Jürgen Domian

Mit Schlafsack im Ritz

Jürgen Domian kam am 21. Dezember 1957 in Gummersbach zur Welt. Er moderiert wochentags die Telefon-Talk-Sendung DOMIAN von 1 bis 2 Uhr in der tiefen Nacht. Zusätzlich ist der ausgebildete Journalist ein erfolgreicher Bestsellerautor und ein gemeinsamer Freund. Nur so ist es zu erklären, dass wir im Winter 2000 die groteske Idee, Silvester in Lappland zu feiern, in die Tat umgesetzt haben. Aber dazu später.

Ich (Hella) lernte Jürgen in der Oberstufe am Gummersbacher Gymnasium Grotenbach kennen. Er absolvierte den Sprung von der Hauptschule ins Gymnasium mit Bravour. Damit nicht genug, er wurde auch geraume Zeit später zum Schülersprecher gewählt. Ich (Conny) begegnete ihm das erste Mal, es muss Ende 1995 gewesen sein, mit Hella auf einem Flur bei 1LIVE. Es entwickelte sich allmählich eine freundschaftliche ménage à trois, aus der 1998 das sehr erfolgreiche Buch «JENSEITS DER SCHAM » resultierte. Es kann durchaus sein, dass diese fruchtbare Zusammenarbeit mit dazu beigetragen hat, zu viert im tiefsten Winter eine Lapplandreise zu planen. Jürgens damaliger Lebensgefährte war mit von der Partie. So machten sich am 27. 12. 2000 zwei Pärchen, die unterschiedlicher nicht sein konnten, auf zu einer Reise in den hohen Norden. Unser Ziel war das wohl einsamste Hotel des Landes, und nach der Ankunft fühlten wir beide uns dramatisch an den Film «Shining» erinnert. Das bezog sich allerdings ausschließlich auf die Lage und leider nicht auf die Ausstattung unserer Herberge. Die Jungs nahmen es sportlich, wir wurden bedrückt. Die minus 28 Grad Außentemperatur ließen unseren Gesichtsausdruck im wahrsten Sinne des Wortes gefrieren. Wir verlebten zwei komplett unterschiedliche Urlaube. Während die Jungs wie Husky-Welpen schon frühmorgens das komplette Wintersportprogramm absolvierten, lagen wir in unserer finsteren (es wurde nur eine Stunde hell am Tag) Kemenate und schauten auf einem kachelgroßen Fernseher den einzigen deutschen Sender, Pro7, mit schlechtem Empfang. So weinten wir jeden Nachmittag unsere Softies voll in Anbetracht der verschneiten Winterlandschaft und der noch verschneiteren Simpsons. Obwohl der Alkohol bekanntlich in den skandinavischen Ländern unerschwinglich ist, ertränkten wir beide unseren Frust schon vor dem Abendbrot mit Bier, von den Eingeborenen Olut genannt. Ich (Hella) schrieb Feldpostkarten in die Heimat mit dem immer gleichen Wortlaut: «Ihr Lieben, Conny und ich hätten uns ebenso gut mit einem Kasten Bier in eine Tiefkühltruhe legen können.» In der Silvesternacht gönnten wir uns zu viert eine Flasche Sekt (an Champagner war gar nicht zu denken), und als wir um Mitternacht den Trampelpfad draußen vor unserem Verschlag betraten, gefror unser teuer erstandenes Getränk binnen einer Sekunde zu Eis. Prost Neujahr!

Unsere Freundschaft mit Jürgen wurde während dieses «Urlaubs» auf eine harte Probe gestellt, doch sie hat überlebt. So fanden wir uns elf Jahre später mit bester Laune in Jürgens geschmackvoll eingerichteter, sonnendurchfluteter Wohnung ein und entlockten ihm im Gespräch die nun folgenden Einblicke in das Leben eines Nachtfalken.

 

HvS: Lieber Jürgen, du bist ja Connys Einschlafritual. Es gibt keine Nacht ohne DOMIAN. Ich habe 50 DOMIANS auf Festplatte, damit Conny auch am Wochenende – oder wenn du im Urlaub bist – deine Stimme hören kann und beruhigt in den Schlaf kommt. Gerade unten im Aufzug hatte sie schon Angst: «Oh Gott! Wenn ich jetzt Jürgens Stimme höre! Nicht, dass ich am Tisch einschlafe.»

 

CS: Mein Sandmännchen!

 

So. Und jetzt die erste Frage an unser Sandmännchen: Hast du das Gefühl, dass dein Tag durchritualisiert ist? Oder auch sein muss – da du ja sehr diszipliniert Nacht für Nacht arbeiten musst.

