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Kapitel 24

Quinn schlief schließlich mit dem Kopf an meiner Schulter ein, einen Arm über meine Brust geworfen, sodass ich mich nicht bewegen konnte. Ich musste ebenfalls eingenickt sein, denn als ich wieder zu mir kam, schüttelte mich jemand am Arm. Es dauerte eine Weile, bis mir klar war, wo ich mich befand und was ich hier machte – und weshalb ich mit einer Decke zugedeckt war.

Er stand vor mir, barfuß, unrasiert, ohne Hemd und nur mit einer Pyjamahose bekleidet. Soweit ich mich erinnern konnte, war er zuletzt noch vollständig angezogen gewesen und hatte eine andere Hose getragen.

»Lucie. Sind Sie wach?« In einer Hand hielt er einen Becher mit Kaffee.

»Jetzt schon.« Ich setzte mich hin, fühlte mich schrecklich und überprüfte verstohlen meine eigene Kleidung. Ich hatte sie immer noch an.

»Hier. Trinken Sie das. Geht es Ihnen gut?« Er reichte mir den Becher.

Unsere Finger berührten sich, als ich ihn nahm, und ich erinnerte mich an den Kuss der letzten Nacht. Auf dem Becher stand Irgendwo zwischen Vierzig und Tod. Mir blieben noch mehr als zehn Jahre, bis ich die Vierzig erreichte, doch momentan fühlte ich mich, als könne der Tod nicht mehr fern sein.

»Das weiß ich noch nicht.« Ich nippte an dem Kaffee. Er schmeckte nach gekochten Autoreifen. »Was für Kaffee ist das?«

»Von gestern. Ich hatte keinen mehr, aber da war noch ein Rest in der Kanne, und den habe ich in die Mikrowelle gestellt. Ich dachte mir, Sie könnten ihn brauchen.«

»Aha.« Entweder wurde er plötzlich galant, oder ich sah so schlecht aus, wie ich mich fühlte.

Er setzte sich ans andere Ende des Sofas. Ich trank weiter von dem scheußlichen Kaffee und versuchte zu ignorieren, wie gut er halbnackt aussah.

»Ich muss mich für vergangene Nacht entschuldigen«, sagte er. »Ich habe da ein paar Dinge von mir gegeben, die ich nicht hätte sagen dürfen.«

»Warum vergessen wir es nicht einfach? Sie waren durcheinander. Wir waren es beide.« Ich fuhr mit dem Finger den Keramikbecher hinunter. Würde er sich auch für den Kuss entschuldigen?

»Ich, eh, erinnere mich dummerweise nicht mehr an viel, außer dass ich an Ihrer Schulter geschlafen habe, glaube ich. Das tut mir wirklich leid. Hoffentlich habe ich nicht gesabbert oder so.«

Er würde sich nicht entschuldigen, da er sich nicht mehr erinnerte. Ich versuchte zu lächeln. »Nee. Kein Sabbern. Das ist schon in Ordnung.«

»Ich wurde diesen Anblick von Nicole, wie sie da draußen auf dem Feld lag, einfach nicht los. Ich weiß es wirklich zu schätzen, dass Sie sich um mich gekümmert haben. Wahrscheinlich habe ich einen Haufen Dinge gesagt, die Sie gar nicht hätten hören sollen.«

Also hatte er die ganze Zeit an Nicole gedacht. »Wofür hat man schließlich Freunde?«

Er stand auf und fuhr sich durch das struppige Haar. »Ich sollte jetzt duschen und mich danach zum Weinkeller aufmachen. Ich muss arbeiten, muss das alles aus meinem Kopf kriegen.«

»Natürlich.« Ich stand ebenfalls auf. »Heute Nacht haben Sie ein bisschen herumgefaselt. Wenn es da irgendetwas gibt, was Sie Bobby verschwiegen haben, dann wäre es ganz gut, wenn Sie damit herausrücken und es ihm erzählen würden, wissen Sie?«

Er kratzte sich hinter dem Ohr. »Was denn für Sachen? Was habe ich gesagt?«

»Dass Nicole sich mit Ihnen in Verbindung gesetzt hat, nachdem sie ins Fox and Hound umgezogen war. Und dass sie – indirekt – in den Einbruch auf Jack Greenfields Grundstück verwickelt gewesen sein könnte.«

