11. KAPITEL

Zwei Wochen später...

 

Robby zögerte, bevor er in den Saal ging. Ihm grauste vor diesem Abend, aber alle erwarteten von ihm, dass er teilnahm. Niemand verpasste jemals den Weihnachtsball von Romatech Industries. Die Trennwände zwischen acht großen Konferenzräumen waren entfernt worden, um einen riesigen Ballsaal zu schaffen. Eine Band, die High Voltage Vamps, war auf der Bühne und spielte einen Walzer. Normalerweise würde er die melodische Musik genießen, aber heute Nacht war für ihn alles nur Lärm.

Shanna Draganesti hatte sich in diesem Jahr selbst übertroffen. Statt des üblichen viereinhalb Meter hohen Weihnachtsbaumes gab es vier, einen in jeder Ecke des Ballsaales. Riesige Eisskulpturen in der Form von Rentieren schmückten die Büfetttische. Den schrumpfenden Geweihen nach zu urteilen, standen sie schon einige Stunden dort. Die Party fing normalerweise um vier Uhr nachmittags an. Tonnenweise wurden Speisen für Sterbliche aufgefahren, und eine Band spielte für die ahnungslosen sterblichen Angestellten, die tagsüber bei Romatech arbeiteten. Um halb sieben schickte man die letzten von ihnen fort, und im Ballsaal ging eine kaum merkliche Veränderung vor.

Alle Büfetttische bis auf einen wurden abgeräumt. Riesige Eiskübel wurden hereingefahren, in denen Flaschen voller Vampire Fusion Cuisine steckten. Roman Draganesti war ein wissenschaftliches Genie. Er hatte synthetisches Blut entwickelt und mit Bier, Whiskey, Schokolade und Champagner zu Geschmacksnoten wie Blier, Blissky, Chocolood und Bubbly Blood kreiert. Für diejenigen, die es übertrieben hatten, gab es Blood Lite, synthetisches Blut mit niedrigem Cholesterinspiegel und geringem Blutzucker.

Die Paare drehten sich glücklich auf der Tanzfläche, und Robby beschloss, sich ausgiebig am Blissky gütlich zu tun. Das war der beste Weg, diese Nacht zu überleben. Zum Teufel, es war der einzige Weg.

Auf dem Weg zum Tisch mit dem Blissky entdeckte er Howard Barr, der als Santa Claus verkleidet war und auf einem Thron saß. Howard hatte ein Baby auf seinem Schoß, ein kleines Mädchen mit lockigem schwarzem Haar. Das musste Sofia sein, das jüngste Kind der Draganestis. Ihr älterer Bruder, Constantine, war als Wichtel verkleidet, hüpfte um den Thron und versuchte, die Glocken an seinen spitzen Schuhen zum Klingeln zu bringen. Shanna hatte eine gute Wahl getroffen, Howard mit der Beaufsichtigung der Kinder zu beauftragen. Der Werbär würde wild werden, wenn jemand seine Schützlinge bedrohte.

Zwei kleine Mädchen rannten zu Constantine. Robby erkannte Bethany, Jean-Lucs Stieftochter, und Lucy, Maggies Stieftochter. Das konnte nur bedeuten, dass Jean-Luc und seine Frau Heather ebenfalls teilnahmen, und mit ihnen Maggie und ihr Mann, Pierce O'Callahan.

Robby stöhnte innerlich auf. Genau, was er brauchte, ein Abend inmitten glücklicher Pärchen. Er schnappte sich eine Flasche Blissky aus einer Wanne voller Eis. Auf dem Tisch standen auch Gläser, aber er machte sich nicht die Mühe. Er schraubte den Deckel der Flasche ab und stellte sie in die Mikrowelle.

Warum hatte sie nicht angerufen? Olivia hätte das Päckchen längst erhalten müssen. Er hatte die Sendungsverfolgung zweimal abgesichert und wusste, dass ihr Pullover beim FBI in Kansas City angekommen war. Er hatte eine Nachricht dazugelegt, in der stand, wie sehr er sie vermisste und dass er sie wiedersehen wollte. Er hatte auch seine Handynummer dazugeschrieben, damit sie ihn anrufen konnte.

