby irgendwen hintergangen. Er ließ das Telefon auf den Tisch fallen und ballte seine Fäuste.

» Verdammt noch mal!« Er schlug seine Faust so fest gegen die Wand, dass ein Loch entstand.

Schwer atmend starrte er die zerborstene Rigipsplatte an. Normalerweise verlor er die Kontrolle nicht so leicht, aber verdammt, wie konnte sie ihn im Verdacht haben? Sollte es jedes Mal so sein? Würde keine Frau je an ihn glauben? Oder ihm treu bleiben?

»Verdammt!« Er nahm sich eine Serviette von der Anrichte, auf der die Kaffeemaschine der Tagwache stand, und presste sie gegen seine aufgeschnittenen und blutigen Knöchel.

»Robby? Robby, bist du noch dran?« Olivias Stimme ertönte aus dem Telefon.

Die anderen Angestellten von Mac Kay würden das Loch bemerken, daran gab es keinen Zweifel. Und dann würden sie sich einen Spaß daraus machen, ihn damit aufzuziehen.

»Robby!«

Er ließ sich in den Stuhl fallen und nahm den Hörer auf. »Ich bin da.«

»Ist alles in Ordnung?« Ihre Stimme zitterte, und er fragte sich, ob sie weinte. »Ich habe einen schrecklichen Krach gehört.«

»Ich habe... renoviert.« Er betrachtete das Loch. »Ich glaube, man nennt das eine Wandnische.«

»Ich habe dich fluchen hören. Ist alles in Ordnung?«

»Nay. Ich bin verdammt wütend. Ich kann nicht fassen, dass du mich im Verdacht hattest. Ich würde dir nie etwas tun.«

»Ich hatte befürchtet, dass du deswegen verärgert bist. Deshalb wollte ich es dir ja nicht erzählen. Ich weiß, wie sehr es wehtut. Es hat mich fast umgebracht, als mir der Gedanke zum ersten Mal gekommen ist.«

Er warf die blutverschmierte Serviette in den Papierkorb. »Warum hast du überhaupt daran gedacht?«

»Mein Vorgesetzter hat mich gefragt, ob ich auf Patmos jemanden kennengelernt habe, der Privatdetektiv sein könnte. Es war nur logisch...«

»Nay! Olivia, ich würde dich nie hintergehen. Du musst wissen, wie sehr ich jede Art von Betrug verabscheue.«

Sie schniefte. »Ich wollte es nicht glauben. Ich habe geweint und geweint. Mein Herz ist daran fast zerbrochen.«

»Wenn es dir so wehgetan hat, warum hast du es dann überhaupt in Betracht gezogen? Was hat dich an mir zweifeln lassen?«

»Es liegt nicht an dir. Es liegt an mir. Ich komme nicht damit klar, dass ich dich nicht lesen kann. Ich musste mich noch nie zuvor nur auf meinen Instinkt verlassen, und ich habe Angst, dass ich nicht darauf vertrauen kann. Und ich habe Schwierigkeiten damit, zu glauben, dass jemand wie du sich tatsächlich in weniger als einer Woche in mich verlieben könnte.«

»Machst du Witze? Ich kann nicht verstehen, wieso nicht jeder Mann auf der Welt in dich verliebt ist. Du bist schön, klug, mutig... du bist alles, was ich je gewollt habe.«

Aus dem Telefon erklang ein seltsames, abgewürgtes Geräusch, wie ein unterdrücktes Schluchzen. »Oh Robby.«

»Olivia.« Er brauchte seine gesamte Selbstkontrolle, um sich nicht zu ihr zu teleportieren und sie in den Arm zu nehmen. Er hörte in der Ferne ein Geräusch. Sie putzte sich die Nase.

»Deshalb habe ich nicht auf deine Briefe geantwortet. Ich... ich habe die ersten beiden weggeworfen. Es hat zu sehr wehgetan, sie zu sehen.«

»Und deshalb hast du auch nicht angerufen.« Er atmete tief ein und wieder aus. »Und wie denkst du jetzt darüber?«

»Ich glaube dir.« Ihre Stimme bebte vor Emotionen. »Ich habe deine Reaktion gehört. Es klang wie der Schmerz, den auch ich durchlitten habe. Robby, es tut mir so leid.«

»Ist schon gut, Liebes. Wir stehen das durch.« Bis zur nächsten Katastrophe. Früher oder später musste er ihr die Wahrheit über sich selbst gestehen.

