Heitere Reflexionen über Tod und Sterben

 

 

Ich schrieb dies ungefähr 2001 für ein Online-Magazin, das schnell wieder offline ging.

 

Wavy Gravy erzählte mir von einem Typen, der einmal einen Zenmeister fragte: „Was geschieht, wenn wir tot sind?"

Der Roshi antwortete: „Ich weiß es nicht."

„Aber du bist ein Zenmeister!"

„Ja", entgegnete der Meister, „aber ich bin kein toter Zenmeister."

 

Ich verstehe nicht, warum die Leute den Tod fürchten – obwohl ich natürlich gute Gründe dafür sehe, den Prozess des Sterbens zu fürchten.

Zum einen hat Sterben häufig etwas mit starken, sich hinziehenden Schmerzen zu tun und zum anderen fließen in diesem Land deine Lebensersparnisse letztlich auf die Bankkonten der A.M.A.143 Diese beiden Aussichten scheinen gleichermaßen erschreckend – speziell wenn du gehofft hattest, deinen Kindern ein bescheidenes Vermögen zu hinterlassen.

Man kann diese bedauernswerten Umstände vermeiden, indem man in ein zivilisiertes Land zieht, das ein staatliches Gesundheitssystem hat und einem bei dem Vorhaben der Selbsttötung legale Hilfe anbietet, wenn man zum Beispiel einen Zustand erreicht hat, in welchem man dies nicht mehr aus eigener Kraft schafft. Ich persönlich habe vor, in die Niederlande auszuwandern, falls ein schmerzvolles, teures und langwieriges Sterben unvermeidbar scheint. Die medizinischen Banditen haben mir mittlerweile genug Geld aus der Tasche gezogen. Auf meinem Weg von hier weg lehne ich es ab, sie noch mehr zu bereichern.

Doch für den Tod und das, was vielleicht nach dem Tod kommen mag, sehe ich keine Veranlassung zur Furcht.

Ich mache mir Gedanken über folgende Alternativen:

 

Die meisten Menschen haben während des größten Teils der Geschichte an die Wiedergeburt (Reinkarnation) geglaubt. Ich glaube, dass die meisten Menschen weltweit dies immer noch tun. Das ängstigt mich aber nicht. Sollte ich als Kakerlake wiedergeboren werden, werde ich mich in der Nähe eines Computers von irgendjemandem verstecken und in der Nacht Gedichte verfassen, wie Archy, die berühmte Kakerlake, die ihre Verse auf Don Marquis‘ Schreibmaschine hinterließ. Werde ich als Mensch wiedergeboren, werde ich vielleicht meine Frau Arlen wieder treffen, sie wieder lieben und erneut heiraten. Das hört sich großartig für mich an.

Auch andere Reinkarnationen wie ein Baum oder ein Blauwal erscheinen mir unterhaltsam (und lehrreich) und keineswegs Angst einflößend.

Unglücklicherweise habe ich keine guten Gründe dafür, an Reinkarnation zu glauben, obwohl ich das irgendwie gerne würde. Ich erwähne diese Möglichkeit nur der Vollständigkeit halber.

 

Ein unheilvolles Gerücht, das im Okzident sehr verbreitet ist, besagt, dass wir nach dem Tod an einen Platz kommen, der Himmel genannt wird. Alle mir bekannten Beschreibungen davon hören sich entsetzlich an. Es scheint so, als ob sich eine gesamte Bevölkerung aus einigen Christen-Gangs zusammensetzt. Die Himmelsexperten sind sich nicht einig darüber, welche Christen eigentlich für den Himmel qualifiziert sind, aber sie scheinen grundsätzlich zu denken, dass sie persönlich zur Elite gehören. Eine Ewigkeit mit derart aufgeblasenen Leuten zu verbringen, erscheint mir unerträglich, doch glücklicherweise bin ich kein Christ und werde also nicht an einen solch langweiligen Ort geschickt.

Ein sogar noch schändlicheres Zeugnis legt die Hymne des United States Marine Corps ab:

 

If the Army and the Navy

ever looked on Heaven’s scenes

they would find the streets were guarded

by the United States Marines144

 

Ein Ort, an dem jede Strasse von Marines bewacht wird, hört sich nach einem besonders grausamen Polizeistaat an, vor allem wenn Christen ihn betreiben. Dort werde ich definitiv nicht hingehen wollen, nicht einmal für einen kurzen Besuch. Solch einen Ort würde ich nicht einmal meinem schlimmsten Feind wünschen. (Einige Menschen hassen mich für die Bücher, die ich schreibe, aber ich lehne es ab, ihnen ebenfalls Hass entgegenzubringen, also zählen sie nicht als meine Feinde.)

