KAPITEL FÜNFUNDZWANZIG 

Dienstagmorgen. Vera hatte ihr Team zu einer frühen Besprechung zusammengetrommelt. Charlie sah aus, als hätte er am Schreibtisch übernachtet; zumindest war er nicht zum Rasieren gekommen. Joe hatte Frühstücksbrei am Hemd. Nur Holly wirkte wach und lebhaft, und als Vera sie da so hübsch und kerngesund vor sich sitzen sah, überkam sie schrecklicher, zerstörerischer Neid. Sie selbst hatte nie so ausgesehen, nicht einmal in jüngeren Jahren. Als sie hereinkam, saßen die anderen alle schon um den Tisch, und Joe erzählte etwas von Clive Stringer.

«Was ist mit ihm?», fragte Vera, da das Gespräch anscheinend schon fast zu Ende war.

«Wenn wir einen Spinner suchen, wäre er ein ganz guter Kandidat.»

Ach ja?, dachte Vera bei sich. Sie selbst war praktisch mit solchen seltsamen jungen Männern aufgewachsen. Einzelgänger, Besessene. Helfershelfer ihres Vaters.

«Immerhin wühlt er den ganzen Tag in den Eingeweiden toter Vögel herum und hat keine Freunde, bis auf die Typen in Fox Mill. Und keine Freundin.»

Vera fragte sich, ob Joe auch sie für eine Spinnerin hielt. Sie hatte doch auch keine Freunde.

«Und was wäre sein Motiv?»

«Keine Ahnung. Vielleicht hat er es ja bei Lily versucht, und sie hat ihn abblitzen lassen.»

«Dazu müssten wir erst mal beweisen, dass sie sich überhaupt kannten. Und Lukes Mörder haben wir dann auch noch nicht.»

«Dann vielleicht Neid? Sie waren beide jung und attraktiv. Vielleicht reichte ihm das ja schon.»

«Aber wir haben keine Beweise», sagte sie. «Nicht einen. Außerdem hat er kein Auto.»

«Aber einen Führerschein. Was sollte ihn davon abhalten, sich irgendwo ein Auto zu leihen?»

«Und von wem?», fragte Vera zurück. «Sie haben doch gerade selbst gesagt, er hätte keine Freunde.»

«Er kann es ja auch gestohlen haben. Oder gemietet.»

«Stimmt», sagte sie. «Dann fragen Sie mal bei den Autovermietungen nach. Die müssten sich ja an ihn erinnern.»

«Und wir sollten auch mit seiner Mutter reden.»

«Selbstverständlich.» Vera wahrte nur mit viel Mühe die Beherrschung. «Trotzdem bleiben wir für alle Möglichkeiten offen.»

Das brachte Joe zum Schweigen, und Vera hatte das Gefühl, dass er sauer war. Wahrscheinlich fand er, dass sie jetzt schon lange genug zusammenarbeiteten und sie ihn nicht an diesen Grundsatz zu erinnern brauchte. Es kam sogar häufig vor, dass er sie daran erinnern musste.

«Also dann», sagte sie. «Was haben wir sonst noch?» Womit sie signalisierte, dass sie etwas Konkretes hören wollte, keine Spekulationen oder voreiligen Schlüsse. Sie hielt ihre Stimme bewusst ruhig. Es war nicht der richtige Augenblick, um Panik zu verbreiten, obwohl sie langsam wirklich einen Verdächtigen brauchen konnten. Vera spürte wieder, wie die Zeit verrann, während sie hier saßen, spürte wieder die Angst, dass es doch einfach nur zufällige Morde ohne nachvollziehbares Motiv waren und sie bald einen weiteren schönen jungen Menschen mit Blumen bestreut irgendwo im Wasser finden würden.

Charlie rutschte auf seinem Stuhl herum und räusperte sich kräftig, so wie die Penner in den Hauseingängen, bevor sie ausspuckten. Vera wurde fast übel von diesem Geräusch.

«Ich weiß jetzt, wo Lilys Miete herkam.»

«Und woher?»

