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Kapitel 25

Auf der Rückfahrt rief ich in der Weinkellerei an. Frankie kam ans Telefon und sagte, einige Journalisten hätten sich wegen Nicole gemeldet.

»Was haben Sie ihnen gesagt?«, fragte ich.

»Kein Kommentar.«

»Richtig so. Ich habe gerade mein Handy eingeschaltet. Sieht so aus, als hätte ich gleich einen ganzen Haufen Nachrichten bekommen.«

»Hören Sie einfach nur hin, wenn es jemand ist, den Sie kennen«, sagte sie. »Ich habe Gina gebeten, heute zu kommen. Ich hoffe, es ist Ihnen recht, aber ich dachte, die Chefin könnte einen freien Tag brauchen. Wir schaffen alles, was auf uns zukommt.«

Ich lächelte. »Der Chefin käme der freie Tag ganz gelegen. Haben Sie Quinn gesehen?«

»Jesus, Maria und Josef!«

»Das soll wohl Ja heißen.«

»Der sah wie ausgespuckt aus.«

»Er braucht etwas Schlaf. Ich hoffe, Sie haben ihm auch gesagt, dass er einen Tag freinehmen soll.«

»Ich habe es versucht. Er ging in den Weinkeller, um sich zurückzuziehen. Ein Reporter erschien bei ihm auf der Türschwelle und wollte mit ihm reden«, sagte Frankie.

»Was geschah?«

»Quinn hat ihn vom Grundstück gejagt und danach seinen Jagdkumpel angerufen, dass er herkommen und hier patrouillieren soll. Angeblich soll er Krähen abschießen, aber ich glaube, gleichzeitig soll er Eindringlingen einen Heidenschreck einjagen.«

»Das Gelände rund um das Kreuz meiner Mutter gilt immer noch als Tatort, Frankie. Und das Sheriff’s Department wird bestimmt hier auftauchen, um die Gegend abzusuchen.«

»Die waren schon hier«, sagte sie. »Ich glaube, sie sind jetzt da draußen, wo Sie Nicole gefunden haben. Schauen Sie, warum lassen Sie nicht mich alles regeln? Fahren Sie nach Hause, und stellen sie Ihr Telefon ab. Nehmen Sie Ihren Großvater, und Sie fahren mit ihm weg, oder verkrümeln Sie sich einfach irgendwohin. Es muss doch irgendetwas geben, was Sie gerne tun würden.«

»In der Tat«, sagte ich, »da gibt es etwas.«

Als ich gegen halb zehn nach Hause kam, schlief Pépé noch. Ich setzte mich ins Foyer der Jefferson-Büste gegenüber und hörte die Nachrichten auf dem Anrufbeantworter ab. Der einzige Anruf, den ich beantwortete, war von Kit.

Sie hob schon beim ersten Klingeln ab. »Wo zum Teufel bist du gewesen? Ich habe dich überall gesucht. Bei dir zu Hause antwortet niemand, und auf deinem Handy werde ich sofort zur Voicemail weitergeleitet.«

»Mein Großvater würde nicht mal aufwachen, wenn eine ganze Armee durch sein Schlafzimmer marschiert. Ich war unterwegs.«

»Geht es dir gut, Luce? Wie ich hörte, habt ihr beide Nicole gefunden.«

»Wir haben das Kreuz meiner Mutter besucht. Der Mörder hat ihre Leiche ganz in der Nähe zurückgelassen.«

»Bobby meinte, sie wäre geschlagen und erwürgt worden.«

»Ich weiß.«

»Wie hat Quinn es aufgenommen?«

»Wie zu erwarten. Er ist im Weinkeller und versucht zu arbeiten.«

»Schau, ich bin auf dem Weg zum Pressetermin des Sheriff’s Department, ich muss mich also sputen. Kann ich dich nachmittags anrufen?«

»Natürlich. Schreibst du den Artikel?«

»Die gesamte Redaktion arbeitet daran.«

»Hast du schon eine Entscheidung wegen des Moskau-Jobs getroffen?«

Sie zögerte, und des Herz rutschte mir bereits in die Hose. Sie würde ihn annehmen. »Ja«, sagte sie, »die habe ich tatsächlich getroffen. Ich habe ihn abgelehnt.«

