Cornelia Scheel und Hella von Sinnen

Wir hamm’s erfunden

Ich (Conny) kam am 28. März 1963 in München durch Kaiserschnitt zur Welt. Noch heute frage ich mich, ob es bei meiner Mutter an den Spätfolgen der damals noch sehr belastenden Narkosemedikation lag, jedenfalls ließ sie mich auf den Namen Cornelia Maria Barbara Eleonore Wirtz taufen. Am End sollten mir die vielen Vornamen aber auch nur mein Leben als sogenanntes Bankert versüßen. Der jungen, alleinerziehenden Assistenzärztin Mildred Wirtz und mir blies in dem streng katholischen Bayern Anfang der sechziger Jahre nicht selten ein scharfer Wind entgegen.

1967 lernte meine Mutter den damaligen FDP-Politiker Walter Scheel kennen und lieben. Die beiden heirateten 1969, mein neuer Vater adoptierte mich ohne Murren, und wir zogen gemeinsam nach Bonn. Ich hatte jetzt einen neuen Nachnamen und, ehe ich mich versah, rund um die Uhr Personenschutz, da ebendieser Walter Scheel im Oktober desselben Jahres zum Außenminister der BRD gewählt wurde. Vom vaterlosen Bankert zur strengbewachten Politikertochter war schon ein Sprung, zu dem man Sie sagen kann. Der darauf folgende Umzug als Tochter des Bundespräsidenten in die Villa Hammerschmidt 1974 war dagegen nur ein Katzensprung. Das lag mit Sicherheit auch daran, dass ich mir das Kinderdasein inzwischen mit zwei Geschwistern teilen durfte. Meine Mutter gründete in ihrer Rolle als First Lady am 25. September des gleichen Jahres die Deutsche Krebshilfe, und wir verlebten turbulente Jahre im Fokus der Öffentlichkeit.

Im Sommer 1983 erkrankte meine Mutter an Krebs, was mich dazu bewog, mein Medizinstudium in Innsbruck abzubrechen, um an ihrer Seite sein zu können. Meine Mutter verlor den ungleichen Kampf gegen diese teuflische Krankheit am 13. Mai 1985 und ich täglich dramatisch an Gewicht. Einer engagierten Ärztin, die in einer kritischen Nacht zehn Stunden an meinem Bett gesessen hat, verdanke ich mein Leben. Sie befand mich noch viel zu jung fürs Sterben und erzählte mir stundenlang von der Liebe, die mir noch begegnen sollte. Wie recht sie behalten hat! Ich entschied mich für das Leben und arbeitete zwei Jahre später in der Kinderkrebshilfe der Deutschen Krebshilfe mit. Meine Hauptaufgabe bestand darin, als Tochter der Gründerin Repräsentantin zu sein und Schecks für die erkrankten Kinder entgegenzunehmen. Das fand zu meinem ganz persönlichen Leidwesen auch gerne mal im Rahmen einer Fernsehsendung statt, und so ergab sich die eine oder andere Bekanntschaft mit Fernsehschaffenden. Bei einer Veranstaltung lernte ich den RTL-Producer Winnie Gahlen kennen. Er produzierte die mir bis dahin völlig unbekannte Sendung «Alles Nichts, Oder?!» und meinte, man könnte doch im Rahmen dieser Show mal über eine Aktion für die Kinderkrebshilfe nachdenken. Ehe ich mich versah, hatte ich die private Telefonnummer der Moderatorin in meiner Kostümtasche, einer gewissen Hella von Sinnen. Bestens gelaunt rief ich diese am kommenden Morgen aus meinem Büro in Bonn an, nicht ahnen könnend, dass ich sie aus der ersten Traumphase gerissen hatte. Durch ihr brummiges «Ja?» am anderen Ende der Leitung bereits eingeschüchtert, trug ich ihr mein Anliegen vor und wurde mit einem genervten «Ich engagiere mich bereits für die Aidshilfe» unsanft abserviert. Meine Wut, aber auch meine Neugierde war erweckt. Ich sah mir daraufhin nur ein paar Tage später bei einer Freundin, die RTL empfangen konnte, die Show mit der überaus freundlichen Moderatorin an und war merkwürdig elektrisiert. Im Sommer war ich dann mit der Krebshilfe auf der Funkausstellung in Berlin, und plötzlich hieß es, dass eine Moderatorin namens Hella von Sinnen für eine Autogrammstunde an unserem Stand zugesagt hatte. Sie kam, begrüßte mich im Vorbeigehen, und meine Gefühlswelt geriet erheblich in Schieflage. Als die Stunde verflogen war, stammelte ich ein paar Worte des Danks im Namen der Kinder, und sie sagte: «Keine Ursache, Claudia.» Mein in die Berliner Luft geknurrtes: «Ich heiße Cornelia», erreichte ihre Ohren schon nicht mehr. So kam es, dass sie mich Monate später auf einer Party im Alten Wartesaal mit den Worten «Ich kenn dich doch, du bist doch die Claudia» begrüßte und sogleich auch wieder stehen ließ. Wie heißt es doch so schön, man sieht sich im Leben immer dreimal. Oder so ähnlich. Wir schreiben den 25. Mai 1990, und die letzte Sendung des WWF-Club war gelaufen. Aus diesem Anlass gab es ein großes Sommerfest auf dem Gelände des WDR draußen in Bocklemünd. Es war bereits nach Mitternacht, und ich tanzte mit Heino. Plötzlich erspähte ich Hannelore, seine Gattin, in einem angeregten Gespräch mit Hella an einem Bistrotisch stehend und bekam auf der Stelle weiche Knie. Irgendwie gelang es mir dennoch, den führenden Part beim Foxtrott zu übernehmen, und so tanzte ich Heino und mich zielstrebig an ebendiesen Tisch. Hella und ich sahen uns einen Moment zu lange an, und plötzlich hörte ich ihre Worte: «Sag mal, kann es sein, dass du lesbisch bist?» Mein selbstverständliches «Ja» habe ich bis heute zu keinem Zeitpunkt bereut.

 

Ich (Hella) erblickte am 2. Februar 1959 das Licht der Welt. Die Legende behauptet, eine Urgroßmutter hätte Hanne angemaunzt, sie könne ihrer «Tochter doch keinen Pferdenamen geben!», da die berühmte Hessenstute HALLA den schwerverletzten Hans Günter Winkler drei Jahre zuvor auf dem Olympiaparcours in Stockholm zum goldenen Sieg getragen hatte.

