Links und rechts: Eine nicht-euklidische Perspektive

 

 

Ich wurde darum gebeten, einen Artikel darüber zu verfassen, ob meine politische Einstellung „links“ oder „rechts“ ist, da einige Flachländer offenbar darauf bestehen, mich als Linken zu klassifizieren, während andere, gleichermaßen euklidisch, behaupten, dass ich tatsächlich in irgendeiner Weise rechts „bin“.

Naturgemäß macht mich eine solche Debatte neugierig. Der Dichter betete darum, dass „uns die Kraft gegeben werde, uns so zu sehen, wie die anderen es tun.“ Dieses zweifelhafte Privileg hat jedoch jeder veröffentlichte Schriftsteller. Ich wurde „Sexist“ genannt (von Arlene Meyers) und ein „männlicher Feminist… ein alberner, unter weiblichen Pantoffeln stehender Schwächling“ (von L.A. Rollins), „einer der Hauptdenker der Moderne“ (von Barbara Marx Hubbard) und „dumm“ (von Andrea Chaflin Antonoff), ein „Genie“ (SOUNDS, London), „geistig verwirrt“ (von Charles Platt), ein „Mystiker“ und „Scharlatan“ (von der Bay Area Skeptics) und ein „Materialist“ (von einem anonymen Herren aus Seattle, der auch eine Torte nach mir warf). Wiederholt bin ich in amüsanten, ungebildeten und gewöhnlich anonymen Briefen von miesepetrigen, protestantischen Fundamentalisten auch „Satanist“ genannt worden.

Ich kann daraus nur schließen, dass ich in Wirklichkeit einem Besucher aus einer nicht-euklidischen Dimension gleiche, dessen Aussehen für die euklidischen Bewohner und dogmatischen Flachländer verwirrend ist. Lichtenstein hatte recht, als er sagte, dass „ein Buch ein Spiegel ist. Wenn ein Affe hineinschaut, blickt kein Philosoph zurück.“

Wir leben natürlich in einem gekrümmten Raum (wie ja seit Einstein bekannt). Das sollte uns davor warnen, dass uns die euklidischen Metaphern in die Irre führen können. Die Wissenschaft hat auch entdeckt, dass das Universum weiter als bis zwei zählen kann, was uns Entweder/oder-Wahlmöglichkeiten gegenüber misstrauisch werden lassen sollte. Es gibt acht Theorien oder Modelle der Quantenmechanik – ich habe sie gezählt, es sind wirklich acht –, von denen zwar alle dieselben mathematischen Gleichungen verwenden, jedoch radikal verschiedene philosophische Bedeutungen besitzen. So haben Physiker nun seit mehr als 80 Jahren den Lösungsansatz des Multi-Modells (oder „agnostisches Modell“) akzeptiert.

In der modernen Mathematik und Logik gibt es zusätzlich zur zweiwertigen (ja/nein) Logik von Aristoteles und Boole verschiedene dreiwertige Logiken (z.B. das Ja, Nein und Vielleicht der von Neumann´schen Quantenlogik; das Ja, Nein und Po des Psychologen Edward de Bono usw.); auch eine vierwertige Logik (wahr, falsch, unbestimmt und bedeutungslos von Rapoport) und die unendlich-wertige Logik (Korzybski). In meinen neurowissenschaftlichen Seminaren stelle ich selbst eine vielwertige Logik vor. Das Grundgerüst dieses Systems findet man in meinem Buch Quantum Psychology.

Zweiwertige euklidische Wahlmöglichkeiten – links oder rechts einer imaginären Linie – erscheinen mir im Vergleich zu der Vielseitigkeit moderner Wissenschaft und Mathematik nicht sehr „real“.

Früher war es tatsächlich einmal sehr leicht, mich nach der simplen euklidischen Topologie zu bewerten. Nach einem neueren Artikel des brillanten Michael Hoy (Critique, #19,20) wurde in meinem Gehirn, als ich noch recht jung war, eine Richtige-Antwort-Maschine installiert. Es war eine rechte Richtige-Antwort-Maschine im Allgemeinen und eine römisch-katholische im Besonderen. Sie wurde von Nonnen installiert, die sehr gut darin waren, solche Maschinen zu bauen und sie dann in hilflose Kinder zu implantieren. Als ich dann 1945 die Mittelschule verließ, hatte ich für alles die korrekte Antwort, die man in dieser Form heutzutage von, sagen wir, William Buckley Junior hören würde.