Ich lächelte ins Handy. »Da bin ich aber froh! Was hat dich umgestimmt?«

»Vielleicht ist es doch gar nicht so schlecht, über Schulausschusssitzungen zu schreiben«, sagte sie. »Und Bobby hat schließlich gemeint: Baby, geh nicht.«

»Wirklich? Dann scheint es ja ernst zu werden.«

»Ja, na klar. Der Speedy Gonzales der Romanzen. Das ist, als wolltest du einem Gletscher beim Schmelzen zusehen.« Sie kicherte über ihren eigenen Scherz. »Was machst du heute?«

»Besorgungen.«

»Mach dir nicht zu viele Gedanken, ja. Und schone dich. Wir sprechen uns später, Kleine.«

»Bis dann!«

Ich legte auf, schrieb Pépé eine Notiz zum Kaffee und fügte ein PS über Thelma und das Brot hinzu – wobei ich das rote Kleid allerdings unterschlug. Es entsprach einfach der Natur meines Großvaters, sich gegenüber jeder Frau, der er begegnete, nett und galant zu zeigen, doch die einzige wahre Liebe in seinem Leben war meine Großmutter gewesen. In ihrem tiefsten Inneren wusste Thelma dies, glaube ich.

Ich legte die Morgenzeitung auf den Couchtisch in der Bibliothek, wo er gerne las, und leerte seinen Aschenbecher. Er hatte einen ordentlichen Stapel von Ausgaben der Washington Tribune hinterlassen, die Ryans Kolumnen enthielten. Ich sammelte sie auf, um sie auf dem Weg zum Auto ins Altpapier zu werfen.

Wenn Nicole Martin sich mit einer anderen Frau getroffen hatte, gab es – außer mir – noch eine andere Frau, die nicht wollte, dass sie die Stadt mit dem Washington-Wein verließ. Amanda Heyward. Hatte sie versucht, Nicole aufzuhalten? Unsere Beziehung war aufgrund des Vandalismus von Kyra und der Tatsache, dass ich diese gezwungen hatte, meine Steinsäulen zu säubern, abgekühlt. Amanda nach Nicole zu befragen, nachdem deren Leiche auf dem Weingut gefunden worden war, würde keine leichte Aufgabe sein.

Ich öffnete die Seitentür des Kutschenschuppens und stopfte die alten Tribunes in die Papiertonne. Die oberste Ausgabe war noch so gefaltet, dass Ryans Kolumne zu sehen war – der Text über den Washington-Wein. Ich nahm sie und las sie erneut.

Ryan hatte nicht nur über den Margaux geschrieben, obgleich dieser das Kernstück seines Artikels bildete. Er hatte auch den Domaine de Romanée-Conti und den Château Dorgon erwähnt. Joe Dawson hatte gesagt, Valerie sei wegen etwas erregt gewesen, das sie in Bordeaux erfahren hatte. Ich hatte immer gemutmaßt, es sei der Margaux gewesen, da sowohl Valerie als auch Thomas Jefferson dieses Weingut besucht hatten. Der Domaine de Romanée-Conti war ein Burgunder – doch dann blieb immer noch der Dorgon. Ein Weingut, das nicht mehr existierte.

Gestern Abend hatte ich das Tagebuch von Jeffersons Europareise zu Ende gelesen. Es war eine peinlich genaue Auflistung all dessen gewesen, was er gesehen hatte, bis hin zu banalen Feststellungen wie der Anordnung der Backsteine an den Häusern entlang der Garonne. Im Gegensatz zu mir war ihm kein Detail entgangen.

Ich ging wieder ins Haus und klopfte an Pépés Schlafzimmertür. Er antwortete verschlafen.

»Entschuldige bitte, dass ich dich wecke, aber es ist wichtig«, sagte ich.

