Dirk Bach

Don’t put your keys on the table

Dirk Bach wurde am 23. April 1961 in Köln geboren. Er ist Schauspieler, Entertainer, Komiker und Moderator. Der lieben Fernsehnation ist er in den letzten Jahren besonders präsent durch die RTL-Show «Ich bin ein Star, holt mich hier raus!», die er mit Kollegin Sonja Zietlow brüllkomisch aus dem australischen Dschungel serviert. Sein beeindruckendes soziales Engagement in vielen Bereichen, vor allem aber für die Kölner AIDS-Hilfe, könnt ihr euch selbst rausgoogeln. Für mich (Hella) ist nur wichtig, dass er seit Januar 1980 mein bester Freund und männlicher Lebensmensch ist. Und für mich (Conny) ist er seit 21 Jahren ein guter Freund, der mir gemeinsam mit seinem Schatz Thomas die schönsten Geschenke macht.

Seit einiger Zeit ist er nun auch noch unser «Mäusekönig», da uns Dicki (wie er nicht nur von uns genannt wird) am Telefon, in Hausfluren und vor Garderoben gerne mit dem markerschütternden, tenorisch geknödelten Ausruf «Meeeeineeee Mäuuuuuseeee!!» begrüßt. Dicki besuchte uns am Tag nach Connys Geburtstag. Natürlich nicht mit leeren Händen. Seine Glückwunschkarte mit Amy-Winehouse-Katze zierte noch lange unsere nikotinversaute Küchentapete (Brocki hat inzwischen gestrichen). Die CD von Rumer, «Seasons of my Soul», wurde sofort aufgelegt und mit seiner Solarqueen (Lisbeth II. winkt im rosa Kostümchen dank Handtäschchen, die Sonne in Energie umwandelt) feierten wir noch wochenlang Triumphe. Vor allem natürlich bei der Hochzeit von Kate und Willy.

Dicki bejubelte meinen (Connys) Gabentisch (das Motto war «TATORT») und ließ sich ein Stück Kuchen schmecken. Die Torte sah übrigens aus wie eine Dartscheibe, da der Konditor irgendetwas an der Aufgabenstellung «Zielscheibe» nicht verstanden hatte.

 

HvS: Lieber Dicki, jetzt kenn ich dich doch schon soooo lange, könnte aber nicht sagen, ob du abergläubisch bist.

 

DB: Ich verweigere mich dem Aberglauben, bin aber natürlich abergläubisch. Ich glaube, das hast du mir eingeredet. Es dürfen keine Schlüssel auf den Tisch gelegt werden! Wenn das passiert, werde ich verrückt. Ich reiße alles runter. Oder mittlerweile, wenn es nicht anders geht, weil der Schlüssel auf den Tisch muss, lege ich ganz viel drunter, weil ich dann denke, der Schlüssel liegt ja nicht auf dem Tisch. Der Schlüssel liegt auf dem Buch, auf noch ’nem anderen Buch, auf ’ner Zeitung, auf Ichweißnichtwas – aber nicht auf dem Tisch.

 

Liebe Lesenation! Wir werden hier gerade Zeuginnen einer ganz großen Lebenslüge: ICH HAB IN MEINEM GANZEN LEBEN NOCH NIX DAVON GEHÖRT, DASS SCHLÜSSEL NICHT AUF DEM TISCH LIEGEN DÜRFEN! Von mir kommt nichts mit Schlüssel! Von mir kommen SCHUHE. Man darf SCHUHE nicht auf den Tisch stellen. Das bringt Unglück. Und das haben wir vor 25 Jahren gemeinsam in diesem Musical in London gelernt. Die sangen sich doch da Wölfe mit dem Leitmotiv: «Don’t put your shoes on the table!»

 

Ach? Ich habe immer gedacht, das mit dem Schlüssel hättest du mir auch gesagt. Aber dann war das jemand anders.
(Kichert.)

 

Wimmer!