Meine Mutter, Hannelore Sieglinde Schneider, hatte einen Vater, der – wie man in Köln sagt – «schwer watt an de Föss» hatte. Will heißen, Wilhelm hatte sich als Pflasterermeister selbständig gemacht und mit seiner Hoch- und Tiefbau KG Millionen gescheffelt, die seine Gattin Hedwig, geborene Gerhard, mit beiden Händen ausgab. Wobei! Sie ließ sich gerne von Chauffeur Fritz auf den Nippeser Markt kutschieren, um das billigste Angebot für Kartoffeln zu recherchieren.

Als Köln im Zweiten Weltkrieg systematisch zerbombt wurde, evakuierte man aufs Land, wo meine Mama meinen Papa kennenlernte: Helmut Otto Kemper. Helmuts Vater Otto hatte weniger an «de Föss», dafür Blasen an den Händen. Er arbeitete als Steinmetz im Steinbruch, um seine zehn Kinder zu ernähren. Seine Frau Emilie war der warmherzige Mittelpunkt der großen Familie auf einem kleinen Anwesen in Niederwette bei Marienheide.

Ich denke, der familiäre Hintergrund meiner Eltern trug Mitschuld an ihrem endgültigen Zerwürfnis 1971.

Nach einer muckeligen Kindheit mit meinem dreieinhalb Jahre älteren Bruder Hartmut in der Wiesenstraße in Gummersbach litten wir, als wir größer waren, unter dem Zank meiner Eltern. Und in der Regel ging es um Geld. Vattern machte steile Karriere beim Sozialamt der Stadt und konnte es als viertes Kind und ältester Kemperssohn nicht wechseln, dass sein Schwiegervater ihm Einfamilienhaus und Jagd mitfinanzierte.

 

Nach der Scheidung zog Hanne wieder in ihr Elternhaus nach Köln, und Helmut heiratete Renate Schmidt, mit der er mir 1973 ein zweites Brüderchen bastelte: Torsten.

Da war ich schon lesbisch.

Ich war mit sechs schon lesbisch. War ich doch über beide Ohren in «Frollein Viehbahn» verknallt. Meine Grundschullehrerin mit Dutt. Mit acht Jahren posaunte ich bereits auf rauschenden Familienfeiern «Ich werde nicht heiraten!», womit ich vor allem den Unmut der Tanten auf mich zog. Kempers sind nun mal Fans von gutbürgerlicher Küche und gutbürgerlichen Zuständen. Das war nicht Hannes Plan und meiner schon gar nicht.

Meinen ersten Zungenkuss bekam ich mit zwölf von Renate B. aus G. (PUNKT!) und blieb bei Frauen. Neun Jahre später hatte ich meinen ersten «erwachsenen» Sex mit Sybil. Gleichgeschlechtsverkehr wurde mein Hobby. Als ich Conny am 26. Mai 1990 zum ersten Mal bewusst wahrnahm, lebte ich mit Dirk Bach und meiner damalige Partnerin in einer Wohngemeinschaft. Diese musste ich leider verlassen, da die Gefühle zu Cornelia einfach zu stark waren. Es fing in der Maiennacht ganz harmlos an. Wir saßen am Küchentisch unserer WG im – auf Grund des Brandes beschissenerweise – von Hanne geerbten Haus und sprachen über unsere Mütter. Beide hatten wir unsere Mütter auf dramatische Weise viel zu früh verloren. Ich konnte mich von Hanne nicht verabschieden, und Conny wäre an dem quälenden Abschied von Mildred fast krepiert. Was uns verband, war die starke, fast süchtige Liebe zu beiden. Und das schmerzliche Vermissen. Das war für mich eine neue Erfahrung. Ich hatte noch keine Frau kennengelernt, die ihre Mutter genauso bewundert, geschätzt und geliebt hatte wie ich. Das verband uns als Erstes. Und der Humor. Conny ist unglaublich schnell und pointiert. Das versüßt mir nicht nur seit über 20 Jahren den Alltag, sondern vergoldet auch das Berufsleben. Titel wie «ICH BREMSE AUCH FÜR MÄNNER» und «GENIAL DANEBEN» sind auf Connys Mist gewachsen.

Ich bin der Meinung, sie hat ein üppig gefülltes Gen-Köfferchen von ihrem Erzeuger geerbt, dem Regisseur und Autor Robert A. Stemmle. Plus fettem Mutterwitz und Ommawitz. Unvergessen der Jubelschrei ihrer amerikanischen Großmutter Elsa Brown, nachdem diese den Vorwärtsgang mit dem Rückwärtsgang verwechselt hatte und unkontrolliert in die Garage gebrettert war: «Mildred! Hast du den BUMMS gehört?»

Conny und ich leben und arbeiten jetzt zwei Jahrzehnte zusammen. Meine Frau schmeißt nicht nur den Haushalt, sie ist auch meine Managerin. Und Co-Autorin. Sie ist für viele meiner Pointen verantwortlich, die ich auf der Bühne oder im TV serviere. Aber so «CO » wie bei diesem Beutebüchlein waren wir noch nie. Es macht mich glücklich, dass wir uns nicht nur lieben, sondern auch gut, kreativ und respektvoll miteinander arbeiten können. Ich fühle mich doll privilegiert.

Und jetzt gibt’s einen Einblick in unseren WAHNSINNigen Alltag:

 

Menno! Jetzt hamm wir uns beide Notizen gemacht, was wir für Macken haben … und du kommst mit deinem postkartengroßen Einkaufszettel um die Ecke, während ich hier mit fünf DIN-A4-Blättern sitze …

 

Mein liebes Helli, das ist doch kein Wettbewerb. Du fängst an.