 

JD: Der muss strukturiert sein und ist auch strukturiert. Das beginnt damit, dass ich mir feste Schlafzeiten freihalte, dass ich einigermaßen ausgeschlafen bin, denn durch diese Umstellung auf die Nacht ist es nach wie vor problematisch. Es sind feste Frühstückszeiten. Feste Vorbereitungszeiten. Feste Zeiten, ins Studio zu fahren, und eine relativ feste Rückfahrzeit. Und dann beginnt mein Nachtritual. Wenn ich so um 3 oder manchmal auch erst um halb 4 zu Hause bin, mache ich immer dasselbe.

 

Ist das dein Ernst?

 

Also, als ich in der Buchproduktion war, habe ich manchmal nachts noch Korrektur gelesen. Das kann man, wenn man noch aufgekratzt ist. Aber wenn nichts Aktuelles ansteht, bereite ich mir einen großen Topf Magerquark zu. Mit Honig und einer Banane. Und gieße mir einen großen Schoppen Rotwein ein. Dann gehe ich mit diesen Dingen ins Bett und gucke «Simpsons».

 

Jede Nacht?

 

Ja. Das ist mein Einschlafritual.

 

Und du hast auch noch nie vergessen, eine Banane einzukaufen? Oder der Quark war abgelaufen?

 

Nein. Die Banane hab ich schon mal vergessen. Das ist kein Drama. Dann kann ich auch einen Apfel reinschneiden.

 

So flexibel bist du dann doch?

 

Ja, das geht so.

 

Und dabei kannst du aber, während du das genießt, nicht einduckeln. Du musst dir ja noch die Zähne putzen.

 

Die Zähne müssen nochmal geputzt werden. Das ist leider unangenehm, in der Tat.

 

Vor allen Dingen: Nach Banane und Rotwein Zähne putzen ist vom Gefühl – vom Zahnputzgefühl – her ja wohl mittel. Da hab ich sofort trockene Zahnhälse.

 

Tja. Das ist einfach mein Einschlafritual.

 

Ich würde jetzt gerne einen Blick in deinen Kühlschrank werfen und gucken, wie viele Portionen Magerquark dadrin sind.

Liebe Lesenation! Herr Domian steht auf. Geht zum Kühlschrank. Holt uns einen … zwei! … drei! … vier! brikettgroße Töpfe Magerquark … ich korrigiere: sechs! brikettgroße Töpfe Magerquark aus dem Kühlschrank!

 

Wir haben heute Mittwoch. Das heißt, Mittwoch, Donnerstag, Freitag, Samstag, Sonntag, Montag ist gesichert. Und Dienstag musst du einkaufen gehen.

 

Gehst du eigentlich selber einkaufen?

 

Ja.

 

Und was machst du, wenn du im Urlaub bist?

 

Da bin ich auf Reisen, da geht das nicht.

 

Und da vermisst du es aber auch nicht?

 

Nein, weil dann ist ja ein anderes Leben. Und da ist mein Leben aus dem normalen Trott raus.

 

Seit 1995 machst du Domian. Machst du das jetzt all die Jahre?

 

Dieses mit dem Magerquark mache ich vielleicht jetzt acht Jahre, mit dem Rotwein von Anfang an. Das ist so meine kleine Droge, um runterzukommen.

 

Und das schmeckt dir auch?

 

Sehr.

 

Darf ich was fragen zu dem Tagesrhythmus, der ja auch so durchstrukturiert ist? Wenn da etwas aus dem Trott gerät, weil du vielleicht in eine Talkshow gehst oder einen anderen Termin hast, beunruhigt dich das dann?

 

Ja. Bei diesem ritualisierten Arbeiten ist alles, was außerhalb des normalen Arbeitens und Lebens passiert, irritierend für mich. Oder wenn ich Lesungen habe und dann direkt von der Lesung zur Arbeit, das heißt zur Sendung muss, bin ich immer sehr verspannt. Es ist einfach nicht so eine innere Ruhe. Das habe ich nämlich gelernt, dass diese allnächtliche Sendung nur mit eiserner Disziplin und mit klaren Ritualen gut funktioniert.

 

Okeeeeee.

 

Da gibt es noch eine Kuriosität, die ich praktiziere. Ich habe ja keine Putzfrau. Und ich putze meine Wohnung immer, während die «Tagesschau» läuft. Nicht jeden Tag, beileibe nicht. Aber wenn ich putze, läuft die «Tagesschau» oder «heute-journal». Dann ist es immer schnell nebenher gemacht.

