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Kapitel 10

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, hörte ich aus Pépés Schlafzimmer Schnarchgeräusche. Zu Hause in Paris stand er nie vor dem Nachmittag auf. Bei dem Jetlag – und dem bisschen Schlaf, den er gestern bekommen hatte – fragte ich mich, ob er den ganzen Tag im Bett bleiben würde.

Ich machte Frühstück, legte auf den Küchentisch ein Gedeck für ihn und hinterließ eine Notiz, dass er Croissants im Brotkasten und Käse im Kühlschrank finden würde. Gewöhnlich ließ er Frühstück und Mittagessen verstreichen und machte das Abendessen zu seiner Hauptmahlzeit, doch vielleicht würde er eine Ausnahme machen, falls er sich der Zeitumstellung anpassen sollte.

Ich fuhr zur Weinkellerei und parkte neben Quinns El Camino. Die Eingangstür der Villa war abgeschlossen, daher befand er sich wahrscheinlich im Weinkeller. Dort fand ich ihn, wie er mit Manolo und Jesús den Tresterhut niederstieß. Die beiden Arbeiter lächelten und sagten »Hallo«. Quinn schaute kaum hoch und murmelte »Guten Morgen«, bevor er sich wieder ganz auf die Arbeit konzentrierte. Ich stand daneben, schaute zu und wurde von Sekunde zu Sekunde wütender, weil ich auf ein Zeichen von ihm wartete, dass zwischen uns noch etwas geklärt werden musste. Stattdessen stieß er verbissen mit einem großen, flachen Rührstab auf die matschige Masse von Traubenschalen ein, rührte sie unter die Oberfläche eines der Gärfässer und beachtete mich nicht. Ich sah, wie Jesús unruhig zu Manolo hinüberschaute. Manolo schüttelte vorsichtig den Kopf.

Es gab keinen Grund, die beiden in das Ganze hineinzuziehen.

»Ich möchte, dass Sie in mein Büro kommen, sobald Sie hier fertig sind, Quinn.« Alle drei waren kräftiger, größer und älter als ich. Ich klang wie eine Lehramtsreferendarin, die der Situation nicht gewachsen war und versuchte, einen widerspenstigen Schüler zu disziplinieren. Keiner schaute mich an.

»Falls Sie es vergessen haben sollten, ich bin die Eigentümerin dieses Weinguts«, sagte ich. »Wenn ich etwas sage, wünsche ich nicht, dass man mich ignoriert.«

Diesmal hörten alle mit der Arbeit auf.

Manolo und Jesús nickten nervös. Quinns Kopf zuckte hoch, und er starrte mich an. Ich hätte nicht sagen können, ob er verlegen oder wütend war, dass ich auf diese Weise vor den Männern mit ihm geredet hatte. Doch sein Machismo war sein Problem, und nun war es sein Pech, wenn er das Gesicht verloren hatte. Als ich den Weinkeller verließ, schloss ich die Tür heftiger als notwendig.

Ich hatte mich immer noch nicht beruhigt, als ich die Villa erreichte. Gina stürzte aus der Küche, mit einem Becher Kaffee in der Hand und großen Augen.

»Oh, Sie sind es, Lucie. Ich hörte die Tür zuknallen. Muss wohl ein Windstoß gewesen sein.« Sie hielt inne und starrte mich an. »Was ist los? Alles in Ordnung mit Ihnen?«

Wenn es Frankie mit ihrer ruhigen, mitfühlenden Art gewesen wäre, hätte ich wahrscheinlich alles erzählt. Aber nicht dieser quirligen, geschwätzigen Gina, die entschieden zu viele Sätze mit der Einleitung begann: »Eigentlich sollte ich es Ihnen gar nicht sagen, aber …«

Mit ihr eine Vertraulichkeit zu teilen war zwar nicht ganz so schlimm, wie es Thelma Johnson drüben im Gemischtwarenladen oder den Romeos zu erzählen, doch es würde trotzdem die Runde machen. Der einzige Unterschied war, dass es am Ende des Tages nicht gleich jeder in beiden Counties wissen würde. Höchstwahrscheinlich würde es eine oder zwei Wochen dauern.

