Senta Berger

Kein unbehütchentes Silvester

Senta Berger wurde am 13. Mai 1941 in Wien geboren. Sie ist eine österreichisch-deutsche Schauspielerin, Produzentin und Autorin. Als eine der beliebtesten Darstellerinnen feiert sie nicht enden wollende Erfolge. Allein ihre unzähligen Preise und Auszeichnungen benötigen vermutlich eine eigens dafür angemietete Doppelhaushälfte. Im zarten Alter von 21 ging sie nach Hollywood, um dort unter anderem an der Seite von Frank Sinatra, Dean Martin, Kirk Douglas, John Wayne, Charlton Heston und Yul Brynner zu drehen.

1965 wurde sie als vielversprechende Nachwuchsschauspielerin mit dem Golden Globe Award ausgezeichnet. «If I can make it there, I’ll make it anywhere …!»

Wenn Senta Berger in einem Film oder einer Serie mitspielt, überstrahlt sie die anderen Darsteller. Wahrscheinlich haben die Beleuchter alle Hände voll damit zu tun, das entsprechend auszugleichen. Die Kamera liebt sie, und wir schließen uns der Kamera an.

 

Wir hatten das große Vergnügen, sie unlängst in Hamburg persönlich kennenlernen zu dürfen. Tapfer fassten wir uns beide ein Herz und sprachen sie auf unser Buchprojekt an. Sie war entzückend und bat uns, aufgrund ihres übervollen Terminkalenders, ihr unsere Fragen per E-Mail zukommen zu lassen. Auch ein gefeierter Hollywood-Star hat seine kleinen Marotten. Viel Spaß beim Lesen!

 

CS: Gibt es in Ihrem Leben feste Rituale?

 

SB: Morgens und abends Zähneputzen.

 

Beim Einschlafen?

 

Ich muss lesen. Wenn ich unterwegs bin, habe ich immer Bücher dabei, Wochenzeitungen, Wochenmagazine. Wenn ich mal keinen Lesestoff habe, weil mein Koffer anstatt nach Berlin nach Detroit geschickt worden ist, muss ich im Hotel die Frühstückskarte lesen oder die Bedienung des DVD-Recorders oder die Hotelservice-Karte. Ich bin fixiert auf Buchstaben und habe damit in der besonderen «Einschlaf-Situation» schon manche Irritation hervorgerufen.

 

HvS: Verzeihung, da werden wir hellhörig. Welche Art von Irritation?

 

Ich finde, die Andeutung reicht aus. Aber bitte: Es gibt ja diese erotisch-sentimentalen Momente des «Nachher». Wenn die Partner nach der allgemeingültigen erotischen Formel miteinander verschlungen in einen Dämmerschlaf sinken sollen. Ich kann das nicht. Ich bemühe mich aber.

 

Aufstehen?

 

Immer schwer. Immer mit Überwindung. Besonders, wenn es noch dunkel ist. Oft sitze ich um 6 : 30 Uhr schon in der Maske. Dann denke ich in den drei Minuten, bevor ich mich entschließe, die Wärme meines Bettes zu verlassen, dass ich einen geliebten Beruf habe, auch wenn es mir um 6 Uhr morgens schwerfällt, das zu glauben. Dann denke ich, mein Kater erwartet mich schon für seine Morgenmahlzeit. Dann stehe ich auf. Immer zuerst mit dem rechten Bein. Das hat meine Großmutter schon so gemacht.

 

Hurra! Eine Ritualverwandte! Gibt es bei Mahlzeiten etwas Unverzichtbares? Ist die Tischdeko immer gleich? Muss es ein bestimmtes Äpfelchen sein?

 

Nein, es gibt in einem so unruhigen Leben wie meinem keine Rituale, die durchsetzbar wären. Aber Kaffee, ja, das muss sein. Ich bin Wienerin. Mein Kaffee zu Hause ist natürlich wienerisch, stark und süß. In den Hotels kämpfe ich darum.

 

Gibt es an Weihnachten etwas, wo Sie wissen: definitiv alle Jahre wieder?

 

Ohne Kinder, ohne kleine Kinder ist es schwer. Aber wir haben natürlich den schönen geschmückten Baum. Rot und Gold. So wie mein Mann es gewöhnt ist. Wir haben ein großes Mittagessen mit unserer Familie und unseren Freunden, und wir gehen am Nachmittag in eine Kindermesse. Wir singen laut und oft falsch. Wir weinen ein bisschen, weil wir an unsere Kindheit denken und an den Verlust unserer Unschuld.

 

Wie wird denn Silvester zelebriert?

 

Nun ja. Wir halten uns an Kindheitsritualen fest. Damit der Abend eine Form bekommt und auszuhalten ist. Wir schmücken das Haus mit Girlanden und setzen uns blödsinnige Hütchen auf. Mein Mann zaubert. Meistens gehen seine Kunststückchen schief. Das rührt mich.

Als wir uns bei der «NDR Talkshow» kennenlernten, erwähnten Sie eine Zille beim Telefonieren?