 

Gut, beim «heute-journal» hast du eine halbe Stunde Zeit zum Putzen … aber ’ne Viertelstunde «Tagesschau» reicht dir, um diese Wohnung – liebe Lesenation, wir sitzen in einer klinisch sauberen Wohnung – so picobello hinzukriegen?

 

Die normale «Tagesschau» reicht dann für ein Zimmer.

 

Gibt es Dinge, vor denen du dich ekelst?

 

Ja, klar.

 

Schlechter Mundgeruch gehört dazu.

 

Schlechter Mundgeruch ist eines der schlimmsten Dinge. Das ist der absolute Erotikkiller für mich. Absolut, also da gibt’s gar nichts. Übrigens, mit der Reinlichkeit gibt es noch eine Sache, die ich selbst mache. Ich wasche mein Auto selbst. Von Hand. In diesen Verrichtungsboxen, kennt ihr das? Und das hat mit der Reinlichkeit gar nicht in erster Linie was zu tun, sondern hat etwas Meditatives. Nun gut, das ist übertrieben ausgedrückt. Aber es hat etwas, um zur Ruhe zu kommen. Wenn ich sehr gestresst bin, sehr genervt bin, setze ich mich ins Auto, fahre hier um die Ecke in so eine Anlage, schäume mein Auto ein und wasche das.

 

Machst du das immer sonntags?

 

Nein, kann man sonntags nicht machen, weil die da geschlossen ist. Nein, nein, das ist ganz unterschiedlich. Hat immer mit Stress zu tun. Das ist interessant.

 

Und du wäschst dein Auto nicht, wenn es schmutzig ist, sondern wenn du Stress hast?

 

Nicht unbedingt. Da kann ich mich wunderbar ablenken und bin mit den Gedanken ganz woanders.

 

Hast du schon zwei Tage hintereinander dein Auto gewaschen? Kann es sein, wenn du die ganze Woche Stress hast, dass dein sauberes Auto j e d e n Tag mit der Hand gewaschen wird?

 

Also, so pathologisch bin ich noch nicht! Aber in der Tat gab es schon Situationen, wo ich dachte, eigentlich müsste man hier noch nicht wieder waschen.

 

Und das hat nichts mit Gummersbach zu tun? Wenn ich mich an unsere gemeinsame Heimatstadt erinnere, dann war das durchaus ein städtisches Ritual, dass vor jedem Haus samstags das Auto gewaschen wurde.

 

Das wird es heute auch noch geben. Da bin ich sicher. Das wird es auch noch in Köln geben. Samstags mach ich das eigentlich nie. Da ist es am vollsten in den Verrichtungsboxen, weil die ganzen Jungs dahin fahren und ihre Felgen polieren und weiß ich was alles machen. Kennt ihr das denn? Diese Dinger?

 

Diese Verrichtungsboxen?

 

Hat so was Obszönes.

 

So, wie ihr es sagt, hat es was Obszönes.

 

Nun gut. Zurück zum Stück: Gibt es neben Mundgeruch etwas, wovor du dich ekelst?

 

Vor schmutzigen Betten. In Hotels. Da bin ich ganz hysterisch.

 

Gehst ins Zimmer und suchst nach Haaren? Hast du auch eine blaue Lampe, wie bei «Criminal Intent», um alte Samenreste aufzuspüren?

 

Nein, aber ich habe immer, wenn es irgendwie geht, selbst, wenn ich im Fünf-Sterne-Hotel bin, meinen Schlafsack dabei und schlafe …

 

Das ist jetzt nicht wahr! Das erzählst du uns nur, damit wir was Schönes ins Buch schreiben können!

 

Nein. Das ist immer sehr lustig, wie das Personal darauf reagiert, wenn die diesen Schlafsack da liegen sehen.

 

Den lässt du auch liegen?

 

Ja, natürlich! Den räume ich nie weg.

 

Der wird aber vorher mit der Hand von dir gewaschen? Damit er immer schön frisch riecht?

 

Ja.

 

Und wenn du eine Woche im Hotel bist, muss das Hotel den dann waschen?

 

Nein, das ist ja nicht deren Aufgabe.

 

Da liegst du unter Umständen zwei Wochen in dem mittlerweile vermieften Schlafsack, und die Mädchen ziehen jeden Tag die Seidenbettwäsche aufs Bett, und du liegst dann in deiner miefigen Rolle?

 

Ich merke schon, dass du nicht viel Ahnung von Schlafsäcken hast.

 

Das ist ja wohl Kult mit dem Schlafsack!

