Stadtgeschichte
Restauration und Revolution
Josephs Nachfolger (Leopold II. und Franz II.) regierten die modernisierte, nunmehr auf eine Viertelmillion Einwohner angewachsene Stadt dagegen wieder mit starker absolutistischer Hand. Sie revidierten vor allem diejenigen Reformen, die die bürgerliche Autonomie förderten, um das Aufkommen revolutionärer Verhältnisse, wie sie seit 1789 in Frankreich herrschten, von vornherein zu unterbinden. Der gewünschte Effekt sollte jedoch noch gut zwei Jahrzehnte auf sich warten lassen.
Nachdem das revolutionäre Frankreich Preußen und Österreich 1792 erstmals herausgefordert hatte, folgte eine Reihe von sog. Koalitionskriegen um den Erhalt der alten monarchistischen Ordnung Europas. In deren Verlauf musste Österreich Gebietsverluste in Italien und Polen hinnehmen, Franz II. seinen Titel als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation abgeben und sich fortan mit der Position als Kaiser Franz I. von Österreich begnügen. 1805 und 1809 schließlich besetzten Napoleon Bonapartes Truppen Wien und schlugen den österreichischen Kaiser in die Flucht nach Ungarn.
Erst nach der Völkerschlacht bei
Leipzig, die im Oktober 1813 mit dem Zusammenbruch der
Streitkräfte Napoleons endete, kehrte Franz I. dauerhaft nach Wien zurück und
lud fast alle Staaten und Fürsten Europas von September 1814 bis
zum Juni 1815 zum Wiener Kongress
ein. Die Diskussionsleitung überließ er dem Fürsten von Metternich, der entscheidend dazu
beitrug, dass die Neuordnung des Kontinents im Sinne einer
Wiederherstellung der vorrevolutionären politischen Verhältnisse
erfolgte.

Während Metternich in den folgenden Jahrzehnten die politischen Geschicke Wiens lenkte, indem er mit drastischen polizeilichen (Überwachungs-)Maßnahmen jegliche national-liberale Regung zu ersticken suchte, reagierte das Wiener Bürgertum mit einem Rückzug in die private Idylle. Das gemeinhin unter dem Begriff „Biedermeier“ subsumierte zeitgenössische Lebensgefühl entfaltete sich nämlich vornehmlich in den eigenen vier Wänden, die mit raffinierten Möbeln ausgestattet wurden und zum halböffentlichen Schauplatz von Lesungen, Konzerten und Bällen avancierten.
Wirtschafts- und sozialhistorisch war die Periode zwischen 1815 und 1848 von einer rasant einsetzenden Industrialisierungswelle bestimmt. Textil- und Seidenproduktion expandierten und es kam zur Ansiedlung Metall verarbeitender Betriebe. Die damit einhergehende Bevölkerungsexplosion schuf gravierende soziale Probleme und es offenbarten sich die infrastrukturellen Defizite der Stadt, die um 1840 rund 400.000 Einwohner zählte. Zur Behebung der Mängel wurden seit den 1820er Jahren dampfmaschinenbetriebene Verkehrsmittel wie die Flotte der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft, die Nord- und Südbahnzüge und eine erste Pferdestraßenbahnlinie eingesetzt. Forciert durch eine große Cholera-Epidemie im Jahre 1830 entstanden mit der Kaiser-Ferdinand-Wasserleitung das erste größere Versorgungssystem mit verzweigtem Rohrnetz und ein Kinderspital. Die Pflasterung von Straßen wurde ausgeweitet und ihre Beleuchtung durch den Bau der ersten Gaswerke auf Wiener Boden garantiert.
Hatte sich das Wiener Bürgertum unter der Knute des Metternichschen Überwachungsstaates in die häusliche Immigration zurückgezogen, so stand es in den Wirren der Revolution von 1848 in der ersten Reihe. Bereits am 13. März verlangten die von Studenten und ungarischen Aufständischen unterstützten österreichischen Bürger unmissverständlich die Verabschiedung einer liberalen Verfassung und nötigten Metternich zum sofortigen Rücktritt. Der amtierende Kaiser – seit dem Tod Franz’ II. im Jahre 1835 war dies Ferdinand I., der als schwachsinnig galt – beugte sich dem Druck der Straße. Er präsentierte bald eine Verfassung, die jedoch von radikalen Kreisen als undemokratisch abgelehnt wurde, was weitere Unruhen und Straßenkämpfe auslöste. Doch während sich radikaldemokratisch Orientierte und ständisch-bürgerlich Gesinnte um die künftige Stoßrichtung der Politik stritten, formierte sich der Widerstand des alten Regimes. Nachdem die kaiserlichen Truppen die Stadt am 31. Oktober 1848 zurückerobert hatten, dankte Ferdinand I. ab und überließ seinem 18-jährigen Neffen Erzherzog Franz Joseph den Thron.
Der neue Herrscher hatte sich nach der weitgehenden Wiederherstellung der alten innenpolitischen Verhältnisse zunächst mit außenpolitischen Fragen zu beschäftigen. Der seit geraumer Zeit schwelende, mit der Gründung des Deutschen Bundes (1815) zwischenzeitlich in eine Art friedliche Koexistenz umgewandelte Konflikt zwischen den beiden deutschen Großmächten Preußen und Österreich drohte sich zu einer offenen Konfrontation auszuweiten. Aktueller Anlass waren Streitigkeiten um die Verwaltung der Herzogtümer Schleswig und Holstein, die Dänemark nach dem verlorenen Krieg gegen Preußen und Österreich (1864) an die Siegermächte abtreten musste. Obwohl 1865 ein Vertrag über die Verteilung der Kriegsbeute geschlossen wurde, blieben die Spannungen bestehen; sie wurden vom preußischen Ministerpräsidenten Bismarck sogar gezielt weitergeschürt und für seine politischen Ziele instrumentalisiert: Bismarck brauchte einen Kriegsgrund, um seine Vormachtstellung in Deutschland zu festigen, was am besten mit militärischen Mitteln zu erreichen war. Im Juni 1866 hatte die Diplomatie ausgedient. Preußen kämpfte im Bund mit einigen kleineren deutschen Staaten gegen Österreich und ging gut einen Monat später nach der entscheidenden Schlacht bei Königgrätz siegreich aus der militärischen Auseinandersetzung hervor. Mit dem Ausgang des sog. „Deutschen Krieges“ waren die machtpolitischen Weichen gestellt: Preußen wurde zur Führungsmacht des sich schon wenige Jahre später konstituierenden Deutschen Reiches und Österreich schied aus dem Reigen der deutschen Staaten aus.
Die Habsburger bemühten sich daraufhin um eine Verständigung mit Ungarn, wo seit 1848/49 Unabhängigkeitsbestrebungen im Gange waren. Das Ergebnis der Ausgleichsverhandlungen, in denen Ungarn einer gemeinsamen Außen-, Finanz- und Heerespolitik zustimmte, ansonsten aber Autonomie verlangte, war die Konstitution der historisch berühmten kaiserlichen und königlichen (k. u. k.) Donaumonarchie unter dem Einschluss von zehn Nationalitätengruppen. Ihr Staatsoberhaupt war Franz Joseph I. als Kaiser von Österreich und König von Ungarn in Personalunion.