 

Schuhe habe ich seitdem auch nie mehr auf den Tisch gestellt. Aber Schuhe gehören ja eigentlich auch nicht auf den Tisch. Von daher ist es ja auch in Ordnung. Es sind viele solche Dinge. Ich sage immer «Nein!», und ich will mich dem verweigern, aber ich lebe, glaube ich, mit einigen Ticks. Ich habe ja auch das mit den Zahlen: Fernseher und Lautstärke – das darf auf 22 stehen und auf 24, auf 26 aber ungern, lieber auf 28. Es könnte wiederum auf 25 stehen, weil, ich kann’s durch 5 teilen, bei 21, weil ich dann durch 7 teilen kann. Es ist sehr schwierig. Wenn Thomas den Ton leiser macht, lasse ich ihn, versuche dann aber schnell, eine hochzustellen oder eine runter. Solche Dinge.

 

CS: Moment, dann sind also Primzahlen tabu bei der Lautstärke?

 

So …

 

Was sind denn Primzahlen?

 

Die sind nur durch sich selbst und durch eins teilbar.

 

Also die Zahl muss durch andere Zahlen teilbar sein?

 

Ja, irgendwie. Es ist eine reine Gefühlssache. Wobei ich ja auch immer denke, man darf dem nicht völlig verfallen. Man muss sich immer davon lösen können. Also, bei eurem schwarz-weißen PVC-Boden trete ich jetzt nicht nur auf die weißen Vierecke. Oder nur auf die schwarzen.

 

Das machst du nicht?

 

Nein, das mache ich nicht, obwohl ich das auch schon mal überlegt habe. Aber das war mir dann doch zu anstrengend. Nein, das mache ich nicht. Das ist unschön. Ich denke, man muss sich auch selber immer wieder überraschen, dass man mal was einfach so stehen lässt. Durchaus auch mal die 23.

Wenn du Gäste hast und deckst den Tisch: Muss eine bestimmte Anzahl Gläser auf dem Tisch stehen?

 

Nein, wirklich nicht. Aber die Dinge haben ihre eigene Ordnung, die nur mein Auge sieht. Es gibt gerne diesen kleinen Kampf zwischen mir und Menschen, die meine Deko in die Hand nehmen, die Devotionalien woanders hinstellen und denken: «Das steht doch auch schön da!» Aber es muss woanders stehen. Ich muss es wieder umräumen, obwohl eine Ordnung nicht erkennbar ist. Das hat keinen mathematischen, klar erkennbaren Charakter. Es ist die Struktur, die man selber für sich empfindet. Ich habe ja auch einen schweren Kampf bei längeren Aufenthalten in Hotels. Weil ich Hotelzimmer umräume. Und da gibt es natürlich diesen Wettstreit zwischen den Zimmerdamen oder -herren, die das Zimmer machen und die auch einen klaren Plan haben. Den Plan kriegen sie von der Hausdame, was ja auch überprüft wird. Da wird’s manchmal schwierig mit meiner natürlichen Ordnung, weil ich die Lampe in die andere Ecke des Zimmers stelle, wenn’s da ’ne Steckdose gibt. Stühle, Tisch, Sofa – alles wird neu drapiert. Bett ist meistens sehr schwierig. Habe ich auch schon umgebaut, mitsamt dem Fernseher. Das ist dann schwierig, dass das dann so bleibt. Das ist dann ein Kräftemessen, das dauert so drei bis vier Tage bei längerem Aufenthalt. Am fünften Tag resignieren die. Dann geben sie auf. Und dann bleibt das so. In Bern, im Grand Hotel Irgendwas, kam ich ja mal nach drei Monaten zurück, und sie hatten wirklich komplett resigniert. Das Zimmer war immer noch in meiner Ordnung. … das war so gemütlich!

 

Der Schweizer eben!

 

Jaaa … der Schweizer!

 

Bei mir fängt das immer mit dem Papierkorb an. Ich muss einen Papierkorb am Bett haben, schnappe mir also den «Büro»-Papierkorb des Hotelzimmers, stelle den ans Bett und kann zehn benutzte Tempos drauf verwetten, dass der wieder unterm Schreibtisch steht, wenn wir zurück sind.

 

Du baust immer komplett um! Das habe ich doch schon gesehen. Habe ich gelacht, als wir in London waren, im «Waldorf». Da hattest du das Zimmer komplett auf den Kopf gestellt. Ich war begeistert.

 

Wir nehmen auch gerne mal Bilder von der Wand.