 

Der Hintergrund ist, dass ich Hausstaub- und Milben-Allergiker bin. Selbst in tollen Betten in Fünf-Sterne-Hotels habe ich bisweilen eine verstopfte Nase, nicht immer. Und da lag die Lösung mit dem Schlafsack irgendwann auf der Hand.

 

Wie oft wird der denn gereinigt, der Schlafsack?

 

Den reinige ich immer, wenn ich im Urlaub war.

 

Und der ist frei von Milben?

 

Ja, das ist Synthetik. Das macht man bei Schlafsäcken so.

 

Du glaubst nicht, dass da auch Tierchen einziehen? Aus der Matratze, wo sie ja wahrscheinlich in deinen Augen wohnen, tapp, tapp, tapp, in die Wärme, wo ein Jürgen liegt. Die riechen deinen Geruch und denken: Hmh! Lecker!

 

Liebe Conny! Gut kombiniert! Da habe ich natürlich vorgesorgt! Ich liege natürlich mit dem Schlafsack nicht direkt auf der Matratze!

 

Sondern auf dem Boden?

 

Nein, zwischen Matratze und Schlafsack liegt eine ganz hauchdünne Alufolie.

 

Von dir mitgebracht?

 

Das Hotel wird es ihm nicht bereiten.

 

Ja.

 

Darf ich dir sagen, woher deine Schlafstörungen kommen? Vom Knistern der Alufolie.

 

Das wiederum höre ich nicht, da ich ja Stopfen im Ohr habe.

 

Das höre ich jetzt alles nicht.

 

Und diese Alufolie, das ist diese Unfallfolie vom ADAC. Die ist milbendicht, da kommt nichts durch.

 

Manchmal bin ich so müde.

 

Wie viele hast du davon im Haus?

 

Eine, die halten doch ewig. Die sind ja ganz leicht, die kann man ganz klein zusammenfalten. Die ist in dem Schlafsack mit drin. Und das habe ich alles aufgebaut innerhalb von Minuten. Hinzu kommt ein aufblasbares Kopfkissen.

 

(Wir beide schreien uns weg vor Lachen.)

 

Was gibt es da zu lachen?

 

Zieh dir doch einfach einen Taucheranzug an, dann schläfst du bequemer.

 

Ich habe im Grunde genommen zum Thema Macken nicht viel zu erzählen. Es ist alles so unspektakulär. Nur das mit dem Schlafsack ist schon nicht so normal. Meine Mutter schämt sich immer sehr im Hotel …

 

(Wir lachen und lachen …)

 

Bevor du das Zimmer verlässt, lässt du aber hoffentlich die Luft aus dem Kopfkissen.

 

Das muss man doch!

 

Wenn du jetzt vier Tage bleibst, und die Zimmermädchen finden deinen Schlafsack, die Folie und das aufgeblasene Kopfkissen vor. Du bist noch nie gebeten worden, das Hotel vorzeitig zu verlassen?

 

Nein, ich räume immer feinsäuberlich die Bettwäsche in einen Schrank oder so, sodass es ganz frei ist, und bau meines auf. Das heißt für die, die müssen mein Bett nicht machen. Und denken, der ist vielleicht ein bisschen merkwürdig.

 

Bist du am End ein Bakterien-Phobiker?

 

Neben meinem Schlafsack gibt es noch etwas, was ich immer mit in die Hotels nehme – das weißt du: eine Flasche Sagrotan. Fürs Klo. Wenn ich auf meine weiten Touren gehe, ist das wirklich angebracht. Das sind keine dollen Hotels, sondern öfters Absteigen, und da ist es schon mal gut, wenn man das ein bisschen herrichtet.

 

Und wenn du das vergessen würdest, das Sagrotan, würdest du es sofort kaufen, oder würdest du denken: «Ja, Pech!»

 

Ja, das Pathologische fängt in dem Moment an, in dem man ohne gar nicht mehr gut leben kann. Das ist bei mir nicht so. Wenn ich das nicht habe, dann habe ich es halt nicht. Dann geht es auch ohne. Also, insofern …

 

Reicht ein bisschen After Shave.

 

Kannst du denn auf Autobahnraststätten Türklinken berühren?

 

Ja, das ist alles nicht so schlimm.

 

Du bist keiner, der mit dem Pullover dann die Türgriffe runterdrückt?

 

Nein, das ist Gott sei Dank alles noch im Normbereich, sonst würde ich mir über mich selbst Sorgen machen.

 

Ich glaube, du bist kein Mensch für Glücksbringer oder Aberglaube. Kann das sein? Es gibt bestimmt keine Talismane, die du mit dir rumträgst?

 

Nein.

 

Dazu bist du zu rational.