»Es ist nichts«, sagte ich. »Nur ein Windstoß, wie Sie vermutet haben. Hat mich auch erschreckt. Entschuldigung!«

Sie schenkte mir eine Tasse Kaffee ein, und ich sagte ihr, ich sei an meinem Schreibtisch zu finden. Auf dem Weg zu meinem Büro schaute ich in Quinns Arbeitszimmer. Eine Kreuzung aus billigem Motelzimmer und einem Raum, aus dem jemand schon fast ausgezogen war. Keine Fotos. Nichts Persönliches. In seinem Haus sah es genauso aus. Vielleicht lag es daran, dass er seine Ehe hatte geheim halten können – so zu tun, als habe er keine Vergangenheit. Diesen Wesenszug an ihm würde ich nie verstehen.

Eine Stunde später wurde die schwere Holztür zwischen Bibliothek und unseren Büros geöffnet und geschlossen. Er ging zuerst in sein Büro. Ein paar Minuten später erschien er bei mir und zog die Tür hinter sich zu.

Er wies mit dem Daumen über die Schulter. »Wir haben Kundschaft. Gina kümmert sich um sie. Wenn Sie zu brüllen anfangen, wäre es vielleicht besser, wenn sie es nicht hören.«

»Ich werde nicht brüllen.«

»Aber Sie würden es gerne.«

»Ja.« Meine Stimme zitterte. »Ich würde es gerne. Was zum Teufel ist gestern passiert?«

»Ich war stinkbesoffen, Madam, und ich hätte es nicht sein sollen. Bin sternhagelvoll zur Arbeit erschienen, und das ist ein Grund zur Entlassung. Ich kann Ihnen meine Kündigung schriftlich geben, falls Sie das wünschen. Ich brauche nur eine Tür weiter zu gehen und sie zu schreiben.« Er sah mich fest an, und doch war sein Blick weder ruhig noch klar. Als wolle er dieses Gespräch auf die Spitze treiben und uns beide testen … sehen, wer sich zuerst geschlagen geben würde.

Ich hatte das Gefühl, zu einem Fremden zu sprechen.

»Nennen Sie mich nicht ›Madam‹«, sagte ich verletzt. »Nur … unterlassen Sie es. Und Sie wissen, dass ich Ihre Kündigung nicht will. Aber ich denke, dass Sie mir eine Entschuldigung schulden.«

Er machte eine Pseudoverbeugung. »Dann entschuldige ich mich. Es soll nie wieder vorkommen.«

»Quinn …«

»Was?«

»Was ist passiert?«

»Ich habe es Ihnen doch gerade erzählt.« Er würde nicht klein beigeben.

»Nein«, sagte ich. »Sie haben mir überhaupt nichts erzählt. Ich habe Sie noch nie so gesehen. Nie. Ich weiß, dass Sie die Fassung verloren haben, als Sie sie gesehen haben … und dann noch die Tatsache, dass sie jetzt mit Shane zusammen ist …«

Er schnitt mir das Wort ab. »Sie wissen überhaupt nichts!«, schrie er.

»Dann erzählen Sie es mir! Erzählen Sie es mir einfach!« Ich schrie zurück.

»Sie würden es ja doch nicht verstehen.«

Auch das schmerzte. »Warum?«

»Es ist kompliziert.«

Eine ganze Weile standen wir nur da und starrten uns an. Genauso sicher, wie mir klar war, dass er sie liebte, wusste ich, dass er mir nicht verraten würde, wie sie ihn verletzt hatte oder was sie getan hatte, dass er sich noch immer so quälte.

