Barbara Schöneberger

Kreislaufbeschwerden

Barbara Schöneberger kam am 5. März 1974 in München zur Welt und ist die Erfinderin der talentierten Leichtigkeit. Wir könnten zehn Pampers darauf verwetten, dass sie schon bei der Geburt die umstehenden Ärzte und Krankenschwestern mit einem strahlenden Lächeln begrüßt hat. Der Papa war ein Soloklarinettist und das ebenfalls musikbegabte Mädchen erlebte geschwisterlos, sozusagen als Solistin, die Kindheit und Jugend im elterlichen Haus. Über ein paar Umwege landete La Schöneberger beim Fernsehen und begeistert seitdem die Zuschauer mit ihrer erfrischend unkapriziösen Art. Sie singt, tanzt und moderiert sich quer durch die deutsche Fernsehlandschaft, und ihre Fröhlichkeit, gepaart mit grenzenloser Neugierde, wirkt dabei ansteckend.

Barbara ist die personifizierte Sinnlichkeit und besonders den kulinarischen Genüssen ausgesprochen zugetan. Mit anderen Worten: Barbara liebt es zu essen. Ich (Conny) hatte häufig das ungeteilte Vergnügen, während Hella bei der ersten von zwei Aufzeichnungen «Genial daneben» bereits im Studio war, diesem, ich möchte sagen, erotischen Schauspiel beizuwohnen. Keine verdrückt eine Portion Pasta dermaßen lasziv wie dieses Menschenkind. In ihrer Hand mutieren selbst schnöde Salzstangen zu etwas Unzüchtigem. Kein Wunder, dass die Werbebranche sich die Finger nach ihr leckt.

Für uns unvergessen ist ein Abend im Hotel Savoy. Wir saßen zunächst zu dritt nach der Arbeit in der Hotelbar und plauderten vergnügt Belanglosigkeiten. Uns schmeckte der Alkohol, Barbara die Nüsschen. Zu vorgerückter Stunde stellten wir fest, dass es in unserer Sprache kein schönes Wort für das weibliche Geschlechtsorgan gibt. Fieberhaft suchten wir nach einem neuen, wohlklingenden Namen und kamen auf keinen grünen Zweig. Wir diskutierten uns die Lippen wund (honi soit qui mal y pense) und fanden keine Befriedigung. (Honi soit qui mal y pense aussi.) Später gesellte sich noch Kollege Kalkofe zu uns, der das Problem schnell erfasste, dessen NEUtaufbemühungen aber ebenfalls keine überzeugenden Blüten trugen. (Und jetzt kommen Sie uns nicht mit MUMU um die Ecke!)

Nach der «NDR Talkshow» krallten wir uns Barbara für das Interview. Wir hockten in einem katzenkloähnlichen Zimmerchen, tranken afterwarmes Wasser (kommt daher eigentlich der Begriff After-Show-Party?) und legten los. Kauend, in ihr atemberaubendes Dekolleté krümelnd, stand sie uns Rede und Antwort für dieses Buch.

 

HvS: Liebe Barbararella, wir wollen wissen, ob du eine Erbse am Wandern hast. Ich fürchte ja, du bist stinknormal.

 