Als ich dann auf die Brooklyn Technical High School ging, traf ich viele aufgeweckte, sympathische Kids, die weder katholisch noch durchweg rechts waren. Naturgemäß regte mich dies zu Beginn auf. (Das ist eine der Funktionen der Richtigen-Antwort-Maschine: Wenn man mit einer anderen Meinung konfrontiert wird, löst sie anstelle eines neuen Gedankens einen Adrenalinrausch aus.) Auf irgendeine Weise faszinierten mich diese aufgeweckten nicht-katholischen Kids jedoch – Protestanten, Juden, Agnostiker, sogar Atheisten. Das hatte zur Folge, dass ich damit begann, alle Schriftsteller zu lesen, vor denen mich die Nonnen gewarnt hatten – vor allem Darwin, Tom Paine, Ingersoll, Mencken und Nietzsche.

Ich fand mich selbst schwebend in einem Hohlraum der Unentschlossenheit wieder, ein Eindruck, der unbekannt und damit ungemütlich war. Ich zog mich in den Robotismus zurück, indem ich mich dafür entschied, eine neue Richtige-Antwort-Maschine in meinem Gehirn zu installieren. Unterstützt durch die International Socialist Youth Party wurde es eine trotzkische Richtige-Antwort-Maschine. Ich glaube, ich wählte diese Maschine, da die alternativen Richtige-Antwort-Maschinen, die zu diesem Zeitpunkt erhältlich waren, weniger „päpstlich“ (autoritär) waren und damit meinem jugendlichen, über die Nonnen verärgerten Verstand weniger komfortabel erschienen.

(Warum ich gegen den Stalinismus immun war – einer ebenfalls „päpstlichen“, säkularen Religion? Wahrscheinlich wegen meiner Jugend. Die einzigen Stalinisten, die in den später 1940ern in den USA noch übrig geblieben waren, waren alle mittleren Alters und „kristallisiert“, wie Gurdjieff sagen würde. Die Jüngeren unter uns konnten deutlich erkennen, dass sich der Stalinismus nicht sehr vom Hitlerismus unterschied. Die trotzkische Alternative erlaubte mir, mich „radikal“ und modern zu fühlen, ohne gleichzeitig ein Idiot zu werden, indem ich den Totalitarismus der UdSSR leugnete. Weiterhin gab mir diese Alternative einen gemarterten Erlöser wieder, so wie ich auch einen in meiner katholischen Kindheit hatte.)

Nach ungefähr einem Jahr begann mich die trotzkische Richtige-Antwort-Maschine zu nerven. In mir keimte der Verdacht, dass die Trotzkisten säkulare Klone des Vatikans waren, ob sie es nun wussten oder nicht, und dass das Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit keinen Deut absurder war als die Unterwerfung der Trotzkisten vor dem Zentralkomitee. Ich entschied, dass ich eine dogmatische Kirche verlassen hatte, um einer anderen beizutreten. In mir keimte sogar der Verdacht, dass Trotzki so diktatorisch wie Stalin geworden wäre, wenn er nur länger an der Macht hätte bleiben können.

Was mich damals an den Trots tatsächlich am meisten irritierte (und mittlerweile am meisten amüsiert), war, dass sie mir „bourgeoise Tendenzen“ vorwarfen. Ich hatte damals schon eine gewisse Tendenz zum Individualismus oder zur Verschrobenheit oder zur Häresie und so stritt ich mich gelegentlich mit der Parteiführung. Damals war das verwirrend und heute amüsant, da ich tatsächlich das einzige Mitglied dieser trotzkischen Zelle war, das nicht aus der Mittelklasse kam. Ich kam aus einer Familie der Arbeiterklasse und war der einzige echte „Proletarier“ bei diesem marxistischen Kaffeeklatsch.

