Schönbrunn und Hietzing

Die von der UNESCO 1996 als Weltkulturerbe eingestufte Schloss- und Gartenanlage Schönbrunn, die den ältesten Tierpark der Welt beherbergt, ist Österreichs anziehungskräftigster Touristenmagnet und nicht zuletzt einer der beliebtesten Wiener Jogging-Parcours.
Die Geschichte des Märchenlandes am Rande von
Wien beginnt im letzten Drittel des 16. Jh., als Kaiser
Maximilian II. die Ländereien vor den südwestlichen Toren der
Stadt erwarb und als hochherrschaftliches Jagdrevier deklarierte.
In dem entdeckte sein Sohn Matthias einige Jahrzehnte später eine
Quelle mit klarem, sprudelndem Wasser, die er mit einem festen
Brunnen umbauen ließ, den er „Schönbrunn“ nannte. Von den Wäldern,
Wiesen und Wasserläufen ebenso fasziniert wie seine Vorfahren,
beauftragte Leopold I. am Ende des 17. Jh. den berühmten
Architekten Johann Bernhard Fischer
von Erlach mit der Planung einer Sommerresidenz. Nachdem dessen
erster, gigantisch angelegter Schlossentwurf letztlich keine
Zustimmung gefunden hatte, begann man 1696 mit den Bauarbeiten an
der kleineren Version, die 1713 vorläufig abgeschlossen wurden. Den
letzten Schliff bekam das leuchtend gelbe Märchenschloss, dem
→ Wagenburg, Schlosstheater und -kapelle, Orangerie und
Wirtschaftsgebäude zugeordnet sind, unter Maria Theresia, die ihren
Hofbaumeister Nicolo Pacassi 1744 mit seinem Um- und Ausbau alla
Rokoko betraute. Der betraf in erster Linie das aus 1.200 Sälen und
Salons bestehende Innere der Sommerresidenz, die am Ende des
19. Jh. mit einem exklusiven (Wagnerschen) → Hofpavillon an das
frisch installierte Stadtbahnnetz angebunden wurde.
Ebenso imposant wie die 40 zur Besichtigung freigegebenen → Prunkräume sind die seit 1705 nach französischem Vorbild (Versailles) geschaffenen Schönbrunner Parkanlagen mit akribisch bepflanzten Blumenbeeten, einem heckengesäumten → Irrgarten, gepflegten Rasenflächen und Waldstücken, skulpturenverzierten Teichen und Brunnen. Sie umschließen den 1752 eröffneten, ältesten → Tiergarten der Welt und werden seit 1775 von der Gloriette, einem klassizistischen Kolonnadenbau zu Ehren des österreichischen Siegs über Preußen in der Schlacht bei Kolin (1758), gekrönt.
Kurz bevor sich Napoleon für einige Jahre (1805–1809) des Schlosses bemächtigte, wurde dem Park 1802 der weitgehend naturbelassene und unterdessen als Heimtierpark in den Zoo integrierte Tiroler Garten zugeschlagen. Das von botanischen Raritäten aus allen Kontinenten belebte → Palmenhaus, das → Wüstenhaus im ehemaligen Sonnenuhrhaus vis-à-vis und Rudolfs → Kronprinzengarten kamen erst unter der Schlossherrschaft von Franz Joseph I. dazu. Der hatte übrigens ein ganz besonders inniges Verhältnis zu Schönbrunn, wo er 1830 geboren wurde, 1916 starb und „zwischendurch“ einen Teil seiner Regierungsgeschäfte erledigte. Nicht so seine Gattin Sisi, die die pompöse Residenz ebenso wenig schätzte wie die Hofburg, weshalb Franz Joseph I. ihr einige Kilometer westlich von Schönbrunn die → Hermesvilla im abgeschiedenen Lainzer Tiergarten spendierte.
Nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie österreichischer Staatsbesitz, wurde Schloss Schönbrunn im Jahre 1992 einer privaten Betreibergesellschaft übergeben, die sich seither um seine Erhaltung, Pflege und touristische Vermarktung kümmert. Minderjährige Besucher können dort übrigens unter dem Motto „Geschichte(n) erleben“ in einem → Kindermuseum barocke Kleidung oder Etikette am eigenen Leib erleben.
Die Präsenz des Hofes hatte den 1892 eingemeindeten 13. Bezirk seit Beginn des 19. Jh. zur bevorzugten Sommerfrische und Wohngegend der Reichen und Schönen avancieren lassen, sodass nicht nur das Schloss Schönbrunn selbst, sondern auch einige der → Hietzinger Villen einen Platz auf der Liste der Wiener Sehenswürdigkeiten verdienen und der → Hietzinger Friedhof entsprechend illuster belegt ist. Einer der ersten prominenten Zuzügler war Maria Theresias Leibarzt Gerard van Swieten, dem die Monarchin 1754 mit dem Kaiserstöckl ein respektables Domizil am Rande des Schlossparks errichten ließ. Während das inzwischen als Postamt fungiert, dient das gegenüberliegende, 1907 für die Gäste des Hofes erbaute, gerade generalsanierte Parkhotel Schönbrunn noch immer der gepflegten Gastlichkeit. Dasselbe gilt für das traditionsreiche, vor 200 Jahren gegründete Café Dommayer, in dem Johann Strauß 1844 sein erstes öffentliches Konzert gab.
Als Kontrastprogramm zu all dem imperialen Prunk bieten sich vor und nach dem Besuch von Schönbrunn ein Abstecher zur → Werkbundsiedlung, einem sozialen und architektonischen Vorzeigeobjekt aus der Zeit des Roten Wien, und/oder ein Besuch des → Technischen Museums an.