»Entrez

An seinem blau und weiß gestreiften Schlafanzug stand der oberste Knopf offen, und ein kleines Dreieck blasser Haut war zu sehen. Graue Haare ragten heraus. Ihn so zu sehen, statt distinguiert in einem abgetragenen, jedoch eleganten Anzug, ließ ihn verletzbar wirken. Mir schnürte es die Kehle zusammen, und ich beugte mich zu ihm hinab, um ihn zu umarmen und seine runzelige Wange zu küssen.

»Was ist los? Setz dich, ma puce

»Willst du nicht nach unten kommen und Kaffee trinken?«, fragte ich. »Thelma hat dir auch frisches Brot geschickt. Für den Fall, dass du deine Meinung über ein kleines Frühstück geändert haben solltest.«

»Du weckst mich um …« Er beugte sich zu seinem Wecker und hielt ihn sich dicht vor die Augen, um ohne Brille lesen zu können. »Mon Dieu. Kurz vor zehn, und da fragst du mich, ob ich frühstücken will?«

»Nein, nein. Tut mir leid. Darum ging es nicht. Ich wollte dich etwas wegen des Weins fragen, den Jack Greenfield für die Auktion gespendet hat. Nicht der Margaux. Der andere Bordeaux – der Château Dorgon.«

»Was ist damit?«

»Weißt du, weshalb dieses Château das Geschäft aufgegeben hat?«

»Die Familienmitglieder, die den Krieg überlebt haben, konnten es nicht mehr halten, deshalb verkauften sie es.« Er lehnte sich gegen das zerknitterte Kopfkissen. »Warum ist das so wichtig?«

»Ich weiß es nicht. Hast du eine Möglichkeit, mehr über diese Familie in Erfahrung zu bringen?«

»Ich kann jemanden anrufen, wenn du das möchtest. Er hat lange in Bordeaux gearbeitet und sich um die Weingüter der Region gekümmert, nachdem wir Geldmittel aus dem Marshallplan erhielten.«

»Das wäre fantastisch!«

Er betrachtete mich. »Ich fürchte, du möchtest, dass ich jetzt direkt anrufe.«

»Wärst du so lieb?«

Doch sein Freund war nicht zu Hause, daher hinterließ er eine Nachricht.

»Was ist los, Lucie?«, fragte er.

Ich berichtete ihm, was Thelma über Nicole und deren Treffen mit einer Frau gesagt hatte, von der ich annahm, dass es sich um Amanda Heyward handelte.

»Was willst du jetzt unternehmen?« Sein Blick war besorgt. »Ich hoffe nur, du hast nicht vor, Amanda zu fragen, ob sie Nicole getroffen hat?«

»Ich muss mit ihr über die Auktion reden«, sagte ich. »Ich finde schon einen Weg, sie indirekt nach Nicole zu fragen.«

»Ruf sie an.«

»Ich muss sie persönlich sprechen.«

»Natürlich musst du das.« Er schüttelte den Kopf. »Ich halte das nicht für klug.«

Ich starrte ihn mit verschränkten Armen an.

»Wenn du darauf bestehst«, sagte er schließlich, »komme ich mit. Aber vorher muss ich noch duschen und einen Kaffee trinken.«

»Geh du duschen, dann mache ich inzwischen den Kaffee.«

Er schaute mich durchdringend an. »Ich will doch kein Abwaschwasser, besonders nicht zu dieser unchristlichen Zeit. Danke, aber ich mache ihn mir lieber selbst.«

»Du bist ganz schön miesepetrig, wenn du aufwachst.«

»In meinem Alter ist es ein Segen, überhaupt aufzuwachen«, sagte er. »Und wenn du mich jetzt bitte entschuldigen würdest …«

Ich stand auf und grinste. »Aber ja doch. Wir sehen uns dann in der Küche.«

Als ich nach unten kam, klingelte das Telefon. Frankie rief aus der Villa an. Ich hörte sie durch das Telefon seufzen.

»Was ist passiert?«, fragte ich.

»Entschuldigen Sie bitte! Ich weiß, dass Sie heute gerne auf Störungen verzichten können, und es scheint auch ziemlich belanglos zu sein.« Sie hatte ihre Stimme gesenkt, sodass ich sie kaum verstehen konnte.

