Howard Carpendale

«Ich habe am meisten Angst vor Dummheit.»

Wenn ich Howard Carpendale sehe, muss ich (Conny) immer ein wenig schmunzeln, da Walter Scheel stets behauptet hat: «Der Howard ist ’ne echte kölsche Jung und stammt aus Köln-Nippes. Den Akzent hat er sich auf Anraten seines Managements mühsam antrainiert.» Ich weiß wirklich nicht, warum mein Vater davon so felsenfest überzeugt war, erinnere mich aber noch deutlich daran, dass jeder Auftritt von Howard mit dieser Bemerkung kommentiert wurde.

Tatsache ist: Howard Carpendale wurde am 14. Januar 1946 in Durban, Südafrika, geboren. Er ist ein überaus beliebter und erfolgreicher Schlagersänger und Komponist, der bisher über 25 Millionen Tonträger verkauft hat. Seine Fangemeinde ist gigantisch groß. Allein auf Facebook feiern (während wir das hier niederschreiben) 16 523 Fans sein neues Album mit einem «Gefällt-mir-Daumen». Ich (Hella) möchte an dieser Stelle erwähnen, dass niemandem Anfang der 70er Jahre diese dünn gewickelten Halstüchlein so gut standen wie ihm. Na ja. Vielleicht noch Michael Holm. Hmm. Oder Jürgen Markus. Tja. Ricky Shayne. Vielleicht noch Gunter Gabriel. Aber hat sich einer von denen so gut gehalten wie er? Nö.

Als wir Howie, wie er nicht nur von seinen zahlreichen Verehrerinnen genannt wird, gegenüberstanden, wäre ein «Hello again» völlig deplatziert gewesen, da wir dem ehemaligen südafrikanischen

Jugendmeister im Kugelstoßen von 1963 an diesem Tag zum ersten Mal begegnet sind. Beeindruckt von seinem Charme und seinem Charisma führten wir folgendes Gespräch mit dem Star aus (Papa, face it!) Südafrika.

 

HvS: Lieber Herr Carpendale, vielen Dank, dass Sie uns 15 Minuten Ihrer Zeit schenken.

 

(Wir setzen uns ehrfurchtsvoll mit aufs Sofa und halten das kleine Aufnahmegerät abwechselnd in unseren schwitzigen Händchen. Ich [Conny], um die kleine Kassette und frische Batterien reinzuzittern, und ich [Hella], um es ihm unter sein bärtiges Kinn zu halten. Im Folgenden muss sich die liebe Lesenation natürlich seinen unnachahmlichen, charmanten Akzent vorstellen …)

 

HC: Oh. Wir machen doch ein Radiointerview?

 

Nein, nein. Wir nehmen das Gespräch nur auf. Die tapfere Jutta vom Verlag tippt es dann ab.

 

Ah. Okay. Ich sagte ja eben schon, ich möchte meine Anekdote nicht unbedingt in einer Familien-Show erzählen, weil ein paar Dinge, die wir gemacht haben, sogar ein bisschen gefährlich und dumm waren. Ich meine, ich war ein bisschen ein Kindskopf, auch wenn mein Image das vielleicht nicht bestätigt. Ich bin derjenige, der beim Golf die anderen meistens durch Witze und durch Unsinn zum Lachen bringt. Ich habe auch mal ein paar groteske Dinge gemacht, es ist schon etliche Jahre her. Ich fuhr mit Detlef … er fährt mich und macht seit 33 Jahren alles Mögliche für mich, wenn ich auf Tournee bin … ich fuhr also mit Detlef durch die Gegend und wollte unbedingt ein Stück Schokolade haben. Er sagte: «Geht jetzt nicht, die ist im Handschuhfach!» Das Handschuhfach war abgeschlossen. Dann habe ich bei laufender Fahrt den Schlüssel von seinem Lenkrad entfernt und habe das Handschuhfach aufgemacht. Er saß da und sagte nur: «Gott sei Dank geht die Straße geradeaus!» Da war auch keiner.

