Die keltischen Wurzeln der Quantentheorie

 

 

Die metaphysische Wirklichkeit ist die von Masken.

(Oscar Wilde)

 

Wir lebten in Los Angeles und ich dachte, dass ich ein Filmgeschäft abgeschlossen hätte, als ich diesen Text ca. 1990 für ein irisches Magazin schrieb. So weit ich mich erinnere, haben sie mich nie dafür bezahlt und ihn wahrscheinlich auch niemals veröffentlicht … aber ich glaube, dass sein guerilla-neurolinguistischer Inhalt ein Publikum verdient hat.

Das Filmgeschäft wurde plötzlich auf Eis gelegt oder gänzlich aufgegeben.

Gemäß konventionellem Wissen und/oder konventioneller Torheit finden sich die ontologischen Wurzeln der Quantenmechanik in der deutschen Philosophie des Idealismus im 19. Jahrhundert. Ich wage es hier, eine andere Perspektive anzubieten.

 

An jenem Tag, als meine Frau Arlen und ich 1982 in Irland ankamen, versuchten wir, ihr batteriebetriebenes Radio zum Laufen zu bringen, um begierig anzuhören, was auch immer wir empfingen: Die Art und Weise, wie wir unsere großen Zehen in eine neue Kultur eindippten, bevor wir gänzlich in ihr unbekanntes Wasser eintauchten. Durch eine bestimmte Art von Koinzidenz, die ich nicht als „zufällig“ bezeichnen würde, stießen wir auf einen RTE- Reporter13, der mit einem Kerry Farmer über die lokale Legende des Pookah diskutierte. Da ich schon lange pookahphil war, empfand ich dieses Gespräch als fesselnd, doch der beste Teil kam am Schluss:

„Aber glaubst du selbst an den Pookah?“, fragte der Mann vom RTE.

„Das tue ich nicht“, antwortete der Farmer bestimmt, „und ich bezweifle auch sehr, dass er an mich glaubt!“

Da wusste ich, dass ich tatsächlich mein spirituelles Heimatland gefunden hatte, wo immer ich mich auch ansonsten herumtreiben würde, und dass Yeats und Joyce und O´Brien aus keiner Leere auferstanden waren. Wir hatten geplant, für sechs Monate zu bleiben. Letztendlich blieben wir sechs Jahre.

Anthony Burgess erörterte einmal, dass englisches Englisch, amerikanisches Englisch und all die anderen Varianten der anglophonischen Sprachfamilie rational und pragmatisch (geschlossen ausgerichtet) geworden waren, während das irische Englisch spielerisch und ästhetisch (offen ausgerichtet) geblieben war. Wir Übrigen sprechen trockene Prosa, während die Iren verspielte Poesie sprechen.

Obwohl ich in diesem Ansatz eine gewisse Wahrheit erkenne, würde ich folgende Beschreibung vorziehen: Das andere Englisch gehört jenem Modell an, das der neurolinguistische Therapeut Dr. Richard Bandler das Metamodell nannte (wir können Aussagen als logisch richtig oder logisch falsch bewerten). Das irische Englisch gehört jedoch dem Milton-Modell an (Aussagen lassen sich nicht in einer Wahr/Falsch-Logik eingrenzen und können uns zu unerwarteten Erkenntnissen führen).

Das Milton-Modell, benannt nach Dr. Milton Erickson – laut Meinung der Fachleute „der größte Therapeuten-Hypnotiseur des 20. Jahrhunderts“ – beinhaltet keine Vorschläge, wie eine Aussage zu beweisen oder zu widerlegen sei. Es verwendet Sprache in der Art, wie es der Kerry Farmer tat, und kann dadurch sowohl intellektuelle als auch physiologische Veränderungen bewirken. Weil er so großen Erfolg darin hatte, die angeblich Unheilbaren zu heilen, wurde er häufig „der Wundermacher“ genannt.

Seltsamerweise dachten die meisten Patienten Dr. Ericksons nicht, dass sie sich überhaupt einer Hypnose unterzogen hatten. Sie erinnerten sich nur daran, ein nettes Gespräch mit einem ungewöhnlich sympathischen Doktor geführt zu haben.

