Wiener Waterfront (Transdanubien)
Obgleich die Ufer der „schönen blauen Donau“ nur wenige U-Bahn-Stationen vom Stephansdom entfernt sind, werden Florisdorf und Donaustadt bisweilen „Transdanubien“ genannt, so als handele es sich bei den Stadtbezirken jenseits des Donaukanals um ein fernes Land. Wenn die aktuellen Stadtentwicklungspläne zur Profilierung der Wiener „Wasserkanten“ greifen, wird sich das allerdings bald ändern und Wien zum ersten Mal in seiner Geschichte nicht nur auf der Landkarte, sondern auch in seinem urbanen Erscheinungsbild eine „Stadt am Fluss“.
Jedenfalls haben die Wiener Stadtplaner, die
sich bei der bereits eingeleiteten Bebauung und Belebung von
Donaukanal und rechtem Donauufer von der städtebaulichen
Integration der einst industriell genutzten Hafenbrachen von
Amsterdam, Hamburg, Boston oder Sydney inspirieren lassen, den
Fokus derzeit auf die Wiener Waterfront gerichtet, die abgesehen
vom → Donauturm, Baujahr 1964, lange
Zeit ein Stiefkind der Stadtentwicklung war. Erst mit
Donauregulierung und Aufschüttung der → Donauinsel begann sich Wien zu Beginn der
1970er Jahre allmählich von seiner historisch internalisierten
Hochwasserangst zu befreien, um am Ende des Jahrzehnts die
tatsächlich exterritoriale → Uno-City hochzuziehen, ihr in den ausgehenden
1980ern das Kongresszentrum Austria
Center zur Seite zu stellen und Mitte der 1990er Jahre mit
dem Bau der Donau-City anzufangen. Der
Wohn-, Büro- und Geschäftsstadtteil entstand auf dem eigentlich für
die Weltausstellung 1995 erschlossenen Terrain. Nachdem die per
Plebiszit „abgesagt“ worden war, errichtete man dort mehrere
Hochhäuser, darunter Wilhelm Holzbauers Andromeda-Tower (1996) oder einen himmelstrebenden
Wohnturm aus der Werkstatt von Coop
Himmelb(l)au (1998), wobei quasi zeitgleich schräg vis-à-vis
am anderen Donauufer Boris Podreccas 202 m hoher Millennium
Tower (1997–1999) über die Stadt hinauswuchs.

Vor der imposanten, bis 2012 voraussichtlich noch um Dominique Perraults DC Towers bereicherten Skyline der Donau-City pulsiert sommertags an der Neuen Donau, über die sich eine Spazierganglänge weiter nordwestlich das 32 m hohe Minarett des → Islamischen Zentrums erhebt, das bunte, junge Strandleben der → Copa Cagrana, während an der → Alten Donau historische Strandbäder ihre Pforten öffnen und Naturfreunde in die feucht-schöne → Lobau aufbrechen. Das Naturschutzgebiet im stadtnahen Nationalpark Donauauen ist seit Oktober 2010 mit der U-Bahn-Linie 2 zu erreichen, die bis zum ehemaligen Flugfeld Aspern verlängert wurde. Dort wird gerade das Becken für einen See ausgehoben, um den bis 2028 Wiens neuer Stadtteil Seestadt Aspern mit zahlreichen Betrieben, 25.000 Arbeitsplätzen und 8.500 Wohnungen wachsen soll. Die besonderen Stadtentwicklungsbemühungen um diese flussnahe, größte Flächenreserve Wiens resultieren aus ihrer verkehrsgünstigen Lage an der Achse Wien – Bratislava. Die durchmisst die qua politischer Willensbekundung (2003) gegründete „Europaregion Centrope“ im Vierländereck Tschechien, Slowakei, Ungarn und Österreich, die in Zukunft verkehrstechnisch, wirtschaftlich und kulturell im doppelten Wortsinne „zusammenwachsen“ soll.
Muslime in Wien:
Islamisches Zentrum am (Neuen) Donauufer
Nachdem die historisch ersten Kontakte zwischen Österreichern und Muslimen (Türkenbelagerungen Wiens im 16. u. 17. Jh., österreichische Besetzung Bosnien-Herzegowinas 1908) eher feindseliger Natur waren, setzte man bald auf friedliche Koexistenz. So wurde 1912 der Islam per Gesetz als gleichberechtigte Religionsgemeinschaft anerkannt, und die Stadt Wien stellte ein Grundstück zur Verfügung, auf dem eine von Kaiser Franz Joseph I. großzügig finanziell geförderte Zentralmoschee gebaut werden sollte. Nachdem Erster Weltkrieg und Zusammenbruch der Donaumonarchie diese Pläne zunichte gemacht hatten und zwischen den beiden Weltkriegen nur noch wenige Muslime in Österreich lebten, knüpfte man nach der (Arbeits-)Einwanderung von Muslimen in den 1950er und 60er Jahren (derzeit leben 400.000 Muslime in Österreich) wieder an die Idee eines islamischen Zentrums an. 1968 versammelten sich in Wien die Botschafter von acht islamischen Ländern, um den Bau einer Moschee voranzutreiben. Die Stadt Wien unterstützte dieses Ansinnen mit einem Grundstück nahe dem Donaupark, wo noch im Februar 1968 der Grundstein für die Moschee gelegt wurde, deren Bau sich freilich aus Geldmangel verzögern sollte. Dank einer großzügigen Spende des damaligen Königs von Saudi-Arabien kamen die Arbeiten ab 1975 aber wieder in Gang, sodass am 20. November 1979 im Beisein der österreichischen und saudi-arabischen Politprominenz das Islamische Zentrum Wien eröffnet werden konnte. In seinem Verwaltungsrat sitzen Vertreter aus 29 islamischen Ländern, und das imposante Bauwerk integriert einen großen und einen kleinen Gebetsraum, eine Bibliothek sowie Verwaltungs- und Vortragsräume. Es wird von einer 16 m hohen Kuppel überwölbt und einem doppelt so hohen Minarett überragt, von dem Wiener Muslime jeglicher ethnischer Herkunft zum Gebet gerufen werden. In diesem Zusammenhang sei schließlich noch erwähnt, dass im Herbst 2008 im 23. Gemeindebezirk Liesing der erste islamische Friedhof auf österreichischem Boden eröffnet wurde.
(Am Bruckhaufen 3, Tel. 2630922, www.islamiccentre.at. Mo–Do, vormittags Führungen nach telefonischer Vereinbarung, U6 Neue Donau)