 

Okay. Aaaaaalso … Ich trage seit gefühlten 50 Jahren nur Overalls, obwohl ich weiß, dass sie mir nicht stehen. Das fing mit ’nem geschenkten Schwarzen vom Studio Hamburg an. Da stand hinten «Alles Nichts, Oder?!» drauf und vorne mein Name. Der hing zwei Jahre rum, und dann habe ich ihn mal angezogen und dachte: «Nein, wie praktisch, mit all den Taschen brauchste ja keine Handtasche mehr!» Wie du weißt, nerven mich Handtaschen. Will nix mit mir rumschleppen. Und dann hab ich diverse Farben im Berufsbekleidungsfachhandel nachgekauft und später hat Hazy Hartlieb mir Show-Overalls geklöppelt. Das Beste an diesem Kleidungsstück ist, dass ich mit einem «Zzzziiiipp!» diesen kompletten Overall runterlassen kann und dann – wenn ich mich auch noch des Leibchens, der Socken und der Boxershorts entledige – in zwei Sekunden nackt bin. Ich wäre gerne im Nudistenland. Da könnte ich nicht nur zu Hause unbekleidet rumlaufen. Ich persönlich bin sehr gerne nackt. Das liegt daran, dass ich ungerne Gürtel oder Gummizüge um mein dickes Bäuchlein spüre.

 

Und es liegt daran, dass du dich in keinem Bereich einengen lassen möchtest. Das ist meine Theorie nach 20 Jahren Zusammenlebens.

 

Das kann es auch sein. Wo wir bei Kleidern sind: Ich sehe dich nur noch selten in Kleidern oder Röcken. Du trägst nur Jeans. Unabhängig davon, dass du so schöne lange Beine hast und dir Jeans knaller steh’n – woran liegt’s?

 

(Gibt Dalida:) «Isch malte und frisierte miiiisch, ein bisschen mehr auf jugendliiich … ich wollt’s prrobiiieren …» – Nein, das ist es nicht. Jeans sind einfach praktisch. Ich weiß es nicht, wie es dazu kommt. Ich mag es einfach.

 

Als Jugendliche auch schon? Keine Stoff-Bundhosen?

 

Ich musste Stoffhosen tragen bei wichtigen Anlässen. Wenn irgendein Staatsoberhaupt in der Villa Hammerschmidt vorbeikam, musste ich Kostümchen und Hosenanzüge mit kratzigen Hosen tragen. Ich bin einfach nicht gerne verkleidet. Ich hab mich dann noch drei Jahre für die Deutsche Krebshilfe fein gemacht. Das reicht.

 

Ich hab ja auch den Vorsprung mit meiner Kindheit. Meine Mutter selig, die Hanne, die wollte mich ja immer als Püppchen ausstaffieren. Ich hatte andauernd die schönsten selbstgemachten Kleider und Mäntelchen an. Mit Reiterkäppchen. Und dazu diese weißen Strumpfhosen. Das war ja schon schlimm genug, weil ich in dem Outfit mit meinem Bruder nicht rumtoben durfte. Wenn die Strumpfhosen dann aber auch noch rutschen und Erwachsene dich in den Strumpfhosen hochheben, um sie hochzuziehen, du die Bodenhaftung verlierst und es dir im Schritt kneift, dann wird es ein traumatisches Erlebnis. Das möchte ich nicht nochmal erleben. Ich bin ja gerne Schauspielerin. Aber diese Nylonstrumpfhosen, die ich für bestimmte Rollen tragen muss, das ist für mich das Schlimmste am Dreh … neben dem morgens früh aufstehen und auf die puddeligen Toilettenwagen zu gehen. Das ist das Schlimmste!

 

Da muss ich mal nachfragen: Deine Kindheit. Wer hat es gewagt, die kleine Hella, die ja mit Sicherheit auch schon temperamentvoll war – wer hat es gewagt, dich an den Rechts- und Linksbünden deiner Strumpfhose zu packen und dich hochzuziehen?

 

Alle! Mein Vater hatte sieben Schwestern. Ich hatte noch zwei Omas und meine Mutter sowieso. Alle! Alle Frauen haben mich hochgehoben. Wir reden davon, als ich zwei, drei, vier Jahre alt war. Da konnte ich wahrscheinlich noch nicht mal sprechen, da baumelte ich schon in den Händen irgendwelcher übergewichtiger Blutsverwandten. Bevor ich meine Liste hier weiter abarbeite: Ich will schnell aufzählen, von was ich abhängig bin, was ich aber bereits im Buch erwähnt hab: Nasenspray, Ohropax, und meine kleine Wasserflasche, die Pulla.

 

Ich kaufe ALLES ein und weiß, wovon du sprichst. Man nennt mich hier im Veedel schon Iron Woman. Wenn ich mit meinen sechs Tüten und drei Taschen den Heimweg antrete, stehen die Menschen klatschend Spalier und feuern mich an.

 

Ja. Du musst viel laufen und kaufen. Ich finde dich ja ein bisschen Cola-light-süchtig, wenn ich das an dieser Stelle sagen darf.

 

Stimmt. Vom gelegentlichen Feierabendbier mal abgesehen, trinke ich neben dem Morgenkaffee ausschließlich Cola light. Mir schmecken keine anderen Getränke. Das einzige Getränk, was mir noch schmeckt, ist frischgepresster Möhrensaft. Aber es ist mir zu aufwendig, täglich den Entsafter zu reinigen. Wenn da die vertrockneten Möhren, nachdem sie zentrifugiert sind, in den Sensen kleben.

 

Du bist ja der berühmte «Veedelschatz». Wenn du vormittags deine zwei Stunden hier im Veedel rumcruised, um einzukaufen, kommst du doch an dem dölligen Bio-Basic vorbei? Die hamm da doch ’ne Theke mit frischgepressten Säften?

 

Das habe ich mir schon zweimal gegönnt.

 

Liebe Lesenation, CONNY HAT SICH IN DEN LETZTEN ZWANZIG JAHREN ZWEIMAL EINEN MÖHRENSAFT GEGÖNNT!!!

 

In den letzten vier Jahren. So lange gibt es den Basic bei uns erst.

 

Gut. Aber so ’ne Klatsche wie ich, dass ich nicht ohne Nivea, Nasenspray, Korodin Herz-Kreislauf-Tropfen, Bach-Blüten-Rescue-Tropfen, Tempos und Lufthansa-Lappen das Haus verlassen kann – so ’ne Klatsche hast du nicht? Du kannst mit Jeans, T-Shirt, deiner Jacke, Schlüssel und Portemonnaie rauslaufen und vermisst nix?