Entsprechend der Korzybski-Whorf-Sapir-Hypothese beeinflusst die Sprache, die die Menschen gewohnheitsmäßig sprechen, ihre Sinneswahrnehmungen, ihre „Konzepte“ und besonders die Art und Weise, wie sie sich selbst und die Welt im Allgemeinen erleben. Wie Whorf diese Tatsache darstellte: „Eine Veränderung der Sprache kann unsere Wahrnehmung des Kosmos transformieren.“

Die klinischen Aufzeichnungen Ericksons und seiner Schule legen nahe, dass uns sprachliche Kunstgriffe krank machen können oder uns wieder gesunden lassen.

Das irische, neurolinguistische System illustriert diese Theorien ungewöhnlich gut.

Ob man es nun spielerische Sprache nennt oder Erickson´sche Hypnose (oder das verbale Äquivalent dazu, LSD in das Trinkwasser der Linguistik zu schütten), zeigt irisches Englisch – gerade in den professionellen Werken der großen irischen Schriftsteller – die gleiche nicht-aristotelische „Unlogik“ oder den Zen-Humor, die auch der Kerry Farmer an den Tag legte.

 

Death and life were not

Till man made up the whole,

Made lock, stock and barrel

Out of his bitter soul14

(W. B. Yeats)

 

Der Versuch, die wissenschaftlichen, theologischen und philosophischen Deutungen von „Tod“ und „Leben“ wortwörtlich zu nehmen, führt dazu, den Tod und das Leben bloß als zwei grammatikalische Kategorien aufzufassen – und dann?

„Menschen sind geborene Lügner.“ (Liam O´Flaherty, im ersten Satz seiner Autobiografie)

Logiker nennen dies ein eubulidisches15 Paradoxon. Für einen irischen Stylisten ist dies weder eubulidisch noch paradox, sondern bloß ein weiterer schwangerer Bulle. Wenn O´Flaherty zur Klasse der Menschen gehört, dann lügt er. Aber wenn er lügt, dann klingt seine Aussage nicht überzeugend, also erzählt er ja vielleicht die Wahrheit …

„Sind die Kommentatoren in Hamlet wirklich verrückt oder täuschen sie dies nur vor?“ (Oscar Wilde)

 

Thy spirit keen through radiant mien

Thy shining throat and smiling eye

Thy little palm, thy side like foam –

I cannot die!

 

O woman, shapely as the swan,

In a cunning house hard-reared was I:

O bosom white, O well-shaped palm,

I shall not die!16

(Padraic Colum)

 

(Den Stil betreffend ein Gedicht der Romantik; den Inhalt betreffend ein Gedicht der Anti-Romantik– ob man diese Frau nun für eine menschliche Person oder ein Symbol Irlands à la Cathleen ni Houlihan, Dark Rosaline oder Shan van Vocht hält, Colum würde bestimmt nicht für sie sterben.)

„Durtaigh disloighal reibel aigris dogs.“ (Myles na gCopaleen)

(Es bekommt nur einen Sinn, wenn man es Gälisch betont, dann klingt es nach gewöhnlichem Englisch und drückt die gewohnheitsgemäße englische Haltung ihren hibernischen Nachbarn gegenüber aus.)

„They shall come to know good.“ (James Joyce)

(Lies es leise, dann lies es laut.)

„In der Menschheit besteht eine gewisse *********************** hic multa *************************************** disiderantur ********************. Und das halte ich für eine klare Lösung dieser Angelegenheit.“ (Jonathan Swift) – sämtliche Zensierungen in Swifts Originaltexten.

„Ich betrachte es als erstrebenswert, dass er nichts über mich weiß, doch noch besser wäre es, wenn er verschiedene Dinge über mich wüsste, die vollkommen falsch sind.“ (Flann O´Brien)

Oder, um einige Beispiele zu nennen, die sich eher für eine weitere Verdichtung als für ein Zitat eignen:

Betrachten wir Swifts „Krieg der Pamphlete“ mit dem Astrologen Partridge, von dem Swift behauptete, er wäre gestorben, wobei Partridge vehement darauf bestand, weiterhin am Leben zu sein. Swift gewann diese Debatte spielend, indem er darauf hinwies, dass bloß weil ein Mann behauptet, am Leben zu sein, niemand dazu verpflichtet sei, diese unbestätigte Aussage auch zu akzeptieren.