 

Das finde ich auch nicht verkehrt. Das habe ich früher auch gemacht. Oder was drüberhängen.

 

Genau. Oder verhängen. Lustige T-Shirts drüberwerfen, weil die Kunstdrucke so grausig sind.

 

Ja, weil sie so schrecklich sind.

 

Ja, so bin ich auch. Ich habe auch meine eigene Ordnung. Manchmal sind es nur Millimeter, die der Tweety verrückt werden muss. Aber es muss dann so sein. Von meinem Sessel aus muss ich alle Püppchen im Blick haben. Wenn dann Tom und Jerry im Schatten von Donald stehen, müssen sie verschoben werden.

 

Das stimmt, ja. Du baust dich ja auch im Wohnzimmer auf. Manche haben ja auch diese festen Sitzplätze; ich habe meinen, Thomas hat seinen. Da wird auch nicht gewechselt. Das wurde nie und wird nie gewechselt. Seit dem ersten Tag, an dem wir da reinkamen. Und dann sind Dinge auch so aufgebaut, dass er den Totenschädel sieht, mit den original Kunstblutspuren vom W.A.S.P.-Sänger, und ich wiederum Bart Simpson und all die schönen Sachen. Euer wunderbares Boy-George-Foto hab ich perfekt im Blick, weil er genau in der Einflugschneise zum Fernseher steht. Das ist alles perfekt ausgerichtet.

 

Ja, so muss es sein.

 

Da kann was dazukommen. Dann muss wieder was verschoben werden. Aber es muss so sein, dass es so ist.

 

Du besitzt ja Tausende DVDs, Bücher und CDs. Was bedeutet der Akt des Kaufens für dich? Bist du ein Shopaholic?

 

Glaube ich schon. Ist auch ein Sammeltick – ich kann es nie genau sagen. Ich freue mich sehr an diesem Akt des Einkaufens. Ich freue mich schon, wenn ich los muss und muss nur ein Päckchen Hefe kaufen. Wenn ich nur den Supermarkt betrete und mir die schönen Angebote angucken kann. Das finde ich immer sehr, sehr hübsch.

 

Wir hatten ja als Twens damals beide nicht viel Geld. Glaubst du, dass das heutzutage auch was mit Kompensation zu tun hat? Weil du dir damals vielleicht gerne mehr gekauft hättest?

 

Nein, ich glaube, das ist eher …

 

Lustgewinn?

 

Ja! Lustgewinn. Ich finde, es ist hoher Lustgewinn. Wenn es dann noch um Dinge geht, für die man sich interessiert, wie jetzt zum Beispiel die Püppchen aus den 90ern, die auch damit verbunden sind, was wir gerne gekuckt, gehört haben … Memorabilien oder Merchandising von Musik oder Film oder Fernsehen oder Theater … dann macht es natürlich noch mehr Spaß. Ob ich jetzt online bin und kann eine Reise buchen oder eine Theaterkarte für Charlie Sheen, um zu sehen, wie sein Solo floppt … wie er mit seinem Tigerblut dann sein 1 ¼-Stunden-Solo versemmelt – wobei es gar nicht floppte, ein nüchterner, höflicher Mann war auf der Bühne zu sehen, und mit der Hilfe einiger Freunde war er auch sehr unterhaltsam – ich freue mich. Genauso freue ich mich über die Komplementierung von irgendeiner Sammlung. Oder als ich Conny das Gesamtwerk von Ludwig Hirsch bestellen konnte – große Freude! Letztens habe ich André Heller von 1967 bis 2007 gekauft, weil ich mich erinnerte, dass ich mit meinem Freund Werner als Fünfzehnjähriger auf dem Teppichboden lag und wir diese herrlichen Lieder gehört haben: «Ich will, dass es das alles gibt, was es gibt!»

 

(Mit wienerischer Theatralik:) «Abschied ist ein kleiner Tod … ein kleiner Tod … ein kleiner Tod … was heißt denn das?! Abschied ist was riiiieeeesengroßes …»

Oh ja. Nenn mich André Heller. Ich hatte auch ’ne Doppel-LP.

 

Das höre ich heute Abend. Ist eben gekommen von Amazon.

 

Darf ich nochmal nachfragen, ob Einkaufen für den kleinen Jungen Dirk nicht auch eine besondere Bedeutung hatte?