«Ein Konto bei einer Sparkasse, der North of England. Es lief auf ihren Namen. Bei den Sachen, die das Durchsuchungsteam in ihrem Zimmer sichergestellt hat, war auch ein Sparbuch. Davon hat sie jeden Monat einen Scheck ausgestellt.»

«Und was wurde darauf eingezahlt? Ihr Gehalt aus der Boutique?»

«Nein. Das ging direkt auf ihr Bankkonto. Hab ich Ihnen doch schon gesagt.» Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Vera verspürte das dringende Verlangen, ihn anzubrüllen, endlich mit der Sprache rauszurücken. «Etwa alle sechs Wochen hat sie fünfhundert Pfund darauf eingezahlt.» Er machte eine weitere Pause. «In bar.»

«Und woher hatte sie so viel Geld?»

Charlie zuckte die Achseln. «Vielleicht hat sie nebenbei ein bisschen als Edelnutte gejobbt. Das machen viele Studentinnen. Heißt es.»

Unter anderen Umständen hätten jetzt wahrscheinlich alle gekichert. Und woher weißt du das so genau, Charlie? Doch offenbar war ihnen klar, dass Vera von solchen Frotzeleien überhaupt nichts hielt.

Vera dachte an Lilys Kleiderschrank, an die teure Unterwäsche und die Kleider, die alle ein wenig wie Kostüme wirkten. «Das ist zumindest nicht auszuschließen. Geht mal mit einem Foto von ihr zu den einschlägigen Hotels in der Stadt. Vielleicht erkennt sie ja jemand wieder.»

Holly reckte den Arm in die Höhe. Die wohlerzogene Schülerin, die etwas zu sagen hatte.

«Ja?» Vera konnte nur hoffen, dass man ihr ihre Gereiztheit nicht anmerkte.

«Vielleicht hatte sie ja auch einen reichen Liebhaber …»

«Gibt es dafür irgendwelche Anhaltspunkte?»

«Ich habe mit den Mitbewohnerinnen gesprochen.»

«Mir haben sie gesagt, es hätte niemanden gegeben.» Vera merkte, dass sie automatisch in die Defensive ging, konnte aber nichts dagegen tun. «Zumindest schienen sie nichts darüber zu wissen.»

«Sie wollten nicht zugeben, dass sie einmal eins von Lilys Telefonaten belauscht haben. Das war ihnen peinlich. In der Küche steht ein Nebenanschluss. Sie haben das auch nur einmal gemacht, aber sie waren einfach viel zu neugierig, wollten unbedingt wissen, was da los ist. Das hatte ich schon vermutet. Ist doch nur natürlich, oder? Also habe ich ein bisschen in die Richtung nachgehakt. Sie haben mitbekommen, dass Lily jemanden anruft, sind an den Apparat in der Küche gegangen und haben gelauscht.»

«Und?»

«Keine Details», sagte Holly. «Und auch nichts richtig Brauchbares, keinen Namen beispielsweise. Es ist nicht mal sicher, dass sie wirklich etwas mit ihm hatte. Sie muss wohl gemerkt haben, dass die beiden lauschen, denn sie hat das Gespräch auffallend kurz gehalten.»

«Was haben sie denn nun mitgehört?»

«Es war ein älterer Mann. Gebildet. Gute Ausdrucksweise. Und es ging um eine Verabredung zum Abendessen.»

«Das kann ja so ziemlich alles gewesen sein. Ein Verwandter. Ein Kollege. Ihr Chef aus der Boutique.»

«Einen Verwandten kann man ausschließen, glaube ich», meldete sich Joe zu Wort. «Wenn es so jemanden in der Familie gäbe, hätte Phyllis das doch mit Sicherheit erwähnt, um damit anzugeben.»

«Und sonst haben die beiden Mädchen wahrscheinlich nichts weiter Sinnvolles getan?», fragte Vera. «Sie sind ihr nicht zufällig gefolgt, um zu sehen, wie er aussieht?»

Holly grinste. «Nein. Sie haben kurz darüber nachgedacht, einen Tisch im selben Restaurant zu bestellen, aber letztlich sind es dann doch wohlerzogene Mädchen. Sie fanden es nicht richtig, ihr nachzuspionieren.»