Oder: Bischof Berkeley, der mit akribischer Logik bewies, dass das Universum nicht existiert, obwohl Gott der hartnäckigen Illusion verfallen ist, dass das Universum sehr wohl existiert.

Oder: der skandalöse Fall von Molly Blooms ehebrecherischen Affären in Ulysses. Die Anzahl der Affären wird unterschiedlich beziffert: von einer (die Affäre mit Hugh Boylan) bis zu mehr als 30 (inklusive die Affären mit einigen Priestern, Lord Mayor und einem italienischen Leierkastenmann), je nachdem, welchem von Joyces 100 oder mehr Erzählern man gerade Glauben schenken will. Dies wird noch verwirrender, wenn man realisiert, dass einige der „Erzähler“ eher Schreibstilen als Personen gleichen: Schreibstile, die sich als Personen tarnen.

Oder: die Geister verstorbener Poeten, in dem Sinne wie Berkeley Newtons Infinitesimale „die Geister verstorbener Quantitäten“ nannte?

Kolonisierte und post-kolonisierte Personen lernen viel über Texte und das, was zwischen den Zeilen steht; und Yeats entwickelte seine Mystik von Masken und Anti-Masken nicht ausschließlich aus der Hermetischen Metaphysik heraus. Während der sechs Jahre (1982-88), in denen ich Pubs in Dublin besuchte, belauschte ich viele Gespräche folgender Form:

„Ich habe deinen Typen letzte Nacht gesehen.“

„Oh? Und?“

„Ist dort alles gut gegangen.“

Wer zum Teufel ist „dieser Typ“? Bezieht sich das auf Haschisch aus Amsterdam, geschmuggelt für eine Horde Punkrocker, Plastiksprengstoff auf dem Weg nach Derry oder tief verwurzelte Verhaltensweisen – Masken und Anti-Masken –, die sich in 800 Jahren Besatzung herausstrukturiert haben? Wahrscheinlich bezog sich der Sprecher auf Tickets für ein Fußballspiel … (Einen ähnlich schrägen Dialog findet man im zweiten Teil der „Wandering Rocks“ in Ulysses, mit Ausnahme, dass „dieser Typ“ zu „der gewissen Partei“ wurde. Vermutlich sind Palästinenser mittlerweile auf diese Weise „irisch“ geworden.

Ich behaupte nicht, dass ausschließlich die angelsächsische Eroberung Irlands unglaublich geistreiche Menschen und spielerische Poesie hervorgebracht hat, aber sie hatte mit Sicherheit bereits entsprechende Tendenzen herausgearbeitet, bevor es einen Finn Mac Cumhal gab. Yeats sagt irgendwo, dass Irland bis zu der Schlacht von Boyne Teil Asiens war, doch diese Zeitangabe repräsentiert bloß William Butlers reaktionäre Romantik. Joyce wusste, dass Irland immer Teil Asiens geblieben war. In Finnegans Wake berichtet er uns explizit davon, dass Irland aus „dem gehetzten Tintenfass, keine Nummer, Brimstone Walk, Asien in Irland“ aufgetaucht war.

Man kann den darin enthaltenen Grad der Wahrheit dadurch überprüfen, dass man sowohl in Tokio als auch in Dublin einfach nur nach dem Weg fragt. In beiden Orten wird man mit der altmodischen Höflichkeit und Freundlichkeit behandelt, die in den meisten Teilen der industriellen Welt unbekannt ist. Schließlich wird man jedoch in die falsche Richtung geschickt. Bösartiger Humor? Ich denke nicht. Die asiatischen Sprachen, einschließlich dem irischen Englisch, passen sich einfach nicht dem Newton´schen Raster an, weder räumlich noch zeitlich.

Arlen und ich versuchten ein Spiel in Dublin: Wann immer wir zwei Uhren sahen, verglichen wir die Zeiten miteinander. Sie stimmten niemals überein.

