Committee for Surrealist Investigation of Claims of the Normal (CSICON)93

 

 

Ich schrieb dieses Baby irgendwann um das Jahr 2000 für eine Webseite, die nicht mehr existiert.

 

 

Dublin, 1986. Ich war zu einer Talkrunde der irischen Science-Fiction-Gesellschaft eingeladen worden und wir kamen schließlich zu den Zuschauerfragen.

„Glauben Sie an UFOs?“, fragte jemand.

„Ja, natürlich“, antwortete ich.

Der Fragesteller, der noch recht jung aussah, begann dann mit einer langen Rede, bei der er letztendlich zu seiner eigenen Befriedigung „bewies“, dass alle UFOs „in Wirklichkeit“ Temperaturinversionen oder Sonnenflecken „sind“. Als er schließlich fertig war, antwortete ich einfach: „Gut, wir beide sind uns darin einig, dass es UFOs gibt. Der einzige Unterschied ist, dass Sie zu wissen denken, was UFOs sind, und mich dieser Umstand immer noch verwirrt.“

Ein älterer Gentleman mit blond-weißem Haar und gerötetem Gesicht rief mit riesiger Begeisterung: „Mein Gott, Sir, Sie haben recht. Mich selbst verwirrt immer noch alles!“

Und so lernte ich Timothy F.X. Finnegan kennen, den Dekan der Royal Sir Myles na gCopaleen Astro-Anomalistic Society und Gründer von CSICON.

Tatsächlich nahm mich Professor Finnegan in dieser Nacht als Mitglied des CSICON auf, nachdem wir im Plough and Stars Pub unser neuntes oder zehntes Pint des herrlichsten aller irischen Produkte zu uns genommen hatten, linn dubh, den Gottlosen als Guinness bekannt.

Kürzlich hörte ich, dass Prof. Finnegan verstorben sei. Zumindest nahmen sie sich die Freiheit, ihn zu begraben, und ich fühle, dass die Welt einen großen Mann verloren hat.

Wie auch immer, CSICON lebt weiter und verdient mehr Aufmerksamkeit, als es bisher erhalten hat. Prof. Finnegan hatte stets behauptet, dass die Idee für CSICON von den Äußerungen einer bekannten Persönlichkeit aus Dalkey namens Sean Murphy abgeleitet wurd,n und zwar im Goat and Compasses Pub kurz vor Thekenschluss am 23. Juli 1973.

Eigentlich begann alles mit zwei alten Käuzen namens O´Brian und Nolan, die über das Wetter diskutierten. „Schrecklicher Regen und Wind für diese Jahreszeit“, wagte sich O´Brian hervor.

„Ach, alles Irrglauben“, entgegnete Nolan. „Ich glaube nicht, dass wir überhaupt diese Jahreszeit haben, bestimmt nicht.“

Dann ergriff Murphy das Wort. „Oh Jesus“, begann er. „Noch nie habe ich einen stinknormalen Tag erlebt.“ Er machte eine Pause, stellte sein Pint ab und fügte dann gedankenvoll hinzu: „Genauso wenig habe ich jemals einen verdammt durchschnittlichen Mann getroffen.“

(Über Sean Murphy gibt es keine weiteren Aufzeichnungen, lediglich noch eine Bemerkung von Nora Dolan, einer Hausfrau aus der Umgebung: „Sicher ist, dass Murphy noch nie hart gearbeitet hat, außer sich selbst vom Boden aufzurappeln und zurück zum Barhocker zu navigieren, von dem er zuvor heruntergefallen war. Und auch das schaffte er nur zweimal in der Nacht.“)

Doch in dem feinsinnigen und vertrackten Gehirn Timothy F.X. Finnegans, der gerade sein vierzehntes Pint geleert hatte (de Selby behauptet, dass es sein fünfzehntes gewesen wäre), lösten die einfachen Worte Murphys ein Feuer aus. Am nächsten Tag schrieb der gealterte Finnegan die ersten zwei Seiten eines Abrisses über jene neue Wissenschaft, die er `Patapsychologie nannte, ein Begriff, den er zu Ehren Alfred Jarrys Erfindung der `Pataphysik wählte.