Im Alter von 18 kehrte ich in den Hohlraum der Unentschlossenheit zurück. Ich begann mich dort wohl zu fühlen und erfreute mich meines Agnostizismus. Dadurch fühlte ich mich allen Formen des Dogmatismus überlegen und Jugendliche lieben es, sich jedem anderen überlegen zu fühlen (speziell ihren Eltern gegenüber – was ihr sicher schon bemerkt habt). Ungefähr während meiner trotzkischen Phase begann ich die ersten revisionistischen Historiker zu lesen, vor denen ich von meinen sozialwissenschaftlichen Lehrern auf der Highschool in ernsten und Ehrfurcht gebietenden Tönen gewarnt worden war, als ob diese Männer eine Fledermaus in der Sakristei getötet hätten. Meine Lehrer waren zu liberal, um mir zu erzählen, dass ich für das Lesen solcher Bücher in die Hölle kommen würde (wie mir das die Nonnen über Darwin erzählten), doch machten sie deutlich, dass die Revisionisten böse und grausam waren und wahrscheinlich Marionetten des Teufels.

Ich erinnerte mich wieder an die Techniken der Gedankenkontrolle und las alle Revisionisten, die ich finden konnte. Sie überzeugten mich davon, dass die neuen Liberalen absichtlich gelogen, manipuliert und die USA in den Zweiten Weltkrieg hinein manövriert hatten und dass sie auch darüber, was sie nach Ende des Krieges getan hatten, gelogen hatten. (Tatsächlich erzählen sie darüber auch heute noch Lügen.)

Der Revisionist, der mich am meisten beeindruckte, war Harry Elmer Barnes, ein klassischer Liberaler, der ein wenig von einem Marxisten hatte (methodologisch – in seiner Art und Weise, ökonomische Faktoren hinter politischen Handlungen zu sehen). Ich war zugleich amüsiert und angeekelt vom Versuch der New Deal Gang, Professor Barnes als rechten Reaktionär zu verleumden. Denn eigentlich war Barnes sein gesamtes Leben lang ein Advokat fortschrittlicher Ideen im Bereich der Pädagogik, Ökonomie, Politik, Kriminologie, Soziologie und Anthropologie.

Charles Beard, ein anderer großer Historiker mit klassisch liberalen Prinzipien, war ebenfalls der Meinung, dass uns Roosevelt während des Zweiten Weltkrieges in vollem Bewusstsein angelogen hatte. Er wurde auf die gleiche Weise durch den Dreck gezogen wie Professor Barnes. Das ermutigte mich nicht gerade in dem Glauben an irgendeine Parteidoktrin, sogar wenn sie sich selbst als modern, liberal und aufgeklärt darstellte.

(Die Holocaustrevisionisten haben mich niemals überzeugt, einfach weil ich in den vergangenen 40 Jahren eine große Zahl an Augenzeugen oder mutmaßlichen Augenzeugen des Holocaust getroffen habe. Die meisten dieser Leute habe ich zufällig in Amerika oder Europa getroffen. Eine Verschwörung, die so viele Lügner an so vielen Orten angesiedelt hat – oder mir solch besondere Aufmerksamkeit zukommen ließ, dass sie die Lügner immer gerade dort platzierte, wo ich sie dann tatsächlich getroffen habe – ist eine Verschwörung, die zu allgegenwärtig und omnipotent ist und damit zu metaphysisch, als dass ich sie ernst nehmen könnte. Prinzipiell könnte uns eine Verschwörung mit solch Gott ähnlichen Kräften über alles und jeden in die Irre führen und ich wundere mich, warum die Holocaustrevisionisten immer noch denken, dass es den 2. Weltkrieg wirklich gab … oder überhaupt irgendein historisches Ereignis.)

Ich wurde 20 und während der McCarthy-Ära und den Jahren Eisenhowers ein Angestellter (mit anderen Worten ein Roboter). Mein Agnostizismus wurde umfassender und es verstärkte sich mein Verdacht, dass die Politik einem „Karneval der Lügner“ gleicht (wie Mencken einst sagte). Es erschien mir offensichtlich, dass sich eine Menge Liberaler bei dem Versuch, ihre ehemalige Vorliebe für den Stalinismus zu verbergen, um den Verstand logen (während Senator Joe sogar ein Lügner kosmischen Ausmaßes war). Als ehemaliger Trotzkist war dies etwas für mich, das ich aus Erfahrung kannte. In intellektuellen bon ton-Kreisen der Ostküste war der Stalinismus vor McCarthy erheblich „anständiger“ als der Trotzkismus. Er war sogar chic.

Wenn ich die Hexenjagd McCarthys in den 50ern mittlerweile entsetzlich finde, erinnere ich mich ebenso, dass einige der Opfer in den frühen 40ern ähnliche Hexenjagden auf die Trotzkisten veranstaltet hatten.