Die vier Uhren am Rathaus in Cork zeigen grundsätzlich vier verschiedene Zeiten an. Ortsansässige nennen sie „die vier Lügner“.

Ein Soziologe mag dies als „post-kolonialistisches Syndrom“ bezeichnen – auf dem unheilvollen Verdacht basierend, dass die Engländer die Zeit einführten, um einen Mann länger arbeiten zu lassen, als es der liebe Gott jemals für ihn vorgesehen hatte – doch Joyce bemerkte, dass die einzigen drei Philosophen von Weltrang und keltischer Abstammung (Erigena, Berkeley und Bergson) alle die Realität der Zeit abstritten (und nur Berkeley lebte unter englischer Herrschaft).

Eine Dubliner Legende erzählt von einem Engländer, der, als er bemerkte, dass die zwei Uhren der Padraic Pearse Station nicht übereinstimmten, lauthals äußerte, dass diese Unordnung „so verdammt typisch, dämlich Irisch ist.“ Ein Dubliner korrigierte ihn: „Gewiss, aber wenn sie übereinstimmen würden, wäre ja eine von ihnen überflüssig.“

Etwas mehr in der Tradition der Taoisten: Zwei Männer aus Cork treffen sich auf der Strasse. „Schmuddeliges Wetter für diese Jahreszeit“, wagt der erste zu sagen.

„Ja, natürlich“, entgegnet der zweite, „es ist für alles nicht die richtige Jahreszeit, Mann.“

Man kann das mit dem chinesischen Sprichwort: „Sommer wird niemals Winter, Kinder werden niemals alt“ vergleichen. Einsteins Relativität und Dalis schmelzende Uhren gehören zu demselben Universum wie diese hibernisch-chinesischen Exzentriken.

In County Clare und dem Westen im Allgemeinen hört man häufig die grammatikalische Wendung: „Mein Onkel war eines Nachts damit beschäftigt, die Schweine zu füttern, und ich ein Mädchen von sechs Jahren …“ (diesen Satz hört man auch in Synges Theaterstücken – in jedem einzelnen von ihnen). Irgendwo anders in der englischsprachigen Welt würde es folgendermaßen lauten: „Mein Onkel war eines Nachts damit beschäftigt, die Schweine zu füttern, als ich ein Mädchen von sechs Jahren war …“ Das irische Englisch hat die Grammatik des irischen Gälisch beibehalten, aber es bewahrt dadurch die zeitlose oder taoistische Wahrnehmung der Welt, in der jedes Jetzt existiert, aber kein Jetzt jemals ein anderes Jetzt wird.

Dieses neurologische Muster – oder Realitätstunnel – manifestiert sich allerdings nicht nur in irischer Sprache und Literatur. William Rowan Hamilton, einer der größten Mathematiker Irlands – wahrscheinlich der größte von allen – leistete viele Beiträge, doch zwei von ihnen sind hier von speziellem Interesse:

1. Hamilton erfand die nicht-kommutative Mathematik, welche ich zu erklären versuche. In der Arithmetik ist 2 x 3 = 3 x 2 oder sie sind beide gleich 6 (wenn man im Laufe des Abends nicht zu viele Halbe getrunken hat). Gewöhnliche Algebra, also die einzige Algebra, die die meisten von uns in der Schule lernen, folgt der gleichen Regel: a x b = b x a. Jeder weiß das, oder? In Hamiltons Algebra ist a x b NICHT = b x a.

Ein weiteres Beispiel „asiatischen“ Einflusses? Mehr vom keltischen Zwielicht? Nun gut, in der reinen Mathematik kann man jedes beliebige System erfinden, solange es nur in sich konsistent bleibt. Herauszufinden, inwieweit es eine Ähnlichkeit zu der experimentellen Welt besitzt, bleibt der Job von Physikern oder Ingenieuren. Es dauerte über 100 Jahre, bis für Hamiltons Algebra eine entsprechende „Passform“ gefunden wurde, was schließlich die Physik revolutionierte. Hamiltons Mathematik beschreibt die subatomare Quantenwelt, was gewöhnliche Mathematik nicht tut.

