La Belle Dame Sans Merci

 

 

Die vier schrägsten und erschreckendsten Drogengeschichten, die ich kenne, haben alle mit Belladonna zu tun, einer Chemikalie, für die ich mittlerweile den gleichen tiefen Respekt empfinde wie für hungrige Tiger, Erdbeben, Lawinen, Lauffeuer, die Finanzbehörde und Dr. Hannibal Lecter.

Die erste Geschichte, die ich erzählen werde, handelt von einem jüngeren Freund, der in den 60er Jahren ein durchgeknallter Hippie-Freak war, doch mittlerweile, 2004, ein promovierter Soziologe ist. Er probierte Belladonna ungefähr 1965 mit der Vermutung aus, dass es die gleichen Wirkungen wie LSD hätte. Als er plötzlich toxische Krämpfe bekam, brachten ihn Freunde schleunigst in ein Krankenhaus, wo das Team der Notaufnahme seinen Magen auspumpte. Wahrscheinlich retteten sie damit sein Leben, doch waren sie ein wenig zu spät, um ihn vor dem Delirium zu bewahren, da das Belladonna bereits in seinen Blutkreislauf eingedrungen war.

Als er in einen Zustand scheinbar normalen Bewusstseins zurückkehrte, fand er sich selbst in einem Krankenhausbett wieder, umgeben von Leuten, die mit verschiedenen Leiden in anderen Betten lagen. Dann betrat eine wunderschöne blonde Krankenschwester mit einem großartigen Vorbau in Begleitung einer old-style New Orleans Jazz-Band die Station.

Mein Freund schaute verzückt und die Krankenschwester begann, einen Striptease mit einer Menge aufreizender Bewegungen zu performen, bis sie schließlich völlig nackt war. Die Musik war lauter und dreckiger als irgendein Jazz, den er je zuvor gehört hatte. Sie gelangte zu einem dionysischen Höhepunkt, als die nackte Krankenschwester zu einem begeisterten Patienten ins Bett kroch, um mit ihm Liebe zu machen – lauter und ausgefallener, als es ein Dutzend Pornostars hätten tun können.

Mein Freund hatte währenddessen nicht einmal den Verdacht, dass dies alles nur eine Halluzination sein könnte, und es erschien ihm auch nicht als ungewöhnliche, innovative medizinische Prozedur. Während eines Trips auf Belladonna stellt man keine philosophischen oder ontologischen Fragen, wie man es bei anderen psychedelischen Trips normalerweise tut. Erst am nächsten Morgen fragte er sich, ob diese ganze Show wirklich passiert war.

… und das ist die ganze Geschichte. Belladonna löscht einfach den größten Teil der Erinnerungen daran, was man auf dem Trip erlebt hat. Er hatte wahrscheinlich Dutzende von anderen Visionen in dieser Nacht, doch alles, woran er sich erinnerte, war die Krankenschwester von der Mitchell Brothers Klinik für entsetzliche Geilheit. Ich schätze, dass ich mich ebenfalls an sie erinnert hätte.

Die zweite, noch erstaunlichere Geschichte handelt von einem anderen Veteranen der 60er Jahre, allerdings habe ich den Kontakt zu ihm verloren und keine Idee, was er mittlerweile aus seinem Leben gemacht hat. Er erzählte mir, dass er Belladonna in seinem Zimmer des Colleges, das er zu dieser Zeit besuchte, genommen hatte. Dort wartete er dann auf das psychedelische Feuerwerk und die transzendentalen Erfahrungen.

Für eine Weile passierte nichts.

Dann betrat sein Freund Joe den Raum und fragte ihn, was er denn so mache. Er erzählte Joe vom Belladonna, auf dessen Wirkung er nun warten würde. Joe fragte ihn etwas, doch er verstand es nicht richtig.

Dann betrat sein Freund Joe den Raum und fragte ihn, was er denn so mache. Er erzählte Joe von dem Belladonna, auf dessen Wirkung er nun warten würde. Joe fragte ihn etwas, doch er war durch den Umstand verwirrt, dass sich zwei Joes im Raum aufhielten. Er versuchte Joe zu erklären, dass es zwei Joes gäbe, doch dann verschwand einer von ihnen. Er versuchte Joe zu sagen: „Hey, du kamst hier herein, bevor du hier herein kamst“, doch seine Zunge schien nicht richtig zu funktionieren und es kam ihm so vor, als ob er bloß wie ein Schwein grunzen würde.

Dann betrat sein Freund Joe den Raum und dieses Mal bekam er es mit der Angst zu tun. Er floh aus dem Zimmer, sprang auf sein Motorrad und raste davon, über den Campus und so schnell er konnte den nächsten Highway hinunter.

Er besaß nicht einmal ein Motorrad. Ich habe mich häufiger gefragt, was wohl die anderen Leute auf dem Campus und dem Highway dachten, als sie ihn auf seiner Phantommaschine vorbeirasen sahen…?

Die Hexen im Mittelalter benutzten Belladonna für ihre Süppchen und einige Gelehrte glauben, dass dies der Grund dafür war, dass sie gedacht hatten, auf Besenstielen durch die Gegend fliegen zu können. Moderne Hexen – zumindest die mir bekannten – nehmen lieber den milderen und friedlicheren Cannabis.

Am nächsten Morgen kehrte mein Freund in die „konsensuelle Realität” zurück. Er lag in einem Straßengraben, viele Meilen vom Campus entfernt. Er hatte keine Beulen oder Prellungen – auch das Motorrad war verschwunden – und sein rechter Schuh und die rechte Socke fehlten. Er fand sie niemals wieder und erinnerte sich auch nicht daran, was noch in dieser Nacht geschehen war.