»Was scheint belanglos zu sein? Und warum flüstern Sie?«

»Mac Macdonald ist hier. Er möchte eine Spende für die Auktion hierlassen. Meint, es wäre eine richtig gute Flasche Wein, aber er will sie Ihnen übergeben. Ihnen persönlich«, sagte sie. »Ich glaube, in Wirklichkeit will er sehen, wie es Ihnen geht, nachdem Sie gestern Nicole gefunden haben. Er macht sich Sorgen um Sie.«

Mac war der Besitzer von Macdonald’s Fine Antiques in Middleburg, und er war einer der Romeos. Er hatte meiner Mutter bei der Beschaffung vieler amerikanischer Stücke geholfen, die sie im Laufe der Jahre für Highland House gekauft hatte, und er hatte meinen Eltern sehr nahegestanden.

»Ich komme sofort«, sagte ich. Pépé würde für seine Toilette noch einige Zeit brauchen.

»Es tut mir wirklich leid«, entschuldigte Frankie sich noch einmal.

»Das macht nichts. Können Sie Mac eine Tasse Kaffee geben?«

»Er trinkt schon seine zweite. Außerdem habe ich ihm meinen Muffin von Thelma gegeben.«

»Sie sind eine liebe Frau.«

Ich rief die Treppe hinauf zu Pépé, ich müsste etwas in der Weinkellerei erledigen und wäre gleich wieder zurück. Dann nahm ich meine Jacke und die Autoschlüssel.

Frankie hatte neben den Stufen zur Eingangstür der Villa ein paar Kürbisse und einen Topf mit leuchtend gelben Chrysanthemen aufgestellt. Einer der Kürbisse war dunkler als die anderen, und die Farbe erinnerte mich an Nicoles Kostüm. Als ich eintrat, standen an den Enden der Bar ihre beiden geschnitzten Kürbislaternen – die Hexe und der Werwolf. Frankies Lächeln gefror, als sie mich sah.

»Was ist los?« Sie drehte sich um und starrte auf die Kürbisse. »Ich habe sie im Weinkeller entdeckt und dachte mir, sie würden sich hier gut machen. Jemand hat da hervorragende Arbeit geleistet. Sie sind doch für die Weinkellerei gedacht, oder?«

»Hallo, da bist du ja, Herzchen!« Mac Macdonald kam aus der Küche mit einem Becher Kaffee in der Hand. Groß und gebeugt mit einer Mönchstonsur im weißen Haar, schlotterte ihm der Anzug um den spindeldürren Körper und erinnerte mich an einen elegant gekleideten Kranich. Sein Blick wanderte von mir zu Frankie. »Stimmt irgendetwas nicht? Habe ich euch unterbrochen …?«

»Nein, alles in Ordnung.« Ich fing Frankies Blick ein.

Hinter Macs Rücken zeigte sie auf die Kürbisse, zog die Augenbrauen hoch und formte mit den Lippen: »Diese?«

Ich nickte und ging zu Mac, um ihn auf die Wange zu küssen. »Frankie sagte, du hättest eine Spende für die Auktion gebracht. Wie aufmerksam von dir!«

Mac saß auf seinem Geld, und obwohl er beim Verkauf eines Möbelstücks oder eines Gemäldes jedes Mal schwor, er verdiene kaum etwas daran, wusste jeder in der Stadt es besser. Er und ein paar der anderen Romeos hatten einen Investmentclub gegründet, der jedes Jahr große Gewinne abwarf. Außerdem besaß Mac noch sein eigenes Aktienpaket, von dem es hieß, es bewege sich im siebenstelligen Bereich. Das hielt ihn aber nicht davon ab, nicht abgestempelte Briefmarken von den Umschlägen zu lösen und jeden Morgen Thelmas Ausgabe der Tribune zu lesen, wenn er auf einen Kaffee und einen Krapfen bei ihr hereinschaute. Dass er einen Wein spendete, war überraschend.

»Hier ist er.« Mac hatte eine Baumwolltasche mit dem Logo der Blue Ridge Federal Bank auf einem der Sofas abgelegt. »Angeblich ist er ziemlich gut.«

Er zog die Flasche heraus und reichte sie mir. Eine Doppelmagnumflasche Château Latour à Pomerol.