»Das soll ich gesagt haben? Jesses! Dann muss ich ganz schön voll gewesen sein.« Er schüttelte den Kopf. »Über den Einbruch bei Jack weiß ich überhaupt nichts. Da habe ich ja anscheinend unglaublich gelabert.«

»Sie sagten, Nicole hätte Ihnen eine Nachricht hinterlassen, dass Sie sie zurückrufen sollten, aber Sie hätten es nicht getan.«

»Daran erinnere ich mich.« Er begann, die Faust zu ballen und wieder zu öffnen. »Vielleicht wäre sie noch am Leben, wenn ich es getan hätte.«

»Das können Sie nicht wissen.«

»Nein«, sagte er, »das weiß ich nicht. Und deshalb war ich heute Nacht so stinkbesoffen. Weil ich niemals erfahren werde, ob ich sie hätte retten können, und weil ich jetzt damit leben muss.«

»Quinn …«

Er hob eine Hand. »Schauen Sie, ich weiß, dass ich mich wie das letzte Arschloch benommen habe, und es tut mir leid. Ich habe mir gedacht, wenn wir mit dem Cabernet fertig sind, sollte ich mir mal für einige Zeit freinehmen. Einfach ausspannen und alles hinter mir lassen. Mich von ihr befreien.«

»Sicher. Das ist in Ordnung.« Ich stellte den Kaffeebecher ab. »Schätze, ich sollte jetzt auch verschwinden. Ich komme vielleicht erst etwas später.«

»Kein Problem. Und, danke für Ihr Verständnis. Ich entschuldige mich für alles, was ich gesagt und getan habe, an das ich mich nicht mehr erinnere.«

»Nicht der Rede wert«, sagte ich und ging.

Ich fuhr nach Hause und fühlte mich, als hätte ich die Nacht damit verbracht, mir Sand in die Augen zu reiben. Mein Kopf schmerzte, und, um ehrlich zu sein, mein Herz schmerzte auch. Je schneller ich diese Nacht vergessen würde, desto besser.

Pépé schlief noch. Ich duschte, zog mich um und ging nach unten, um Frühstück zu machen. Quinn war nicht der Einzige, dem der Kaffee ausgegangen war. Pépé musste beide Päckchen Äthiopien- und Sumatra-Kaffee verbraucht haben, die ich immer mischte, damit er sich die starke Brühe machen konnte, nach der er lechzte. Außerdem hatten wir kein Brot mehr.

Ich schnappte mir Jacke und Autoschlüssel und fuhr zum Gemischtwarenladen. Ich brauchte dringend etwas zu essen, und Thelma hatte bestimmt selbstgemachte Muffins und frischen Kaffee. Sie würde aber auch ihre Antennen ausfahren und bereit sein, jede Neuigkeit aufzusaugen, die sie mit fairen oder unfairen Mitteln aus mir herausquetschen konnte. Doch ich rechnete auch damit, dass sie bereits über alles informiert war, was über Nicole Martin geflüstert wurde – und vielleicht würde zur Abwechslung einmal ich diejenige sein, die bei ihr Gerüchte aufschnappen konnte.

Ich lenkte meinen Mini auf den Flecken rissigen Asphalts, den Thelma ihren ›Parkplatz‹ zu nennen pflegte. Solange ich zurückdenken konnte, hatte sie diesen Laden bereits betrieben. Seit der Gründung von Atoka Mitte des 19. Jahrhunderts hatte es an dieser Stelle irgendeine Art von Geschäft gegeben. Thelma beteuerte, Mosby habe den Ort als Unterschlupf benutzt, was vermutlich sogar stimmte. Doch sie ließ auch gerne die Namen anderer berühmter Leute fallen, von denen sie behauptete, sie hätten ihr Geschäft besucht. F. D. Roosevelt auf der Durchreise zur Einweihung des Blue Ridge Parkway. Die Kennedys, als sie hier wohnten. Filmstars. Politiker. Königliche Hoheiten aus Europa.

Die Silberglöckchen über der Tür klangen wie ein Windspiel, als ich eintrat. Tagsüber saß Thelma wie festgenagelt vor dem Fernseher und sah Seifenopern, sofern sie keine Kundschaft hatte. Doch so früh am Morgen galt ihre ungeteilte Aufmerksamkeit noch den Boulevardzeitungen, die sie neben der Registrierkasse auf dem Ladentisch ausgebreitet hatte. Bis sie mich erspähte. Ihr Lächeln ließ mich an Katzen und Kanarienvögel denken.