Ich senkte vor ihm den Blick und nahm das erstbeste Stück Papier vom Schreibtisch. Ein unangefordertes Schreiben eines lokalen Luxuslimousinenverleihs. Sie boten uns ihre Dienste an und wollten unsere Gäste herumfahren, ohne dass diese sich Sorgen um Alkohol und Führerschein zu machen brauchten.

»Ich muss mich umgehend um diese Sache hier kümmern.« Ich deutete auf das Schreiben. »Ich denke, wir sind fertig. Die Entschuldigung ist akzeptiert, aber ich nehme Sie beim Wort, dass es nicht wieder vorkommt.«

Das Feuer in seinen Augen verwandelte sich in Eis, und sämtliche Kammern in seinem Inneren knallten mit einem Schlag zu. »Und ich habe im Weinkeller zu tun, wenn wir hier fertig sind. Seien Sie unbesorgt, Lucie. Es wird nicht wieder passieren.« Er öffnete die Tür. »Soll sie offen bleiben, oder soll ich sie schließen?«

»Schließen, bitte.« Es gelang mir, das zu sagen und ihm gleichzeitig in die Augen zu schauen.

Doch in dem Moment, als er gegangen war, griff ich nach dem Sweatshirt, das auf der Rückenlehne meines Stuhls hing, und barg mein Gesicht darin, bis ich nicht mehr das Gefühl hatte, man habe mir den Atem geraubt.

Amanda Heyward rief vormittags an und fragte, ob wir uns bei Mick treffen könnten, um über das Zelt und ein paar andere Dinge rund um die Auktion zu reden. Seit dem Abend auf Mount Vernon hatte ich Mick weder gesprochen noch gesehen. Amanda erwähnte nicht, ob er heute dort sein würde oder nicht.

Eine weitere komplizierte Beziehung mit einem weiteren komplizierten Mann. Ich schien sie zu sammeln. Vielleicht würde Mick mit seinen Pferden beschäftigt sein, doch ich wollte Amanda nicht fragen. Dann würde sie fragen, ob es mit Mick aus war oder ob da noch etwas lief, und ich hatte keine Lust, mit ihr darüber zu reden. Vor allem, weil ich die Frage selbst nicht beantworten konnte.

»Natürlich, ich komme«, sagte ich. »Wann?«

»Ist dir vier Uhr recht?«

»Dann also bis vier.«

»Ist mit dir alles in Ordnung, Lucie?«, fragte sie. »Du klingst nicht sonderlich gut.«

»Mir geht’s gut«, sagte ich. »Entschuldige, dass ich so kurz angebunden bin, aber ich habe Besuch in meinem Büro.«

»Natürlich, verstehe. Ich wollte auch nicht stören. Bis später!«

Ich legte auf, drehte mich mit dem Stuhl herum und legte meinen kaputten Fuß auf die Anrichte. Eine ganze Weile starrte ich die Wand an.

Kurz nach zwölf klopfte jemand an die Tür. Nicht Quinn. Gina.

Sie streckte ihren Kopf herein. »Ich habe hier etwas zu essen für Sie. Ich hoffe, es ist Ihnen recht.« Sie öffnete die Tür ganz und stellte ein Tablett ab. Ein Croissant gefüllt mit Avocadoscheiben, Schösslingen und Brie.

Sie wusste Bescheid.

»Haben Sie mit Quinn gesprochen?«, fragte ich.

Zumindest redete sie nicht um den heißen Brei herum. »Ich habe mit niemandem gesprochen. Das war nicht nötig.«

»Mein Gott! Haben uns die Kunden gehört?«

»Nicht alles. Sie sind gegangen, bevor Sie fertig waren.« Sie saß mir gegenüber in einem Swing Chair, den meine Mutter selbst gepolstert hatte. In all den Jahren, die sie und Jacques die Büros benutzt hatten, in denen jetzt Quinn und ich saßen, hatte es nie ein böses Wort zwischen ihnen gegeben, soweit ich mich erinnern konnte. »Möchten Sie reden?«, fragte sie.

