Im Frühling 1981 lebten wir hoch oben in den Bergen von Berkeley und ich hatte die folgende Konversation mit Jeffrey Elliot; Arlen las den Text und bemerkte, dass ich wohl stoned gewesen war.

 

 

F: Was hat Sie dazu gebracht, Schriftsteller zu werden?

 

A: Solange ich mich zurück erinnern kann, wollte ich Geschichtenerzähler werden. Als ich 8 Jahre alt war, begann ich mit dem Zeichnen von Comics, die ich unter den anderen Kids in der Nachbarschaft umhergehen ließ. Als ich 12 war, „entdeckte“ ich, dass es Bücher gab, die aus nichts als Worten bestanden!

Es erschien mir wesentlich einfacher, nur die Worte zu schreiben, als weiterhin auch die Bilder dazu zu malen. In jenem Jahr schrieb ich meine erste Geschichte und habe sie natürlich nicht veröffentlicht bekommen. Sie handelte von einem sanftmütigen, freundlichen Reporter, so ähnlich wie Clark Kent, der einen Zaubertrank zu sich nahm und sich dann in einen Superhelden verwandelte. Sein Name war Danny Dingle, schließlich war es eher eine Komödie als ein Melodrama. In meiner jugendlichen Naivität dachte ich, dass sie mit Danny Kaye in der Hauptrolle verfilmt werden könnte. Ich schrieb in meiner Jugend noch ein paar weitere Geschichten, von denen alle abgelehnt wurden. Ich wusste, dass ich einen Beruf bräuchte, der Geld einbringt, bevor ich Erfolg als Schriftsteller haben würde. Und so entschied ich mich schließlich dazu, Ingenieurswesen zu studieren und an den Abenden zu schreiben. Nach fünf Jahren als Ingenieursreferent wurde mir klar, dass ich niemals zur gleichen Zeit Ingenieur und Schriftsteller sein könnte. Das nahm zuviel Zeit in Anspruch, also entschied ich mich stattdessen dafür, Englischlehrer zu werden.

Dann heiratete ich und landete in der Werbebranche, anstatt Englisch zu unterrichten. Ich verbrachte dort ungefähr drei Jahre und entkam Gott sei Dank schließlich „relativ“ unversehrt. Den größten Teil meines Lebens habe ich seitdem mit verschiedenen Lektorenjobs und einer Reihe eigener Publikationen verbracht.

Zu verschiedenen Zeiten habe ich auch als Rettungssanitäter, Verkäufer, Hafenarbeiter und leitender Angestellter gearbeitet. Fast sechs Jahre war ich Lektor beim Playboy. Und einmal habe ich für einen Ausbeuterbetrieb in New York gearbeitet, bei dem ich gleichzeitig fünf verschiedene Magazine lektoriert habe. Das bedeutete im Grunde, dass ich unter verschiedenen Pseudonymen praktisch alles in diesen Magazinen selbst geschrieben habe.

Das Gehalt war äußerst mickrig. Ich bekam 125 Dollar pro Woche für das „Lektorieren“ und/oder Schreiben von fünf Magazinen.

Es hat eine schrecklich lange Zeit gedauert, bis mein erstes Buch gedruckt wurde. Tatsächlich habe ich mehr als 2000 Artikel und Geschichten an verschiedene Magazine verkauft, bevor ich mein erstes Buch verkaufen konnte. Ich vermute, dass mehr Artikel von mir gedruckt (oder nicht gedruckt?) wurden als von jedem anderen lebenden Schriftsteller.

 

F: Können Sie in Ihrer Arbeit irgendeinen spezifischen Einfluss anderer Schriftsteller erkennen, die Sie bewundern?

 

A: Auf jeden Fall. Es fällt mir sehr leicht, meine Prosa zu betrachten und dort dann verschiedene Einflüsse zu erkennen. Es findet sich dort sehr viel von Ezra Pound, eine Menge James Joyce, eine Menge Raymond Chandler, ein wenig William Faulkner und ein soupçon H.L. Mencken.