 

Doch. Ich muss immer eine riesige Auswahl von Bonbons dabeihaben. Die findest du bei mir in jeder Tasche. Fast hätte ich gesagt in jeder Öffnung. Da ich im Vorfeld nie genau weiß, welches Bonbon heute das Rennen macht, schleppe ich alles, was die Süßwarenindustrie so produziert, mit mir herum. An dieser Stelle möchte ich mich darüber beschweren, dass es keine Schokoladendrops nach dem Vorbild «Werthers Echte» auf dem deutschen Snœpjesmarkt gibt. Zigaretten dürfen natürlich auch nicht fehlen. Mich begleiten immer mindestens zwei Packungen auf Schritt und Tritt.

 

Seit wann rauchst du denn?

 

Seit meinem 13. Lebensjahr. Und du?

 

Seit meinem neunten. Mit Hummel, meiner damaligen Straßenkameradin, hab ich Rauchwaren gemopst. Ihr Großvater hatte in seinem Schuhladen ein Zigarrendepot, und Hanne hatte überall die kleinen Rauchertischchen mit Ernte 23. Dann haben wir geschickt die Vorräte dezimiert, haben uns in den Wald in unsere selbst gebaute Bude gehockt und gepafft, was das Zeug hält. Damals noch nicht auf Lunge.

 

Da warst du neun Jahre alt?

 

Hundertprozentig. Das war ja auch eine Imitation der Erwachsenen. Alles rauchte ja. Alles rauchte, außer meinem Papa, der hatte es sich abgewöhnt. Ich bin groß geworden in dicken Nebelschwaden. Deswegen bin ich ja so unversöhnlich schlecht gelaunt über dieses Rauchverbot überall! Man kann mich nicht 52 Jahre mit dem Marlboro-Mann, dem Camel-Mann und dem HB-Männchen sozialisieren, um dann zu sagen, du bist ein Paria, wenn du dir irgendwo ’ne Fluppe ansteckst! Ich kapiere es einfach nicht. Die Gesundheitsargumente, die erreichen mich da nicht, weil ich es nicht verstehe.

 

Witzig, dass du so geruchsempfindlich bist. Du müsstest doch eigentlich abgestumpft sein. Dein Flimmerepithel müsste doch vom Nikotin komplett geteert sein?!

 

Ja, gut, da kann ich ja nur dankbar sein, dass ich noch so gut riechen kann, aber ich finde es leider auch anstrengend, dass ich jetzt mit den Wechseljahren noch empfindlicher geworden bin. Nasentechnisch. Wenn ich im Aufzug bin, mit fremden Menschen, oder auch in einen leeren Aufzug komme, wo gerade andere Leute rausgegangen sind, oder sogar auf der Straße, wenn eine Frau mit einem aufdringlichen Parfüm an mir vorbeirennt, fühle ich mich belästigt. Ob das der Geruch von Müll ist, ’ne Bierfahne oder Parfüm. Ich hab da kaum Toleranz für. Ein starker Geruch, den ich nicht positiv assoziiere, der strengt mich sehr an. Welche Gerüche magst du denn gern?

 

Deinen.

 

Ohhh … du bist lieb. Aber dazu muss ich sagen, liebe Lesenation, dass meine Frau die bestriechendste Frau der ganzen Welt ist! Nicht nur aufgrund ihrer akribischen Körperpflege, sondern auch weil ihr Parfüm ihr besonders gut steht. Niemand riecht so lecker wie Cornelia Maria Barbara Eleonore Scheel!

 

Wie schön, dass wir uns so gut riechen können. Was rieche ich denn noch gerne? Diesen Bäckereiduft. So ganz früh morgens. Die frischgebackenen Brötchen und Brot. Das liebe ich sehr.

 

Das habe ich auch sehr gerne. Das macht mir ein Gefühl von Geborgenheit. In meiner Kindheit wurde ja viel gebacken um mich herum. Backen war immer gemütlich. Und lecker, wenn ich den Topf mit dem Teig ausschlecken durfte.

Tja, was sollen wir weiter besprechen? Schöne Sachen oder Ängste? Vielleicht lieber erst die Ängste, dann haben wir das hinter uns, oder? Und können uns über die schönen Sachen freuen? Ich persönlich fahre nicht gerne über Brücken und durch Tunnel. In Tunneln kriege ich auf jeden Fall arge Beklemmungen.

 

Auch wenn du im Zug sitzt?

 

Ja! Ich weiß nicht, ob ich zu lange im Geburtskanal gewohnt habe, aber Tunnel ist für mich die Hölle in Tüten.

 

Meine Angst ist leider sehr grotesk. Ich kann seit vielen, vielen Jahren nicht mehr Rolltreppe fahren. Das ärgert mich maßlos, weil ich immer den Umweg über diese großen Aufzüge nehmen muss, der eigentlich für Frauen mit Kinderwagen, Gebrechliche und Menschen im Rollstuhl gedacht ist. Ich stehe da permanent mit einem leicht schlechten Gewissen, weil ich ein bisschen Platz wegnehme.

 

Aber du hattest eine Initialzündung. Es gab etwas, was dir passiert ist auf einer Rolltreppe. Seitdem hast du das. Als wir uns kennengelernt haben, bist du mit mir jede Rolltreppe dieser Welt gefahren.

 

Ja, das war im obersten Stockwerk von einem Kaufhaus. Ich hatte – wie immer – viele Tüten und wollte fröhlich runterfahren, setze einen Fuß auf die Rolltreppe und bekomme in dem Moment meine erste Panikattacke. Völlig überraschend. Habe ich im Leben nicht mit gerechnet. Springe also zurück, und hinter mir fallen dominosteinetechnisch viele Menschen um. Nicht alle, aber viele stolpern oder geraten ins Straucheln, und einige schlagen auch lang hin, und ich wurde beschimpft. Seitdem nehme ich vor jeder Rolltreppe Reißaus.

 

Wenn du Bock auf Konfrontationstherapie hast, fahr ich wochenlang mit dir Rolltreppe rauf und runter.

 

Wie ist es bei dir mit Fliegen?