Finnegans Aufzeichnungen beginnen mit dem elektrifizierenden Satz: „Der durchschnittliche Kanadier hat nur einen Hoden, genau wie Adolf Hitler – präziser formuliert: Der durchschnittliche Kanadier hat 0.96 Hoden, eine noch traurigere Misere als die Hitlers, sofern das Durchschnittliche auch tatsächlich existiert.“ Weiterhin zeigt er dann auf, dass der normale oder durchschnittliche Mensch in unwürdigen Behausungen in Asien lebt, 1.04 Vaginas hat, nicht lesen oder schreiben kann, an Unterernährung leidet und noch niemals von Silken Thomas Fitzgerald oder Brian Boru gehört hat. „Das Normale“, so schließt er, „besteht aus einer Nullmenge, in die niemand und nichts wirklich hineinpasst.“

Und damit begann die Wissenschaft der `Patapsychologie, Professor Finnegans dauerhaftester und einnehmender Beitrag zum Weltgeschehen – neben seinen Fotos von dem Gesicht auf der Marsoberfläche, mit welchen er sich zu beweisen bemühte, dass es das Gesicht Moishe Horwitz zeigt, sein langjähriger Mentor und großes Idol. Das wird natürlich weiterhin kontrovers diskutiert, vor allem unter Schülern von Richard Hoagland, der in dem Gesicht die Sphinx erkannte, und jenen, die darauf bestehen, dass es mehr wie Elvis aussieht, und allen Dummköpfen, die auf den Fotos nur einen Haufen Steine sehen.

Niemand sollte `Patapsychologie mit Parapsychologie verwechseln, obwohl offenbar genau dieses Missverständnis die langen und bösartigen Hetzreden von Professor Sheissenhosen aus Heidelberg gegen Finnegan bewirkte.

(Die Anschuldigungen von Herrn Doktor Hamburger, dass Scheissenhosen 1982, 1983 und 1987 drei verschiedene Briefbomben an Finnegan abgeschickt haben soll, brauchen wir gar nicht zu erwähnen. Zu hoffen wäre, dass selbst in der hitzigsten akademischen Debatte gewisse Anstandsregeln befolgt werden.)

Offensichtlich glaubte Sheissenhosen, dass „Parapsychologie“ einen unprovozierten Angriff auf seine Sprache und seine Gedanken darstellte und dass sich Finnegan mehrfach aus einem dunklen Schatten auf ihn stürzte. Er hielt es sogar für möglich, dass der Weise von Dalkey sich anschleichen, angreifen und dann schnell hinter einem Lachanfall verstecken würde, obwohl letzteres physiologisch unmöglich ist. (Ich habe es selbst ausprobiert und finde, dass es mich eher sichtbarer gemacht hat als weniger sichtbar.) Sheissenhosen hat seinen ursprünglichen Fehler, `Patapsychologie als Parapsychologie missverstanden zu haben, niemals korrigiert. Mehr über die Sheissenhosen-Finnegan-LaPuta-Hamburger Kontroverse findet man bei de Selbys Finnegan: Enigma of the Occident, Tourneurs Finnegan: Homme ou Dieu? und/oder Sheissenhosens Finneganismus und Dummheit (6 Bände).

`Patapsychologie beginnt bei Murphys Gesetz, wie Finnegan das erste Axiom nach Sean Murphy benannte. Es sagt und ich zitiere: „Das Normale existiert nicht. Das Durchschnittliche existiert nicht. Wir kennen zwar eine sehr große, aber wahrscheinlich endliche Reihe an einzelnen Raum-Zeit-Ereignissen, die wir erleben und ertragen.“ In einer weniger technischen Sprache bietet das Gremium des College of `Patapsychology jedem „Normalisten“ eine Millionen Irische Pfund (ungefähr 1400000 Dollar), sofern er „einen normalen Sonnenuntergang, eine durchschnittliche Beethoven-Sonate, ein gewöhnliches Playmate des Monats oder irgendein Ding oder Ereignis in der Raumzeit aufzeigen kann, das sich als normal, durchschnittlich oder gewöhnlich erweist.“

In einer Welt, in der es keine zwei identischen Fingerabdrücke gibt und keine zwei identischen Gehirne und ein Elektron von einer Nanosekunde zur nächsten nicht mehr dasselbe zu sein scheint, steht die `Patapsychologie auf sicheren Füßen.

Bisher hat noch kein Normalist einen völlig normalen Hund, eine durchschnittliche Katze oder sogar eine gewöhnliche Meise vorweisen können.

Versuche, einen durchschnittlichen Paradiesvogel, einen gewöhnlichen Haiku oder einen normalen Kardiologen zu finden, sind kläglich gescheitert. Das Normale, das Durchschnittliche, das Gewöhnliche und selbst das Typische existieren nur in Statistiken, also in der Landschaft des mathematischen Verstandes. In der externen Raumzeit, welche ausschließlich aus nicht-normalen Ereignissen in einer nicht-normalen Aufeinanderfolge besteht, treten sie nicht auf.