 

F: Hat sich irgendeiner dieser Schriftsteller als hilfreich dabei erwiesen, Ihnen etwas über den Prozess des Schreibens an sich beizubringen?

 

A: Ja. Von Pound habe ich zum Beispiel gelernt, dass jeder Satz ein eigenes Leben besitzen sollte. Es sollte keine leeren Sätze geben. Grundsätzlich kenne ich zwei Typen von Schriftstellern: Ein Typ ist daran interessiert, dass das verdammte Ding fertig gestellt und verkauft wird, während der zweite Typ wirklich Spaß am Schreiben hat und jedem Satz seinen eigenen Geist und Witz geben möchte, seine eigene kleine Überraschung. Pound bekehrte mich dazu, den Weg des zweiten Typs Schriftsteller einzuschlagen. Ich will, dass jeder Satz ein wenig Befriedigung für mich und den aufmerksamen Leser bedeutet. Diejenigen, die nur dösen, verlieren einfach.

Von Faulkner habe ich gelernt, wie man lange Sätze schreibt, die modern und stimmungsvoll sind. Henry James schreibt lange, manchmal endlose Sätze, aber man verliert sich in der Syntax. Bei Faulkner verliert man sich nicht. Joyce hat mir eine Menge darüber beigebracht, wie man den Klang eines Absatzes variiert und emotionale Effekte erzeugt, die meist unbewusst sind, und wie man sehr subtile psychologische Prozesse darstellt. Chandler war ein Haupteinfluss in dem Sinne, dass es in seinen Büchern keinen einzigen dummen Satz gibt. Ich habe versucht, das auf meine eigene Arbeit zu übertragen. Es ist merkwürdig, aber mir fällt kein einziger Schriftsteller der Science-Fiction ein, der meine Art zu schreiben eindeutig beeinflusst hätte. Was ich von diesen Schriftstellern gelernt habe, ist, eine offene Einstellung gegenüber der Zukunft zu haben. In diesem Sinne haben sie meine Philosophie mehr beeinflusst als meinen Stil.

 

F: Was finden Sie am Schreiben persönlich bereichernd?

 

A: Gut, ich denke, dass es eine spannende Spielform kontrollierte Schizophrenie ist. Es ist ebenfalls eine Art Yoga, vor allem das Schreiben von Romanen. In Vollzeit Fiktion zu schreiben, ist eine beständige, tägliche Übung, aus dem eigenen Kopf und Denken herauszukommen und dabei die Art und Weise zu erleben, wie andere Menschen denken und fühlen. Ich denke oft in Begriffen von Gurdjieffs Arbeiten über das Geschichtenerzählen. Der russische Mystiker Gurdjieff widmete einen Großteil seiner Energie, seinen Schülern beizubringen, wie sie aus ihren eigenen Egos herauskommen und die Welt mit den Augen anderer Menschen sehen können. In den letzten vier oder fünf Jahren entwickelte ich immer mehr Interesse an seiner Arbeit und ich entdeckte, dass seine Lehren genau das zeigen, was jeder gute Romancier lernt, wenn er beim Schreiben bleibt. Man kann keine Charaktere erschaffen, die einfach nur Variationen von einem selbst sind. Mit der Zeit wird das langweilig. Man muss aus sich herauskommen und Charaktere erschaffen, die nicht wie man selbst sind. Wenn man dies tut, lernt man wirklich etwas über Menschlichkeit. In diesem Sinne denke ich, dass das Schreiben von Geschichten für den Schreiber lehrreicher ist als für den Leser, vor allem wenn die „miesesten“ Schurken, die ich mir ausdenken kann, plötzlich schlaue Bemerkungen machen und selbstständig Ideen entwickeln und wirklich „lebendig werden“.