«Ich hasse wohlerzogene Mädchen», bemerkte Vera.

«Ihre Kolleginnen aus der Boutique hatten da zum Glück weniger Skrupel.»

Veras Mund verzog sich langsam zu einem Lächeln. Womöglich wurde ihr diese Holly doch noch sympathisch. «Und was haben Sie aus ihnen rausbekommen?»

«Auch nichts Aufregendes», gab Holly zu. «Oder zumindest nichts richtig Brauchbares. Aber immerhin die Bestätigung, dass diese Treffen mit dem älteren Mann keinen familiären Hintergrund und auch nichts mit der Arbeit zu tun hatten. Mit den anderen Frauen im Laden hat sie auch ein bisschen offener gesprochen. Wahrscheinlich fühlte sie sich einfach wohler mit ihnen. Sie fand es zwar toll, mit zwei Südengländerinnen aus gutem Haus eine schicke Wohnung in Jesmond zu teilen, aber sie hatten doch sonst nicht viel gemeinsam.»

«Nun sagen Sie schon.»

Holly zog ein kleines Notizbuch hervor, dessen Seiten mit ihrer großen Schulmädchenschrift beschrieben waren. Die Streberin, die alles richtig machen wollte.

«Vor etwa einem halben Jahr kam sie mit einem neuen Ring zur Arbeit. Ein Silberring mit einem Opal. Offensichtlich ein antikes Stück. Sie hat erzählt, er habe ihr den Ring geschenkt. Er hatte ihn ihr bei einem Ausflug nach York gekauft. Nach ihrer ersten gemeinsamen Nacht …»

Vera fiel ihr ins Wort. «Hat sie gesagt, wie das Hotel hieß?»

«Nein. Aber die eine konnte sich immerhin erinnern, was Lily davon erzählt hat. ‹Das Tolle, wenn man mit einem älteren Mann zusammen ist, ist ja, dass er einen gewissen Lebensstil pflegt.› Sie wollten natürlich wissen, wie alt er denn ist, aber das wollte sie ihnen nicht sagen. ‹Das würdet ihr eh nicht verstehen.› Die eine hat sie dann gefragt, ob er so alt ist, dass er ihr Vater sein könnte. Sie hat nichts darauf geantwortet, aber sie hat gelacht, da haben sie dann vermutet, dass es wohl so sein muss.»

«Gesehen haben sie ihn aber nie?»

«Nein. Wie gesagt, es war nichts richtig Brauchbares dabei.»

«Oh, Herzchen, glauben Sie mir, da ist eine ganze Menge Brauchbares dabei. Als Allererstes brauchen wir den Ring. War er bei den Sachen, die das Durchsuchungsteam hergebracht hat, Charlie?»

«Ich glaube nicht.»

«Schauen Sie noch einmal nach. Ich kann mich zwar auch nicht erinnern, so ein Schmuckstück in der Wohnung gesehen zu haben, aber es muss ja dort gewesen sein. Anschließend kann sich jemand einen Tag in York amüsieren und die Antiquitätenläden und Juweliere dort abklappern. Falls der geheimnisvolle Liebhaber nicht in bar bezahlt hat, haben wir gute Chancen, ihn ausfindig zu machen. Und jemand anders soll die guten Hotels abtelefonieren.»

«Liegt es denn nicht auf der Hand?», fragte Joe.

«Was genau meinen Sie?», blaffte Vera ihn an.

«Wir wissen doch von den beiden Studentinnen aus Peter Calverts Kurs, dass er eine Affäre mit einer jüngeren Frau hatte.»

«Wir wissen, dass es so ein Gerücht gab», erwiderte sie. «Aber wir haben nichts Definitives und keine Beweise. Und selbst wenn das Gerücht stimmen sollte, gibt es wahrscheinlich eine nette Anzahl hübscher junger Studentinnen in Newcastle, zwischen denen er wählen kann. Es muss ja nicht unbedingt Lily Marsh gewesen sein.»