Selbst wenn du ein unterernährter, asiatischer Analphabet mit exakt 1.04 Vaginas und 0.96 Hoden wärst, der in einer katastrophalen Behausung leben müsste, würde dich das nicht als normal qualifizieren, doch mit Sicherheit als abnormal, subnormal, supernormal, paranormal oder irgendeine andere Variante des Nichtnormalen.

Die Pfiffigen werden hierin den üblichen keltischen Drang erkennen, alles zu zerkleinern, was den Sachsen, Kleinkrämern und anderen fundamentalistischen Materialisten unanfechtbar und offensichtlich erscheint.

Im `patapsychologischen Modell ist das Normale verschwunden und mit ihm die meisten Generalisierungen, vor allem über nicht-mathematische Gruppen. Der eineiige Herr Hitler zum Beispiel könnte die Juden innerhalb des `patapsychologischen Modells nicht mehr verallgemeinern, da er hierfür zuerst einen normalen oder durchschnittlichen Juden finden müsste, was sich als ebenso unmöglich herausstellt, wie den idealen platonischen Juden vorzuführen (genauso wie die ideale platonische Hühnerfarm komplett mit idealer platonischer Hühnerscheiße).

Wie der Semantiker Korzybski sagte, setzt sich alles, was wir jemals in der Raumzeit finden können, aus Jude-1, Jude-2, Jude-3 usw. bis zu Jude-x zusammen. (Für die Nicht-Mathematiker: Dies würde eine Liste bedeuten, die Abraham, Sarah, Moses, Ruth, Jesus, Woody Allen, Richard Bandler, Felix Mendelssohn, Sigmund Freud, Paulette Goddard, Betty Grable, Noam Chomsky, Bernard Baruch, Paul Newman, die Jungfrau Maria, Albert Einstein, Lillian Hellman, Baron Rothschild, Ayn Rand, Max Epstein, Emma Goldmann, Saul Bellow usw. umfasst, bis hin zur vollständigen Aufzählung aller toten oder lebendigen Juden.)

Jeder von ihnen wird verschiedene Fingerabdrücke, verschiedene Gehirne, verschiedene neuro-immunologische Systeme, verschiedene Augen, Ohren, Nasen usw. haben; verschiedene Lebensgeschichten, verschiedene Konditionierungen, verschiedenes Lernverhalten usw. aufweisen; verschiedene Persönlichkeiten, Hobbys, Leidenschaften, … und kein einziger wird als Norm oder ideale Form für alle anderen dienen können.

Um es anders zu formulieren, gab es in der Welt ungefähr 15 Millionen Juden, bis Hitler dann seine Generalisierungen verbreitete.

Er kann unmöglich mehr als maximal 500 von ihnen gut genug gekannt haben, um sie zu generalisieren; bedenkt man seine früh gewachsenen Vorurteile, kannte er wahrscheinlich weitaus weniger von ihnen. Doch nehmen wir 500 als Höchstschätzung an, dann generalisierte er 15 Millionen Einzelpersonen auf der Basis, nur ungefähr 1/30.000 oder 0.000033% von allen gekannt zu haben.

Es scheint so, dass der Nationalsozialismus nicht hätte überdauern können, wenn Hitler den Unterschied zwischen Normen oder Durchschnittswerten (innenpolitische Schätzungen, die infolge unvollständiger Nachforschungen oder persönlicher Vorurteile falsch sind) und der Reihe der einzelnen nicht-normalen Ereignisse und Dinge (einschließlich Personen), die wir in dem sensorischen Raum-Zeit-Kontinuum da draußen finden können, gekannt hätte.

Vergleichbar steht die männliche Weltbevölkerung mehr oder weniger bei 3 Milliarden, 4 Millionen, 129 Tausend (das letzte Mal, dass ich die World Game Webseite besucht habe, ist länger her: 3.004.129.976). Von diesen 3 Milliarden+ einzelnen Individuen haben Robin Morgan, Andrea Dworkin und andere radikale Feministinnen sehr wahrscheinlich nicht mehr als 500 kennen gelernt, um diese dann zu verallgemeinern. Das bedeutet, dass das Dogma der Rad Fem aus Behauptungen über 3 Milliarden Kriechtiere besteht, die auf der Untersuchung von weniger als 0.00000001 Prozent der Gesamtmenge basiert. Das läuft auf einen wesentlich rücksichtsloseren Gebrauch von Generalisierungen hinaus, als es Hitlers Gedanken über das Judentum waren. Man kann das typisch Männliche genauso wenig in Gandhi, Bozo, General George Custer, Buddha, Bill Clinton, Louis Pasteur, Osama bin Laden, Konfuzius, Bruno, Vater Damien, Michelangelo, Mozart, Ted Bundy usw. finden wie die jüdische Norm bei Emma Goldman, Harpo Marx, Felix Mendelssohn, Spinoza, Barbara Streisand, Nathaniel Branden, Emma Lazarus, Jerry Seinfeld usw.