Für ein soziales Säugetier ist es wahrscheinlich unmöglich, gänzlich „apolitisch“ zu sein. Sogar wenn ich gegen die Richtige-Antwort-Maschine allergisch gewesen wäre, würde mein Verstand weiterhin nach allgemein gültigen sozialen Ideen suchen, die ich mehr oder weniger ernst nehmen könnte. Für eine gewisse Zeit besuchte ich verschiedene Universitäten und verließ sie wieder, nahm Jobs an und kündigte und suchte ernsthaft nach pragmatischen Modellen der „Wahrheit“, ohne das Anhängsel einer Richtigen-Antwort-Maschine. Und sowohl der linke als auch der rechte Flügel erschienen mir weiterhin als intellektuell bankrott.

Ich kam aus einer Familie der Arbeiterklasse und konnte niemals viel Sympathie für die Art von Konservatismus entwickeln, den man in diesem Jahrhundert in Amerika vorfindet. (Ich empfinde einen tiefen Respekt für die klassisch libertären Konservativen des 18. Jahrhunderts, vor allem für Edmund Burke und John Adams.91)

Nachdem ich geheiratet und Kinder zu ernähren hatte, erschienen mir die Abartigkeiten des kapitalistischen Systems und die wurmähnliche Schmach als Arbeitnehmer immer mehr als Gefängnis. Ich war ein dürftiger Kandidat für die Sache der Konservativen. Auf der anderen Seite verdächtigte ich die FDR-Liberalen aber, bezüglich des Zweiten Weltkrieges Lügen verbreitet zu haben. Zuerst verleumdeten sie die Historiker, die die Wahrheit erzählten, und setzten sie dann auf die schwarze Liste. Außerdem schlossen sie sich mit bösartiger Schadenfreude der Idee des Kalten Krieges an.

Ich war scheinbar ein „geborener“ Kriegsgegner (was auch immer das bedeutet – frühkindliche Prägungen und Konditionierungen? Gene? Ich kenne die Ursachen für solch tief sitzende und ein Leben lang anhaltende Neigungen nicht). Das Dogma des Marxismus schien mir so dumm zu sein wie das des Katholizismus und so mörderisch wie der Hitlerismus. Ich sah mich damals selbst als prinzipiellen Agnostiker. Ich würde keiner „Kirche“ mehr beitreten oder mich irgendeiner verdammten Parteilinie unterordnen.

Mein Agnostizismus wurde auch durch Einflüsse wie das intensive Studium Nietzsches, des Existenzialismus, der Phänomenologie, der allgemeinen Semantik und der operationalen Logik verstärkt. Diese haben immer noch großen Einfluss auf mich und ich möchte über alle ein paar Worte sagen.

Nietzsches Philosophie des Übermenschen sprach mich in meiner Jugend nicht an. Aus dem Proletariat kommend, konnte ich mich selbst nicht als einen dieser aristokratischen Übermenschen sehen. Auf der anderen Seite beeindruckte mich seine Kritik an der Sprache und an den metaphysischen Implikationen der Sprache sehr stark. Ich lese jedes Jahr immer wieder ein oder zwei seiner Bücher und gewinne daraus neue semantische Einsichten. Man kann ihn beim ersten Mal nicht vollständig geistig „verdauen“, wie er selbst prahlte.

Der Existentialismus führte mich nicht zurück zum Marxismus (wie er es bei Sartre tat), sondern stärkte bloß mein nietzschesches Misstrauen gegenüber kapitalisierten Substantiven und anderen Abstraktionen und vergrößerte meine Vorliebe für sensorisch-sensuelle („existentielle“) Methoden der Wahrnehmung und Konzeption. Die Phänomenologen – vor allem Husserl und dem wilden Kerl dieser Sippe, Charles Fort – fütterten meine Einstellung, allen generalisierenden Theorien (religiösen, philosophischen und sogar wissenschaftlichen) zu misstrauen und die Erfahrung der menschlichen Sinne als Hauptbezugspunkt zu betrachten.

Meine Polemiken gegen den materialistischen Fundamentalismus in Die neue Inquisition und gegen die aristotelische Geheimniskrämerei des „Naturgesetzes“ (verbreitet durch Thomisten und einige Libertäre) in Natural Law; or, Don`t Put a Rubber On Your Willy basieren beide auf der existentialistisch-phänomenologischen Idee, dass ich mehr an die menschliche Erfahrung – mit all ihren Konfusionen und Ungewissheiten – glaube (oder darauf spekuliere) als an kapitalisierte Abstraktionen oder „generelle Prinzipien“.