 

Vielleicht, ja, nennen wir es so.

 

Was wäre denn, wenn dein kleiner Schneemann aus der Sendung zur Adventszeit plötzlich nicht mehr an seinem Platz wäre, sondern entwendet worden wäre?

 

Dann wäre ich sehr böse und müsste mir einen neuen kaufen.

 

Hast du nicht auch dieses … Farbphänomen …?

 

«Synästhesie» meinst du?

 

Ja. Was war das nochmal?

 

Also bei mir ist das so, dass ich mit Zahlen und Wochentagen immer Farben verbinde.

 

Wie sieht denn so ’ne Eins aus?

 

Eins ist sehr weißlich.

 

Zwei?

 

Bläulich.

 

Drei?

 

Gelb.

 

Vier?

 

Rot.

 

Fünf?

 

Grünlich.

 

Sechs?

 

So ein Gelb-Bräunliches.

 

Sieben?

 

Braun.

 

Acht?

 

Silbrig.

 

Neun?

 

Neun ist so eine Schmutzfarbe, zwischen Braun und Grau.

 

Und was siehst du bei 639?

 

Da funktioniert das nicht mehr.

 

Bei dreistelligen oder zweistelligen Zahlen?

 

Nein, da geht das nicht.

 

So: Montag?

 

Montag? Eher, ja, anthrazit so in etwa.

 

Dienstag?

 

Geht ins Bläuliche, Türkisfarbige.

 

Mittwoch?

 

Rot.

 

Donnerstag?

 

Grün.

 

Freitag?

 

Gelb.

 

Samstag?

 

So ein silbriges Grau.

 

Sonntag?

 

Weiß.

 

Haben Feiertage nochmal eine spezielle Farbe?

 

Nein.

 

Hast du das als Kind schon so gesehen?

 

Ja, immer. Deswegen finde ich es auch völlig unspektakulär, weil ich früher immer dachte, das haben alle. Wenn ich klassische Musik höre, aber das ist sehr schwer zu beschreiben, sehe ich in gewissen Höhenfrequenzen Farben, vor allem bei Geigen. Das ist lustig.

 

Und das irritiert dich auch nicht?

 

Nein, bei der Musik ist es ganz nett, aber sonst ist es eigentlich egal.

 

Mit Menschen oder mit Städten oder Ländern assoziierst du keine Farben?

 

Nein.

 

Mit Gerüchen auch nicht?

 

Nein. Mit Monaten. Monate haben das auch noch.

 

Januar?

 

Januar ist ein Hellgelb. Der August ist türkis, der Juli ist richtig knallrot, und der Oktober ist anthrazit.

 

Wenn man den Namen von einem Monat sagt, kommen diese Farben vor deine inneren Augen?

 

Ja, sofort.

 

Oder ist es auch ein Gefühl?

 

Nein, ich sehe, wenn du «Oktober» sagst, sehe ich sofort anthrazit. Sofort.

 

Und was siehst du, wenn ich sage: «Montag, der 1. Oktober»?

 

Nein, das ist dann wieder zu viel. Da würde ich wahrscheinlich den Oktober sehen, eine Farbe dominiert dann.

 

Und das ist aber nicht belastend für dich?

 

Nein, überhaupt nicht. Laut psychologischer Forschung haben das soundso viel Prozent der Menschen.

 

Ich habe das gar nicht.

 

Ist genetische Programmierung.

 

Ach so, genetisch ist das. Aber bei Gefühlen zeigt sich das nicht? Neid ist gelb, oder Liebe ist rot, was man so herkömmlich denken würde.

 

Ich hab mal einen Film gesehen über einen Autisten, der hatte das auch. Mit Zahlen.

 

Wie ist das denn, wenn du in einem Museum in der Abteilung für moderne Kunst ein abstraktes Bild siehst? Es gibt ja diese One-Colour-Paintings. Ist da nur ein rechteckiges gelbes Bild an der Wand? Oder assoziierst du dann Zahlen? Tage? Monate?

 

Ich mag so gerne die Bilder von Yves Klein hier in Köln. Das ist ja so ein ganz intensives Blau, nur Blauflächen. Nein, da zeige ich keine Reaktionen.

 

Total spannend.

 

Ist das nicht schon ausgelutscht mit den Farben?

 

Nein, mein Lieber. Und die Nummer mit dem Schlafsack auch nicht! Vielen Dank für deine Offenheit, wenn du nicht schon das Bundesverdienstkreuz hättest, würden wir dir jetzt das BEUTEVERDIENSTKREUZ verleihen!

Des Wahnsinns fette Beute: Macken und Marotten auf der Spur
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