 

Vielleicht irgendwie Mutterprägung. Ich glaube, meine Mutter ging auch immer gerne einkaufen. Vor allem, wenn wir dann zusammen gingen. Wobei, wir haben dann eigentlich mehr Stoffe gekauft, weil sie für sich alles selber genäht hat.

 

Kleidung ist dir ja auch sehr wichtig.

 

Wir nennen dich ja liebevoll «die kleine Label-Schlampe». Du kaufst ja nicht nur gerne Dinge, die origineller und bunter Natur sind. Es ist doch auch schön für dich, dann «Yamamoto» auf dem Papperle zu lesen?

 

Ja, das ist jetzt nicht mehr so wild. Designer-Klamotten kaufe ich nicht mehr so oft. Man ist ja wieder dicker geworden, dann ist in den Designer-Größen nicht mehr so viel verfügbar. Dafür habe ich mich jetzt auf T-Shirts konzentriert. Da nenne ich auch Tausend mein Eigen. Das ist abstrusest … aber dafür bekomme ich so viel Post! Alle mögen die T-Shirts und fragen, wo es die gibt. Das finde ich süß. Leider sind die meisten auf anderen Kontinenten gekauft worden …

 

Gehst du lieber in Amerika, Australien und Asien einkaufen, weil dich hier die Leute erkennen und du das anstrengend findest?

 

Ja. Hier shoppe ich mehr im Internet. Das habe ich so verteilt.

 

Internetshopping befriedigt dich genauso?

 

Das befriedigt ungeheuer. Weil die Recherche auch so hübsch ist. Und das Angebot ist so riesig! So leid mir die Ladenbesitzer tun, aber geh mal, wenn du nach Platten und Büchern suchst, in einen Plattenladen oder in einen Buchladen. Die können sich diese Auswahl wie so ein Online-Unternehmen ja gar nicht leisten.
Und wenn du gerade ein Buch liest von irgendjemandem über irgendwas, und darin kommt etwas vor, was du spannend findest … dann machst du «klick» … und kannst das googeln und siehst: «Oh, darüber gibt es noch ein Buch! Oh, darüber gibt es sogar einen Tonträger! Oh, es gibt darüber einen Film!» Und am Ende eines Abends habe ich dann wieder drei CDs, zwei Filme und noch drei zusätzliche Bücher bestellt. Das ist so ein Klassiker.

 

Ist dir Kleidung bei anderen Menschen eigentlich wichtig? Ist das für dich so ein Entrée, ob dir jemand sympathisch ist?

 

Nein, ich freue mich daran, wenn ich was witzig und schön finde. Eben habe ich mich gefreut, als die Tür aufging und du das lustige Aristocats-T-Shirt anhattest. Das muss ich gleich mal googeln, vielleicht kann ich es auch bestellen. Nein, aber andere müssen nichts Spezielles haben. Das ist mir völlig gleich, was andere haben.

 

Ich finde deine Zahlenzille ja besonders putzig. Das war mir nicht klar. Gibt es denn da in deinem Leben andere Situationen mit Zahlen? Beim Herd? Dass du sagst: «Ich muss die Speise auf der 4 köcheln!?»

 

Nein, das nicht. Aber es könnte sein, dass ich beim Brot schaue, wie ich das belege. Das könnte ich mir vorstellen. Nach Geschmack natürlich, aber auch: Wie viel tue ich da drauf?

 

Belegen unter Ausschluss der Primzahlen? Lieber vier Scheibchen Käse als drei? Damit die durch Tomätchen teilbar sind??

 

Ich habe mir darüber wirklich noch keine Gedanken gemacht. Vielleicht ohne dass es mir bewusst ist – aber das Brot muss schön abgedeckt sein. Zuletzt waren die Scheiben irgendwie nicht groß genug, um den Toast abzudecken, da musste dann noch eine dritte Scheibe halbiert werden, die ich dann auf die Ecke legte … aber ich meine, das machen andere Leute auch.

 

(Lachen.)

 

Das Auge isst mit.

 

Das Auge isst mit. Es muss irgendwie hübsch aussehen.

 

Warst du nicht auch ein Toi-toi-toichen-Fetischist?

