ca. 1996 – ein Chat mit Randy Lee Payton

 

 

F: Warum behaupten Sie, an nichts zu glauben?

 

A: „Die Karte ist nicht das Territorium“, sagte Korzybski. Eine Karte, die man von einer Stadt erstellt, kann nicht die gesamte Stadt zeigen. Sie müsste jeden Einwohner der Stadt zeigen und auch wie die Karte gezeichnet wird und wie man eine Karte der Karte zeichnet … also ist jede Karte eine Vereinfachung.

Und Worte sind wie Karten … wie viele von ihnen kann man in einem Satz unterbringen? Aus diesem Grund denken eine Menge moderner Wissenschaftler, dass man das Wort „ist“ gänzlich streichen sollte, da „ist“ dazu verleitet, unsere verbalen Kategorien in unseren Köpfen mit der nonverbalen Realität, die wir erleben, durcheinanderzubringen. Ich versuche lieber, Beschreibungen von dem zu verwenden, was ich tatsächlich gesehen habe, als das Wort „ist“ zu sagen. Anstatt zu sagen, „da ist ein Besoffener, der die Straße herunter kommt“, würde ich eher sagen, „da nähert sich ein Mann, der mir betrunken erscheint“. Oder man könnte sagen, „ich sehe einen Mann, der sich nähert und der vielleicht ein gebrochenes Bein hat und Hilfe benötigt“. Man realisiert dadurch, dass es alternative Erklärungen gibt. Hat man erst einmal „ist“ gesagt, hört man auf, über alternative Erklärungen nachzudenken.

 

F: Schadet uns diese Form des mechanistischen Denkens jetzt im Informationszeitalter, obwohl sie im Industriezeitalter vielleicht eine evolutionäre Funktion hatte?

 

A: Ja. Man hält irgendetwas für obszön. Es gibt keine Möglichkeit, zum Ausdruck zu bringen, wie viel Obszönität in einem Buch, einem Gemälde oder einem Film existiert. Wir haben keinen Obszönometer. Man könnte einen Obszönometer auf einen Film richten und dann sagen: „Oh, dieser Film hat 50 Einheiten Obszönität. Oh und dieser hat 75 Einheiten Obszönität. Und hey, dieser hat sogar ganze 100 Einheiten Obszönität!“ Wenn wir also keine objektiven Maßstäbe hätten, gebe es nichts, worüber wir reden könnten … Wenn wir also nicht über etwas da draußen sprechen, was wir messen können, dann reden wir über unsere eigenen neurologischen Reaktionen, die wir wahrscheinlich von unseren Eltern erlernt haben. Sagen wir also: „Dieser Film ist obszön!“ … dann meinen wir eigentlich: „Meine Eltern hätten diesen Film nicht gemocht.“ Und genau das sollte man sagen, anstatt sich selbst vorzugaukeln, man würde über den Film reden.

 

F: Dr. Wilson, Sie haben einige Zeit über eine neu entstehende Gesellschaft geschrieben und gesprochen, in der hoch entwickelte Technologien den Wohlstand für alle bringen. Alvan Toffler glaubt, dass wir uns auf halbem Weg von dem alten industriellen Modell zu der emergierenden High-Tech-Informationsgesellschaft befinden. Stimmen Sie damit überein?

 

A: Ich denke, dass wir schon da sind. Da Problem besteht darin, dass sich die Leute, die unsere Gesellschaft führen, nicht vorstellen können, wie man diese Errungenschaft reguliert, weil sie immer noch in Begriffen einer Wirtschaft der Knappheit denken. Tatsächlich und messbar haben wir seit 1974 eine Gesellschaft des Überflusses. Es gibt mehr als genug, aber unsere Herrscher und Führer wissen einfach nicht, wie sie die Informationsgesellschaft umsetzen sollen, weil der Markt komische Sprünge machen würde, wenn jeder realisiert, dass es einen Überfluss gibt. Seit den 30er Jahren bezahlt die Regierung Bauern, damit sie keine Nahrung anbauen, während andere Leute hungern. Wenn irgendjemand dir also erzählt, dass diese Ökonomie Sinn macht, dann frag ihn einfach, wie vernünftig eine Welt sein kann, in der dort drüben Leute Hunger leiden, während ein Stück weiter andere Leute dafür bezahlt werden, keine Nahrung für sie anzubauen. Wie kann irgendjemand das als vernünftig beschreiben?

 

F: Glauben Sie, dass eine solche Post-Knappheits-Gesellschaft eine Zensur auf vielen Ebenen überflüssig machen würde, weil Zensur auf einer ideologischen Machtgier basiert?

 

A: Zensur beabsichtigt hauptsächlich ein Absterben von Gehirnzellen. Wenn man nicht genug Informationen erhält, beginnen die Gehirnzellen abzusterben. Alles, was sich zwischen das Gehirn und eine potentielle Information stellt, tötet Gehirnzellen. In einer Ökonomie der Knappheit ist dies notwendig, damit die Menschen nicht herausfinden, dass es gleich um die Ecke eine Horde Leute gibt, die die gesamte Nahrung essen, während wir hungern. Die beste Sache ist, die Leute dumm zu lassen. Doch seit wir diese Stufe der Evolution hinter uns gelassen haben, brauchen wir keine sozialen Institutionen mehr, die nur dafür erschaffen wurden, die Leute in Dummheit zu wiegen. Wir können ihnen erlauben, ihre Intelligenz voll zu entwickeln. Tatsächlich sollte dies nicht nur „erlaubt“ sein, sondern würde sich als gewaltiger Vorteil für uns alle herausstellen.

 

F: Es heißt, dass Clintons momentane Sexskandale das Resultat einer rechten Verschwörung gegen ihn seien. Denken Sie, dass daran etwas Wahres sein könnte?

 

A: Etwas. Doch gibt es auch den Wahnsinn nach Skandalen in den Medien. Das Sexleben des Präsidenten sollte ursprünglich tabu sein, doch dieses Tabu wurde gebrochen. Bei allen Tabus kommt es, sobald sie gebrochen wurden, zu einer soziopathischen Periode des Chaos, in der es keine Regeln mehr gibt. Wahrscheinlich werden neue Regeln etabliert werden müssen. In der Zwischenzeit würde ich nicht für das Präsidentenamt kandidieren. Ich würde auch kein Hundefänger werden wollen. Ich will niemanden, der in meinem Leben herumschnüffelt, wie es Politiker in diesen Tagen erleben.

 

F: Meine Reaktion war, dass ich nicht glauben konnte, was ich da hörte. Man sitzt da und schaut sich die Abendnachrichten an und die Leute reden dort über Spermaflecken des Präsidenten.

 

A: (lacht) Es ist, als ob er ein Verdächtiger in „NYPD Blue“ wäre. Jeder in Washington kannte Kennedys sexuelle Techtelmechtel, aber keiner hätte jemals darüber geschrieben. Und jetzt ist die Jagdsaison auf Politiker eröffnet. Tja, sie verdienen es.