Die allgemeine Semantik, wie sie von Korzybski ausgearbeitet wurde, steigerte meine antimetaphysische Einstellung. Korzybski betonte auch, dass die besten sensorischen Daten (wie zum Beispiel von Instrumenten aufgezeigt, welche die natürlichen Sinne verstärken bzw. weiterentwickeln) darauf verweisen, dass wir in einem nicht-aristotelischen, nicht-euklidischen und nicht-newtonschen Kontinuum leben. Über 30 Jahre lang habe ich die Übungen praktiziert, die Korzybski empfiehlt, um die aristotelisch-euklidisch-newtonschen Konzepte zu durchbrechen, die sich in unserer Alltagssprache verbergen. So brachte ich mich selbst dazu, auf eine Weise wahrzunehmen, die kompatibel mit dem ist, was unsere Instrumente als Aktualität kennzeichnen.

Dank der neurolinguistischen Übungen Korzybskis fühlt es sich für mich mittlerweile „natürlich“ an, über die Logik hinaus zu denken, die Einheit von Beobachter und Beobachtetem wahrzunehmen und „Objekte“ als menschliche Erfindungen zu betrachten, die aus einem holistischen Kontinuum abstrahiert wurden.

Viele Physiker glauben, dass ich die Physik gründlicher studiert hätte, als ich es wirklich getan habe. Doch ich habe die mir bekannte Physik lediglich neurologisch verinnerlicht.

Operationale Logik (wie sie vom amerikanischen Physiker Percy Bridgman formuliert und vom dänischen Physiker Niels Bohr in der Kopenhagener Interpretation wieder verwendet wurde) scheint der Ansatz moderner Wissenschaft zu sein, der mich im Kontext oben genannter Arbeitsprinzipien beeinflusste. Das Bridgman-Bohr-Meta-Modell weist jede Behauptung als „bedeutungslos“ zurück, die sich nicht auf konkrete Erfahrungen des Menschen bezieht. (Bridgman wurde vom Pragmatismus und Bohr vom Existentialismus beeinflusst.) Der Operationalismus betrachtet alle vorgeschlagenen „Gesetze“ nur als Karten oder Modelle, die über einen gewissen Zeitraum nützlich sind. Damit scheint der Operationalismus die eine „Philosophie der Wissenschaft“ zu sein, die uns wie Nietzsche und Husserl ermahnt, Modelle nur dort anzuwenden, wo sie von Nutzen sind, und sie niemals in Ideale oder Dogmen zu erhöhen.

Obwohl ich Etiketten nicht mag, würde ich meine innere Grundeinstellung als existentialistisch-phänomenologisch-operationalistisch beschreiben, so lange nicht einer dieser drei Begriffe mehr Bedeutung gewinnt als die jeweils beiden anderen.

In den späten 50ern begann ich wieder, sehr viel über ökonomische „Wissenschaft“ (oder Spekulation) zu lesen, ein Thema, das mich zu Tode gelangweilt hatte, nachdem ich die marxistische Richtige-Antwort-Maschine zehn Jahre zuvor aus meinem Verstand entfernt hatte. Eine Reihe Alternativen – oder „ausgeschlossener Dritter“ – faszinierte mich, da sie den trivialen Streit zwischen monopolisiertem Kapitalismus und totalitärem Sozialismus transzendierte. Mein Favorit unter diesen Alternativen war – und ist es bis zu einem bestimmten Grad immer noch – der individualistisch-mutualistische Anarchismus von Proudhon, Josiah, Warren, S.P. Andrews, Lysander Spooner und Benjamin Tucker.

Ich habe kein wirkliches Vertrauen darin, dass dieses System in der Praxis so gut funktioniert, wie es sich in der Theorie anhört, doch als Theorie erscheint es mir immer noch eine der besten Ideen, denen ich jemals begegnet bin.