(Wir giggeln.)

 

Jetzt einige Macken, die ich täglich habe. Ich bin, was Kleidung angeht, ähnlich wie Sie, Hella. Ich ziehe mich nicht unbedingt modisch an, sondern das, was mir gefällt. Deswegen ziehe ich, wenn Sie hier weggehen, meine Bollerhose an und fliege damit nach München, weil enge Jeans, die nerven mich ein bisschen. Sonnenbrillen behalte ich höchstens eine Woche. Die gehen immer verloren, oder ich setze mich drauf. Ich sitze so gerne auf Sonnenbrillen, wenn die in der Nähe sind …

 

(Lacht.) Darf ich noch was zu der «Schokoladen-Auto-Situation» fragen? Unabhängig davon, dass ich das sehr keck finde, bei laufender Fahrt jemandem den Schlüssel aus dem Zündschloss zu ziehen – würden Sie denn sagen, dass Sie eine besondere Vorliebe für Schokolade haben, dass Sie Ihre Sucht nicht länger zügeln konnten?

 

So in etwa war das, ja. Ich versuche, es heute zu unterdrücken. Aber was ich damit sagen wollte, war: Ich bin ein Typ, der sich nicht wahnsinnig ernst nimmt. Ich mache gerne, und ich habe sehr, sehr gerne Spaß. Weil ich gerne lache, vor allen Dingen über mich.

 

CS: War das denn in der Kindheit schon so, dass Sie Zahnpasta auf Türklinken geschmiert haben?

 

Ich kann mich schon erinnern, dass meine Mutter mich einmal sehr geärgert hat. Ich habe mich dann auf den Boden gelegt, habe ein Messer genommen, habe das an meine Brust gelehnt, mich auf den Boden gelegt und dann Ketchup drübergeschmiert. Nur um ihr zu sagen: «Das kannst du mit mir nicht machen!»

 

Das ist aber schon für Fortgeschrittene. Haben Sie vor einem Auftritt Rituale?

 

Mein Ritual ist, so spät wie möglich vom Hotel loszufahren. Wir haben auch schon erlebt, dass mein Detlef in Münster eine falsche Ausfahrt genommen hat. Also waren wir um 8 Uhr statt in der vollen Münsterland-Halle noch irgendwo im Auto. Dann habe ich in der Halle angerufen, habe gesagt: «Schickt die Musiker auf die Bühne. Ich ziehe mich hier im Auto um und komme vom Auto direkt auf die Bühne und singe das erste Lied!» Ich hasse nichts mehr, als drei Stunden vorher in einem Saal zu sein. Ich verliere die Motivation. Ich möchte gerne ganz kurzfristig davor reinrennen und arbeiten.

 

Das hat aber nichts mit Lampenfieber zu tun?

 

Ich habe überhaupt kein Lampenfieber.

 

Noch nie gehabt?

 

Sicherlich als Junge schon. Aber ich will mich nicht so wahnsinnig ernst nehmen. Meinen Beruf übe ich mit Leidenschaft aus. Und ich liebe es. Aber wenn ich von der Bühne runterkomme, bin ich innerhalb von fünf Minuten ein Typ, der mit seinen Musikern sitzt und Karten spielt und so was. Ich habe kein Problem, in ein einsames Hotelzimmer zu gehen. Ich denke nicht: «Mein Gott, vor fünf Minuten haben sie dir zugejubelt, und jetzt bin ich alleine da!» Das ist nicht mein Ding.

 

Sind Sie auch ein rationaler Mensch? Hat Aberglauben keinen Platz in Ihrem Leben?

 

Nein, hat er nicht. Ich würde lügen, wenn ich sage, ich habe das nicht als Sportler praktiziert. Man zieht den linken Handschuh zuerst an und solche Dinge … aber nein, jetzt vor meinen Shows habe ich keine Macken, die mir selber auffallen.

 

Waren Sie Golf-Profi? Oder was war das mit dem linken Handschuh?