Und außerdem, dachte sie, ist Peter Calvert keineswegs der einzige ältere Mann im Umkreis dieses Falls. Es gibt auch noch Samuel Parr. Lily besaß einen Benutzerausweis für die Northumberland Library, sie kann ihm gut dort begegnet sein. Und wenn ich zwischen Peter Calvert und Samuel Parr wählen müsste, wüsste ich ganz genau, wen ich nehmen würde. Auch der sorgfältig gestaltete Tatort passte sehr viel besser zu Parr. Doch diese Gedanken teilte Vera nicht mit ihrem Team. Sie behielt ihren Verdacht für sich. Ein kleines Privatvergnügen. Eine Möglichkeit, sie am Ende des Falls alle zu überraschen. Natürlich nur, wenn sie recht behielt.

Sie merkte, dass die anderen sie ansahen und darauf warteten, dass sie weitersprach. «Und?», fragte sie. «Sonst noch etwas?»

Joe beugte sich über den Tisch zu ihr hin. «Ich habe Ben Craven ausfindig gemacht.»

Vera wusste, dass der Name ihr eigentlich etwas sagen sollte, kam aber nicht darauf. Joe beobachtete sie. Sie sah ihm an, wie zufrieden er mit sich war. Langsam wirst du ein bisschen arrogant für meinen Geschmack.

«Der Junge, in den Lily sich in der Schule so wahnsinnig verliebt hat. Der, von dem sie so besessen war, dass sie ihren Abschluss in den Sand gesetzt hat.»

«Natürlich», sagte Vera, als hätte sie die ganze Zeit gewusst, von wem die Rede war. Was ihr allerdings keiner abnahm. «Was treibt er denn jetzt?»

«Er hat auswärts studiert, in Liverpool. Sozialarbeit. Letzten Sommer ist er wieder in den Nordosten zurückgekehrt. Und dreimal dürft ihr raten, wo er jetzt arbeitet.» Er schaute in die Runde und genoss den Moment, ehe er seine eigene Frage beantwortete. «Er ist psychiatrischer Sozialarbeiter im St. George’s. Dem Krankenhaus, wo Luke Armstrong in Behandlung war.»

«Hat er mit Luke gearbeitet?» Vera war nicht in Stimmung für Spielchen.

«Keine Ahnung. Ich habe noch nicht mit ihm geredet.»

«Dann warten Sie auch noch damit. Ich will erst mit Julie darüber sprechen. Wir wollen ihm ja nicht gleich Angst einjagen.»

Warum hatte Joe ihr das nicht gleich erzählt? Vera hätte gern eine Erklärung von ihm verlangt. Aber das war jetzt nicht der richtige Moment. Nicht vor den anderen. Er wird wirklich selbstgefällig, dachte sie. Und großspurig. Offenbar glaubt er, er kann alles mit mir machen.

Joe spürte anscheinend, dass sie verärgert war, und setzte dazu an, sich zu rechtfertigen. «Ich habe eben erst mit seiner Mutter telefoniert. Kurz vor der Besprechung.»

Und ich glaube wohl auch, ich kann alles mit ihm machen, dachte Vera. Ich betrachte ihn als Familienmitglied und erwarte mehr von ihm, als ich sollte.

«Samuel Parrs Frau hat Selbstmord begangen», sagte sie. «Ich will wissen, wie das war, wie sie gestorben ist. Können Sie sich darum kümmern, Charlie?»

Er nickte und machte sich eine Notiz.

«Irgendetwas Neues vom Leuchtturm? Hat vielleicht jemand einen Mörder beobachtet, der mit der Leiche einer jungen Frau unterm Arm vorbeispaziert ist?» Sie wusste selbst, dass das nicht komisch war, aber langsam ging ihr der Fall an die Substanz. Die Dreistigkeit dieses Mörders. Diese Anmaßung.

«Bisher nichts, was uns weiterbrächte. Jemand hat erzählt, dass das Wasserwerk dort irgendwelche Arbeiten ausgeführt hat, etwa eine Stunde lang. Ich muss noch überprüfen, ob die Techniker vielleicht etwas mitbekommen haben.»