 

Ja. Seitdem es die tragbaren Telefone gibt, egal ob im Festnetz oder Handys, habe ich mir eine eigene Motorik angewöhnt. Je unangenehmer mir ein Gespräch ist, desto mehr und desto schneller muss ich herumgehen, hin- und hergehen. Nach einem langen Gespräch kann ich ziemlich erschöpft sein. Muskelkater. Kann mir mein Herumgehen jemand erklären? Flucht?

 

Vielleicht ist es so ein Gefühl von: Wenn sich im Gespräch nichts bewegt, muss ich mich wenigstens bewegen … Conny läuft auch herum, schon beim Wählen einer «unangenehmen Nummer» joggt sie um den Wohnzimmertisch. Sie glaubt, es hat was mit Abbau von Adrenalin zu tun.

 

Bei mir hat es mehr mit der Zunahme von Adrenalin zu tun.

 

Gibt es Speisen, die Sie an Ihre Kindheit erinnern und Ihnen heute noch «Wohlgefühle» bereiten, wenn Sie sie genießen?

 

Ich liebe den Geruch von Zwiebeln und gedünstetem Kraut. Dieses Düftchen durchzog immer das Wohnhaus, in dem ich geboren wurde. «Krautfleckerln» sind deshalb das sublimste Gericht, das ich – wenn gut zubereitet – zu jeder Uhrzeit essen kann.

 

Ekeln Sie sich vor etwas?

 

Ich ekle mich vor fettigem Fleisch, fettiger Sauce, fettiger Suppe. Vielleicht, weil’s das nie in meiner Kindheit gab.

 

Haben Sie zufällig eine Klatsche mit Bakterien?

 

Als Nachkriegskind habe ich vor keinem Dreck Angst. Bakterien sind gar kein schlechter Nährboden.

 

Haben Sie andere Ängste? Benutzen Sie zum Beispiel nie den Aufzug oder die Rolltreppe, sondern ausschließlich Treppen?

 

Nein, diese Ängste kenne ich nicht. Ich bin durch und mit meinem Beruf schon genug mit Ängsten geplagt. Ich nehme grundsätzlich die Treppe, wenn irgend möglich, um mein Gewicht zu halten. So ist das.

 

Welche Ängste in Ihrem Beruf meinen Sie? Existenzängste? Versagensängste? Angst vor der Inkompetenz der anderen?

 

Natürlich Versagensängste. Existenziell kann ich heute in jeder Form überleben. Den Partnern und Mitarbeitern spreche ich grundsätzlich Kompetenz zu. Nur mir nicht. Ich ziehe mich grundsätzlich in Zweifel. Tut das nicht jeder erwachsene Mensch?

 

Wie sieht’s aus mit Höhenangst?

 

Keine Spur. Aber wenn ich über eine Brücke gehe und durch deren Bohlenspalten hinuntersehe, auf die Eisenbahn, auf einen Fluss, werden meine Knie weich.

 

Angst vor Spinnen, Kaninchen, Regenwürmern? Oder sonstigen Lebewesen?

 

Wir leben auf dem Land. Spinnen sind unsere Mitbewohner. Sie sind wunderschön, geheimnisvoll und natürlich große Künstler. Regenwürmer lieben unseren Garten und seine gute Erde. Kaninchen sind die Freunde unserer Kinder. Also was jetzt – wovor habe ich Angst? Doch: vor Schlangen. Es gibt Gott sei Dank bei uns aber nur kleine, magere Blindschleichen, die mehr Angst vor mir haben als ich vor ihnen.

 

Sind Sie ein Kontroll-Freak? Fünfmal Herdplatten checken? 30-mal überprüfen, ob die Tür abgeschlossen ist?

 

Nein, überhaupt nicht. Mein Vater hat in meiner Kindheit unseren Urlaub abgebrochen, um den Gasherd zu kontrollieren. Das wirkt bis heute als schreckliches Beispiel nach.

 

Wie furchtbar! Würden Sie denn sagen, Ihr Herr Vater war ein Kontroll-Freak? Oder eher übervorsichtig?

 

Es kommt darauf an, wie höflich wir das formulieren wollen. Mein Vater würde sich freuen über «übervorsichtig», denn schließlich kann man nicht vorsichtig genug sein, aber ich würde schon sagen, dass seine Vorsicht sich mit den Jahren zu einer Manie ausgewachsen hat.

 

Sind Sie abergläubisch? Machen Sie einen Bogen um schwarze Katzen, treten bei Fliesen nicht auf Fugen oder gehen nicht unter Leitern her?

 

Katzenliebhaber wie ich verehren schwarze Katzen. Und sicher zu Recht. Wenn man an einem 13. geboren ist, wie ich, kann die 13 nur zu einer Glückszahl erhoben werden. Unter einer Leiter gehe ich oft genug im alltäglichen Haushalt durch, ohne dass sie mir auf den Kopf gefallen wäre. Also mit einem Wort – ich bin nicht abergläubisch. Ich glaube nur an die guten Horoskope in den Zeitungen.