 

Wie schon bemerkt, bin ich nicht für den Himmel mit all seinen Harfen, fanatischen Christen und dem Kriegsrecht der Marines qualifiziert. Eine gleichermaßen schreckliche Vorstellung, die Millionen ängstigt, geht davon aus, dass einige von uns an einen Ort kommen, der Hölle genannt wird. Dort erleidet man ewige Qualen. Das ängstigt mich nicht. Wenn ich versuche, mir einen Verstand hinter dem Universum vorzustellen, dann kann er, normalerweise „Gott“ genannt, doch nicht völlig verrückt sein. Ich meine, vergleicht diesen „Gott“ doch einfach mal mit dem schlimmsten Monster, das euch einfällt – Adolf Hitler, Joe Stalin, diese Art Typ. Keiner von denen hat seinen Opfern jemals mehr als endlichen Schmerz zugefügt. Sogar de Sade hat sich in seinen Sado-Maso-Romanen niemals unendliche Qualen erdacht. Die Vorstellung, dass der Verstand hinter der Schöpfung (sofern er existiert) einige seiner Kreaturen für ewige Zeiten foltern will, erscheint zu absurd, um es ernst zu nehmen.

So ein gestörter Verstand könnte nicht einmal eine Lehmhütte erschaffen und ganz bestimmt nicht das uns umgebende, überaus mathematische Universum.

Falls solch ein Monster-Gott existiert, wäre die gesündeste Einstellung, die buddhistische Tugend der Barmherzigkeit zu praktizieren. Er scheint wirklich sehr krank zu sein, doch solltet ihr dem Hass keinen Platz geben, versucht Ihn zu verstehen und Ihm zu vergeben. Vielleicht wird Er eines Tages wieder bei Sinnen sein. (Ich habe „Er“ statt des modernen „Er oder Sie“ geschrieben, da ich mir keine Göttin vorstellen kann, die eine Hölle für Menschen, die Ihr einfach nicht in den Kram passen, erschaffen würde.)

 

Das vierte alternative, post mortem Szenario beinhaltet die Fusion mit Gott oder „dem göttlichen Wesen“ (letzterer Begriff scheint populärer zu sein). Diese ursprünglich hinduistische Idee führt bei einer enorm vielen New Agern zu Zuständen der Entzückung.

Ich kann hieran nichts Erschreckendes entdecken. Ich denke, dass ich es tatsächlich genießen würde, was an meinen vorherigen Erfahrungen mit LSD liegt, bei denen ich mich auflöste oder schmolz. Ein unendlicher Trip, bei dem das gesamte Universum dein Körper ist: Wer könnte davor Angst haben, außer den Republikanern?

 

Die fünfte und soweit ich weiß letzte denkbare Alternative meint, dass nach dem Tod das totale Vergessen kommt. Das hat eine Menge intelligenter Schriftsteller entweder erschreckt oder geärgert (z.B. hassten Bertrand Russell und Jean Paul Sartre „das Leben nach dem Tod“ dafür, dass es die Abwesenheit von Existenz bedeutete. Sie waren auch von Gott angewidert, da er nicht existierte). Entschuldigung, aber mir kommt dies nicht sehr schrecklich vor. Sollte ich in einen Zustand des absoluten Nichtseins geraten, würde ich das nicht erleben (per Definition von Nichtsein). Wie könnte man vor etwas Angst haben, das man nicht erfahren kann?

Vergesslichkeit bedeutet nebenbei auch Freiheit von „all den Krankheiten, denen das Fleisch verfällt“, von der blutenden Nase bis zum Krebs, einschließlich schlechter Kritiken meiner Bücher.

In New York oder Los Angeles zu leben, erscheint mir viel schlimmer, als in einen Zustand des Nichtseins zu geraten.

Obwohl ich ein paar Meinungen oder Ahnungen habe, so habe ich kein Dogma in Bezug auf das, was nach dem Tod geschieht. Keine der genannten Alternativen scheint wirklich unangenehm zu sein, mit Ausnahme derjenigen, die zu absurd scheinen, um sie ernst zu nehmen.

Wie ein Römer schrieb:

 

Im Leben an nichts gebunden.

Im Tode nichts zu fürchten.