 

F: Haben Sie ein Buch in Ihren Gedanken schon vollständig organisiert, bevor Sie mit dem Schreiben beginnen, oder nimmt es mit der Zeit Gestalt an?

 

A: Manchmal habe ich eine klarere Vorstellung davon, wohin es geht, als zu anderen Zeiten, aber es ist immer überraschend für mich. Im Verlauf des Schreibens zapfe ich immer meine unbewusste Kreativität an ich finde Dinge, die sich in mein Schreiben schleichen und derer ich mir zuvor nicht bewusst war. Das ist ein Teil der Befriedigung beim Schreiben. Nachdem man etwas geschrieben hat, fragt man sich selbst: „Wo zur Hölle kam das her?“ Faulkner nannte das „den Dämon“, der den Schreiber dirigiert. Die Kabbalisten nennen es den „Heiligen Schutzengel“. Jeder Schriftsteller nimmt dies wahr. Robert E. Howard sagte, dass er die Anwesenheit von jemandem spürte, der ihm die Conan-Geschichten diktierte. Auf einer sehr tiefen Eben des Unbewussten gibt es etwas, das eine Menge mehr weiß als der bewusste Verstand des Autoren.

 

F: Sind Sie ein akribischer Schriftsteller? Quälen Sie sich wegen einer Wortwahl oder der Syntax?

 

A: Ich bin sehr akribisch, aber ich quäle mich nicht. Es bringt alles eine Menge Spaß und ist nicht quälender als das Lieblingshobby irgendeiner anderen Person. Wie auch immer, es hängt davon ab, was ich gerade schreibe. Manche Sachen habe ich bestimmt 16mal geschrieben, bevor ich mit dem Endprodukt zufrieden war, aber ich hatte die gesamte Zeit Spaß dabei. Manchmal habe ich so viel Spaß, dass ich vor Erschöpfung zusammenbreche. Ich bin daran gewöhnt, zwischen 16 und 20 Stunden zu arbeiten und danach mit einem sehr verspannten Nacken ins Bett zu fallen und am nächsten Morgen mit einer akuten Konjunktivitis aufzuwachen. Sogar dann erfreue ich mich meiner selbst die ganze Zeit128.

 

F: Fällt Ihnen das Schreiben leicht? Fließen die Worte mühelos und reibungslos?

 

A: Oh ja. Es fällt mir so leicht wie einem Tennisprofi das Tennis spielen. Es ist mein Spiel. Für mich ist es die drittbeste Sache der Welt – nach Sex und chinesischem Essen.

 

F: Was halten Sie von Kritikern? Werden Sie durch deren Meinungen beeinflusst?

 

A: Wie William Butler Yeats einst fragte: „Gab es jemals einen Hund, der seine Flöhe liebte?“ Kritiker waren zu mir persönlich immer sehr freundlich. Von allen Besprechungen meiner publizierten Bücher sind ungefähr 90 Prozent positiv ausgefallen, also hege ich keinen persönlichen Groll gegen Kritiker.

Auf der anderen Seite, auf unpersönliche Weise, habe ich starke moralische Bedenken, was bösartige Rezensenten angeht. Wann immer ich eine Kritik sehe, die einen Schriftsteller, Schauspieler oder irgendeinen Künstler verreißt, empfinde ich Abscheu. Ich habe selbst eine Menge Kritiken geschrieben, aber ich rezensiere nur Dinge, die ich mag. Ich bewundere keine Menschen, die es mögen, andere in Stücke zu reißen.

Ich kann mich nur an zwei meiner Kritiken erinnern, die nicht wohlwollend waren und die ich bedaure.