»Nicht wirklich.«

Sie zog mit dem Finger die Linien auf einer der Armlehnen nach. »Sie hatten allen Grund, ihn anzuschreien.«

»Wie meinen Sie das?«

»Derart betrunken zur Arbeit zu erscheinen.«

Ich schloss die Augen und rieb an meiner Stirn, wo es zu pochen begonnen hatte. »Wie haben Sie davon gehört?«

»Nun, eigentlich habe ich es von niemandem direkt erfahren«, sagte sie. »Ich habe einfach nur zwei und zwei zusammengezählt nach dem, was gerade passiert ist. Mein Freund arbeitet in einer Kneipe drüben in Leesburg. Quinn kam so betrunken rein, dass er ihm nichts mehr geben wollte. Charlie hat ihm die Schlüssel abgenommen und ein Taxi für ihn bestellt. Ich schätze, Quinn war gestern in ziemlich schlechter Verfassung für die Weinlese, was?«

Manchmal sollte ich einfach meine große Klappe halten. »Ja«, sagte ich, »das stimmt. Schauen Sie, Gina, erzählen Sie es bitte nicht weiter, ja?«

Sie stand auf, ihre dunklen Augen blickten groß und ernsthaft. »Machen Sie sich keine Sorgen. Ich werde kein Sterbenswörtchen sagen.« Sie machte eine Reißverschlussbewegung über ihre Lippen. »Sie können auf mich zählen.«

Nachdem sie gegangen war, starrte ich auf das Sandwich. In zwei Wochen würde jeder von hier bis Richmond alles über unseren Brüll-Wettkampf und meinen betrunkenen Winzer wissen. Ich hatte gerade zu essen begonnen, als ich auf meinem Telefon eine der Verbindungen im Probierraum aufleuchten sah.

Nein! Nicht zwei Wochen. Es würde nur eine Woche dauern.

Nach dem Mittagessen ging ich in mein Haus, um nach Pépé zu schauen. Ich fand ihn auf dem Sofa in der Bibliothek thronend, wo er eine Boyard rauchte und eine zerknüllte Ausgabe der Le Monde vom Vortag las. Wahrscheinlich hatte er sie aus Paris mitgebracht.

Ich küsste ihn auf den Kopf. »Hast du gegessen?«

»Ich habe einen Kaffee getrunken. Du weißt doch, dass ich erst abends esse«, sagte er. »Ich hoffe, es macht dir nichts aus, aber ich verschwinde gleich. Einer meiner Freunde kommt und holt mich ab. Heute Nachmittag bin ich beim International Monetary Fund und danach zum Abendessen in der Botschaft. Warte nicht auf mich, ma belle. Wahrscheinlich wird es spät werden.«

Er konnte mich immer noch in Erstaunen versetzen. »Du schiebst auch nichts auf die lange Bank, was?«

Pépé lächelte durch eine Wolke übel riechenden Rauchs. Die Boyards waren filterlos und besaßen, als sie noch produziert wurden, den höchsten Teer- und Nikotingehalt aller auf dem Markt befindlichen Zigaretten. Der Arzt meines Großvaters hatte ihm gesagt, er solle das Rauchen aufgeben, sonst würde es ihn umbringen. Doch Großvater hatte ihm geantwortet, mit zweiundachtzig würde er sowieso bald sterben, und da dürfe es ruhig durch etwas sein, was er genieße. Der unverwechselbar beißende Geruch würde sich noch Wochen nach seiner Abreise im Haus halten, eine bleibende Erinnerung an seinen Besuch, die mich verfolgen würde wie ein Geist.

»Eh bien«, sagte er. »Manche lieben es, beschäftigt zu sein, n’est-ce pas?«

Das Treffen im International Monetary Fund war vermutlich kein Höflichkeitsbesuch, der von einem Freund arrangiert worden war. Höchstwahrscheinlich hatte man ihn eingeladen, um seinen Rat in einer Handels- oder Finanzfrage einzuholen – und er war zu bescheiden, dies zu erwähnen.