 

Jepp. Steht natürlich fett unterstrichen auf meinem Blatt. Ich habe schon oft darüber nachgedacht. Es ist bei mir gar nicht die Angst vorm «Fliegen». Ich leide zwar auch unter Höhenangst, aber wenn ich oben im Flieger sitze und kucke in die Wolken und auf die Landschaft runter … Gold! Ich hasse am meisten diese verbrauchte, schlechte Luft in einem Flieger. Wenn ich die Boeing betrete und die Drecksluft einatme, habe ich schon das Gefühl: «Liebe Panikattacke, setze dich zu mir auf den Schoß und lass dich mit anschnallen!» Da kommen wir zum zweiten Punkt: dem Angeschnalltsein. Dieses Unfreie. Dann noch die Nähe zu fremden Leuten. Die haben ja auch wieder ihre Gerüche und machen Geräusche. Tja und der Klassiker der Flugangst: dass du abhängig bist von fremdem Können. Abhängig vom Mechaniker, dem Piloten. Ich hasse es schlicht und ergreifend zu fliegen.

 

Du hast gerade jetzt die Luft und die Gerüche als Erstes aufgezählt. Das irritiert dich auch am meisten?

 

Ja .Und natürlich auch, weil ich sehr geräuschempfindlich bin, der Krach vom Flugzeug selbst. Dieser permanente Ton. Deshalb nicht fliegen ohne Mucke im Ohr. Ich kann auch ganz schlecht wechseln, wenn ich in einer Hotelhalle sitze, und jemand saugt. Dieses penetrante Staubsaugergeräusch!

 

Das ist das Erste, was ich höre.

 

Ja, gut, dass wir endlich drüber sprechen.

 

Ich komme doch gerne mal mit dem kleinen Handstaubsauger, den ich heiß liebe. Das ist für mich die schönste Art der Reinigung des Bodens. Staubsaugen finde ich ganz weit oben. Wenn du im Bett liegst, sauge ich doch gerne mal unmotiviert um dich rum, nicht ahnend, dass ich um eine tickende Zeitbombe herumwusele?

 

ALLERDINGS! Wenn man um mich herumsaugt, werde ich sehr, sehr schlecht gelaunt. Ich denke auch, dass bei vielen Leuten dieses Unwohlsein beim Zahnarzt aus diesem unfassbar penetranten Terror-Bohrgeräusch resultiert! Deswegen behaupte ich ja auch steif und fest, dass die Männer nicht auf dem Mond waren. Wenn Mann nicht in der Lage ist, einen geräuschlosen Fön zu konstruieren, war man auch nicht auf dem Mond! Manchmal gehe ich gern zum Frisör, weil meine Frisörin Doris Käthe eine Freundin von uns ist. Aber wenn ich da reinkomme und höre ein, zwei Föns bei der Arbeit – da könnte ich mich auf dem Absatz umdrehen und rausrennen. Nervige Geräusche strengen mich extrem an. Positiv dagegen meine große Freude an Musik. Schöne Geräusche – Meeresrauschen! Musik! Machen mich glücklich. Dabei kann ich mich innerhalb von fünf Sekunden in eine völlig neue Gefühlslage beamen.

 

Prima. Dann komm ich jetzt mal laut pfeifend mit meiner Lieblingsgewohnheit, die mir erst durch dich aufgefallen ist, um die Ecke: Ich liebe lautes Essen, ich liebe alles, was laut ist. Beim Kauen laute Geräusche erzeugt: roher Kohl, Möhren, rohe Kohlrabi, Radieschen, Chips …

 

 … unreife Papaya, unreife Birnen …

 

… Paprika, Knäckebrot – was noch?

 

Egal. Hauptsache, es ist laut. Aber das SCHRAPPSCHRAPPSCHRAPP reicht dir ja nicht! Du musst ja auch noch presslufthammerknistern! Nicht nur, dass das Aufreißen einer Tüte Chips dezibeltechnisch mit ’nem Formel-1-Rennen mithalten kann – du musst ja dann auch in der funny-frisch-Fülle ZWANZIG MINUTEN nach dem perfekten Kartoffelchip suchen! Jeder einzelne wird studiert, und auf dem Boden der Tüte findest du dann den auserwählten … Aber das hat ja auch ’ne gewisse Komik, wenn ich mir die Ohrhörer überstülpe …

 

… j a … sonst passiert es, dass ich mein wunderbar lautes Essen genieße und du nölst: «Jetzt muss ich zurückspulen, du hast mir die Pointe zerkaut.»

 

Oder zerraschelt. Was mich noch auf die Palme bringt: meine Nägel zu feilen!

 

Da brauchst du ja auch immer ein Jahrhundert. Du bist die langsamste Nägel-Feilerin Mitteleuropas. In der Zwischenzeit habe ich eingekauft, mein Auto zur Inspektion gebracht, das Dach neu gedeckt, eine Katze vorm Ertrinken gerettet, eine Modekollektion entworfen, drei Krankenbesuche gemacht, und ich komme zurück …

 

Ja! Ja! Ja! Und die Küche haste auch noch frisch gestrichen, und ich feile immer noch …

 

… an Finger NUMMER ZWEI!!!

 

Ich verabscheue Nägelfeilen. Ich kann es auch nicht, und ich will es nicht. Der Nagelstaub stinkt zudem. Ich bin aber auch nicht gewillt, mir diese kleinen Nagelclips zu organisieren, weil ich Kanten und Ecken an den Fingernägeln auch nicht ab kann.

 

Dabei würde es dir available life time bescheren.

 

Ich kann dazu nichts sagen, du hast einfach nur recht. Könntest du vielleicht jetzt an dieser Stelle den Monolog über deine Zeitungsmeise halten?

 

Okay. Ich kann es nicht ertragen, wenn jemand meine Zeitung vor mir liest – ich möchte sagen: «entjungfert». Das geht mir auch mit Büchern so. Wenn du dir ein Buch greifst und sagst: «Ach, das lese ich jetzt mal.» Dann sage ich: «Ja, klar, mach das!» Habe es aber im selben Moment in meinem Kopf abgehakt. Da könnte ich noch so gespannt darauf gewesen sein, dieses Buch ist für mich gegessen.

 

Und jetzt Butter bei die Fische: Warum?

 

Wenn meine Mutter am Frühstückstisch saß und ich es gewagt habe, eine der vor ihr aufgefächerten acht Tageszeitungen auch nur zu berühren, bevor sie sie gelesen hatte, gab es ein Riesen-Donnerwetter.