«Schön», sagte Vera betont munter. «Dann haben wir ja alle eine Menge zu tun …»

Charlie räusperte sich wieder. Der Schleimpfropfen schien ihm dauerhaft in der Kehle zu sitzen. «Da wäre noch etwas. Wahrscheinlich ist es aber nichts.»

«Spucken Sie’s aus, Charlie!» Sie hatte es kaum gesagt, da dachte sie schon: Aber bitte nicht wörtlich nehmen, Herzchen. Bloß nicht wörtlich nehmen.

«Das habe ich zwischen den Papieren gefunden, die das Durchsuchungsteam sichergestellt hat», sagte er. «Ich dachte, es könnte vielleicht wichtig sein, von wegen Blumen.»

Er hielt einen durchsichtigen Plastikbeutel hoch. Darin steckte eine cremefarbene Briefkarte im Format DIN A6, auf der eine getrocknete, gepresste Blume klebte. Eine zarte gelbe Blüte. Irgendeine Wickenart vielleicht? Als Vera noch zur Schule ging, waren sie eine Zeit lang alle ganz verrückt nach Blumenpressen gewesen. Eine Lehrerin hatte sie darauf gebracht. Man legte die Blume zwischen zwei Blätter Löschpapier und schob sie dann in ein dickes Buch. Bücher hatte es bei Vera zu Hause zwar mehr als genug gegeben, trotzdem hatte sie bald keinen rechten Sinn mehr darin gesehen. Als sie nach Hectors Tod seine Sachen sortierte, war sie in einem seiner Bestimmungsbücher auf eine solche getrocknete Blume gestoßen, die sie dort als Schülerin hineingelegt hatte. Eine Schlüsselblume, die sie gepflückt, gepresst und dann für die folgenden dreißig Jahre vergessen hatte. Sie war mitsamt dem übrigen Plunder ins Feuer gewandert.

«Steht irgendwas hintendrauf?»

Charlie drehte den Plastikbeutel um. In schwarzer Tinte stand dort: XXX. Das Zeichen für tausend Küsse. Es hätte gut auch eine Karte sein können, die ein Kind für seine Mutter gebastelt hatte. Doch das hier, dachte Vera, war etwas anderes. Eine Liebesbotschaft?

«War ein Umschlag dabei?»

«Nein. Nur die Karte.»

«Dann haben wir also keine Chance auf DNA-Spuren

«Das könnte doch vielleicht ein Hinweis auf Peter Calvert sein?», wagte sich Joe Ashworth wieder vor.

«Vielleicht.» Vera konnte sich schwer vorstellen, dass der arrogante Universitätsprofessor so viel Zeit und Mühe investierte, eine solche Karte zu basteln. Selbstgebastelte Kärtchen, das waren doch genau die Dinge, über die er die Nase rümpfen würde. «Möglicherweise hat Lily sie aber auch selbst gemacht und ist nur nicht mehr dazu gekommen, sie abzuschicken. Oder sie wollte etwas Ähnliches mit den Kindern in ihrer Klasse basteln, und das war der Probelauf. Auf jeden Fall muss das ins Labor. Vielleicht können sie uns ja was über den Klebstoff sagen.»

Vera blieb am Tisch sitzen, als die anderen schon fort waren. Sie goss sich den letzten Rest Kaffee aus der Thermoskanne ein und ließ sich Zeit damit, ihn zu trinken. Irgendwie wurde sie das Gefühl nicht los, dass sich da jemand über sie lustig machte. Sie kam sich vor wie der Spielstein in einem besonders komplizierten Brettspiel. Echte Morde waren anders. Schmutzig und brutal, meistens ungeplant und immer scheußlich. Sie dachte an Julie Armstrong, die in ihrem Wohnzimmer in Seaton hockte und auf den Fernseher starrte, an Dennis Marsh, der sich in seinem Gewächshaus verschanzte, und sie versuchte sich einzureden, dass sie nicht jede einzelne Sekunde dieser Ermittlungen genoss.