»Ich habe um vier Uhr eine Verabredung«, sagte ich, »aber ich werde hier sein, wenn du zurückkommst.«

Draußen war das Geräusch von Reifen auf dem Kies der Auffahrt zu hören. Er faltete seine Zeitung zusammen und legte sie auf den Tisch.

»Das müssten mein Bekannter und seine Begleitung sein. Bis heute Abend, mon trésor

Ich ging mit ihm zur Haustür und begrüßte seinen Freund, einen Mann Anfang neunzig, der ein Berater von Außenminister Marshall gewesen war. Ich war froh, dass die Begleitung – eine attraktive Frau, die etwas über sechzig zu sein schien – am Steuer saß.

Nachdem sie weggefahren waren, klingelte das Telefon in der Halle. Ich hob den Hörer ab und setzte mich neben dem Tischchen in den Queen-Anne-Sessel, dessen Bezug eine Landschaft in Weiß- und Blautönen zeigte. Eine Büste Thomas Jeffersons – eines von Lelands geschätzten Besitztümern – beobachtete mich von einem Alkoven auf der anderen Seite der Halle.

»Lucie, hier ist Jack Greenfield.« Er klang nervös und geschäftsmäßig.

»Hallo, Jack.«

»Wahrscheinlich ist es besser, wenn ich gleich zur Sache komme.«

»Sicher«, sagte ich. Um welche Sache es sich auch immer handeln mochte, es hörte sich nicht gut an.

»Ich habe beschlossen, die Washington-Flasche von der Auktion zurückzuziehen.«

Ich sank im Sessel zusammen und schloss die Augen. »Entschuldigung, was haben Sie eben gesagt?«

»Ich sagte, ich habe beschlossen, die Flasche zu behalten. Schließlich und endlich gehört sie in Familienbesitz. Ich hatte ein wenig Zeit, darüber nachzudenken, und ich entschuldige mich für die Unannehmlichkeiten, die ich vielleicht verursacht haben könnte. Seien Sie unbesorgt, ich gebe Ihnen etwas anderes. Sie werden trotzdem eine Menge Geld einnehmen.«

Worüber zum Teufel redete er überhaupt? War ihm jemand auf die Nerven gegangen? Vielleicht Nicole Martin? Sie hatte Ryan gesagt, sie würde nicht ohne diese Flasche nach Kalifornien zurückkehren.

»Es handelt sich um sehr viel mehr als nur Unannehmlichkeiten, Jack. Verkaufen Sie diesen Wein an jemand anderen?«

»Natürlich nicht!« Er klang beleidigt. »Ich habe doch gerade gesagt, dass ich ihn behalte.«

»Sie verkaufen ihn nicht an Nicole Martin?«

»Wer ist Nicole Martin?«

Wusste er es wirklich nicht? »Schauen Sie, Jack, könnten Sie es sich nicht vielleicht noch einmal überlegen …«

»Machen Sie es nicht so schwierig, Lucie. Ich fühle mich schon schlecht genug dabei. Aber diese Flasche hat sich für mein Geschäft als hervorragend erwiesen. Nachdem Ryans Kolumne erschienen ist, werde ich förmlich überschwemmt mit Anrufen aus der ganzen Welt.«

Natürlich. Wir ja auch. Die Leute meldeten sich von überallher, um an unserer kleinen Auktion teilzunehmen. Jetzt wollte er seine Hauptspende zurückhaben. Wie sollten wir den Leuten das erklären?

Ich presste meine Nasenwurzel mit Daumen und Zeigefinger zusammen. Die Kopfschmerzen, die bereits eingesetzt hatten, nachdem Quinn und ich uns am Morgen in die Wolle geraten waren, pulsierten hinter meinen Augen. Es musste eine Möglichkeit geben, es ihm auszureden.