 

Früher ja, bei meinem Soloprogramm «Edgar». Da habe ich mir in der Garderobe alle Karten und alles Gedöns aufgebaut. Das ist vorbei. Das kann inzwischen total simpel sein. Ich muss einfach nur spielen können, ohne dieses Brimborium. In Worms hatte ich mein Tier, den Reichsadler und eure Krone, und das war es dann auch.

 

Aber so ein kleines Toi-toi-toichen ist schon schön.

 

Ein Toi-toi-toichen ist schön und auch gut, aber ich muss nicht mehr mit so einem ganzen Koffer voll reisen. Jeden Tag die Vorbereitung, der Aufbau des Tisches, das ist einfach schrecklich. Das muss alles nicht mehr sein.

 

Hast du Einschlafrituale?

 

Ich lese nicht vorm Einschlafen, weil mich das wach hält. Wenn ich anfange zu lesen, kann es sein, dass ich nicht aufhöre. Das ist mir schon oft passiert, plötzlich war es helllichter Tag. Lesen bringt mich eher hoch. Wenn, dann wird noch Fernsehen geguckt und hin und her geschaltet, am besten die Sendungen, die ich nie richtig verfolgt habe, von denen ich dann mal fünf Minuten sehe, sodass ich auch mitreden kann, wer wieder was Neues gemacht hat. Seit ein paar Monaten wird jetzt dieses Gerät –

 

Dein Sauerstoffgerät?

 

Genau, ein Schlaf-, kein Atemgerät, aber Sauerstoff ist es auch nicht, es ist nur Luft. Aber ein Gerät, was irgendwie den Schlaf ermöglicht. Wenn das dann drauf ist, gibt es auch nicht mehr viel anderes zu tun. Dann schläfst du wirklich ein.

 

Ich habe eine Lieblingsfrage, die ich nicht müde werde zu fragen: Gibt es etwas, was du in deiner Kindheit gerne gemacht hast, was du als Erwachsener heute noch machst und was dir so Wohlfühlgefühle bereitet? Bei mir sind es gerne mal Comic-Heftchen und Nutella-Brötchen.

 

Nutella hatten wir nie.

 

Oh Gott, aber doch wohl nicht Käpt’n Nuss?

 

Wir sind mit dem Thema Diäten groß geworden, weil meine Mutter ja dasselbe, mit dem ich jetzt lebe, auch lebte. Mit dem ständigen Problem des Zu-dick-Seins.

 

Da musstet ihr Kinder Diät halten?

 

Nein. Aber unser Heim war nicht voll mit Süßem. Das ist ja auch erst viel später in mein Haus gekommen. Ich habe das alleine gar nicht gekauft. Jetzt ist viel da, weil ich mit einem dünnen Mann lebe, der gern Süßes isst und auch nebenher schnuppt.

 

Schokoriegel.

 

Auch. Aber immer wieder was anderes. Unser Freund und mein Manager Holzi erzählt ja heute noch gerne von den berühmten Erdbeeren in Kondensmilch, das muss ein großes Erlebnis für ihn in seiner Kindheit gewesen sein. Ich kann mich aber an so etwas gar nicht erinnern. Das Tollste, Größte, für mich – so mit zwölf, dreizehn Jahren – war Musik! Etwas von außen, was ganz neu, was ganz anders ist. Das waren für mich damals die Singles, die ich gekauft habe. Diese komplett andere Welt, die sich da auftat. Vielleicht war das schon dieser Vorbote dessen, was ich dann später selber machen durfte. Das waren ja auch alles Darsteller … David Bowie! Die sahen alle so groß und besonders aus … so glamourös.

 

Hattest du einen Walkman?

 

Ja, das gab es früh, weil mein Vater Techniker beim WDR war. Ich hatte einen Kassettenrecorder, da habe ich am Mikrophon gesessen. Dank meines Vaters hatte ich schnell ein Verbindungskabel zwischen Radio und Kassettenrecorder, das heißt, ich musste nicht wie die anderen «Psst!» rufen oder «Haltet die Schnauze, weil ihr dazwischenredet!». Ich konnte es einfach so aufnehmen, weil es direkt übers Kabel ging. Und der Walkman kam dann auch ganz schnell – ja, das war großartig.