Die längste Geschichte beinhaltet meine eigenen Erfahrungen mit Belladonna, das war 1962. Was kann ich dazu sagen, warum ich es nahm? Ich hatte die oben erzählten Geschichten noch nicht gehört, ich war jung und ein verdammter Idiot und der Typ, der mir das Zeug besorgt hatte, sagte mir, dass es „fast wie Peyote“ wäre.

Alles geschah auf einer Farm tief in den Wäldern.

Ein paar Minuten, nachdem ich das Belladonna zu mir genommen hatte – ich trank es als Tee – wuchsen meiner Frau kräftige Fangarme und dann verwandelte sie sich in einen wunderschönen, rothaarigen Vampir mit bösartig funkelnden Augen. Sofort rannte ich zur Spüle, steckte einen Finger tief in meinen Hals und zwang mich unter Schmerzen zum Erbrechen. Als ich nicht weiter erbrechen konnte, erzählte ich Arlen, dass sie wieder normal aussehen würde: schön, sexy, rothaarig, doch freundlich und nicht wie ein Vampir – „Das ist ein schlechter Trip, doch ich verspreche, dass ich wieder zu dir zurückkommen werde.“

Das waren die letzten vernünftigen Worte, die ich für die folgenden zwölf Stunden sprach.

Ich erinnere mich daran, durch einen Wald voller magischer grüner Juwelen gewandert zu sein, zusammen mit dem Zinnmann aus Oz. Am nächsten Tag wurde mir klar, dass das Jeff war, ein Freund, den Arlen angerufen hatte, damit er mir über den Trip half. Er wanderte mit mir um unsere Hütte herum, da er dachte, dass frische Luft helfen müsste.

Ich erinnere mich an einige Zwerge in Naziuniform, die ständig versuchten, mich in einen Ofen zu stoßen, der buchstäblich „so heiß wie die Hölle” war. Ich habe nie schlimmeren Terror in meinem Leben erlebt.

Lücke: Erinnerung verloren.

Ich dachte dann, dass das Schlimmste vorüber wäre, und versuchte Arlen und Jeff zu erklären, dass der Trip auch wirklich einige gute Seiten hätte. Dabei zündete ich mir eine Zigarette nach der anderen an. Ich dachte, ich würde Kette rauchen. Jeff und Arlen sahen mir währenddessen dabei zu, wie ich ständig das Feuerzeug an und aus machte, doch zu keinem Zeitpunkt hatte ich eine Zigarette in meinem Mund.

Ich erinnere mich daran, wie ich zu erklären versuchte, dass ich da draußen etwas entdeckt hatte. Arlen schrieb es auf: „Die Literaturkritiker werden alle erschossen werden müssen, wegen der Kennedy-Regierung im Weltall der Nürnberger Essiggurken, die explodiert sind.“

Nicht ganz so gut wie die letzten Worte von Dutch Schultz, würde ich sagen, aber ein wenig besser als das, was William James von seiner Reise durch das salpeterhaltige Oxyd mitbrachte: „Über allem liegt der Geruch gebratener Zwiebeln.“

Als es dämmerte, ging ich zum Plumpsklo. Jeff begleitete mich, um sicher zu stellen, dass ich nicht in irgendeiner rosafarbenen Dimension verschwinden oder zwischen dem Zischen und Wispern des König-reiches der Dröhnungen verloren gehen würde.

Ich öffnete die Tür des Plumpsklos, aber Jeff war schon drinnen. Ich schloss die Tür wieder und sagte zu ihm: „Ich kann da nicht rein, du bist schon drinnen.“

Er versicherte mir glaubhaft, dass dies nicht der Fall wäre und er zusammen mit mir vor der Tür stehen würde. Also öffnete ich die Tür erneut, sah dort niemanden mehr und gönnte mir einen gesunden Stuhlgang.

Als ich fertig war, fühlte ich mich näher am „Normalen”, doch dann bemerkte ich King Kong, der mich von den Baumwipfeln herab anstarrte. Er schien schlecht gelaunt und bedrohlich zu sein, aber als ich ihn erneut ansah, verwandelte er sich wieder in einen Baum.

Am nächsten Tag kam ich ganz langsam in die gewöhnliche Welt zurück und am Abend fühlte ich mich kräftig genug, um ins Kino zu gehen und mir Kurasawas The Seven Samurai anzuschauen. Ich genoss die erste Hälfte, vor allem die innovative Technik, bei der zwischen schwarzweiß und farbig gewechselt wurde. In der zweiten Hälfte begann Toshiro Mifunes Nase wie bei Pinocchio zu wachsen und ich wusste, dass ich erneut halluzinierte, was mich ein wenig ängstigte.

Für ungefähr einen Monat bekam ich keine Flashbacks mehr, doch eines Tages verwandelten sich alle Personen im Supermarkt in Leguane. Das hielt für einige Sekunden an und war schließlich wirklich das Ende des Trips. Ich konsumierte diese schändliche Chemikalie nie wieder und ich hoffe euch davon überzeugt zu haben, dieses Zeug ebenfalls niemals zu nehmen.

Meine letzte Geschichte handelt von William S. Borroughs, der sich einmal „Morphium” gekauft hatte, das irgendein Besserwisser mit Belladonna verschnitten hatte. Er selbst erinnerte sich später an gar nichts von diesem Experiment, doch ein Freund erzählte, dass William irgendwann zum Fenster ging, es öffnete und ein Bein hindurch schwang.

„Was zum Teufel tust du da?“, fragte sein Freund.

„Ich gehe runter, um Zigaretten zu holen“, erwiderte William. Der Freund griff ihn sich und zog ihn zurück ins Zimmer, das im dritten Stockwerk lag.

„Bella Donna“ bedeutet auf Italienisch übrigens schöne Frau. Stellt euch das mal vor.