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1988 – mit David Jay Brown in Los Angeles

 

F: Es ist der 23. April 1988, ein bedeutender Tag in Robert Anton Wilsons Philosophie. Was ist das Bedeutende an der 23?

 

A: Nun ja, die 23 ist in Verbindung mit so vielen Synchronizitäten und verrückten Koinzidenzen in mein Leben getreten, dass sie einfach etwas bedeuten muss. In verschiedenen meiner Bücher, einschließlich der Illuminatus!-Trilogie und der Cosmic Trigger-Trilogie habe ich Beispiele einer ungeheuerlichen Anzahl von Koinzidenzen angeführt, die mit der 23 in Verbindung stehen. Nehmen wir den heutigen Tag, den 23. April als Beispiel. Es ist das Jubiläum von Shakespeares Geburtstag, dem 23. April 1556, und seinem Todestag, dem 23. April 1616. Am 23. April 1616, zur gleichen Zeit als Shakespeare in England starb, segnete Cervantes, der Autor von Don Quixote, in Spanien das Zeitliche. Am 23. April 1014 starb Brian Boru, der erste Hochkönig von Irland, der sowohl politischer als auch religiöser Führer war. Er vereinte ganz Irland und warf die Dänen aus dem Land. Am 23. April 1014 wurde er nach der Schlacht von Clontarf, bei der er die Dänen endgültig besiegte und Irland von der Fremdherrschaft befreite, von einem dieser Dänen erschlagen. Am 23. August 1170 fielen die Normannen ein und Irland geriet erneut unter Fremdherrschaft und ist es seitdem auch ganz oder in Teilen geblieben.

Am 23. August 1920 diskutierte James Joyce mit einem Freund in Paris über Koinzidenzen, als er plötzlich eine riesige schwarze Ratte sah, die ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ – und er fiel in Ohnmacht. Das verbindet Joyce mit der Invasion Irlands, Shakespeare und Brian Boru. Übrigens findet man das alles auch in Finnegans Wake.

 

F: Sie haben eine ganze Reihe von Büchern, die die Illuminaten fokussieren. Wer sind die Illuminaten und wie wurden sie zu einer Inspiration für so viele Bücher?

 

A: Tja, die Illuminaten waren eine Geheimgesellschaft in Europa im 18. Jahrhundert. Eine gewisse Zahl „paranoider“ oder zumindest unorthodoxer Theoretiker glaubt, dass die Illuminaten immer noch existieren und entweder die Weltherrschaft übernommen haben oder große Teile der Welt regieren oder etwas in diese Richtung. Ich entdeckte die Anti-Illuminaten-Literatur in den späten 60ern, als eine Menge verrückter Verschwörungstheorien im Umlauf waren. Und dann entdeckte ich, dass es zwei Ambiguitäten gab, die mit den Illuminaten in Verbindung standen. Erstens gab es jene, die behaupteten, dass es die Illuminaten nicht mehr gäbe, im Gegensatz zu denjenigen, die immer noch von der Existenz der Illuminaten ausgingen. Und unter denen, die an die Existenz der Illuminaten glaubten, gab es zwei verschiedene Richtungen: Diejenigen, die behaupteten, die Illuminaten wären die größten Schurken aller Zeiten. Und jene, die behaupteten, dass die Illuminaten Helden seien, die die Menschheit von Aberglaube und Unwissenheit zu befreien versuchten. Und so entschied ich mich für eine Gruppe, die vieldeutig war – von der man nicht wusste, ob sie existieren oder nicht, und von der man nicht einmal wusste, ob es gute oder böse Jungs wären, wenn sie tatsächlich existieren würden. Für mich sind die Illuminaten die perfekte Synekdoche, um all die Konfusionen des Zeitalters darzustellen, in dem wir leben, und all die zügellose Paranoia unserer Zeit.

 

F: Wann haben Sie das erste Mal Interesse an Aleister Crowley entwickelt?

 

A: Irgendwann 1969 hatte ich ein Dinner mit Alan Watts und ich erwähnte die Illuminatus!-Trilogie, an der ich gerade arbeitete, und den Symbolismus des Auges in der Pyramide, welches das Symbol der Illuminaten ist. Und Alan sagte, dass ihn das an das beste Buch erinnert, das er in jenem Jahr gelesen hätte, The Eye in the Triangle von Israel Regardie. Ich nahm Alan Watts sehr ernst. Ich meine, er war ein sehr lustiger Mann, aber wenn Alan sagte, dass etwas wert war, gelesen zu werden, nahm ich das ernst und so kaufte ich mir The Eye in the Triangle und es entpuppte sich als Biografie von Aleister Crowley. Israel Regardie war für eine Weile in der 30ern Crowleys Sekretär. Später war er hier in Los Angeles Psychotherapeut. Ich führte für einige Jahre, bis zu seinem Tod, einen Briefwechsel mit Dr. Regardie und lernte dabei einiges über Crowleys Werk.

 

F: Die durchschnittliche Person hält einen Magier für den Unterhalter in einer Nebenvorstellung. Was ist ein Magier nach Ihrer Definition?

 

A: Tja, das ist ein mehrdeutiges Wort. Ich kann es mit Fingerfertigkeit, Zauberkunststücken und anderen Bühnentricks in Verbindung bringen. Oder ich beziehe es auf die alte Wissenschaft der Magi, etymologisch kommt das Wort Magie daher. Es ist die Kunst der schnellen, freiwilligen Veränderung des Verstandes und wie man den menschlichen Verstand gebraucht, um Freude und Nutzen zu erzeugen.

 

F: Das führt uns zu etwas, das Sie über die so genannte HEAD-Revolution geschrieben haben: Hedonic Engineering and Development.