In diesem Gemischtwarenladen war die Zeit vor ein paar Jahrzehnten stehen geblieben, und seitdem hatte der Rest der Welt ruhig an ihm vorbeitreiben dürfen. Keine elektronische Kasse, keine Strichkodierung, kein Sprühnebel, der Früchte und Gemüse befeuchtete. Thelma passte perfekt in das altmodische Ambiente. Während der Arbeit kleidete sie sich mit einem vamphaften Flair, der halb Auntie Mame, halb Roxie Hart entsprach.

Sie klatschte in die Hände wie ein kleines Kind. »Nein, Lucie! So eine angenehme Überraschung! Dich habe ich ja seit Jahren nicht mehr gesehen. Komm rein. Was hältst du von einer Tasse Kaffee oder einem Muffin? Du siehst ein bisschen blass aus.«

Sie kam mit ihren Stöckelabsätzen herangetrippelt und war in Feuerwehrrot gekleidet, was ein paar Schattierungen vom derzeitigen Rot ihrer Haare abwich. Sie begutachtete mich mit dem geübten Auge eines Pferdekenners, der den Wert eines Zuchttiers abschätzt.

»Deine Augen sind blutunterlaufen«, sagte sie, bevor ich antworten konnte. »Hast du letzte Nacht denn überhaupt geschlafen, Kindchen? Natürlich nicht, nach all dem, was auf deiner Farm passiert ist. Ich habe die Frau ja nicht sehr gemocht, aber was man da mit ihr gemacht hat, das war furchtbar. Einfach furchtbar!«

»Ja. Madam.«

»Setz dich in den Schaukelstuhl da drüben, und lass mich dir eine Tasse Kaffee einschenken. Auf Kosten des Hauses. Möchtest du einen Muffin?«

»Ja, gerne.«

»Der Muffin kostet dich anderthalb Dollar. Du kannst nachher bezahlen. Ich habe Blaubeere oder Blaubeere. Die Romeos waren heute Morgen hier und haben fast alles weggegessen, als wenn eine Heuschreckenplage über mich hergefallen wäre.«

»Blaubeere ist prima.«

Sie schenkte Kaffee aus einer Kanne ein, auf der ›Raffiniert‹ stand, und reichte ihn mir. »Ich habe ein bisschen Kürbis und Zimt reingetan«, sagte sie. »Wegen Halloween.«

Der Kaffee war so gut wie ungenießbar, doch der Muffin, gefüllt mit säuerlichen Blaubeeren, war einsame Spitze.

»So, jetzt erzähl mir mal alles.« Sie saß in einem anderen Schaukelstuhl neben mir wie eine Königin auf ihrem Thron. Der Laden roch nach frisch gebrühtem Kaffee, Gewürzen und selbstgemachtem Gebäck, vermischt mit dem leicht abgestandenen Gestank ihrer Zentralheizung. Das durch ein nach Osten ausgerichtetes Fenster gefilterte Sonnenlicht warf ein Schattengitter auf dem Boden.

Ich wusste, dass sie nach Details gierte – je schauriger, desto besser.

»Ich bin sicher, dass du bereits alles gehört hast.« Ich wollte mich nicht noch einmal im Detail daran erinnern, wie ich Nicoles Leiche gefunden hatte – vor allem nicht nach dieser Nacht mit Quinn

»Na ja, aber man muss doch informiert bleiben.« Sie lächelte zufrieden. »Besonders wenn hier ein Serienmörder frei herumläuft. Erst diese Schriftstellerin und jetzt die Exfrau von deinem Winzer. Den muss das ja schwer getroffen haben.«

Ich ignorierte die scheunentorgroße Aufforderung, über Quinn zu reden, und sagte: »Wie kommst du darauf, dass dieselbe Person beide Morde begangen hat?«

Thelma beugte sich nach vorn und legte die Ellbogen auf die Knie. Die Augen hinter den dicken Brillengläsern verrieten Überraschung. »Warum, weiß ich auch nicht. Es ist nur so ein Gefühl. Du weißt doch, Lucille, dass manche Leute glauben, ich hätte psychotische Kräfte. Eine gottgegebene Fähigkeit, Dinge aus dem …« – sie machte eine theatralische Pause – »… Jenseits zu empfangen.«

Thelma hatte manchmal, wie Dominique, leichte Schwierigkeiten mit der englischen Sprache. »Du hast mir schon häufig davon erzählt«, sagte ich.