Noch nicht. Noch war ihre Beziehung zu frisch und zerbrechlich. Zuerst mussten sie die plötzliche Trennung überleben, und jetzt diese Krise voller Zweifel und Verdächtigungen. Er wollte ihre Beziehung an diesem Punkt nicht noch weiter belasten. Er brauchte Zeit. Zeit, um ihr zu beweisen, wie sehr man ihm vertrauen konnte und wie sehr er sie liebte.

Ihre Romanze hatte sich so schnell entwickelt, dass Olivia keine Chance gehabt hatte, ihn gut genug kennenzulernen. Auch wenn er versucht war, sich direkt zu ihr zu teleportieren, wusste er doch, dass er sich zurückhalten musste. Sie brauchte Zeit, um ihn kennenzulernen und Vertrauen zu fassen. Die körperliche Anziehung zwischen ihnen war stark, aber sie war nicht genug. Er konnte sein Geheimnis nicht offenbaren, ehe sie ihm vollkommen vertraute.

»Ich will dich nicht verlieren, Robby«, flüsterte sie. »Ich habe noch nie für jemanden so empfunden wie für dich.«

»Du wirst mich nicht verlieren, Liebes.« Er nahm seinen Stift und das Papier. »Jetzt erzähl mir alles, was du über Otis weißt, damit ich dir helfen kann.«

Die nächsten dreißig Minuten machte er sich Notizen und stellte Fragen. Sie versprach ihm, am nächsten Abend anzurufen und ihn wissen zu lassen, was sich herausgestellt hatte.

Dann übermannte sie die Müdigkeit. »Ich sollte ins Bett gehen. J. L. holt mich morgen früh ab.«

Dieser J. L. Wang musste ebenfalls überprüft werden. Robby machte sich einen Vermerk. »In Ordnung. Pass auf dich auf, Liebes.«

»Du auch. Danke, dass du mich verstehst.« Sie hielt inne. »Ich wünschte, ich könnte dich berühren.«

Er schloss die Augen. »Ich wünschte, ich könnte dich küssen.«

»Ich rufe dich morgen wieder an. Gute Nacht.«

Robby legte das Telefon auf die Station zurück. Er war so nahe daran gewesen, sie zu verlieren. Wie würde sie die Nachricht über seine Daseinsform aufnehmen?

Er stützte seinen Kopf in die Hände. Sie warf ihm vielleicht vor, dass er sie belogen hatte. Und sie hätte recht damit. Er enthielt ihr absichtlich einen Teil der Wahrheit vor, während er sie umwarb. Wenn er es ihr jetzt offenbarte, würde er sie verlieren. Wenn er wartete, könnte er sie immer noch verlieren. Sie war vielleicht nicht in der Lage, ihm dieses Hintergehen zu vergeben.

Wie man's macht, macht man's verkehrt.

****

Erleichtert nahm Robby den Anruf von Olivia am Samstagabend entgegen. Sie berichtete, dass Otis' Mutter den Lügendetektortest bestanden hatte. Mrs Crump wusste nichts von Äpfeln, aber sie war hocherfreut gewesen, Olivia kennenzulernen. Otis hatte ihr erzählt, dass er und Olivia sich liebten und es ihr Schicksal war, auf ewig zusammen zu sein.

»Hast du ihr die Wahrheit gesagt?«, fragte Robby.

»Das habe ich versucht, aber ich glaube nicht, dass es bei ihr angekommen ist. Sie ist überzeugt, dass Otis unschuldig ist und eines Tages wieder freigelassen wird. Sie verschließt die Augen vor der Wahrheit, so fest sie kann.«

»Na ja, vielleicht kann sie anders nicht mit der Wirklichkeit fertigwerden. Wer würde zugeben wollen, einen psychopathischen Mörder großgezogen zu haben?«

Das sah Olivia genauso. »Ganz genau. Wie dem auch sei, nachdem wir bei der Mutter nicht fündig geworden sind, haben wir es bei seinem Bruder versucht, er lebt in Indianapolis.«

»Also seid ihr vorbeigefahren?«

»Ja. Wir haben ihn vor etwa einer Stunde gesprochen. Seine Aura war vor lauter Wut leuchtend rot mit schwarzen Flecken. Er war wütend auf uns, auf seine Mutter, wütend auf die ganze Welt. Hinterher habe ich die örtliche Polizei angerufen, damit sie dort ein Auge auf ihn haben. Der Typ steht kurz vor der Explosion, und ich glaube, er ist zu extremer Gewalt fähig.«

Robby zuckte zusammen. Das war schlimm. Wenn der Bruder Olivia dafür verantwortlich machte, dass Otis im Gefängnis saß, war sie vielleicht in Gefahr. »Wusste er etwas von den Äpfeln?«

»Nichts. Er wusste überhaupt nichts, und das war die Wahrheit. Seine Gefühle waren absolut offen.«

»Bist du noch in Indianapolis?«

»Jepp. Es ist spät geworden, also haben wir uns ein Hotelzimmer genommen. Wir fahren morgen früh zurück.«

»Ihr seid in einem Hotelzimmer?« Robby versuchte ruhig zu bleiben.