 

Jetzt wissen wir, wo es herkommt. Aber du hast es kritiklos übernommen, und das arme Helli darf keinen «Express» vor dir lesen.

 

Du wirst aber nicht ausgeschimpft, wenn du es tust. Ich lese die Zeitung nur nicht mehr. Zumal ich sie komplett durcheinander, zerknittert und zerknautscht zurückbekomme. Mit der Zeitung lässt sich bestenfalls noch ein Meerschweinchenkäfig auslegen.

 

Wenn ich wüsste, wo unser Bügeleisen steht, könnte Butler Helli sie dir demnächst zu deiner Zufriedenheit rekonstruieren. Vielleicht kann ich jetzt wieder mit ’ner Macke punkten: Haare! Ich ekle mich vor Haaren. Wenn ich in einer Maske sitze und die Maskenbildnerin hat langes, wallendes Haar – in der Regel sind es heutzutage ja Extensions – und sie die nicht zusammengebunden hat, mich schminkt und dieser Haarevorhang vor meinem Gesicht baumelt, bin ich kurz vorm Kollaps. Ich kann auch nicht haben, wenn ich zum Friseur komme – oder auch in die Maske, manchmal lassen sich Kollegen die Haare in der Maske schneiden, und ich komme da rein, und dann liegen da Haare auf dem Boden. Ich kann mich erst auf den Stuhl setzen, wenn die Haare weggekehrt sind. Ich habe überhaupt keine Erklärung dafür, warum es so ist.

 

Ich habe jetzt gerade die Theorie, dass du dich vor der Hornkonsistenz ekelst. Haare sind im Prinzip nichts anderes als ganz, ganz, ganz, ganz, ganz dünne Nägel. Das ist Horn.

 

Okay, ich habe ein Horn-Problem. Du bist dran.

 

Ich liebe es, einzukaufen. Ich kaufe nur immer von allem zu viel. Wir haben unglaubliche Vorräte an WC-Papier, Zewa, Kleenex, Mülltüten im Haushalt, was kein großes Problem ist, denn diese Dinge verwesen ja nicht, die sind ja sehr, sehr lange haltbar. Da ist es unproblematisch.

 

HA! Ich werde jetzt auf der Stelle unseren Knabbervorrat dokumentieren!! Sprich du bitte weiter …

 

?!

 

(Aus’m Büro:) Hast du erzählt, dass du ein Eichhörnchen bist?

 

Ich bin ja gerade dabei.

 

(Aus’m Flur:) Hast du es schon erwähnt, dass wir das immer bei dir die Eichhörnchen-Klatsche nennen?

 

Genau. Ich habe eine Eichhörnchen-Klatsche.

Es gibt dafür auch keinen anderen Ausdruck. Ich habe es extra vor unserem Gespräch gegoogelt. Es gibt das Diogenes-Syndrom. Das sind aber Menschen, die Unrat sammeln. Das bin ich nicht. Was «um» ist, das mag ich nicht. Es muss frisch und neu sein. Ich glaube, es ist in meinem ganzen Leben noch nie passiert – und es wird mir auch nicht passieren –, dass ich beim Nachbarn klingeln und um eine Tasse Zucker bitten muss. Eher klingelt der Supermarkt bei mir und bittet um 15 Pakete Zucker. Walter Scheel hat früher schon gesagt, als ich den Haushalt schmeißen musste, nach dem Tod meiner Mutter: «Du kaufst ein wie ein Nachkriegskind.» Weil diese Generation verständlicherweise die Dinge, die es lange nicht gab, gehortet hat, als sie dann wieder käuflich zu erwerben waren. Nun bin ich 1963 geboren worden, das kann nicht der Grund sein.

 

Hast du es denn mal für dich versucht, zu analysieren? Sonst hätte ich einen kleinen küchenpsychologischen Ansatz.

 

Es gibt mir ein Gefühl der Sicherheit, wenn ich alles da habe. Kästenweise Bier, kästenweise Wasser, palettenweise Cola light. Plus Dinge, die ich persönlich gar nicht benötige. Ich will, dass wir immer alles da haben, falls … ich weiß nicht, was. So weit denke ich nicht. Ich will nur alles da haben.

 

Vielleicht liegt es an dem Verlust der Mutterliebe und -wärme, dass du meinst, tonnenweise Lebensmittel oder Papierrollen hat was mit Geborgenheit zu tun?

 

Das Lebensmittelhorten hat mit Sicherheit mit meiner Essstörung zu tun. Da vor 25 Jahren Magersucht als Krankheit nicht so bekannt war wie heute, bin ich nie richtig austherapiert worden. Ich habe immer noch das Problem, dass ich mir das Essen schwer gönnen kann. Ich habe es jetzt objektiv im Griff, aber es ist immer noch ein Kampf, mir was zu gönnen. Das kompensiere ich damit, dass ich ganz viel kaufe. Das ist so eine Form von Essen, also von Haben der Nahrungsmittel, ohne sie i n mir zu haben. Ohne einen Gewichtsanstieg befürchten zu müssen.

 

Mboah. Da haste dir echt ’ne Scheiß-Krankheit eingetreten.

 

Aber unsere Gäste sind dankbar, dass alles im Überfluss da ist.

 

Das kann ich bestätigen. Unsere Gäste sind dankbar, und deswegen komme ich direkt zu meiner nächsten Marotte: Gäste. Ich gehe ungern ohne Geschenk irgendwohin. Selbst zu den kleinsten Anlässen schleppe ich Geschenke mit und wenn es nur das Gimmick der Micky Maus der Woche ist. Ich selbst kann aber schlecht Geschenke annehmen. Außer von dir und Dicki, die ihr mir nun in der Tat auch die schönsten Geschenke der Welt macht. Ich bin immer komisch peinlich berührt, wenn ich selber Geschenke bekomme, meine aber, ich müsste alle zuwerfen mit Geschenken.

 

Ich bin froh, dass ich einkaufen gehe und nicht du. Du würdest jeder Bäckereifachverkäuferin, bevor du Brötchen kaufst, erst mal irgendeine Kleinigkeit schenken wollen.

 

Wahrscheinlich. Ich gebe ja auch Trinkgeld beim Metzger.