»Und natürlich gucke ich immer diese Polizeiserien im Fernsehen. Davon kann man viel lernen. Die Art, wie das wirklich gemacht wird.« Sie richtete sich auf. »Wie hast du sie überhaupt gefunden? Ich habe gehört, jemand hätte sie einfach auf einem Feld mitten im Niemandsland liegen gelassen.«

»Nicht im ›Niemandsland‹. In der Nähe von dort, wo meine Mutter zu Tode kam.«

Thelma arbeitete hart daran, die ewige Jugend zu erlangen, doch die Erwähnung meiner Mutter – die sie bewundert hatte – ließ ihre Gesichtszüge weicher erscheinen, bis das Netz aus Furchen und Runzeln wieder tiefer wurde und Bedauern und Erinnern ausdrückte. »Das wusste ich nicht.«

Ich aß meinen Blaubeermuffin zu Ende, sammelte die Krümel in meine Serviette und faltete diese zu einem ordentlichen Quadrat.

»Du bist sicher mit Luc dorthin gegangen«, sagte sie. »Ich weiß, wie sehr er seine Tochter vermisst.«

»Danke dafür, dass du ihm die Blumen besorgt hast«, sagte ich. »Meiner Mutter hätten sie bestimmt gefallen.«

Thelma strich sich über das mit einem Festiger fixierte Haar, ganz kokette Dame. »Für diesen Mann würde ich alles tun«, sagte sie. »Weißt du, dass er mir jedes Mal, wenn er in den Laden kommt, die Hand küsst? Ich liebe es einfach, wenn er das macht. Hier in der Gegend kann man doch einem Mann die Hand hinstrecken, und der meint, man wolle ihm die Altersflecken zeigen.«

»Wirklich?«

»Ich habe es zwei Mal versucht, danach hatte ich genug.«

Ich lachte.

»Ein paar von den Romeos könnten sich eine Scheibe von ihm abschneiden, wenn du mich fragst. Vermutlich sollte ich es dir gar nicht erzählen, Lucille, aber ich habe mal eine Zeit lang Französisch gelernt. Mit Tonbändern. Klappt richtig gut. Wie klingt das? Mon chapeau est sur ma fesse

»Deine Aussprache ist ziemlich gut«, sagte ich. »Aber du hast gerade so etwas gesagt wie ›Mein Hut sitzt auf dem Hintern‹.«

»Herrgott!« Ihr Gesicht färbte sich passend zu ihrem Kleid. »Vielleicht brauche ich neue Kopfhörer.« Sie machte eine Pause. »Ich werde Luc vermissen, wenn er abreist. Ich würde ganz sicher gerne mal Paris besuchen.«

Sie nahm ihre Brille ab und schaute weg, jedoch nicht schnell genug, als dass ich nicht das Verlangen in ihren Augen gesehen hätte.

»Man weiß ja nie«, sagte ich. »Und er kommt auch wieder zu Besuch.«

»Bestimmt tut er das.« Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Dann war er also mit dir zusammen, als du Nicole Martin gefunden hast. Wie krank muss diese Person nur sein, dass sie die Leiche da draußen all den Tieren zum Fraß überlassen hat.«

»Jemand, der glaubte, sie würde dort lange Zeit nicht entdeckt werden. Bist du ihr je begegnet?«

»Warum? Natürlich. Sie war hier, ein paar Tage bevor sie … verschied. Die ganze Zeit am Telefonieren. Machte mich ganz nervös damit. Sie hätte doch wenigstens noch die zwei Minuten warten können, bis sie draußen war, bevor sie sich verabredete, nicht wahr? Stattdessen hat sie einfach vor meinen Augen weitergequasselt, so unhöflich, wie man nur sein kann.«

»An welchem Tag war das?«

Thelma besaß ein enzyklopädisches Gedächtnis. »Sonntag. Gegen elf Uhr.«

»Irgendeine Idee, mit wem sie sich treffen wollte oder worum es ging?«

»Ich bin ziemlich sicher, dass es eine Frau war.« Sie tippte sich an die Stirn. »Weibliche Inhibition, weißt du? Zuerst dachte ich, sie wollten sich vielleicht zum Mittagessen verabreden, weil sie richtig schick war und ein hübsches Kostüm trug. Dann sagte sie so etwas wie ›gleich vorbeikommen‹, sobald sie den Laden verlassen hätte. Daher schätze ich, dass sie zum Haus der anderen Frau gefahren ist.«