Der Leser klassifiziert Hamiltons Großtat möglicherweise als Spielart der Präkognition oder vielleicht nur als ein weiterer Beweis des hibernischen Dranges, alles in Frage zu stellen, was für die Angelsachsen über jeden Zweifel erhaben ist.

2. Die Physiker in den Tagen Hamiltons debattierten endlos darüber, ob sich Licht nun wie Wasser in „Wellen“ fortbewegt oder wie Geschosse in einzelnen, unabhängigen „Partikeln“. Hamilton unterstützte beide, absolut unvereinbare Modelle, jedoch in verschiedenen Zusammenhängen. Unter den fundamentalistischen Materialisten nennt man dies die Häresie des „Perspektivismus“. Doch noch einmal: Nach hundert Jahren wurde es Teil der Quantenmechanik, die gewöhnlich Niels Bohr angerechnet wird, obwohl dieser sie lediglich wiederentdeckte. Der Perspektivismus sucht auch postmoderne literarische Theorien, die kulturelle Anthropologie und vor allem die Joyce-Industrie heim. So begreifen Joyce-Schüler immer mehr, dass all diese hundert und mehr Erzählerstimmen in Ulysses in gewissem Sinne sowohl wahr, gleichermaßen unwahr als auch in jedem Sinne jenseits einer Entweder/oder-Logik sind.

Die Quantenmechanik ist noch einem zweiten Riesen, einem weiteren irischen Physiker, zu Dank verpflichtet (oder verdankt ihm fortwährendes Kopfzerbrechen): John Stewart Bell.

Bells Theorem, ein mathematischer Beweis, den Dr. Bell 1965 veröffentlichte, wurde bekannter als das Tarot, von dem New Ager glauben, es zu verstehen, obwohl sie es im Allgemeinen jedoch nicht tun. Bells Theorem ist für Physiker immer noch kontrovers. Einige von ihnen denken, es zu verstehen, andere geben unverblümt zu, dass sie es so verwirrend finden wie Mick Jagger mit seiner Gitarre, der wie ein Huhn auf LSD durch die Reihen eines Beethoven-Streichquartetts hüpft.

Bei dem (haarsträubenden) Versuch, Bells Mathematik in eine verbale Form zu übersetzen, mit welcher wir die „Bedeutung“ der Physik erörtern, scheint Bell bewiesen zu haben, dass sich zwei beliebige „Partikel“, die einmal in Kontakt zueinander standen, kontinuierlich so verhalten, als ob sie weiterhin miteinander verbunden wären – unabhängig davon, wie weit sie in Raum oder Zeit (oder in der Raum-Zeit) vorangeschritten sind. Hier kann man erkennen, warum New Ager es so faszinierend finden: Es hört sich so an, als ob es die alte magische Idee bestärkt, dass das, was auch immer man mit dem Haar eines Feindes anstellt, einen unweigerlichen Effekt auf den Feind selbst hat.

Die meisten Physiker glauben, dass diese Annahme durch eine lange Reihe von Experimenten (insbesondere die Experimente von Dr. Alain Aspect und verschiedenen Kollegen in den 70ern und Aspect 1982) untermauert wurde. Quanten-„Partikel“ (oder „Wellen“), einmal in Kontakt miteinander, bleiben mit großer Wahrscheinlichkeit „miteinander verbunden“ oder befinden sich in einer Wechselbeziehung. Zumindest tanzen sie in demselben Ballett. Dem stimmen jedoch nicht alle Physiker zu. Die Anti-Bellisten zum Beispiel veröffentlichen immer wieder Kritiken, die auf vermeintliche Fehler in den Experimenten verweisen.

Diese Argumente erscheinen mir zu technisch, um sie hier aufzuführen – nur eine kleine Minderheit klammert sich immer noch an sie. Dieser kurze Einwand war mir jedoch eine Erwähnung wert, da ihn die meisten New Ager nicht kennen und sie Bells Mathematik mit der gleichen Ehrfurcht betrachten, die Katholiken dem päpstlichen Dogma entgegenbringen.