Sie hatte nicht angerufen. Wie konnte er das anders deuten, als dass sie nicht so empfand wie er? Er war vor zwei Nächten, nachdem er seinen unfreiwilligen Urlaub endlich hinter sich gebracht hatte, nach New York zurückgekehrt. Wenn Angus und Emma erwartet haben sollten, ihn fröhlich und voller Energie wiederzubekommen, konnten sie sich auf eine Enttäuschung gefasst machen.

Im Grunde genommen fühlte er sich noch schlechter. Vorher, als ihn noch die Wut verzehrte, hatte er wenigstens ein Ziel gehabt. Sein Rachedurst hatte ihn motiviert und ihm eine Leidenschaft gegeben. Jetzt fühlte er sich nur noch wie eine leere Hülle, ertrug jede Nacht stumm, tat seine Pflicht und versuchte, nicht alle fünf Minuten auf sein Handy zu sehen, ob er einen Anruf verpasst hatte.

Er öffnete die Mikrowelle und verbrannte sich die Finger an der heißen Flasche. »Teufel.« Er hatte sie zu lange erhitzen lassen.

Hinter ihm ertönte Gekicher. Er drehte sich um und entdeckte, dass Constantine, Bethany und Lucy ihm zusahen.

Bethany hob ihr Kinn und sah ihn tadelnd an. »Du hast ein schlimmes Wort gesagt.«

»Aye, das habe ich.« Robby neigte seinen Kopf. »Es tut mir leid.«

»Du hast einen Kilt an«, verkündete Constantine.

»Sehr gut aufgepasst.« Robby schluckte etwas von dem heißen Blissky. Er brannte seine Kehle hinunter, und ihm gefiel das Gefühl.

»Mach schon«, flüsterte Constantine und stieß Bethany mit dem Ellbogen an. »Wetten, du traust dich nicht?«

»Iiih!« Bethany verzog das Gesicht und rannte zu Howard zurück, eine kichernde Lucy im Schlepptau.

»Tino!« Robby hob eine Augenbraue. »Was hast du vor, Lad?«

Constantine setzte sein engelhaftestes Gesicht auf, was ihm mit seinen blonden Locken und den großen blauen Augen leicht fiel. »Ich habe mich nur gefragt, ob du es genauso machst wie Onkel Angus. Ich habe gehört, er trägt keine Unterhosen. Also habe ich mit Bethany gewettet, dass sie sich nicht traut, unter deinen Kilt zu gucken.«

Robby nahm noch einen Schluck aus der Flasche. »Erstens, du solltest den kleinen Mädchen keine Angst machen. Sonst endest du noch alt und einsam.« So wie ich. Er schluckte mehr Blissky. »Und zweitens, du solltest deine Zeit nicht damit zubringen, dir Gedanken um die Weichteile von anderen Männern zu machen.«

Tino sperrte den Mund weit auf. »Das... das mache ich nicht. Ich wollte nur Bethany ärgern. Ehrlich.«

»Du bist ein guter Junge. Und ich weiß jetzt, was ich dir zu Weihnachten schenke.«

Tino grinste und hüpfte, bis seine Schuhe klirrten. »Was? Was schenkst du mir?«

»Einen Kilt.«

Ein Blick reinen Entsetzens glitt über das Gesicht des Jungen, ehe seine gute Erziehung einsetzte. Sein Lächeln wirkte allerdings ein wenig erzwungen. »Danke, Robby.« Mit klimpernden Schuhen rannte er davon. »Mom, Mom!« Auf der Suche nach seiner Mutter durchquerte er den ganzen Saal.

Robby leerte den restlichen Blissky aus. Eine angenehme Wärme begann sich in seiner Brust auszubreiten und sein Gehirn in Watte zu packen. Er stellte gerade eine neue Flasche in die Mikrowelle, als Tino seine Mutter fand. Mit seinem übermenschlichen Gehör konnte Robby ihr Gespräch belauschen.

»Tino, was ist los?« Shanna beugte sich zu ihrem Sohn hinab.