»Welche Farbe hatte das Kostüm?«

»Rötlich braun. Gehört nicht zu meinen Farben. Lässt meine Haut blass erscheinen. Warum?« Sie wurde bleich. »Mein Gott, Lucille! Das trug sie, als du sie gefunden hast, stimmt’s? Die arme Frau. Ist aus meinem Laden ihrem Tod entgegengegangen.«

»Wäre aber auch möglich, dass sie dieses Treffen hatte und danach irgendwo anders hingegangen ist.«

Thelma nahm ihre Brille und putzte die Gläser mit dem Ärmel, ohne mich anzuschauen. »Wie geht denn Quinn damit um? Ich habe gehört, er war nicht gerade erfreut darüber, dass sie hier auftauchte.«

Ich wusste nicht, ob ich ihr direkt oder indirekt antworten sollte. Quinn hatte Nicole nicht getötet, und ich musste diese Idee aus ihrem Repertoire von Möglichkeiten eliminieren, bevor sie weiter daran stricken konnte.

»Er hat sie einmal genügend geliebt, um sie zu heiraten. Daher trifft ihn ihr Tod so, wie man es erwarten kann. Er ist am Boden zerstört.«

Thelma rückte ihre Brille zurecht und betrachtete mich durch ihre Trifokalgläser. »Ich nehme an, du hast noch nicht das Neueste von Hamp Weaver gehört«, sagte sie. »Er steigt in das Geschäft mit der Nachbestattung ein.«

Hampton Weaver war ein örtlicher Zimmermann, der nebenbei ein Feuerwerks-Unternehmen betrieb – Boom Town Fireworks. »Nachbestattung?«

»Irgendwie ist das neu. Aber ich bin sicher, dass es sich durchsetzen wird. Bei all den Leuten, die ihren lieben Verstorbenen eine außerirdische Erfahrung mitgeben wollen. Eine wunderbare Verabschiedung in ihre neue Heimat.«

Ich musste wohl entsetzt dreingeschaut haben, denn sie sagte: »Oh, mach dir keine Sorgen. Es ist sehr geschmackvoll. Er betrachtet es als andere Form, ihre Asche zu verstreuen. Jeder wird es so machen wollen. Man kann sogar die Lieblingsfarben des Verstorbenen wählen. Verstehst du, das Dekor des letzten Abschieds auf die Person abstimmen. Da gibt es jede Menge Möglichkeiten, seine Kreativität zu entfalten.«

»Feuerwerke?«

Sie stand auf. »Die meisten reagieren so, Lucille. Aber wenn man mal darüber nachdenkt, dann ist es ziemlich clever. Ich gebe dir seine neue Visitenkarte. Du kannst sie Quinn ja zustecken, wenn du glaubst, dass die Zeit reif ist.«

Was niemals der Fall sein würde. »Ich muss jetzt nach Hause, Thelma. Danke für den Kaffee, und ich bezahle den Muffin. Außerdem brauche ich Kaffeebohnen und eines dieser selbstgebackenen Sauerteigbrote für meinen Großvater.«

Sie streichelte die Papiertüte, in der das Brot steckte, während sie diese in einen Plastikbeutel schob. »Sag Luc bitte, dass ich ihm dies mit meinen herzlichsten Grüßen schicke, hörst du? Und sag ihm, auch er soll sich blicken lassen.« Sie glättete ihr Kleid. »Ich trage dies nur für den Fall, dass er heute vorbeikommt.«

»Das wird er wohl«, sagte ich. »Und ich sage es ihm.«

»Au revoir«, sagte sie. »Und du kannst ihm auch erzählen, dass hier ein Cross-ant auf ihn wartet, speziell für ihn. Dans ma poitrine

Ich wusste, dass sie vitrine meinte, jenen großen Glaskasten, in dem sie alle Backwaren aufbewahrte, einschließlich der Croissants. Es gab keinen Grund, ihr zu sagen, dass sie mir stattdessen gebeichtet hatte, sie würde es in ihrem Busen bewahren.

Also hatte Nicole Martin auf dem Weg zu einem Treffen mit einer Frau beim Gemischtwarenladen gehalten. Bekleidet mit dem Kostüm, in dem sie ermordet wurde.

Ich fuhr nach Hause und erstellte im Geiste eine Liste der möglichen Kandidatinnen. Sie war ziemlich kurz.