»Sie wissen, wie begeistert wir waren, als Sie diese Flasche gespendet haben. Bei Shelter the Children war man außer sich, als man begriff, wie viel Geld sie einbringen könnte, und …«

Er unterbrach mich. »Hören Sie auf! Stellen Sie mich nicht als Geizkragen hin. Das lasse ich nicht zu. Außerdem werden Sie nicht leer ausgehen. Als Ersatz für den Margaux bekommen Sie eine Jeroboam Pétrus. Damit fahren Sie verdammt gut.«

Château Pétrus war einer der anderen legendären Bordeaux-Weine, doch damit würden wir auch nicht annähernd so viel erzielen wie mit einer Flasche, die für George Washington bestimmt war. Der Zauber, der die Auktion umgeben hatte, würde sich in Rauch auflösen. Aber Jack würde seine Meinung nicht ändern, und nichts von dem, was ich noch tun konnte, würde ihn umstimmen. Wenn er den Wein zurückhaben wollte, war es so.

»Ich bringe ihn heute Abend zu Ihnen nach Hause. Um vier Uhr treffe ich mich mit Amanda Heyward, danach kann ich die Flasche abliefern und es hinter mich bringen.« Ich wusste, dass es unfreundlich klang, doch ich war zornig und verletzt.

Er antwortete mir genauso barsch: »Sie können es morgen hinter sich bringen. Sunny und ich sind heute Abend unterwegs. Und bringen Sie die Flasche zu mir nach Hause, nicht ins Geschäft.«

»Natürlich.«

»Noch etwas.«

Ich schloss die Augen und hatte das Gefühl, als würden Blitze auf sie abgeschossen. Was kam jetzt noch? »Ja?«

»Ich möchte den Dorgon zurückhaben. Sie werden mir noch dankbar dafür sein. Ich habe gestern eine andere Flasche dieses Jahrgangs getrunken, und er war umgekippt.«

»Das haben Sie erst gestern Abend festgestellt?«, fragte ich. Also wollte er, dass ich ihm beide Bordeaux-Weine zurückgab.

»Ich würde Ihnen doch nicht absichtlich eine schlechte Flasche Wein geben.« Er klang überrascht. Ich hatte ihn erneut vergrätzt. »Bitte bringen Sie ihn zusammen mit dem Margaux vorbei.«

»Ich werde Sie ihnen beide morgen Abend abliefern.«

»Danke!«

»Übrigens«, sagte ich, »ich wüsste gerne, ob Sie Valerie Beauvais gekannt haben.«

Er zögerte einen Moment zu lange, bevor er antwortete. »Sie meinen diese Frau, die neulich den Autounfall hatte?«

Und ob ich die meinte, und das wusste er genau. Ich ließ ihn zappeln. »Genau die. Die Schriftstellerin. Sie folgte Thomas Jeffersons Weg zu den europäischen Weingütern und hat ein Buch darüber geschrieben.«

»Ich kenne sie vom Hörensagen.«, sagte er. »Kannte sie, besser gesagt. Bin ihr nie persönlich begegnet. Tut mir leid, Lucie, hier sind gerade Kunden gekommen. Wir sehen uns morgen.«

Er legte auf, und ich betrachtete eine Weile Jeffersons Büste. Jack Greenfield hatte eben gelogen, und ich fragte mich, warum.

Hatte die Tatsache, dass er den Margaux zurückhaben wollte, etwas mit Valeries Tod zu tun? Jacks Arthritis war so schlimm, dass er Schwierigkeiten mit dem Öffnen von Weinflaschen hatte. Er wäre kaum imstande gewesen, die Radmuttern an ihrem Wagen zu lösen, oder? Außerdem, warum hätte er ihr Schaden zufügen sollen?

Außer wenn er herausgefunden hatte, was sie über den Washington-Wein wusste. Den ich ihm schon bald zurückgeben würde, sodass er in seiner Sammlung und aus dem Blick der Öffentlichkeit verschwand.

Für immer.