Die tollkühnste Kritik an Bell kommt von Dr. N. David Berman von der Columbia-Universität. Er glaubt, dass er alle möglichen Interpretationen von Bells Theorem auf zwei reduziert hat:

(1) Non-Lokalität („absolute Verbindung“) und

(2) Solipsismus

Wir werden die Non-Lokalität weiter unten erklären, Dr. Berman fand sie jedoch so absurd, dass er dem Solipsismus den Vorzug gab. („Existiert der Mond, wenn ihn niemand betrachtet?“, Physics Today, April 1985. Er behauptet dort, dass der Mond und alles andere nicht existiert, bis es wahrgenommen wird; Bischof Berkeley hat wohl einen neuen Anhänger gewonnen.)

Unter denen, die Bells Theorem anerkennen, bietet Dr. David Bohm von der Universität von London drei Interpretationen an:

 

Es könnte bedeuten, dass alles im Universum in einer Art absoluter Verbindung zueinander steht, so dass alles, was geschieht, mit allem anderen in Beziehung steht; oder es könnte bedeuten, dass es eine Form von Information gibt, die sich schneller fortbewegt als das Licht; oder es könnte bedeuten, dass unsere Konzepte von Raum und Zeit auf eine Art modifiziert werden müssten, die wir noch nicht verstehen. (London Times, 20. Februar 1983)

 

Bohms erstes Modell, die „absolute Verbindung“, auch Non-Lokalität genannt, bringt uns sehr nahe – sehr, sehr nahe – an den Orientalischen Monismus heran: „Alles ist eins“, wie im Vedanta, im Buddhismus und im Taoismus. Es bringt uns auch in Rufweite zur Jung´schen Synchronizität, eine Idee, die den meisten Wissenschaftlern „okkult“ oder schlechter als dies erscheint, obwohl sie sogar die Befürwortung durch Wolfgang Pauli gewann, ein Schwergewicht der Quantenphysik und Nobelpreisträger. Hier kann man erneut erkennen, warum die New Ager dieses Modell so sehr mögen. Diese Idee wird in Capras Das Tao der Physik mit großer Glaubwürdigkeit erörtert. Sie bedeutet im Grunde, dass atomare Teilchen weiterhin in Beziehung zueinander stehen, weil sowieso alles in Beziehung zueinander steht.

Ich vermute, dass die Physiker so häufig chinesische Metaphern zur Erklärung heranziehen, weil sie genauso wenig über Irland wissen wie über China und weil sie Finnegans Wake nicht gelesen haben.

Das radikalste Modell über Non-Lokalität, das Super-Determinismus genannt wird, behauptet, dass alles ein Ding „ist“ oder zumindest ein einziger Prozess. Vom Urknall bis hin zum letzten Wort dieses Satzes und darüber hinaus kann nichts zu etwas anderem werden, als es schon „ist“, da alles Teil eines großen ganzen Beziehungskomplexes bleibt. Niemand hat diese Sicht bisher öffentlich zum Ausdruck gebracht. Verschiedene Personen (Stapp, Herbert und andere) haben jedoch andere Personen (vor allem Capra) beschuldigt, diese Sicht unbewusst zu billigen.

Bohms zweite Alternative, Information schneller als Licht, führt uns in Bereiche, die zuvor nur in der Science-Fiction erkundet wurden. Bells Teilchen könnten miteinander korrelieren, weil sie sich wie Teile eines FTL-Internets (faster than light – schneller als Licht) oder kosmischen Internets verhalten. Könnte ich auf diesem Weg eine Botschaft an meinen Großvater schicken, würde das wohl mein gesamtes Universum in einem solchen Ausmaß verändern, dass ich letztlich nicht mehr existieren würde. (Mein Großvater würde vielleicht einen Schock erleiden, auf der Stelle tot umfallen, sich daher nicht mehr fortpflanzen und meinen Vater zeugen können.) Wir können dieses Modell entweder als unmöglich zurückweisen oder es führt uns zu dem Modell der Paralleluniversen: Ich bin hier in diesem Universum, aber im Universum gleich nebenan wurde ich durch die Botschaft entfernt – also habe ich die Botschaft nie abgesendet. Erinnert euch das ein wenig an den Farmer aus Kerry?