 

Gibt es Glücksbringer vor einer Produktion? Vor einem Auftritt? Oder gar im alltäglichen Leben?

 

Ja, ich habe einen kleinen Altar, den ich mit mir auf Reisen nehme und in den Hotels aufstelle. Fotos, Briefe, Muscheln, Kinderzeichnungen, eine ganz spezielle Murmel, wie ich sie als Kind immer haben wollte, die wie ein kleiner Bergkristall aussieht und doch nur aus Glas ist.

 

Wie schön! Wenn Sie verreisen und der Koffer kommt am Ziel nicht an, die Handtasche wird geklaut: Was müssen Sie sofort neu kaufen? Was ist unverzichtbar?

 

Ein Buch oder zwei, Zahnpaste, Zahnbürste, Zahnseide und einen Kamm.

 

Liebe Frau Berger – eine Sache würde uns noch interessieren: Was geht Ihnen bei Menschen total auf die Nerven?

 

Dummheit.
Des Wahnsinns fette Beute: Macken und Marotten auf der Spur
titlepage.xhtml
CR!S5RB29HTVD3JF71ZBC5MEX8GPZD2_split_000.html
CR!S5RB29HTVD3JF71ZBC5MEX8GPZD2_split_001.html
CR!S5RB29HTVD3JF71ZBC5MEX8GPZD2_split_002.html
CR!S5RB29HTVD3JF71ZBC5MEX8GPZD2_split_003.html
CR!S5RB29HTVD3JF71ZBC5MEX8GPZD2_split_004.html
CR!S5RB29HTVD3JF71ZBC5MEX8GPZD2_split_005.html
CR!S5RB29HTVD3JF71ZBC5MEX8GPZD2_split_006.html
CR!S5RB29HTVD3JF71ZBC5MEX8GPZD2_split_007.html
CR!S5RB29HTVD3JF71ZBC5MEX8GPZD2_split_008.html
CR!S5RB29HTVD3JF71ZBC5MEX8GPZD2_split_009.html
CR!S5RB29HTVD3JF71ZBC5MEX8GPZD2_split_010.html
CR!S5RB29HTVD3JF71ZBC5MEX8GPZD2_split_011.html
CR!S5RB29HTVD3JF71ZBC5MEX8GPZD2_split_012.html
CR!S5RB29HTVD3JF71ZBC5MEX8GPZD2_split_013.html
CR!S5RB29HTVD3JF71ZBC5MEX8GPZD2_split_014.html
CR!S5RB29HTVD3JF71ZBC5MEX8GPZD2_split_015.html
CR!S5RB29HTVD3JF71ZBC5MEX8GPZD2_split_016.html
CR!S5RB29HTVD3JF71ZBC5MEX8GPZD2_split_017.html
CR!S5RB29HTVD3JF71ZBC5MEX8GPZD2_split_018.html
CR!S5RB29HTVD3JF71ZBC5MEX8GPZD2_split_019.html
CR!S5RB29HTVD3JF71ZBC5MEX8GPZD2_split_020.html
CR!S5RB29HTVD3JF71ZBC5MEX8GPZD2_split_021.html
CR!S5RB29HTVD3JF71ZBC5MEX8GPZD2_split_022.html
CR!S5RB29HTVD3JF71ZBC5MEX8GPZD2_split_023.html
CR!S5RB29HTVD3JF71ZBC5MEX8GPZD2_split_024.html
CR!S5RB29HTVD3JF71ZBC5MEX8GPZD2_split_025.html
CR!S5RB29HTVD3JF71ZBC5MEX8GPZD2_split_026.html
CR!S5RB29HTVD3JF71ZBC5MEX8GPZD2_split_027.html
CR!S5RB29HTVD3JF71ZBC5MEX8GPZD2_split_028.html
CR!S5RB29HTVD3JF71ZBC5MEX8GPZD2_split_029.html
CR!S5RB29HTVD3JF71ZBC5MEX8GPZD2_split_030.html
CR!S5RB29HTVD3JF71ZBC5MEX8GPZD2_split_031.html
CR!S5RB29HTVD3JF71ZBC5MEX8GPZD2_split_032.html
CR!S5RB29HTVD3JF71ZBC5MEX8GPZD2_split_033.html
CR!S5RB29HTVD3JF71ZBC5MEX8GPZD2_split_034.html
CR!S5RB29HTVD3JF71ZBC5MEX8GPZD2_split_035.html
CR!S5RB29HTVD3JF71ZBC5MEX8GPZD2_split_036.html
CR!S5RB29HTVD3JF71ZBC5MEX8GPZD2_split_037.html
CR!S5RB29HTVD3JF71ZBC5MEX8GPZD2_split_038.html
CR!S5RB29HTVD3JF71ZBC5MEX8GPZD2_split_039.html
CR!S5RB29HTVD3JF71ZBC5MEX8GPZD2_split_040.html