»Wenn Robby mir einen Kilt schenkt, muss ich ihn dann anziehen?«

Shanna grinste. »Ich glaube, du würdest in einem Kilt sehr niedlich aussehen.«

»Agh!« Tino rannte zurück zu Howard, um ihm die schreckliche Nachricht zu überbringen.

Robby seufzte, als er die Flasche aus der Mikrowelle nahm. Er trug jedenfalls seinen Teil dazu bei, Weihnachtsstimmung zu verbreiten. Er prostete der tropfenden Rentierstatue zu und nahm einen langen Zug.

»Ist das wahr, Robby?«, ertönte eine weibliche Stimme hinter ihm.

Er wirbelte herum und sah einen Augenblick lang doppelt. Zwei Shanna Draganestis im gleichen roten Kleid. »Shanna. Schöne Feier, wie immer.« Er verbeugte sich und sah dabei zu, wie ihre vier Füße wieder zu zweien verschmolzen.

»Ich habe beunruhigende Neuigkeiten gehört«, sagte sie, zum Glück mit nur einer Stimme. »Ich hoffe, ich kann dich umstimmen.«

Er richtete sich auf, und der Saal begann sich um ihn zu drehen. »Ich kaufe dem Jungen schon keinen Kilt, wenn er sich so aufregt.«

»Darum geht es nicht.« Shanna winkte ab. »Ich habe gehört, du hast deinen Namen von der Weihnachtswichtel-Liste gestrichen. Hast du diesen Heiligabend nicht vor, Geschenke zu verteilen?«

»Ich bin dieses Jahr nicht gerade in Feierlaune.«

»Genau deshalb solltest du es machen«, sagte sie eindringlich. »Du fühlst dich danach sicher viel besser.«

Warum wollte jede Frau ihn heilen? Berichtigung, jede Frau bis auf die, die er wollte. In seinem Fall konnte nur Blissky helfen.

Shanna stemmte die Hände in die Hüften. »Dich zu betrinken wird keines deiner Probleme lösen.«

»Aye, aber ich kümmere mich dann wenigstens keinen Dreck mehr darum.« Er legte den Kopf in den Nacken und stürzte den Rest der Flasche hinunter.

»Robby, bitte, du musst zu einem Therapeuten gehen. Emma und ich haben letzte Nacht darüber gesprochen, und du hast eindeutig...«

»Nicht noch ein Therapeut. Der letzte hat mich fast umgebracht.«

Erstaunt starrte Shanna ihn an. »Du warst bei einem Therapeuten? Wann? Wo?«

»Auf Patmos. Aber sie ist davongelaufen.« Er nahm eine dritte Flasche aus der Eiswanne.

»Sie?«

»Aye.«

Shanna keuchte auf. »Dann stimmt es also.«

»Ich bin nicht verrückt. Bin ich nie gewesen.«

»Nein, ich meine, Carlos hatte recht. Er hat uns gesagt, du hättest Liebeskummer, aber wir wussten nicht, dass du jemanden kennengelernt hast...«

»Dieser verdammte Carlos. Ich habe ihm gesagt, er soll die Klappe halten.« Diesem Mann konnte man wirklich kein Geheimnis anvertrauen, dachte Robby resigniert.

»Und, wer ist sie?«, fragte Shanna.

»Eine griechische Göttin.« Er machte eine dramatische Geste mit seiner Flasche. »Sie zu kennen bedeutet, sie anzubeten. Sie zu lieben heißt, für den Rest des Lebens schlechte Poesie von sich zu geben.«

Shannas Mundwinkel zuckten. »Das klingt sehr vielversprechend.«

»Nay.« Er presste die Flasche gegen seine Brust. »Sie interessiert sich nicht für mich.«

»Oje.«

»Oh verdammter Drecksmist noch mal«, berichtigte er sie.

»Versuch wenigstens, nicht bewusstlos unter den Tisch zu fallen. Das könnte die Kinder erschrecken.«

»Wie Ihr wünscht, Madam.« Er schraubte eine Flasche auf und trank den Blissky kalt.