 

Gibt es etwas, wovor du dich richtig ekelst? Wo du sagst: Das fasse ich nicht an, daneben möchte ich nicht sitzen, das möchte ich nicht riechen?

 

Eine «Bild»!

 

Googelst du denn die «Bild»?

 

Nein, die ist auch nicht auf meiner Start-Seite. Das geht nicht.

 

Das sind schöne Sätze, die ich in diesem Buch lesen möchte. Danke. Wir sind bei Ängsten.

 

Hast du Angst vor Menschen?

 

Was ich früher ja mal ganz doll fand, nach einer Vorstellung, dieses: «Komm! Wir gehen raus, und die Leute erkennen uns!» – das ist vorbei. Es haben mich so viele schon überall gesehen, dass ich finde: «Das musst du nicht mehr haben.» Das strengt mich eher an. Da bin ich viel entspannter irgendwo, wo sich kein Mensch für mich interessiert.

 

Ich erinnere mich, dass Fliegen auch nicht gerade deine Kernkompetenz war? Also ist Höhenangst ein Thema für dich?

 

Ach ja … ich kann einiges abtrainieren. Ich habe diese Ängste ja bei vielen Theaterinszenierungen besiegen müssen, weswegen man mich wahrscheinlich immer wieder nach hoch oben schickt …

 

Und du auch in dem Film «Oben» mitsynchronisieren musstest …

 

(Lachen.)

 

… das habe ich meistens auch ganz gut hinbekommen. Dann raube ich mir dazu ein bisschen Zeit. Im Dschungel sind die Brücken ziemlich hoch und nun auch nicht gerade blickdicht, aber das ging dieses Jahr ganz großartig. Ich glaube, das ist wirklich auch eine Trainingssache oder wie es einem geht. Das mit dem Fliegen ist allerdings so eine Geschichte. Das kommt und geht, ist auch nicht steuerbar, kommt dann aus dem Bauch. Gerade bei kurzen Flügen … das Schlimmste ist ja das Starten und das Landen, dazwischen ist ja nicht viel Zeit, wo man sich ausruhen kann, und wenn’s rappelt, sowieso nicht. Früher dachte ich: «Na! Da muss ich mindestens drei Wodka trinken!» Das ist irgendwie besser geworden – ich kann jetzt nüchtern fliegen.

 

Hast du die Hoffnung, dass nach dem Tod eine andere Form von Leben für dich bereitsteht?

 

Ich habe nicht die Hoffnung. Ich könnte mir vorstellen, dass das so ist. Aber was soll da für Hoffnung sein? Da ich das nicht weiß und mir da auch nichts ausmalen kann oder will, wäre das nur eine hübsche Überraschung. Wenn die Seele irgendwo anders platziert wird, hätte ich nichts dagegen, das wäre eine sehr schöne Aussicht. Mir reicht es schon, als Blume wiedergeboren zu werden. Obwohl ich ja eigentlich eine lesbische schwarze Soul-Sängerin werden wollte. Ich setze da drauf.

 

Auf die Blume?

 

Nein, auf die lesbische schwarze Soul-Sängerin. Aretha Franklin wird ihren Körper ja auch irgendwann mal verlassen, vielleicht –

 

Dass du da, hopp, schnell reinsteigen kannst?

 

Nicht in den Körper. Der ist ja dann abgelaufen. Nein, vielleicht treffen wir uns irgendwo.

 

Ich dachte gerade, dass da oben im Himmelreich ein riesiges Einkaufsparadies ist.

 

Hast du Angst vor Tieren?

 

Respekt, aber nicht wirklich Angst. Das hat auch vielleicht was mit Australien zu tun, weil du da anders auf Natur guckst. Als ich in Südafrika in Richard Bransons Ulusaba Lodge …

 

NEID.