»In getrennten Zimmern. Hat sich bei dir irgendetwas ergeben?«

»Ich hatte ein paar Ideen. Erstens müssen wir davon ausgehen, dass jeder in deinem Büro von deiner Reise nach Patmos wusste. Die wenigen, die es mit Sicherheit wussten, könnten mit den anderen geredet haben. Also müsst ihr sie alle überprüfen, von deinem Boss über deine Mitarbeiter bis hin zum Hausmeister.«

»Okay.«

»Ich sehe mir den Anwalt von Otis an«, fuhr Robby fort. »Er hat vielleicht schon vor Jahren weitreichende Instruktionen von Otis erhalten. Und wir müssen herausfinden, ob Otis auf eine Weise mit der Außenwelt Kontakt aufnehmen kann, von der das Gefängnis nichts weiß. Könnte er vielleicht eine Gabe haben?«

»Du meinst, er kommuniziert telepathisch?«

»Ich denke, wir müssen jede Möglichkeit in Betracht ziehen, egal wie bizarr sie ist.« Robby sprach noch etwa zehn Minuten mit ihr und legte dann auf, als sie duschen und sich schlafen legen wollte.

Die beste Zeit, ihr Apartment zu besuchen, dachte Robby. Er rief auf ihrer Festnetznummer an und benutzte ihre Stimme auf dem Anrufbeantworter als Leitfaden. Innerhalb von Sekunden hatte er sich in der dunklen Wohnung materialisiert. Seine Augen gewöhnten sich schnell an die Dunkelheit und entdeckten ein kleines Wohnzimmer. Darin befanden sich eine grüne Liege, ein Couchtisch und ein Fernseher auf einer kleinen Konsole. Ein Tisch für zwei stand in einem winzigen Essbereich neben der Küche.

Er überprüfte, ob alle Jalousien und Vorhänge geschlossen waren, ehe er das Licht anschaltete. Dann nahm er das Wanzen-Aufspürgerät, das er mitgebracht hatte, aus seinem Sporran. Wahrscheinlich war es Otis oder seinem angeblichen Komplizen nicht gelungen, Olivias Apartment zu verwanzen, aber er wollte auf Nummer sicher gehen.

Nachdem Wohnzimmer und Küche durchsucht waren, wagte er sich in ihr Schlafzimmer vor. Er konnte sich ihr Doppelbett nicht ansehen, ohne sich vorzustellen, wie Olivia nackt auf den kühlen blauen Laken lag. Jetzt, da er sich in ihre Wohnung teleportiert hatte, war der Ort in seinem übersinnlichen Gedächtnis gespeichert. Es würde schrecklich verlockend werden, sich nachts schnell zu teleportieren und zu ihr ins Bett zu steigen. Leider dürfte das Teleportieren für sie eher erschreckend als romantisch ausfallen.

Ihr Schlafzimmer, das Badezimmer und der Wandschrank waren alle sauber. Keine Wanzen. Er schaltete das Licht aus und sah aus dem Fenster. Er befand sich im ersten Stock, über einer Grünanlage und einem Parkplatz.

Draußen entdeckte Robby einen dunklen, umschatteten Ort, wo die Büsche zusammenwuchsen, und teleportierte sich dorthin. Wenn er sich beim nächsten Mal teleportierte, hatte er einen Ankunftspunkt vor ihrer Wohnung.

Er nahm sein Handy aus dem Sporran und rief auf Olivias Arbeitsnummer an. Dann materialisierte er sich im Gebäude des FBI in Kansas City. Ehe die Nachtwache ihn bemerken konnte, teleportierte er sich wieder zurück zu Romatech.

Jetzt, da diese drei Orte in seinem übersinnlichen Gedächtnis gespeichert waren, fühlte er sich viel besser. Wenn Olivia ihn brauchte, konnte er innerhalb von Sekunden bei ihr sein. Er hatte erst in der Nacht zuvor mit seinen Ermittlungen angefangen, aber er hatte schon genug erfahren, um sich Sorgen zu machen.

Otis Crump war krank und gefährlich, ein wirklich böser Mann. Und selbst wenn Crump anscheinend sein ganzes Leben lang eingesperrt blieb, wusste Robby, dass man das Böse niemals unterschätzen durfte.