 

Na, das machst du doch auch, weil du von der kontaminierten Kohle nix zurückhaben willst …

 

Stimmt. Mein nächster Fimmel: Sternzeichen. Habe ich von meiner Mutter selig geerbt. Seitdem ich zwölf bin, frage ich jeden: «Was sind Sie denn für ein Sternzeichen?»

 

Zu meinem Erstaunen sagst du oft fremden Menschen das richtige Sternzeichen auf den Kopf zu.

 

Jepp. Hab en Karteikästchen in meinem Herzen, wo unter den zwölf Sternzeichen des Zodiak-Kreises Temperamentsmerkmale und Erscheinungsbild einsortiert sind. Und nach dem zehnten Kölsch treffe ich gern mal ins Schwarze. Wenigstens bei den Elementen Wasser, Luft, Erde und Sonne lieg ich selten daneben. Ist ein feines Hobby, aber auch ’ne zwanghafte Angewohnheit.

 

Ach, ich bin so froh über meinen Aszendenten! Als du mich vor 21 Jahren gefragt hast, was ich für ein Sternzeichen bin, ich munter «Widder» antwortete und dir deine Mimik ekelverzerrt entglitt, konnte ich ja mit Skorpion punkten. Das fandest du toll und sexy. Ich glaube, wenn ich Aszendent «Fische» geheisert hätte, würden wir jetzt nicht hier sitzen.

 

Ich muss es leider zugeben. Aber das war ein Vorurteil, was ich von meiner Mutter selig übernommen habe. Weil Hannes Mutter, die Hedwig, Widder war. Und sie war eine dominante, herrische Stinkmaus. Das hat sich ja bei dir dann auch bestätigt.

 

Ich lege ein Veto ein …

 

… alle Leute denken: «Ah, die von Sinnen, das wird eine Schrappnelle sein, und die arme, süße, schüchterne Prinzessin Hammerschmidt, die muss jeden Tag leiden.» Das Gegenteil ist der Fall, liebe Lesenation! Conny führt ein strenges Regiment, und der hundekuchengute König fügt sich.

 

Das höre ich jetzt nicht.

 

Hihi. Weißt du eigentlich, warum du mit dem rechten Fuß zuerst aufstehen musst?

 

Jepp! Das kann ich dir sagen. Meine Eltern haben sich mal gestritten, da war ich noch sehr klein, und dann hat Mildred dieses Streitgespräch beendet mit den Worten: «Walter, bist du heute Morgen mit dem linken Fuß zuerst aufgestanden?» Und da dachte ich: «Ach, du lieber Himmel – das ist also wichtig, nicht mit dem linken, sondern mit dem rechten Bein zuerst aufzustehen!» Und ich mache das seit meinem fünften Lebensjahr. Schön ist anders. Bin kurz vor ’ner Hüftdysplasie, weil ich bei uns auf der falschen Seite liege.

 

Ja, aber ich finde das süß, wie du dir jeden Morgen leise befiehlst: «Rechts!» Und das ist nun wirklich mal eine plausible Erklärung. Was ich noch habe, ist dieses dauernde dreimal Holz klopfen. Man darf nix beschreien.

 

Das mach ich auch. Und sage «Ptü, Ptü, Ptü». Außerdem darf ich auf keinen Fall deine letzte SMS löschen.

 

Dafür muss ich jede, noch so überflüssige SMS, auch von Fremden, sofort beantworten. Ich muss da immer das letzte Wort simsen. Zwangsjacke!

 

Mein Haus! Mein Auto! Meine Yacht! Ich kann die Wohnung nicht verlassen, ohne die Betten zu machen. Auch wenn ich nur zum Briefkasten renne …

 

… mein Roadrunner-Muckel …

 

… ich MUSS die Betten machen! Damit potenzielle Einbrecher keinen schlechten Eindruck von uns bekommen.

 

Wann kommt der Bus mit der Handvoll Therapeuten, die das interessiert? Ich hab noch meine Weg-weg-weg-Klatsche. Ich habe eine Weg-weg-weg-Klatsche. Wenn ich ein Buch angefangen habe, und es gefällt mir nicht, muss ich es zu Ende lesen. Wenn ich eine Sendung aufgenommen habe, die ich Scheiße finde, ich muss sie zu Ende kucken. Ich muss auf meinen Festplatten alles weg!weg!weg! kucken – auch wenn es der größte Müll ist.

 

Jetzt habe ich einen Tipp für dich: Feile dir doch dabei deine Nägel! Damit verbindest du stundenlanges, überflüssiges Wegkucken mit stundenlangem, inkompetentem Nägelfeilen.

 

Ich möchte dich mit dem Geräusch des Nägelfeilens nicht in deinen Träumen behelligen. Und ich will kein Licht machen, um dich nicht zu blenden. Im Dunkeln würd ich mir ins Fleisch feilen. Sonst wäre es wirklich optimal, dass ich mir nachts die Nägel feile.

 

Das gleichmäßige Feilgeräusch würde ich schön mit in meine Träume einbauen. Da würde ich mir vorstellen, ich bin in einem Wald, und jemand sägt drei Tage an einem Baum. Das wäre angenehmer als der Krach von den permanent, und ich sage: permanent! runterfallenden Wasserflaschen oder den sieben Fernbedienungen, die sich gegenseitig vom Nachttisch schieben und hart auf dem Boden aufschlagen! Ich denke jedes Mal schlaftrunken «Erdbeben in Köln!».

 

Sechs Fernbedienungen, die siebte liegt weiter weg, die brauche ich nicht. Prima, lass uns noch mal zum Thema Ekel kommen. Ich ekle mich außerordentlich vor Schimmel. Wenn ich unten in der Tiefgarage aussteige, rieche ich schon: «Upps, in der Wohnung, im Kühlschrank, ist eine Zitrone schimmelig!» Da kannst du drauf wetten, dass dann auch ein grüner Bart an so einer Zitrone sprießt.

 

Ekelst du dich vor Schimmel, oder hast du Angst vor den gesundheitlichen Auswirkungen, wenn man Kontakt mit Schimmel hat?

 

Nö. Kleine, grüngraue, pelzige Unebenheiten auf einer eigentlich perfekten gelben Frucht find ich eklig. Außerdem ekle ich mich vor Hahnentritt.