Leute, die sich auf gemeine Weise über andere lustig machen, sind nicht gerade freundlich oder wohltätig, um es milde zu formulieren. Wir sollten alle versuchen, so viel gute Energie wie möglich an andere zu geben. Ich glaube wirklich, dass jedes bisschen negative Energie, das wir abgeben, für immer zu Beeinträchtigungen führt. Irgendwie akzeptiere ich die buddhistische Doktrin des Karmas. Die Buddhisten glauben, dass jedes bisschen ausgesendete Wut, Ressentiment, Hass usw. von der eigentlichen Zielperson wieder auf jemand anderen übertragen wird, der diese Energie dann wiederum weitergibt. Das endet niemals. Das Gleiche gilt für gute Energie: Jedes bisschen gute Energie, das ausgesendet wird, lässt jemand anderen sich ein wenig besser fühlen. Ich denke, wenn sich die Leute dieser psychologischen Tatsache wirklich bewusst wären, würden sie sich anstrengen, nichts als gute Energie auszusenden, unabhängig davon, was ihnen selber widerfährt. Sie würden gewiss nicht mehr so sorglos damit umgehen, schlechte Energien weiterzureichen. Die gesamte schlechte Energie in der Welt häuft sich zu einem gigantischen Berg, bis es schließlich zu einem kolossalen Krieg kommt.129 In diesen Tagen könnte das ein totales, nukleares Armageddon bedeuten.

Das kommt vom traditionellen Buddhismus, wie ich schon sagte, doch ich denke, dass es ebenso gesunder Menschenverstand ist. Man braucht nur das menschliche Verhalten zu studieren, um das zu realisieren. Ich betrachte solche Leute, die ihre Karrieren auf Bösartigkeiten aufbauen, als eine emotionale Plage. Serienkiller beginnen im Allgemeinen damit, in ihrer Kindheit Tiere zu quälen. Stellt euch vor, wie der durchschnittliche Kritiker anfängt. Reißt er Käfern die Flügel aus?

 

F: Wenn Sie auf Ihre früheren Arbeiten zurückblicken, können Sie dann deutliche Anzeichen für eine stilistische Verbesserung wahrnehmen?

 

A: Ich hoffe doch. Ich würde mich eher von einem Nashorn durchbohren lassen, als einige meiner Arbeiten aus den 50ern neu aufgelegt zu sehen. Auch einige meiner Arbeiten aus den 60ern sind für immer verloren, wie ich hoffe.

 

F: Wie genau hat sich Ihr Schreiben über die Jahre verbessert?

 

A: Ich hoffe, dass ich weniger bitter, weniger dogmatisch, weniger „moralistisch“ und etwas großzügiger geworden bin.

 

F: Bereitet es Ihnen Sorge, dass Ihre Arbeit einen didaktischen Wert besitzt, dass Leute etwas davon lernen?

 

A: Absolut! Didaktische Literatur ist heutzutage völlig aus der Mode. Wenn man jemanden im Verdacht hat, eine Botschaft zu haben, wird das meistens als eine Art verstecktes Laster betrachtet. Wie auch immer, ich denke, dass sich die gesamte erstklassige Literatur an Didaktik anlehnt. Im antiken Griechenland betrachtete man Homer als didaktisch und obendrein allegorisch. Dante scheint didaktisch zu sein. Shakespeare war didaktisch. Melville war didaktisch. Science-Fiction ist die didaktischste Literatur überhaupt, deswegen mag ich sie so sehr.

Alle Schriftsteller haben die Funktion von Lehrern, ob ihnen das nun bewusst ist oder nicht und ob sie dies zugeben oder nicht. Zum Beispiel Mickey Spillane. Er ist daran gewöhnt, Interviews zu geben, in denen er sagt, dass er Bücher nur für Geld schreibt. Wenn man sich allerdings seine Arbeiten anschaut, wird offensichtlich, dass er sehr starke Glaubenssätze hat. Mit denen wirft er nach dem Leser. Es handelt sich dabei um faschistische Glaubenssätze, doch sind es nichtsdestotrotz Glaubenssätze und er ist ein Lehrer, wie jeder andere Schriftsteller auch. Unglücklicherweise lehrt er nur eine gewalttätige, faschistische Moral.