 

… auf dem Jeep saß, bei der Safari, Foto-Safari natürlich, und diese Gruppe von zehn jungen Löwen, die sich zusammengeschlossen hatten, an uns vorbeizogen – doch, da war ich schon sehr ängstlich. Ich gebe es zu. Ich konnte da dem Ranger, so stattlich er auch war mit seinem Betäubungsgewehr, nicht richtig vertrauen. Was machst du mit zehn Löwen, wenn die sich alle über uns hermachen? Der Ranger hat mir versichert, das machen die nicht, weil Autos nicht in ihr Beuteschema fallen. Aber ich hatte die Vision: Das Auto war wie eine Torte, die man nicht essen will, aber die leckere Marzipanrose obendrauf, in Form eines kleinen, dicken, deutschen Komikers, die will man doch gern naschen. Da hatte ich irgendwie Angst. Aber ich habe sonst keine Angst vor dem Getier, mit dem ich in Australien zusammengekommen bin. Wenn man dahin geht, wo Tiere leben und wir eigentlich nicht hingehören, dann bin ich schon ein bisschen ängstlich.

 

Aber du hast keine übertriebenen Ängste?

 

Nein, das wirklich nicht. Nur die üblichen. Wenn es dunkel ist. Obwohl ich auch nicht mehr weiß, ob ich die noch wirklich so habe. Plankton, Thomas und ich sind mal zusammen von Florida bis New York gefahren. Einmal an der Ostküste hoch, und ich hatte, um den beiden eine Freude zu machen, ein kleines Häuschen irgendwo in den Tennessee-Wäldern gemietet. Ganz schön. So ein Blockhaus mit allem Drum und Dran. Erst als wir da waren, bemerkte ich, wie weit es doch von der Zivilisation weg ist. Du musst lange fahren, um etwas zu kaufen. Es ist außerdem ein trockener County gewesen, das bedeutet, es gab keinen Alkohol. Als wir vom Einkauf zurückkamen, war dann auch schon Nacht, und es war sehr, sehr dunkel. Wir fanden die Hütte mit großer Mühe und Fähnlein-Fieselschweif-Intuition wieder und hatten eben keinen Alkohol dabei in diesem sehr, sehr trockenen County. Und dann haben wir auch sehr schön gegessen, die beiden sind ins Bettchen, und ich bin auch schlafen gegangen, war aber natürlich wach und blieb auch wach, bin wieder aufgestanden und saß im Wohnzimmer. Und es gab genau … lass es anderthalb Fernsehsender gewesen sein. Über Antenne, völlig verschneit. Den einen Sender konnte ich schemenhaft erahnen, da waren Nachrichten. Und ungelogen: In einem zehn Meilen entfernten Ort war ein Mörder aus dem Gefängnis ausgebrochen. Ich habe den Rest der Nacht in diesem Blockhaus gesessen und aus dem dunklen Fenster gestarrt …

 

Haaaach, du Armer! Dieses schwere Wildnistrauma wirft natürlich die Inselfrage auf: Ohne was möchtest du dein Leben nicht fristen?

 

Heute glaube ich, ich könnte mich immer arrangieren, was Essen und Trinken angeht. Wobei ich sofort an Robinson Crusoe denke und mich frage: «Wie mache ich mir meinen Alkohol selber?» Das soll ja möglich sein.

 

Am End die eine oder andere Frucht vergären lassen …

 

Genau. Also, das soll ja gehen. Aber was wirklich ein Problem wäre: Ich fange nicht an, selber Musik zu machen oder zu schreiben. Da würde ich bekloppt. Wenn für mich nicht so etwas wie Literatur und Musik präsentiert wird, das wäre furchtbar, unerträglich. Das ist zum Verrücktwerden. Wie in dem Film «Cast away»: Tom Hanks und sein Ball. Das, was ihn verrückt machte, war, dass da ein Mensch fehlt.

 

Was haben wir geweint, als Wilson auf dem Meer weggeschwemmt wird, der einzige Freund, der Volleyball.

 

Das haben die sich wahrscheinlich sowieso wieder nur einfallen lassen, damit der nicht mit dem schwarzen Mann pimpern musste.

 

Tom Hanks hat den schwarzen Mann rausstreichen lassen und gesagt: «Gebt mir einen Ball!»

 

«Gebt mir einen Ball, ich habe ‹Philadelphia› gedreht! Gut ist! Man kann es auch übertreiben in einer Karriere!!»

 

(Gelächter.)

 

Wo wir gerade beim Leguanegrillen auf der einsamen Insel sind: Du warst ja konsequenter Vegetarier und variierst deinen Speiseplan jetzt wieder. Hat das auch was mit diesem «Nicht-versklavt-sein-Wollen» zu tun?