 

Den kriegst du aber auch seit 20 Jahren mühsam aus’m Ei gefischt. Ich setze die Brille auf, um auch ja! alles zu entfernen. Ich operiere jedes Ei, damit die berühmteste Lesbe Deutschlands nicht den kleinsten Samenstrang zu sehen bekommt.

 

Oder er als schlabberige Zumutung auf meiner Zunge landet. Danke! Dafür bin ich dir auch von Herzen dankbar.

 

Ich ekle mich am meisten vor Mundgeruch. Es gibt Menschen, bei denen ist es krankhaft bedingt, das tut mir dann auch leid – aber Mundgeruch geht gar nicht. Merkwürdigerweise haben die Menschen, die schlecht aus dem Mund riechen, die Angewohnheit, einem ganz nahe zu kommen beim Sprechen. Ich bin im Gegensatz zu dir keine Schauspielerin, ich weiß, mein Gegenüber sieht mir an, dass ich mich zu Tode grause. Ich versuche dann, die Luft anzuhalten, das geht kurz, aber diese Menschen tendieren auch dazu, zu monologisieren …

 

… jaaaa! Denn der häufigste schlechte Mundgeruch ist ja dieser Manager-Mundgeruch! Diese Schlipsträger, die morgens und mittags nichts fressen, sondern sich erst zum Abendessen auf ein Business-Dinner verabreden, die haben ja den Mundgeruch! Und die kommen einem ja auch zu nah, weil die ja dufte psychologisch geschult sind. «Ich muss meinem Gegenüber in die Augen gucken, und ich muss ihm nah kommen und es auch noch anfassen, um Vertrauen zu schüren.» Die beuteln eine ja mit ihrem Höllen! Hunger! Atem!

 

Deren Mägen wölben sich schon der Speiseröhre entgegen mit sauer aggressiven Säuren …

 

Ich ekle mich vor Straßenpinklern.

 

Mooooment! Da gehe ich gerne hin! Bleibe stehen und starre penetrant lange und sehr unverschämt …

 

… auf das Gemächt?

 

Ja. Und weißt du, wie oft die ihren Pinkelprozess abbrechen und danach auch nicht mehr abpissen können?

 

Du bist so frech und mutig. Deswegen liebe ich dich auch. Never! Ever! würde ich mich das trauen!

 

Ihr Pinkeln ist ja auch frech.

 

Wo du recht hast, hast du recht! Ich gucke ja gerne Fußballübertragungen, und ich ekle mich intensiv vor dieser Rasenrotzerei.

 

Du hast es gut. Du siehst die nur im Fernsehen! Mir begegnen die morgens beim Einkaufen, wenn die mir vor die Turnschuhe spucken.

 

Wo wir bei Männern sind – das vergaß ich eben bei Terrorgeräuschen: Huper! Huper nerven mich auch. Jetzt kommst du und sagt: «Du hast es erfunden.»

 

Huper. Von Sinnen regt sich über Hupen auf? Das glaube ich jetzt nicht. Du hupst bei jeder kleinen Gelegenheit. Selbst wenn eine Taube die Straße kreuzt, wird die weggehupt. Du bist eine rollende Hupe.

 

Es lügt! Es lügt! Ich bin in der letzten Zeit schon oft zur Lichthupe übergegangen! Grmpf. Lass uns über Sachen sprechen, die wir lieben. Ich liebe Schreibwaren.

 

Du liebst mich.

 

Ich liebe dich. Aber ich liebe auch Schreibwaren. Weil ich früher als Kind immer in Mutters Büro Büro gespielt habe. Ich liebe frischgespitzte Bleistifte, frische Radiergummis, geile Tintenfüller, geile Kugelschreiber und frisches, gutes, weißes Papier. Ich liebe Petzibären! Ich liebe Kirmes! Ich liebe Softeis! Schade, dass die Angst vor Salmonellen größer ist als die Gier! Ich liebe Donald-Duck-Geschichten! Ich liebe das Kind in mir! Ich liebe immer noch Weihnachten, obwohl Hanne Weihnachten ums Leben gekommen ist. Und ich liebe dich dafür, dass du das Jahr für Jahr immer wieder so schön mit mir zelebrierst. Wir haben die schönste Tanne der Welt. Unsere kleine, weiße Papiertanne, die sich biegt unter kleinen Mäuschen und Disney-Kugeln. Und ich liebe DICH. Das ist das Schönste. Ich möchte noch Minimum 50 Jahre mit dir Weihnachten feiern.

 

Ich liebe dich dafür, dass du mir diese schönen Weihnachten geschenkt hast. Vorher war es irgendwie steif. Ich liebe dich sowieso für so viele Dinge, die du in mein Leben gebracht hast. Ich liebe dieses Leben. Und ich liebe Nudeln. Warum auch immer. Die sind eigentlich viel zu leise, wenn sie gekocht sind.

 

Ich persönlich finde Nudeln langweilig. Ich liebe Kartoffeln.

 

So. Und jetzt will ich dich nach über 20 Jahren mal überraschen!

 

Au jaaaa! Bitte!

 

Ich mache doch am Morgen alles sehr ritualisiert … rechtes Bein … Kaffee … Zigarettchen … drei Seiten Buch …

 

Ja. Ja.

 

Wenn ich aufm Klo sitze, muss ich auf die unmittelbaren Nachfolger von Wim Duisenberg selig einen Blick werfen …

 

AH! JAA!

 

… I-AH darf ausschließlich von TIGGER und WINNIE PUH eingerahmt sein …

 

Ja. Ja. Ja.

 

SO! UND JETZT KÜTT ETT! Ich bin jeden Morgen stinksauer, wenn ich beim Zähneputzen ankomme und mir nach all den Ritualen die Zahnpasta-Industrie auch noch vorgibt: Morgens Aronal. Abends Elmex. Das beherzige ich natürlich in der Regel wie eine Hirnamputierte …

 

Ja! Ja! Ja! Ja!

 

Aaaber! Wenn ich ab und an mal richtig gut drauf bin, dann stehe ich im Bad und sage: «So! Jetzt lass ich’s krachen!» Schnappe mir forsch die Elmex-Tube und sage: «Morgens Elmex! Abends Aronal! Was kostet die Welt?»

Des Wahnsinns fette Beute: Macken und Marotten auf der Spur
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