BS: Ja, das stimmt ein bisschen. Ich habe mir auch schon überlegt, was mich zur Verrückten machen könnte … Ich fürchte, ich bin viel, viel spießiger, als man es sich so vorstellt. Ich neige nicht zu Extremen. Allerdings ist mir eine Sache eingefallen, die ich schon mache: Mich fliegt manchmal so eine Art von «Umweltschutz-Euphorie» an. Die kommt ganz plötzlich. Sprungweise sozusagen. Und oft in Form einer kleinen Glasflasche – nein! Nicht Glasflasche. Einer PET-Flasche! Eine, die Pfand hat. Und dann denke ich mir: «Barbara, du hast ein so schönes Leben! Lebst in einer großen Wohnung. Hast keine Sorgen. Es ist doch das Mindeste, dass du jetzt mit deinem Porsche zu ‹Getränke Hanse› fährst und diese Flasche zurückbringst! Damit sie wieder in den Kreislauf zurückgeführt wird, aus der Flasche etwas Neues werden kann …» Damit ich ein gutes Gewissen haben kann.
Das schlechte Gewissen, was zu mir hochguckt: «Bring mich weg! Mit meinen 15 Cent kannst du viel Gutes bei ‹Ein Platz für Kinder› tun!»
Also habe ich dann diese Flasche. Die trage ich dann mit mir rum. Habe sie in meinem Auto. Vergesse, sie an der Tankstelle abzugeben. Dann tue ich sie in meine Tasche. Dann habe ich sie vier Tage in meiner Tasche und vergesse, sie abzugeben. Dann lege ich sie wieder ins Auto, weil ich denke: Morgen fahre ich zu irgend so einem Getränkemarkt, da nehme ich sie mit! Das klappt wieder nicht. Dann nehme ich sie mit hoch in die Wohnung. Stelle sie in den Flur. Dann steht sie im Flur. Dann nehme ich sie irgendwann wieder mit ins Auto.
Und dann … überfällt mich, während ich im Auto sitze, eine ganz, ganz schreckliche Art von «Jetzt muss – muss – alles muss raus!»-Attacke.
Ich möchte mich befreit fühlen. Ich ordne, während ich an der Ampel stehe, die Hüllen mit den CDs – dass wieder alles stimmt. NORAH JONES liegt dann nicht mehr in der SUPERTRAMP-Hülle, sondern Norah Jones liegt in der Norah-Jones-Hülle. Und Supertramp in der Supertramp-Hülle. Und alles stimmt. Alles ist super. Und dann fällt mir ein – das Einzige, was mich in dem Auto noch stört, ist diese Scheiß-PET-Flasche! Und die werfe ich dann, während ich übers Land fahre, aus dem Fenster. Dann denke ich mir: «Du Scheiß-Flasche! Von dir lass ich mir doch nicht mein Leben ruinieren! Wurscht! Ich schmeiß dich jetzt in den Wald!»
Andererseits denke ich mir auch: «Ich bin so schlecht!» Und dann geißele ich mich selbst und fühle mich schlecht. Und dann trinke ich für mehrere Wochen nur noch aus Glasflaschen.

Uns würde dieser gar köstliche Monolog reichen. Dennoch tun wir unsere Pflicht und fragen, ob’s noch andre Lustigkeiten gibt. Du bist ja jetzt zum ersten Mal junge Mutter? Da muss frau doch bestimmt durchstrukturiert sein?

 

Ja, ich glaube nicht, dass man sagt: «Unser Baby ist besonders. Unser Baby möchte gerne jeden Tag einen anderen Ablauf.» Ich glaube, Babys brauchen Gewohnheiten. Er findet das toll, wenn er weiß, morgens wird er ins Bett geholt, und dann gibt’s das Fläschchen. Für mich ist es der totale Horror. Ich habe mein Leben lang versucht, alles zu vermeiden, was mit Ritualen zu tun hat. Ich habe immer am wichtigsten gefunden, jedes Jahr anders Weihnachten zu feiern. Jedes Jahr alles anders zu machen. Um nicht den Satz sagen zu müssen: «Also, wir machen das immer so.» Mit dem Kind fange ich jetzt an, auch für mich selber sogar Weihnachten in immer gleicher Form zu feiern.

 

Und macht dir das Angst? Beklemmung?

 

Nein, ich finde es jetzt super!

 

Das kam mit dem Muttergefühl?

 

Ja, und mit der Liebe zu meinem Mann. Davor habe ich das so nicht gehabt. Ich dachte mir immer: «Ach, komm! Bloß nichts Gleiches!» Aber jetzt finde ich es schön, sich so eigene Traditionen, Rituale zu bauen.

 

CS: Gibt’s Aberglauben in deinem Leben?

 

Das ist mir eigentlich relativ fremd. Wobei, in meiner Arbeit gibt es ein Vorbereitungs-nicht!-ritual. Aber da habe ich immer die gleiche Technik. Ich würde nie im Leben Moderationskarten benutzen, die mir jemand bedruckt hat und wo dann meine Texte und Aktionen draufstehen. Ich muss immer alles selber schreiben. Mit meinem eigenen Kugelschreiber. Mit meiner Handschrift. Es muss einmal durch mich durchgegangen sein. Moderationsmäßig. Ich könnte niemals etwas moderieren, was mir jemand anderes mit der Schreibmaschine auf so ’ne Karte draufgeschrieben hat. Da würde ich überhaupt nicht wissen, was zu tun ist.

 

So geht’s mir auch.