 

Ich wollte Kricket-Profi werden, als ich nach Europa kam.

 

Und jetzt als Sänger nicht mehr der linke Schuh zuerst vor dem rechten?

 

Nein, in dieser Beziehung nicht. Da sind keine Marotten übrig geblieben gerade in den letzten 20, 30 Jahren, was die Bühne angeht. Ich will meine Ruhe haben vor einer Show. Einen Tag zu haben, der immer gleich abläuft, mag ich sonst nicht. Aber auf der Tournee möchte ich schon gerne um eine gewisse Zeit aufstehen, meistens im Zimmer frühstücken und dann on the road bis zum nächsten Ort. Einmal schlafen, eine Massage, dann ein kleiner Soundcheck, wobei ich meistens beim Soundcheck nicht dabei bin, ich habe sehr gute Sound-Männer, die wissen, wie meine Stimme klingt. Dann gehe ich so spät wie möglich in die Halle. Das ist meine Macke, was das angeht.

 

Gibt es irgendwelche Phobien? Gibt es irgendwas, wovor Sie Angst haben, Höhenangst, Platzangst? Tiere, denen Sie nicht begegnen möchten?

 

Nachdem ich einen Löwen im Arm hatte, und das war auch kein zahmer Löwe, würde ich sagen, Tiere sind willkommen. In Südafrika hat irgendein Fotograf zu mir gesagt: «Geh bitte rein in den Käfig!» Und ich weiß bis heute nicht, warum ich es getan habe. Da standen zwei Löwen, die waren beide drei, vier Jahre alt. Der Besitzer von diesem großen Gehege auf dem Land, der sagte: «Sie müssen nur aufpassen, wenn Sie reingehen, Sie müssen den Löwen in die Augen gucken! Das ist ganz wichtig!» Aus irgendeiner Fotogeilheit bin ich reingegangen, und ein Löwe ging nach links, und der andere ging nach rechts. Und ich stand da und sagte: «Ich kann nicht beiden gleichzeitig …»

 

(Prustet los:) … in die Augen gucken!

 

Zum Schluss endete es damit, dass ich mich ganz vorsichtig neben einem liegenden Löwen hingekniet habe und einen Arm um seine Schulter gelegt habe, und dann sagte der Fotograf: «Scheiße, ich habe keinen Film!», und rannte los und holte sich einen Film. Das Foto existiert irgendwo.

 

Und Sie hatten keine Angst?

 

Nein, es gibt nicht viel, wovor ich Angst habe. Wenn ich ernsthaft antworten darf – ich habe am meisten Angst vor Dummheit. Gerade in unserer heutigen Welt etwas, was wir mehr und mehr sehen. Gerade bei Politikern. Ich mache mir darüber sehr viele Gedanken. Es passieren Dinge, bei denen ich sage: «Wo sind wir hingekommen? Das kann nicht wahr sein!» Das ist wirklich meine größte Phobie.

 

Das können wir sehr gut nachvollziehen. Gibt es denn Rituale zu Weihnachten oder zu Silvester oder zu Geburtstagen, wo Sie sagen: «Das möchte ich einfach jedes Jahr so feiern, das macht mich froh und glücklich»?

 

Mein Lieblingsritual, was Weihnachten angeht, ist schnell abzuhauen. Ich bin aber durch meine Patchwork-Familie gezwungen, Weihnachten zu zelebrieren. Die treffen sich irgendwo in Florida oder in letzter Zeit in München, und ich versuche, den Frieden zu wahren zwischen meiner ehemaligen und meiner jetzigen Frau und den beiden Brüdern, die verschiedene Mütter haben. Also, da stehe ich schon mittendrin, wenn es um Weihnachten geht. Ich bin nicht böse, wenn die Woche vorbei ist.

 

(Wir haben uns sehr herzlich für seine Offenheit bedankt und vor lauter Aufregung vergessen, ihn um ein Autogramm zu bitten. Wimmer.)

Des Wahnsinns fette Beute: Macken und Marotten auf der Spur
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