Diese Form des Anarchismus wird „individualistisch“ genannt, da sie die absolute Freiheit des Individuums als höchstes Ziel betrachtet. Sie wird „mutualistisch“ genannt, weil sie davon ausgeht, dass solche Freiheit nur durch ein System des mutualen Konsenses erreicht werden kann, welches die Freiheit aller verteidigt. Tucker definiert dies als ein Abkommen zur Non-Invasion; die Version der Hippies würde „niemand macht jemand anderen fertig“ lauten. In dieser Utopie werden freier Wettbewerb und freie Kooperation angestrebt. Vorausgesetzt wird dabei, dass sich Einzelpersonen und Gruppen den Umständen entsprechend für Wettbewerb oder Kooperation entscheiden. (Dies führt wieder zu meinem „Existentialismus“, wie man sieht.)

Im individualistisch-mutualistischen Anarchismus wird das Monopol auf Land dadurch verhindert, dass man Staatsgesetze abschafft, die jenen Personen Landbesitz gewähren, die das Land weder bewohnen noch benutzen: Es wird prognostiziert, dass „Besitz“ in diesem Fall nur noch vertragsgemäß anerkannt wird, wenn der „Besitzer“ das Land tatsächlich bewohnt und bebaut, jedoch nicht dann, wenn er davon profitiert, anderen die Nutzung und das Bewohnen zu „erlauben“.

Ebenso wird das durch den Staat gewährte Monopol auf Zahlungsmittel abgeschafft und jede Kommune, Gruppe, Gemeinschaft usw. kann ihre eigenen Zahlungsmittel verwenden. Es wird behauptet, dass dies die Verzinsung auf annähernd Null herunterschrauben würde. Ohne Mietzahlungen und Zinsen, so wird argumentiert, wird das vermeintliche Hauptziel des Sozialismus (die Abschaffung der Ausbeutung) durch unabhängige Verträge erreicht, ohne Zwang oder totalitäre Staatlichkeit.

Das individualistisch-mutualistische Modell geht davon aus, dass die Monopole auf Land und Geld die „beschissenen Ursachen“ dafür sind, dass die freie Marktwirtschaft an der Umsetzung der von Adam Smith erwarteten, fantastischen Ergebnisse gehindert wird. Schafft man die Monopole auf Land und Geld ab, so werden der Wettbewerb (dort, wo kein existentielles Motiv für Kooperation vorliegt) und die Kooperation (dort, wo man dies als Vorteil für alle erkennt) das Entstehen anderer Monopole voraussichtlich verhindern.

Da monopolisierte Polizeikräfte bekanntermaßen immer wieder in Bestechungsskandale verstrickt sind und damit den Grundstein der Nötigungen und Einschüchterungen durch die Staatsgewalt legen, werden in einem individualistisch-mutualistischen System konkurrierende Schutzeinrichtungen notwendig sein. Man müsste keine „Steuern“ zahlen, um Schutzgelderpressung zu unterstützen, die einen tatsächlich mehr erpresst als beschützt. Man würde an Schutzeinrichtungen, die auch tatsächlich einen erwünschten und notwendigen Service leisten, lediglich gewisse, wohl überlegte Beiträge zahlen. Allgemein würde jede Kommune oder Gruppierung ihre eigenen Spielregeln aufstellen, doch aus Erfahrung kann man sagen, dass in der individualistisch-mutualistischen Tradition jede Kommune jenes System wählen würde, das ein Maximum an Freiheit und ein Minimum an Unterdrückung aufweist.

Den Richtige-Antwort-Maschinen gegenüber argwöhnisch, studierte und vertiefte ich mich auch in andere „utopische“ sozial-ökonomische Theorien.

Ich bin immer noch angetan von Henry Georges System (in welchem Mieten nicht erlaubt sind, doch die freie Marktwirtschaft auf andere Weise erhalten wird). Auch mag ich die Ideen Silvio Gesells (der Mieten und alle Steuern außer einer abschaffen würde – eine Liegesteuer für Zahlungsmittel, welche mit einem anderen Kunstgriff als den miteinander konkurrierenden Zahlungsmitteln der Mutualisten theoretisch Zinsen abschaffen sollte).

In der Wirtschaftslehre von C.H. Douglas sehe ich ebenfalls einen möglichen Verdienst. Douglas erfand die nationale Dividende – später in mutierter oder verstümmelter Form als Theobolds garantiertes Jahresgehalt und/oder als die negative Einkommensteuer nach Nobelpreisträger Milton Friedman neu aufgelegt. Und ich bin fasziniert von den Plänen Papst Leos XIII., dass die Arbeiter den Hauptanteil der Aktien ihres Unternehmens besitzen sollten.