 

An meiner Haltung hat sich nicht viel geändert, ich bin immer noch alberner Sicht-Vegetarier. Ich kann nach wie vor nichts essen, was wie ein Tier aussieht, kann aber bei anderen Sachen gut verdrängen, dass es so ist … nach dem Motto: Würstchen wachsen an Bäumen. Und habe prompt wieder ein schlechtes Gewissen, weil ich eigentlich kein Tier essen möchte. Also, da bin ich wieder in dieser alten Bredouille.

 

Wolltest du deinem Körper aus gesundheitlichen Gründen wieder tierische Eiweiße zuführen?

 

Nein, der Körper wollte das komischerweise haben! Ich kannte das auch von Freundinnen, die in der Schwangerschaft auf einmal wieder Bock auf Fleisch hatten. Ich glaube, Anke hat das bei ihrer zweiten Schwangerschaft erzählt. Oder Luci van Org, die war eine ganz, ganz vehemente, ganz, ganz strenge Vegetarierin, und der ist es auch während der Schwangerschaft passiert. Ich weiß nicht, was es bei mir war. Aber es ist irgendwas in meinem Körper passiert.

 

Wir wissen ja inzwischen, dass Männer auch Wechseljahre haben. Vielleicht war es ja eine hormonelle Reaktion in deinem Körper?

 

Da gab es jedenfalls irgendwie so was, dem habe ich mich dann auch erst mal wieder hingegeben.

 

Ich werde unsere liebe Lesenation und vor allem mich nicht aus diesem Gespräch herauslassen, ohne dass du mir noch erklärst, wieso man denn keinen Schlüssel auf den Tisch legen darf? Was ist denn da der Aberglaube?

 

Was weiß denn ich?

 

Man muss doch wenigstens wissen, warum man so verschissene Aberglaubenfaxen macht?

 

Ich weiß es nicht.

 

Unfassbar. Und vor allem, dass die Legende weitertransportiert wird, ich hätte es dir gesagt.

 

Ist das nicht sehr komisch, wenn es schon immer ein Missverständnis war? Und ich mich jetzt seit über 30 Jahren abmühe, Schlüssel zwar auf Tische zu legen, aber nur auf hochgestapelte Bücher oder sonstige Dinge? Niemals auf eine Tischplatte? Am End wurde es mir ja auch nur gesagt, weil es den Tisch verkratzt?

 

Manchmal bin ich so müde.

 

Ich habe es als Aberglaube gespeichert. Vielleicht sollte ich denn auch nochmal über Vaters Worte reflektieren: «Dirk, lass den Kühlschrank nicht so lange offen!» Oder: «Nimm nicht so viel Butter!» Am End war das ja alter, kölscher Aberglaube?

 

(Gelächter.)

 

Was geht dir bei Menschen am meisten auf den Sack? Wo sagst du: «Mit dem möchte ich einfach nichts zu tun haben!»

 

Du bist ja sehr tolerant …

 

Oh Gott, ich bin nicht so tolerant bei der Arbeit.

 

Bei Vierteltalenten?

 

Ja. Unprofessionalität. Talentfreiheit bringt mich auch um den Verstand. Es gibt welche, die bringen einen an den Rand des Wahnsinns mit dem, was sie tun. Aber das ist lange nicht mehr geschehen, Gott sei Dank. Und dann gibt es so Menschen, die haben keinen Respekt. Diese fehlende Distanz, das ist manchmal nur eine spontane Begegnung, bei der man denkt: «Das kann alles nicht wahr sein!»

 

Die den Sicherheitsabstand nicht einhalten?

 

Ja. Ohne Ende in unserem Geschäft. Wobei ich jetzt das pure Fernsehgeschäft meine. Da ohne Ende.

 

Die Schwätzer, Behaupter und Indiskreten?

 

Alles das. Es wundert mich, dass nicht viel mehr Amok gelaufen wird bei uns. Also, dass man das immer nur aus amerikanischen Büros hört und nicht aus deutschen …

 

Aus Hürth-Kalscheuren, Studio 8.

 

Oder aus Deutz! Vor allem aus Deutz!
Des Wahnsinns fette Beute: Macken und Marotten auf der Spur
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