Jetzt wisst ihr, wie das Wort „Feminazi“ seinen Weg in die Sprache fand. Die beiden Ideologien weisen einen deutlichen Isomorphismus auf. Beide verwechseln die theoretische Norm mit einer riesigen Menge an Individuen – und beide haben keine Idee, wie eine erträgliche wissenschaftliche Norm erzeugt werden könnte (diese würde in vielerlei Hinsicht immer noch von der tatsächlichen Reihe an Individuen abweichen, die die Norm vermeintlich umfasst).

CSICON wendet die gleiche dekonstruktive Logik in allen Bereichen an.

Um beispielsweise zu unserem Ausgangspunkt zurückzukommen, wie auch immer deine Idee eines „normalen“ UFOs aussieht – ob du es für ein Raumschiff hältst, eine geheime Waffe der Regierung, einen Schwindel oder eine Halluzination usw. – wird dich eine solche generelle Idee unfähig machen, dir ein aufrichtig objektives Bild des nächsten, vorbeifliegenden UFOs zu machen. Der einzige Weg, solche Vorverurteilungen zu unterlassen, liegt in der `Patapsychologie (und in der allgemeinen Semantik). Man sollte sich an den Unterschied zwischen dem einzelnen und dem unvorhersehbaren Ereignis, das UFO genannt wird, erinnern, dann wird man Generalisierungen über „das UFO“ oder „das normale UFO“ hinter sich lassen.

Anderenfalls wird man lediglich feststellen, inwieweit ein UFO mit dem eigenen Ideal eines UFOs übereinstimmt, und wird unbewusst ausblenden, inwiefern es sich davon unterscheidet. Dieser mechanische Reflex wird das Ego befriedigen, wenn man zu glauben vorzieht, man würde mehr wissen als die meisten Leute. Die Fähigkeit, sorgfältig zu beobachten und zu denken, würde jedoch gefährlich auf die Probe gestellt werden.

Leute, die über Juden, Männer oder UFOs alles zu wissen glauben, haben niemals einen wirklichen Juden, Mann oder ein echtes UFO gesehen. Sie sehen lediglich die generalisierte Norm, die ausschließlich in ihren Köpfen existiert. Wir wissen niemals „alles“ – wir wissen nur das, was ich edonaleinige doch nicht alle nenne. Das trifft auch auf Hunde, Klempner, Rechte, Linke, Katzen, Salamander, Sekretärinnen, Häuser, Fernsehshows, Nägel, Strauße und alle sonstigen Gruppen oder Anordnungen zu (der `Patapsychologe würde niemals „Ich liebe sie“, „Ich habe Angst vor ihnen“, „Ich hasse sie“ usw. sagen).

Ich persönlich sehe jede Woche zwei bis drei UFOs. Das verwundert mich nicht oder überzeugt mich von der Raumschifftheorie, da ich jede Woche auch ungefähr zwei oder drei UNFOs sehe – Unidentifizierte Nicht Fliegende Objekte. Diese sind und bleiben für mich auch unidentifiziert, da sie zu schnell vorbeirasen oder so unheimlich aussehen, dass ich niemals weiß, ob ich sie nun als Stacheltiere, Gobelins oder Hubschrauber klassifizieren soll – oder als Sterne, Satelliten, Raumschiffe, Pookahs, Pizzalieferanten oder Wahrscheinlichkeitswellen. Natürlich sehe ich auch Dinge, bei denen ich mir ziemlich sicher bin, dass es sich um Stacheltiere, Pizzalieferanten oder Sterne handelt, aber die Welt beinhaltet immer mehr Ereignisse, die ich nicht vollständig und mit irgendeiner Norm oder Generalisierung dogmatisch identifizieren kann. Ich lebe in einem Spektrum der Wahrscheinlichkeiten, Ungewissheiten und Verwunderungen.

Vielleicht bin ich durch das Studium von Finnegans Werk so geworden. Eventuell habe ich auch während meiner Jahre in Irland einfach zu viel linn dubh getrunken.

Oh, ungewöhnlicher Tim Finnegan!