In meinen Augen ist die interessanteste der neueren Utopien die von Buckminster Fuller, in welcher Geld abgeschafft wird und Computer die Wirtschaft verwalten, wobei diese mit der Hauptdirektive, alle zu begünstigen, ohne irgendjemanden zu benachteiligen, programmiert wurden – dasselbe Ziel, das im mutualistischen System angestrebt wird, nämlich Gesellschaft vollständig auf ausgehandelten Verträgen aufzubauen.

Seit ich nicht mehr die richtige Antwort habe, weiß ich nicht, welches dieser Systeme am besten in der Praxis funktionieren würde. Ich würde es begrüßen, sie alle an verschiedenen Orten getestet zu sehen, einfach nur um zu sehen, was passiert.

(Dieses System multipler Utopien wurde auch von Silvio Gesell vorgeschlagen, der nicht davon überzeugt war, eine Richtige-Antwort-Maschine zu haben; ein weiterer Grund, warum ich Gesell mag.)

Meine eigenen Vorlieben oder Hoffnungen oder Vorurteile meinen, dass der individualistisch-mutualistische Anarchismus mit etwas Hilfe von Bucky Fullers Computern am besten funktionieren würde, doch mangelt es mir immer noch an dem Glauben oder Vertrauen, dies als ein Dogma verkünden zu können.

Es gibt ein Prinzip (oder Vorurteil), das anarchistische und libertäre Alternativen für mich attraktiv macht, während der Staatssozialismus völlig unvereinbar mit meinen Genen oder Prägungsmustern ist. Ich engagiere mich für die Maximierung der Freiheit des Einzelnen und die Minimierung der Unterdrückung und Zwangsausübung. Ich behaupte nicht, dass irgendwelche geisterhaften oder metaphysischen „Naturgesetze“ dieses Ziel gebieten, es ist bloß das Ziel, das ich persönlich erwählt habe – im existentialistischen Sinn von Wählen. (In eher okkulter Sprache wäre dies Ziel mein Wahrer Wille.) Auf die eine oder andere Weise zielt alles, was ich schreibe, darauf ab, die linguistischen und metaphysischen Systeme zu untergraben, die irgendwelche Autoritäten scheinbar dazu ermächtigen, die Freiheit des menschlichen Geistes einzuschränken.

…und dann folgte das, was Charles Slack „den Wahnsinn der Sechziger“ nannte. Ich experimentierte enthusiastisch mit LSD, Peyote, Magic Mushrooms und jedem anderen Präparat, das bewusstseinsverändernd wirkt. Das Ergebnis war, dass ich sogar noch agnostischer wurde, jedoch weniger Kontrolle darüber hatte.

Psychedelische Substanzen lehrten mich, dass jedes Wahrnehmungsmuster oder jeder existentielle Realitätstunnel (genauso wie Theorien und Ideologien, also Karten und Modelle) menschliche Schöpfungen sind und keine göttlichen Offenbarungen – sie sind Kunstwerke, vom Verstand des Einzelnen bewusst oder unbewusst bearbeitet und organisiert.

Ich begann damit, auch andere bewusstseinsverändernde Systeme gründlich zu studieren, einschließlich solcher Techniken wie Yoga, Zen, Sufismus und Kabbala. Leider Gottes wurde ich irgendwie zum „Mystiker“, obgleich ich immer noch das Bezugssystem des existentialistisch-phänomenologischen Operationalismus hatte. Der Buddhismus ist schließlich – wobei ich die organisierte mystische Bewegung dabei letztlich widerwärtig finde – auch existentialistisch, phänomenologisch und operational…

Zuletzt gewann Nietzsches Konzept des Übermenschen an Bedeutung für mich, jedoch nicht in dieser elitären Form, in der er es hinterließ. Mittlerweile denke ich, dass Evolution immer weitergeht und sich beschleunigt: Der menschliche Verstand entwickelt sich wahrscheinlich auf ein Level zu, das im Vergleich zu unserer Vergangenheit als domestizierte Primaten übermenschlich erscheint. Meine favorisierte Wissenschaft ist die Neurowissenschaft und so begeistert mich jedes neue Werkzeug und jede neue Technik, die dabei hilft, Roboterschaltkreise in unserem Verstand (Richtige-Antwort-Maschine) aufzulösen, und Kreativität, Intelligenzsteigerung, Bewusstseinserweiterung und vor allem Großherzigkeit fördert.