Ein sogar noch radikalerer Ableger dieser Vorstellung wurde von Dr. John Archibald Wheeler entwickelt. Dr. Wheeler schlug vor, dass jedes atomare oder subatomare Experiment, das wir machen, jedes einzelne Teilchen des Universums verändert, auf welchem Weg in der Zeit es sich auch befindet, bis hin zurück zum Urknall. Das Universum wird so zu einer fortwährenden Schöpfung, wie im Sufismus, jedoch sind die Schöpfer in diesem Fall Atomphysiker und nicht Allah. Dreht sich Yeats im Grab um? (Er würde natürlich Barden als Schöpfer einsetzen und nicht bloß Vermesser und Berechner, denn es war immer noch der menschliche Geist, der „das Ganze“ erschaffen hat.)

Dr. Bohms dritte Variante, die Modifizierung unserer Vorstellungen von Raum und Zeit, könnte uns sonst wohin führen … einschließlich zurück zu den Vorstellungen von Berkeley und Kant, dass Raum und Zeit außerhalb menschlicher Projektion nicht existieren, ganz so wie anhaltende optische Täuschungen. (Manch einer mag denken, dass dies bereits mit der Relativität aufgezeigt wurde … ein anderer würde wieder Yeats in Erinnerung rufen und diesen Farmer aus Kerry …) Alle Teilchen bleiben weiter miteinander verbunden, weil sie sich niemals in Raum und Zeit bewegen, denn Raum und Zeit existieren nur „in unseren Köpfen“.

Inzwischen hat ein gewisser Dr. Harrison vorgeschlagen, dass wir die aristotelische Logik abschaffen sollten. Mit anderen Worten sollten wir es aufgeben, Dinge nur in die zwei Kategorien „wahr und real“ oder „falsch und nicht real“ zu klassifizieren. Dazwischen, in dem von Aristoteles ausgeschlossenen Dritten, haben wir das von Neumann 1933 vorgeschlagene „Vielleicht“, die von Korzybski vorgeschlagene Logik der Wahrscheinlichkeiten (Prozentsätze/Risiken), die vierwertige Logik eines Rapoport (wahr, falsch, unbestimmt und bedeutungslos) und einige andere Systeme, die von der nicht-hibernischen Welt bisher nicht entdeckt wurden. Der Farmer aus Kerry würde wesentlich geschickter damit umgehen als der durchschnittliche Gelehrte irgendeiner Universität außerhalb Irlands.

Und so erkennen wir, dass zwei Iren, Hamilton und Bell, die Mehrheit der Physiker stellen, die Probleme auf eine Art und Weise erörtern, so dass sie wie ein Symposium inmitten von Berkeley, Swift, Yeats, O´Brien und Joyce klingen. Durch ihre Literatur hat das auf irischem Englisch aufgebaute lyrische Ich das geschriebene Wort transformiert. Und jetzt haben ihre Mathematiker, die in demselben neurolinguistischen Umfeld aufgewachsen sind, unsere grundlegenden Vorstellungen von „Realität“ revolutioniert. In diesem Licht betrachtet, benötigt „Realität“ wohl kaum noch die fragwürdigen Anführungszeichen, die ich ihr verliehen habe.

 

Nachtrag 2004: Zwei Giganten der Quantenmathematik, Schrödinger und Dirac, verbrachten beide einige Zeit am „Institute for Advanced Studies“ in Dublin. Tatsächlich schrieb Schrödinger dort sein wichtigstes mathematisches Buch What is Life? (1948), in welchem er Leben als eine Funktion negativer Entropie definiert. Diese Idee schien so radikal, dass niemand sie begreifen konnte, bis schließlich Wiener und Shannon zeigten, dass sich Information genauso wie negative Entropie verhält. Information = der Teil einer Botschaft, den du nicht erwartet hast; der unvorhersehbare Teil.

Oder, wie Wiener einst sagte, besitzt große Poesie einen hohen Informationsgehalt und politische Reden tatsächlich gar keinen.

Und deshalb ist Leben = negative Entropie = hoher Informationsgehalt = Überraschung und anfängliche Verwirrung = darin einzutauchen, wo man zuvor nicht eingetaucht war …

Habt ihr es?