Thomas Jefferson,
George Washington und Wein
Wir könnten in den Vereinigten Staaten eine genauso großartige Varietät von Weinen herstellen, wie sie in Europa zu finden ist, zwar nicht genau dieselben Sorten, jedoch zweifellos genauso gute«, schrieb Thomas Jefferson 1808 in einem Brief an einen französischen Bekannten. Obgleich es Jeffersons sehnlichster Wunsch war, dass sein eigenes Land eine Weinindustrie aufziehen sollte, entwickelte er während jener Zeit, als er unter der Leitung von George Washington von 1784 bis 1789 als amerikanischer Botschafter in Frankreich diente, eine große Wertschätzung für französische Weine. Als bekanntester Weinliebhaber unter den Gründungsvätern war Jefferson gleichzeitig auch Amerikas größter Weinkenner. Neben seiner Tätigkeit als informeller Ratgeber in Wein-Fragen für zahlreiche seiner berühmten Freunde beriet er auch mehrere Präsidenten diesbezüglich, darunter Washington und Monroe.
Als Jefferson 1789 aus Frankreich zurückkehrte, was er zunächst nur als vorübergehende Abwesenheit betrachtete, bat ihn Washington, in Amerika zu bleiben und das Amt des Außenministers zu übernehmen. Obwohl er gehofft hatte, wieder nach Übersee gehen zu können, nahm Jefferson den Posten widerstrebend an. Nachdem er sich in der Heimat niedergelassen hatte, bot er Washington an, ihn in die Welt des französischen Weins einzuführen und ihm dabei zu helfen, den Weinkeller des Präsidenten auszustatten.
Es war nicht das erste Mal, dass die beiden guten Freunde in Fragen des Weins zusammenarbeiteten. Bereits 1774, als der Kontinentalkongress ein Gesetz erlassen hatte, wonach die Einfuhr von Spirituosen verboten war, hatte Jefferson als Geldgeber der Virginia Wine Company, die zum Zweck des Anbaus und der Herstellung von Wein in Virginia gegründet worden war, Washington als finanziellen Unterstützer angeworben.
Obwohl dieses Projekt erfolglos blieb, nutzte Washington glücklicherweise die Kompetenz seines guten Freundes, um sich mit den besten französischen Weinen vertraut zu machen. Laut John Hailmans exzellentem Buch Thomas Jefferson on Wine (University Press of Mississippi, 2006) schrieb Jefferson 1790 dem amerikanischen Konsul in Bordeaux, er möge dreißig Dutzend Flaschen Château d’Yquem für Washington und zehn Dutzend für ihn selbst besorgen, außerdem zwanzig Dutzend Château à Latour für Washington. Bei anderer Gelegenheit bestellte er vierzig Dutzend Flaschen Champagner für Präsident Washington. Während seiner Amtszeit als Außenminister orderte Jefferson fortwährend Weine für Washington, sowohl nach Mount Vernon als auch während Washingtons Präsidentschaft in die damalige Hauptstadt Philadelphia.
Wie Jefferson führten auch George und Martha Washington die meiste Zeit des Jahres ein offenes Haus und luden Freunde wie Fremde, die die Region bereisten, nach Mount Vernon ein. Anhand ihrer Briefe und Tagebücher wird deutlich, dass die Washingtons jedes Jahr Hunderte Gäste bei sich begrüßten und sie mit Essen und Unterkunft versorgten.
»Meine Lebensweise ist schlicht«, äußerte Washington einmal. »Ein Glas Wein und ein bisschen Hammelfleisch stehen immer parat.«
Obgleich er so genügsam zu sein behauptete, gönnte sich Washington beim Mittag- wie beim Abendessen jeweils Wein – und zwar zur Mahlzeit selbst und danach. Kein so großer Kenner wie Jefferson, genoss Washington täglich ein oder zwei Glas Madeira, einen starken portugiesischen Wein, oder Claret, die ursprüngliche Bezeichnung für Rotwein.
Über Jahre hinweg versuchten beide Männer, auf ihren Grundstücken Weingüter zu errichten – und scheiterten. Washington bestellte Ableger aus Madeira, die in der Erde von Mount Vernon nie Früchte trugen. Genauso wie die Dutzende Sorten Weinstöcke, die Jefferson in Monticello anzubauen versuchte, nicht eine einzige Flasche Wein hervorbrachten.
Dennoch waren beide bei anderen Projekten im Zusammenhang mit Alkohol und Spirituosen erfolgreich. Jefferson braute in Monticello jahrelang sein eigenes Bier, und Washington erzielte als Besitzer einer Whiskeybrennerei einen ansehnlichen Erfolg, so dass er unter den Whiskeyproduzenten im damaligen Amerika möglicherweise die Nummer eins war.
Über die Jahre hinweg haben die beiden engen Freunde gewiss viele Flaschen Wein gemeinsam geleert. Dennoch beging Jefferson ein paar Jahre vor Washingtons Tod den unverzeihlichen politischen Fehler, einem gemeinsamen Freund in Italien einen Brief zu schreiben, in dem er Washington scharf kritisierte. Der Brief fand seinen Weg zurück nach Amerika, wo er einen Riesenwirbel auslöste, als er in Philadelphia in einer Zeitung veröffentlicht wurde.
Wenngleich er Jefferson für einen seiner vertrauenswürdigsten Partner gehalten hatte, war Washington so verletzt, dass er sich weigerte, ihm jemals wieder zu schreiben oder mit ihm zu reden. Im Gegensatz zu Jefferson hinterließ Washington keinerlei Dokumente, in denen er mitteilte, was er von den Weinen hielt, die Jefferson für ihn beschafft hatte, genauso wenig berichtete er von den Gelegenheiten, bei denen sie diese gemeinsam tranken. Nachdem ihre jahrzehntelange Beziehung unwiderruflich zerstört war, teilten sich die beiden Gründungsväter nie wieder eine Flasche Wein.