Ich sehe keinen Grund, daran zu glauben, dass nur eine Elite dazu fähig wäre, diesen Evolutionssprung zu vollziehen, vor allem weil die neuen Werkzeuge und Trainingstechniken immer einfacher werden. Wie in der Technologie wird auch in den Neurowissenschaften Bucky Fullers Regel befolgt, dass uns jeder Durchbruch dazu befähigt, mehr Arbeit mit weniger Aufwand zu leisten und einen größeren Wohlstand auf weniger Rohstoffen aufzubauen.

Als ich mich erst einmal von der Rolle als Arbeitnehmer losgerissen hatte und als Schriftsteller unabhängig war, erschien mir der „Horror des Kapitalismus“ weniger monströs, da ich ihm nicht länger jeden Tag ausgesetzt war. (Wie Shakespeare sagte, können wir theoretisch alle Zahnschmerzen ertragen, nur nicht der arme Kerl, der sie wirklich bekommt.) Ich ziehe es vor, in Europa zu leben, was weitaus besser ist, als Steuern dafür zu zahlen, dass Reagan immer mehr von diesen verdammten Nuklearwaffen baut. Jedoch genieße ich es, für eine intellektuelle Stimulation regelmäßig die USA zu besuchen…

Ich stimme leidenschaftlich mit Maurice Nicoll überein (ein Physiker, der sowohl das Jung´sche als auch das Gurdjieff´sche System meisterlich beherrscht), wenn er die Hauptaufgabe der Bewusstseinarbeit darin sieht, „die Gewalt in der Welt zu verringern“. Der wesentliche Unterschied zwischen unserer und Swifts Welt besteht darin, dass wir zwar damit aufgehört haben, uns gegenseitig wegen religiöser Differenzen abzuschlachten (außerhalb des Nahen Ostens und Nordirlands), aber eine unfassbare Leidenschaft dafür entwickelt haben, uns stattdessen gegenseitig wegen ideologischer Differenzen umzubringen. Ich betrachte organisierte Ideologie mit der gleichen Abscheu, die Voltaire für die organisierte Religion übrig hatte92.

Genau genommen bin ich wirklich ein männlicher Feminist, wie L.A. Rollins behauptete (obwohl ich mich selbst öfter im Fernsehen sehe, weise ich es aber zurück, weinerlich oder ein Warmduscher zu sein; ich bin auch nicht weibisch); wie alle Liberalen lehne ich Gesetze für Verbrechen ohne Opfer, Gesetze zur Kontrolle des Drogenbesitzes und alle Formen von Zensierung ab (ob nun durch unverblümte Reaktionäre oder revolutionäre Komitees der radikalen Feministen).

Ich verabscheue Gewalt leidenschaftlich, bin aber dennoch kein dogmatischer Pazifist, seit ich nicht mehr John Baez´ Richtige-Antwort-Maschine in meinem Kopf habe. Ich weiß, dass ich in einer akuten Situation einen bewaffneten Angreifer töten würde, wenn dies die einzige Möglichkeit wäre, das Leben derjenigen zu verteidigen, die ich liebe. Obgleich ich niemals im Namen kapitalistischer Abstraktionen oder irgendwelcher Regierungen (allesamt verfluchte Lügner) eine Person töten oder ihr gegenüber Gewalt anwenden würde. Hierbei geht es um die existentielle Entscheidung, die ich getroffen habe, und nicht um Dogmen, die sich mir durch irgendwelche Götter oder Philosophiepfaffen offenbarten.

Ich ziehe die verschiedenen utopischen Systeme, die ich hier erwähnte, der konservativen Position vor, die davon ausgeht, die Menschheit sei unverbesserlich. Und ich stehe dazu auch, wenn keines dieser utopischen Szenarien umsetzbar sein sollte. Letzten Endes wird ein System entwickelt werden, das besser funktioniert als alle bisher bekannten. Ich stimme der Vision Jeffersons (liberal?) zu, dass der menschliche Verstand in einer Gesellschaft, in der die Freiheit der Gedanken die Norm und nicht die seltene Ausnahme ist, alle Grenzen überschreiten und sich selbst übertreffen kann.

Macht mich all dies zu einem Linken oder einem Rechten? Ich überlasse diese Entscheidung den Euklidianern.