 

Und wenn’s beim Filmpreis 40 Seiten sind! Stichpunktartig. Schreibe ich mir alles mit der Hand auf.

 

Und gehörst du zur Fraktion der Kontroll-Freaks?

 

Nein, überhaupt nicht. Ich habe totales Gottvertrauen, lustigerweise. Manchmal hat man so eine kurze Vorahnung: «Oh Gott! Was wäre eigentlich, wenn ich doch so ’n Freak wäre oder so?» Vielleicht passiert es ja irgendwann, dass man so wird. Als Kind hab ich immer an diesen Leitplanken die Pfosten gezählt, die ja im Abstand von 50 Metern sind. Dann habe ich dazu gesungen. Das mache ich manchmal heute noch. Ich singe eine Melodie, und der Rhythmus, also der Gesang – die Noten – müssen auf diese weißen Abgrenzungspfosten passen. Immer, wenn ich einen Ton singe, muss der Pfosten kommen. Nun ist aber das Problem: Die Pfosten sind immer im gleichen Abstand. Die Melodie besteht aber aus punktierten Noten, halben Noten, ganzen Noten, Viertelnoten. Das bedeutet, ich muss, was die Geschwindigkeit angeht, mal schneller, mal langsamer fahren, um das einigermaßen hinzubekommen.

 

Und singst du immer dasselbe Lied?

 

Nein. Immer ein anderes Lied. Als Kind habe ich eine tiefe Manie gehabt, diese Dinger – immer deding-deding-deding –, also diesen Rhythmus zu haben. Und: Wenn ich bei meinen Eltern bin, muss ich mitzählen, wenn ich die Treppen hochgehe.

 

Musst du?

 

Muss ich.

 

Nur bei deinen Eltern?

 

Nur bei meinen Eltern. Ich würde sonst nie auf die Idee kommen.

 

Das ist auch das Haus, wo du groß geworden bist?

 

Ja. Ach! Was ich noch mache! Das macht mein Vater auch! Das ist lustig. Das fällt mir jetzt gerade ein. Mein Vater macht das, wenn man mit ihm diskutiert. Mein Vater diskutiert nie, mein Vater hört zu, wenn ich mit meiner Mutter diskutiere. Und ist am Rande betroffen. Und dann macht er so …

 

Liebe Lesenation: Barbara lehnt sich im Stuhl entspannt zurück, schließt ein Auge und fixiert mit dem offenen Auge das Fensterkreuz.

 

Der knipscht ein Auge zu und verschiebt so den Kopf.

 

Liebe Lesenation: Barbara bewegt ihren Kopf auf dem Hals wie ihre Namensvetterin Barbara Eden als «Bezaubernde Jeannie»!

 

Alle denken: Was macht er? Und er bringt das Fensterkreuz mit irgendwelchen Ästen oder anderen Hausmauern in Einklang. Das heißt, er stellt Symmetrie her.
Ich finde es psychologisch so lustig! Es herrscht Chaos, oder zwei Leute diskutieren – und mein Vater versucht, das Lot zu fällen, nach dem Motto: Also, hier ist es gerade. Okay, das ist gerade. Und das ist gerade. Und er denkt: «Boah, echt, die Mauer gegenüber ist genauso gerade wie das Fenster. Wie haben die das hingekriegt, dass es genau gerade ist?» Und das habe ich geerbt! Wenn ich telefoniere, verschiebe ich immer Sachen übereinander! Ich setze mich hin, gucke dann genau und denke mir: «Irre, die Wand ist genau so gerade wie da drüben das Fenster. In Deutschland ist alles gerade.»

 

Jetzt bist du ja ein extrem sinnliches Weib. Du isst gerne und mit Genuss; bist du irritiert, wenn andere mit dir essen und die etwas Komisches machen? Kann dir passieren, dass du sagst: «Oh, ich glaube, wir werden keine Freunde?»

 

Ich habe eine Freundin, die hat ein Kind, das isst nur weiße Sachen. Und ich glaube, das Kind isst nur deswegen weiße Sachen, weil das zu Hause am besten zu den Möbeln passt. Das Kind isst nur Käse, Butter, Blumenkohl, Joghurt, Reis.

 

Die Mutter ist noch eine Freundin von dir?

 

Ja, sie ist eine Freundin von mir.

 

Du bist ein sehr toleranter Mensch.

 

Ja.
Des Wahnsinns fette Beute: Macken und Marotten auf der Spur
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