»Das ist mehr als nur ziemlich gut, Mac. Das ist fantastisch!«, sagte ich. »Eine Latour Pomerol wird eine Menge Geld bringen.«

»Wirklich?« Er schien überrascht, und einen Moment lang zweifelte ich, ob er es sich vielleicht anders überlegen würde. »Na ja, er meinte, die Flasche wäre eine Menge wert.«

»Wer hat das gesagt?«

»Shane Cunningham.«

»Du hast sie bei Jeroboam’s gekauft?«

Mac schüttelte den Kopf. »Shane gab sie mir. Ich habe gerade angefangen, Weinfutures von ihm zu kaufen, und ich habe ein paar Flaschen Wein über seine Internetauktionen ergattert. Er berät mich, da ich immer noch ein Anfänger bin, und ich vertraue ihm.« Er zuckte die Achseln. »Gewöhnlich verkaufe ich alles wieder über ihn, was ich erstanden habe, und das hat mir bereits einen stattlichen Profit eingebracht. Dieser Wein war so eine Art Dankeschön, nachdem ich eine ziemlich ansehnliche Summe investiert habe.«

Eine Art Dankeschön. »Dann siehst du den Wein also nie, den du bei diesen Auktionen kaufst?«

Er hob den Kaffeebecher. »Du weißt doch, dass ich Abstinenzler bin. Aber ich liebe Geldanlagen – und weißt du, es macht Spaß, sich in der Welt des Weins zu tummeln.« Er lächelte, als seien wir Verschwörer.

Ich blickte auf die Flasche. Jack Greenfield besaß mehrere Doppelmagnumflaschen Latour – ich hatte sie gesehen, als ich am Sonntag durch seinen Weinkeller gegangen war. Und Shane besorgte die Inventur dessen, was Jack besaß, da Jack den Überblick verloren hatte.

»Wann hat dir Shane die Flasche gegeben?«, fragte ich.

»Vor ein paar Wochen, vielleicht vor einem Monat. Warum?«

»Reine Neugier. Ganz herzlichen Dank, Mac!«

»Ist mit dir alles in Ordnung, Herzchen? Ich habe gehört, du hättest gestern diese junge Frau gefunden.« Er legte mir den Arm um die Schulter. »Wohin treibt diese Welt nur, in der man jemanden umbringt und dann wie einen Müllsack ablädt. Wer macht so etwas?«

»Ich weiß es nicht«, sagte ich. »Aber ich bin überzeugt, der Sheriff wird dahinterkommen, wer es getan hat.«

»Früher war es so sicher hier in der Gegend«, sagte er. »Jetzt kommen all diese Leute von außerhalb. Und auch ihr schleppt sie an, ihr stellt sie ein. Ich sage dir, diese Kerle sollte man wieder nach Hause schicken, wo sie hingehören. Ich wette mit dir, dass es einer von denen getan hat.«

So gerne ich Mac auch mochte, seine üblen Vorurteile und seine Überzeugung, die weiße Hautfarbe stünde für Reinheit und das Gute, würde ich nie verstehen. Er dachte, Amerika müsse von Amerikanern bevölkert sein, nicht von Ausländern, doch man konnte ihm nicht klarmachen, dass die einzigen wirklichen Amerikaner bereits viele Jahrhunderte, bevor die Susan Constant, die Godspeed und die Discovery 1607 in Jamestown eintrafen, hier gewesen waren. Schlussendlich waren er und wir alle Ausländer.

»Wenn diese Leute nicht meine Weintrauben ernten würden«, sagte ich, »wer würde es dann tun? Sie arbeiten hart, Mac. Sie schicken Geld nach Hause, damit ihre Familien ein besseres Leben führen können. Viele von ihnen haben mehr als nur einen Job.«

»Du wirst ja sehen«, sagte er. »Am Ende wird herauskommen, dass einer von diesen Leuten für den Tod der Frau verantwortlich ist.«

Er sagte ›diese Leute‹, als hätte er damit Vogelscheiße gemeint.

»Da bin ich nicht so sicher«, sagte ich.