»Oh, sieh nur.« Shannas Gesicht leuchtete auf. »Darcy und Austin sind angekommen. Hast du ihre guten Neuigkeiten schon gehört?«

»Nay, aber ich habe das schreckliche Gefühl, ich werde...«

»Du weißt doch, dass Darcys Eizellen alle abgestorben sind, als sie zum Vampir geworden ist?«

»Ich kannte ihre Eizellen nicht persönlich.«

Tadelnd sah Shanna ihn an. »Sie hat einige Eizellen von ihrer Schwester bekommen, und Roman hat Austins Sperma benutzt, um sie zu befruchten. Und es hat funktioniert! Sie sind schwanger.«

Robby warf Austin einen trüben Blick zu. »Er sieht nicht sehr schwanger aus.« Als Shanna ihm auf die Schulter klapste, stolperte er seitwärts.

Sie schüttelte missbilligend den Kopf. »Wenigstens von Jean-Luc und Heather weißt du aber, oder?«

»Nay. Man hat mich für vier Monate auf eine abgelegene Insel abgeschoben. Ich glaube, das Gleiche machen die Sterblichen mit Weihnachtsgebäck, das sie nicht mögen.«

»Wir sind dich alle besuchen gekommen«, wendete Shanna ein. »Aber wie dem auch sei, als Jean-Luc und Heather von Patmos zurückgekommen waren, haben sie Roman gesagt, sie wollen Kinder. Also hat er in seine Trickkiste gegriffen, und es hat funktioniert!«

»Oh, das ist gut.« Robby freute sich ehrlich für Jean-Luc. Roman hatte einen Weg gefunden, lebendiges menschliches Sperma zu benutzen, die DNS des Spenders allerdings zu löschen und durch die eines Vampirs zu ersetzen. Dank Romans Verfahren war Jean-Luc wirklich der biologische Vater seines Kindes. Genau wie Constantine und Sofia die biologischen Kinder von Roman waren. Allerdings waren sie nicht ganz menschlich.

Vielleicht war es gut so, dass Olivia ihn nicht angerufen hatte. Er hatte seine Zweifel, dass sie einen Vampir heiraten und seine Halbvampir-Kinder gebären wollte.

»Und rate, was noch?«, unterbrach Shannas aufgeregte Stimme seine Gedanken. »Sie bekommen Zwillinge! Ist das nicht aufregend!«

»Aye, ich kann kaum an mich halten.«

Der Kommentar schien Shanna nicht zu gefallen. »Du solltest versuchen, dich für deine Freunde zu freuen.«

»Tue ich ja. Es beglückt mich, dass alle außer mir glücklich verheiratet sind und sich fortpflanzen wie die Kaninchen.«

»Nicht alle hier sind verheiratet. Lady Pamela und Cora Lee stehen da drüben am Tisch mit dem Chocolood. Sie warten wahrscheinlich darauf, dass jemand sie zum Tanzen auffordert.«

»Nein, danke.« Er würde nur mit Olivia tanzen.

»Wie wäre es mit unseren berühmten Models Simone und Inga?« Shanna deutete auf den Tisch, auf dem das Blood Lite stand. »Du kennst sie doch, oder, aus deiner Zeit in Paris?«

»Aye. Das ist ja das Problem. Ich kenne sie. Wenn Eitelkeit und Oberflächlichkeit Tugenden wären, würde man sie heiligsprechen.«

Ausnahmsweise musste Shanna ihm recht geben. Sie grinste, während sie sich im Saal umsah.

»Du musst nicht die Kupplerin spielen«, sagte Robby zu ihr, »ich komme zurecht.«

»Bist du sicher?«

»Aye. Mach schon. Genieß deine Party.«

Shanna klopfte ihm auf die Schulter. »Frohe Weihnachten, Robby.« Schnell ging sie in Richtung der Kinder davon.

Soweit Robby hören konnte, bekam Constantine gerade einen Vortrag von Angus über die Vorzüge des Kilt-Tragens, während Roman belustigt zuhörte. Shanna zog Emma zur Seite und flüsterte ihr etwas zu.