 

A: Die HEAD Revolution ist mein Begriff für das, was seit den 60er Jahren geschehen ist. Die Entwicklung neuer und besserer Technologien für schnelle Veränderung der Gehirnfunktionen. Wir sind von psychedelischen Drogen zu Biofeedback und zu Lillys Isolationstanks übergegangen und dann zu einer Menge faszinierender Maschinen wie dem Mind Mirror, welcher ein beschleunigtes Biofeedback-System ist und ein beständiges Profil von beiden Hemisphären des Gehirns liefert und auf welchen Frequenzen sie arbeiten.

Ich betrachte dies als großartiges Beispiel für die evolutionäre Funktion der Dummheit. Das passierte, als die Regierung in den 60ern psychedelische Forschung für illegal erklärte (damit meine ich wissenschaftliche, offene, ehrliche Forschung – das stoppte die Forschung nicht – die Forschung ging in den Untergrund, zusammen mit einer Menge Partydrogen und anderer teuflischer Substanzen). Ich dachte damals, dass dies das Dümmste war, was die Regierung jemals getan hatte. Doch zurückblickend denke ich, dass Dummheit eine evolutionäre Funktion hat, denn alle führenden Forscher auf diesem Gebiet widmeten sich schließlich anderen Feldern, als die Regierung diese Form der Forschung verbot. So entdeckten wir Dutzende von anderen Möglichkeiten, unseren Verstand schnell zu verändern.

Lilly arbeitete an seinen Isolationstanks weiter, andere wandten sich dem Biofeedback zu. Stan Grof, der auf der Suche nach wissenschaftlicher Freiheit in dieses Land gekommen war, weil er in der Tschechoslowakei davon nicht genug hatte, musste hier erfahren, dass er nicht weiter mit LSD forschen durfte. Also arbeitete er einfach an Atemtechniken und dem Effekt von Tönen auf das Gehirn und entwickelte einige sehr interessante, post-reichianische und post-yogische Techniken, um die Gehirnfunktionen zu verändern. Im Großen und Ganzen kann man sagen, dass je dümmer das Establishment ist, desto pfiffiger werden die Rebellen. In der evolutionären Geschichte ist die Dummheit des Establishments der größte Ansporn zur Kreativität. Das ist der Grund, warum ich denke, dass Reagan ein Geschenk des Himmels für dieses Land war. Er brachte mehr Dummheit nach Washington als irgendjemand anderer zu meinen Lebzeiten, und während er dort war, kam es zu einen plötzlichen, großen Welle der Kreativität.

 

F: In den 70ern verbreiteten Sie mit Leary zusammen die SMI2LE Formel, welche für Auswanderung ins Weltall, Intelligenzsteigerung und Lebensverlängerung steht. Finden Sie diese drei Punkte immer noch wichtig?

 

A: Sogar sehr. Auswanderung ins Weltall fühlt sich für mich unglaublich aufregend an, weil es neue Grenzen sichtbar macht. Historisch betrachtet kam es jedes Mal, wenn neue Grenzen aufgezeigt wurden, zu einem Anstieg kreativer Energie, ein Renaissance-Effekt, ein Kreativitätsboom, und zurzeit benötigt die menschliche Rasse einen solchen Effekt dringend. Ich denke auch, dass die meisten Energieprobleme, über die es schick ist, sich Sorgen zu machen, gelöst werden, wenn wir das geschlossene System eines Planeten verlassen und mit vielen anderen Welten in Kontakt treten. Wenn wir Hunderte von Kolonien hätten, die über das gesamte Erde-Mond-System verteilt wären oder sich vielleicht so weit draußen befänden wie der Asteroidengürtel, dann würde es keine Energieprobleme mehr geben. Es gibt dort draußen so verdammt viel Energie im Vergleich zu den Ressourcen auf der Oberfläche der Erde. Es würde auch das Bevölkerungsproblem lösen. Immer mehr Menschen würden in das Weltall auswandern, da bin ich mir sicher. Ich würde selbst gerne gehen – einige Leute denken, dass dies für einen Mann meines Alters schrullig ist, doch ich erwarte, dass es in den nächsten 15-20 Jahren durch die Biotechforschung Technologien zur Verjüngung gibt.

 

F: Die Lebensverlängerung bei SMI2LE …

 

A: Ja, ich denke, dass ich in 20 Jahren 20 Jahre jünger sein werde als jetzt und nicht 20 Jahre älter.

 

F: Favorisieren Sie eines der Bücher, die Sie selbst geschrieben haben? Mein persönliches Lieblingsbuch ist jetzt gerade die Schrödinger’s Cat-Trilogie.

 

A: Gott segne Sie, Sir – von diesem Buch wird es eine Neuauflage geben, was mich glücklich macht. Als es jedoch zum ersten Mal erschien, hatte es mehr schlechte Kritiken als irgendein anderes meiner Bücher. Ich habe davon überhaupt nur zwei gute Kritiken gelesen. Die L.A. Times sagte, dass es „rasend komisch, multi-dimensional, jeder Absatz ein Gelächter wäre“, irgendetwas in dieser Art. New Scientist aus England veröffentlichte die andere gute Besprechung. Sie schrieben, dass es „der wissenschaftlichste aller Science-Fiction-Romane” wäre. Alle anderen verrissen das Buch. Eine feinfühlige Seele geriet so in Rage, dass sie tatsächlich gleich drei denunzierende Besprechungen für drei verschiedene Sci-Fi-Magazine anfertigte. Diese Person hätte der Geschichte am liebsten mit einem Dolch das Herz durchstoßen und sie anschließend begraben, wenn sie nur gekonnt hätte…

Danach war es in diesem Land sehr schnell vergriffen und sieben Jahre lang kam das einzige Geld, das ich mit dem Buch machte, von den deutschen und englischen Ausgaben.130