Er küsste mich auf die Wange und ließ seinen leeren Kaffeebecher auf der Bar stehen. Die Kürbisse, stellte ich fest, waren verschwunden.

Nachdem er gegangen war, kam Frankie mit in die Hüften gestemmten Händen zu mir. »Ich habe die Kürbisse nach draußen auf die Terrasse geschafft, weil ich weiß, dass sie Sie aufregen«, sagte sie, »aber ich schwöre Ihnen, ich war nahe daran, ihm einen an den Kopf zu schmeißen.« Sie streckte Daumen und Zeigefinger aus. Dazwischen passte kein Blatt Papier.

»Ich hätte Sie nicht davon abgehalten«, sagte ich. »Er war schon immer so. Doch meistens behält er es für sich.«

»Ich hätte ihm das nicht durchgehen lassen.«

Ich schüttelte den Kopf. »Heute war ich dazu nicht in der Lage.«

»Das kann ich mir vorstellen. Vor allem nachdem ich Ihr Gesicht gesehen habe, als er Ihnen den Wein gegeben hat. Was ist denn eigentlich mit den Kürbissen?«

»Nicole hat sie geschnitzt, als sie neulich abends bei Quinn war«, sagte ich.

Frankie bedeckte den Mund mit der Hand. »Das wusste ich doch nicht. Ich hätte sie nicht herholen sollen. Was soll ich denn jetzt damit machen?«

»Bringen Sie sie in den Weinkeller zurück, dann kann Quinn entscheiden.«

»In Ordnung.« Sie betrachtete den Latour. »Eine tolle Spende!«

»Das kann man wohl sagen. Jetzt muss ich aber wieder nach Hause. Mein Großvater wartet auf mich.«

»Wollen Sie gemeinsam etwas Schönes unternehmen?«

»Ich denke, ich fahre rüber zu Jack Greenfield und gebe dort die Vorlage für das Titelblatt des Auktionskatalogs ab.«

Sie schien überrascht zu sein. »Wirklich? Na gut, wenn Sie das nach allem, was passiert ist, auf andere Gedanken bringt, ist es ja in Ordnung. Die Auktion ist ein bisschen auf der Strecke geblieben, nachdem Jack Sie gebeten hat, den Wein zurückzugeben. Wir haben da noch eine Menge vor uns, wie Sie wissen.«

Ich fuhr nach Hause und dachte über die Washington-Flasche nach. War Nicole am Sonntag zu den Greenfields gegangen und hatte versucht, sie zu kaufen? Jack hatte sich zu diesem Zeitpunkt bestimmt noch von der Gehirnerschütterung erholen müssen, die er in der Nacht zuvor erlitten hatte. Thelma hatte gehört, wie sich Nicole am Telefon mit einer Person verabredet hatte, von der sie annahm, es sei eine andere Frau gewesen. Hatte Nicole sich mit Sunny getroffen, und nicht mit Amanda, wie ich ursprünglich gedacht hatte?

Dann gab es da noch Shane, den ich jetzt verdächtigte, Wein aus dem Weinkeller seines Partners zu stehlen. Außerdem war er Nicoles Exfreund und neulich nach dem Einbruch nirgends aufzutreiben gewesen. Wie passte er in diese ganze Geschichte?

Pépé hatte seinen Kaffee getrunken, als ich nach Hause kam.

»Die Pläne haben sich geändert«, sagte ich. »Wir fahren nicht zu Amanda. Wir fahren zu Sunny Greenfield und liefern etwas für die Auktion ab.«

»Rechnet sie mit uns?«, fragte er.

»Nein«, sagte ich, »aber das macht nichts. Ich bin gleich wieder da. Die Unterlagen sind oben in meinem Arbeitszimmer.«

Als ich zurückkam, wartete er bereits im Mantel auf mich.

»Alles klar?«, fragte ich.

»Alles klar. Ich brauche nur meine Zigaretten.« Er klopfte auf seine Brusttasche. »Der Grund dafür, dass wir Sunny besuchen, sind nicht nur die Unterlagen, oder?«

»Du hast recht«, sagte ich, »das sind sie nicht.«

»Das habe ich auch nicht erwartet«, sagte er.