So ein Mist. Vielleicht war der viele Blissky doch keine so gute Idee gewesen. Er hatte ihm die Zunge zu sehr gelöst. Jetzt würden alle von seinem tragischen Liebesleben erfahren.

Er drehte sich um und sah auf die Tanzfläche. Die Band spielte eine langsame Melodie, und die Paare wiegten sich eng umschlungen dazu. Verdammt noch mal. Hatte diese Nacht niemals ein Ende? Egal, ein Schluck Blissky würde schon darüber hinweghelfen.

»Robby, mein Junge.« Angus stellte sich neben ihn und schlug ihm auf den Rücken.

Er stolperte vorwärts und fing sich an einem der Tische. Bei einem Blick zur Seite registrierte er Emma, die ihn mit gerunzelter Stirn ansah. Und neben ihm stand Angus, der ihn finster beobachtete. Er sah noch einmal nach links, aber der Saal fing an, sich zu drehen, also stellte er sich breitbeiniger hin, um nicht zu schwanken. Emmas Stirnrunzeln vertiefte sich.

Er seufzte. »Womit habe ich das Vergnügen eurer fröhlichen Gesellschaft verdient?«

Emma riss ihm die Blisskyflasche aus der Hand. »Shanna hat mir gesagt, dass du dich betrinkst.«

»Da liegt sie falsch. Ich bin bereits betrunken. Ich fühle mich sehr angenehm berauscht hier drin.« Er versuchte sich mit dem Finger an die Schläfe zu tippen, aber er traf daneben und schlug sich auf die Nase. »Ich bin heute Nacht nicht im Dienst, hört also auf, so ein Theater zu machen.«

Angus' Miene wurde sanfter. »Ich bin nicht wütend auf dich. Ich mache mir nur Sorgen.«

Emma berührte seine Schulter. »Willst du darüber reden?«

»Nay.«

»Wie heißt sie?«, fragte Emma weiter.

»Was gibt es Neues von Casimir?« Robby war stolz auf sich, wie geschickt er das Thema wechselte.

Zum Glück schluckte Angus seinen Köder. »Wir haben eine Spur von ihm in Bulgarien. Zoltan und Mikhail überprüfen sie.«

»Warum dauert das so lange?«, fragte Robby. »Casimir und seine Anhänger töten, nachdem sie getrunken haben. Ihr solltet sie einfach finden können, indem ihr der Spur aus Leichen nachgeht.«

»Aye, normalerweise würde das funktionieren«, stimmte Angus ihm zu. »Aber anscheinend versteckt er sich gerade ohne seine Anhänger. Er vertraut niemandem mehr. Und wir glauben, dass er sich sogar beim Töten zurückhält, um unentdeckt zu bleiben.«

»Das muss dem Bastard schwerfallen«, murmelte Robby.

»Im Augenblick mache ich mir mehr Sorgen um dich, Lad.«

So schnell ließ sich Angus anscheinend doch nicht ablenken.

»Können wir irgendetwas für dich tun?«, fragte Emma.

»Du kannst mir die Flasche wiedergeben.« Robby streckte die Hand danach aus.

Emma stellte sie auf den Tisch. »Wie heißt sie?«

»Olivia.« Robby griff nach der Flasche. Er setzte sie an, stellte sie dann aber wieder hin. Die Aufregung war verflogen, und der Schmerz war immer noch da. »Ich komme zurecht. Geht schon, tanzt, vergnügt euch.«

»Wir sind noch bis nach Weihnachten in New York, falls du uns brauchen solltest«, sagte Angus.

Emma klopfte ihm auf die Schulter. »Frohe Weihnachten, Robby. Mögen all deine Wünsche wahr werden.«

»Frohe Weihnachten.« Er sah zu, wie sie auf die Tanzfläche gingen.

Mögen alle deine Wünsche wahr werden. Er wünschte sich, dass Olivia ihn auf seinem Telefon anriefe. Nay, dass Olivia in seinem Bett läge. Er konnte sich genauso gut etwas Großes wünschen. Ihre Haare wären offen und ihre schwarzen Locken auf dem Kissen ausgebreitet. Sie würde die Arme nach ihm ausstrecken, ihre Beine würden sich um ihn schlingen, und er würde tief in sie...

»Was ist so lustig, Alter?«

Mit einem Ruck kam Robby zurück in die Gegenwart. »Lustig?« Er starrte Phineas finster an.

»Yeah, du stehst hier mit einem breiten Grinsen im Gesicht.« Phineas nahm eine Flasche Blissky aus der Wanne voller Eis. »Sag es mir nicht. Du hast an eine Frau gedacht.«

Robby stöhnte. »Ist das so offensichtlich?«

»Nur für mich, Alter. Ich bin hypersensibel, was das schöne Geschlecht und Fragen der Liebe betrifft.« Phineas stellte seine Flasche in die Mikrowelle. »Und Carlos hat nebenbei erwähnt, dass du Liebeskummer wegen einer heißen Schnecke hast.«

»Dieser verdammte Kater.«

»Entspann dich, Alter. Heute ist deine Glücksnacht. Der Love Doctor ist hier und stets zu Diensten. Bedien dich an meiner reichen Erfahrung, indem du alle Fragen romantischer Natur an mich richtest.«

Erst wollte Robby dankend ablehnen, doch dann besann er sich noch einmal. »Sie hat nicht angerufen.«

»Du hast sie gebeten, dich anzurufen?« Als Robby nickte, fragte Phineas weiter: »Wie oft?«

»Einmal. Ich habe ihr eine Nachricht geschickt.«

Für Phineas schien die Sache schon klar zu sein. »Einmal? Alter, du hast noch nicht mal angefangen. Nachdem du sie zwanzigmal gefragt hast, kannst du dir Sorgen machen.«

»Zwanzig Mal? Wäre das nicht ein wenig wie Stalking?«

Phineas winkte ab. »Nimm meine Situation. Ich bin wahnsinnig verliebt in diese LaToya Lafayette. Ich weiß, dass sie die Richtige für mich ist.«

»Aber ist das nicht die, die dich mit scharfer Soße vergiften wollte?«

»Ein winziges Hindernis auf der Straße der Liebe, Alter.« Phineas nahm seine Flasche aus der Mikrowelle. »Du kannst nicht erwarten, dass die wahre Liebe einfach wird. Hinterher hat sie gesagt, dass es ihr leidtut und sie nicht wollte, dass es mir solche Schmerzen bereitet. Wie du siehst, macht sie sich wirklich Gedanken.«

»Dann seid ihr jetzt zusammen?«, fragte Robby.

»Na ja, das nicht. Sie ist plötzlich zurück nach New Orleans gezogen.«

»Das klingt nach einer Abfuhr.«

»Alter, das klingt nach einer Herausforderung. Nur Schwächlinge geben auf.« Phineas trank von seinem Blissky. »Also, rate, wo ich über Weihnachten hinfahre?«

»New Orleans?«

»Richtig. Ich werde LaToya überraschen.« Phineas nahm noch einen Schluck Blissky. »Verdammt, das wird gut!«

Robby hatte seine Zweifel, ob LaToya Phineas je erhören würde. Trotzdem hatte der Love Doctor nicht unrecht. Um wahre Liebe lohnte es sich, zu kämpfen.

Eine einzige Nachricht war nicht genug. Robby hatte das Päckchen nach Kansas City geschickt, aber Olivia könnte auch immer noch in Houston sein. »Sie hat die Nachricht vielleicht gar nicht bekommen.«

»Richtig. Sie hätte in Timbuktu landen können.« Phineas hielt seine Flasche Blissky hoch. »Siehst du, Alter. Du musst dir immer sagen, die Flasche ist halb voll. Du musst daran glauben, dass es noch Hoffnung gibt.«

Robby nickte. Er musste Olivia vertrauen, musste darauf vertrauen, dass sie für ihn ihre Zweifel überwinden würde. »Du hast recht. Ich schreibe ihr noch einmal. Ich liebe sie. Ich werde nicht aufgeben.«

»So ist es richtig!« Phineas grinste. »Der Love Doctor hat es wieder einmal geschafft.«