Alfred Biolek

«Nichts! Nichts! Ist mein ‹Lieblings›!»

Alfred Franz Maria Biolek wurde am 10. Juli 1934 in Fryštát/Freistadt, Mährisch-Schlesien, heute Karviná (Karwin), damals Tschechoslowakei, heute Tschechien, geboren. Der Name Alfred bedeutet so viel wie «Der von Elfen beratene» und wird teilweise auch mit «Der Elfenfürst» übersetzt. Unser kleiner Elfenfürst verbrachte eigenen Angaben zufolge eine glückliche Kindheit und studierte auf Anraten des Vaters Jura. Als promovierter Jurist wurde er beim ZDF zunächst als Assessor im Justiziariat eingestellt. Wir gehen davon aus, dass spätestens zu diesem Zeitpunkt die Elfen ihre beratende Tätigkeit aufnahmen und ihn in die Unterhaltung dirigierten. Dort wurde er sowohl hinter, als später auch vor der Kamera ein erfolgreicher und vor allem innovativer Produzent, Talkmaster und Entertainer.

Ich (Conny) durfte ihn schon 1980 kennenlernen. Meine Mutter war zu Gast in «Bios Bahnhof», und von diesem Zeitpunkt an verband die beiden eine wunderbare, tiefe Freundschaft. Alfred begleitete sie zu vielen, zunächst steif anmutenden Anlässen. Die beiden ignorierten Protokoll und Knigge und amüsierten sich dabei köstlich. Er entführte Mildred häufig in das bunte, schrille Kölner Nachtleben, und die zwei sind nicht nur ein Mal im Morgengrauen Arm in Arm singend aus dem Hotel Timp (einer ehemaligen Künstlerklause, in der bis zum Morgen Travestie-Shows geboten wurden) gewankt. Ich erinnere mich noch lebhaft daran, wie unbeschwert und glücklich meine Mutter in seiner Gesellschaft war. Alfred, danke für Dich!

Ich (Hella) kannte Alfred Biolek selbstverständlich schon lange aus dem Fernsehen. Alfred gab zu seinem 50. Geburtstag eine spektakulär große Party. Dada Stievermann, Dirk Bach und ich feierten zu diesem Zeitpunkt Triumphe als Comedy-Truppe «Die Stinkmäuse». In unserem Programm hatten wir eine Nummer, bei der wir uns eine beliebige Person aus dem Publikum griffen, sie als erfundene Berühmtheit auf die Bühne setzten und die Unterhaltungs-Show «Das ist Ihr Leben» (damals von Carlheinz Hollmann moderiert), von uns umgetauft in «Das war Ihr Leben», nachspielten. Das Publikum der FILMDOSE oder der CHARADE schrie und tobte vor Begeisterung. Mit dieser «Bank» wurden wir zu besagter Party als Überraschung für Alfred eingeladen. Er wurde von uns gebeten, auf der Bühne Platz zu nehmen, und wir legten los. Nun war Alfred Biolek tatsächlich eine Berühmtheit, die es zudem hasste, im Mittelpunkt zu stehen. Jede Pointe ging komplett nach hinten los. Alfreds Mundwinkel wanderten immer mehr Richtung Bühnenboden (Angela Merkel ist ein Smiley dagegen), und im Saal herrschte Grabesstille. Wir erlebten das peinlichste Fiasko unserer bis dahin so fröhlichen Bühnenkarriere.

Anschließend saßen wir wie versteinert in der Garderobe, und es herrschte bedrücktes Schweigen. Dicki und ich weinten leise vor uns hin, und Dada nippte still an ihrem Sekt. Plötzlich sprang sie auf und rief: «So! Und welchen Geburtstag machen wir jetzt kaputt?»

Gott sei Dank, oder soll ich sagen Elfen sei Dank, ist Alfred nicht im Geringsten nachtragend und hat bei späteren Begegnungen kein Wort über diesen Vorfall verloren.

Für das folgende Gespräch durften wir ihn in seinem neuen Domizil in Köln besuchen. Wir waren über die Lage und die geschmackvolle Einrichtung komplett aus dem Häuschen. Alfred verwöhnte uns auf seinem großen Balkon während des Gesprächs mit Käsekuchen und Rhabarbersaft. Dieser leckere Saft ist seit diesem Nachmittag fester Bestandteil in unserem Getränkeensemble.

 

HvS: Lieber Alfred, wir wissen ja, dass du ein passionierter Koch bist. Jetzt interessiert uns natürlich sehr, ob es bei der Vorbereitung oder beim Kochen selbst bestimmte Rituale gibt, die für dich wichtig sind.

 

AB: Ich habe ja mehrere Kochbücher herausgebracht, zwei davon mit Eckart Witzigmann zusammen. Vor ungefähr zwei Jahren ist ein Buch erschienen mit dem Titel: «Die Rezepte meines Lebens». Da sind alle meine gesammelten Rezepte drin, es sind über 600, vermute ich. Man braucht eigentlich nur noch das eine Buch, dann hat man sie alle. Ich koche, obwohl ich schon so lange koche und viele dieser Rezepte schon hundertmal gemacht habe, immer nach dem Kochbuch. Das fängt damit an, ganz ritualisiert, dass ich mir überlege, was koche ich heute oder nächste Woche. Dann wähle ich ein Rezept aus, setze mich hin und schreibe die Zutaten auf. Anschließend schaue ich, was ich von diesen Zutaten schon im Haus habe, und das streiche ich wieder. Mit dem Zettel ziehe ich los und kaufe ein. Wieder zu Hause angekommen, beginne ich streng nach vorliegendem Rezept zu kochen.

 

Obwohl du das Gericht in deinem Leben wahrscheinlich doch schon zehn-, zwanzig-, dreißigmal gekocht hast?

 

Manche, nicht alle, aber einige habe ich sogar schon viel öfter gemacht.

 

CS: Wenn du jetzt das Kochbuch nicht hättest, könntest du doch bestimmt auch einige Rezepte aus dem Kopf kochen. Du möchtest es aber, weil es zum Ritual gehört, gerne aufblättern?

 

Da ich das immer so gemacht habe, würde ich heute, wenn ich ohne Kochbuch kochen würde, sicherlich immer was vergessen. Davor habe ich Angst. Es ist mir über die Jahre einfach zu einem schönen Ritual geworden, mich bis ins kleinste Detail an meine Kochbücher zu halten. Die Gäste danken es mir übrigens.

 

Es hat doch bestimmt auch etwas mit der Freude an deinen schönen Büchern zu tun?

 

Ja, natürlich! Ich habe jedoch zeit meines Lebens nach Rezept gekocht. Übrigens habe ich nebenbei noch zwei bis drei andere Sachen gemacht. Es ist ja nicht so, dass Kochen meine Hauptbetätigung war. Das Kochen hat mich aber tatsächlich das ganze Leben begleitet. Meine ersten Rezepte habe ich alle von meiner Mutter. Sie hat sie mir erzählt, und ich habe alle aufgeschrieben. Damals habe ich alles noch fein säuberlich mit der Hand geschrieben. So entstand, wenn ihr so wollt, mein erstes Kochbuch, in das ich dann immer reingeguckt habe.

 

War das Kochen immer Entspannung für dich?

 

Oh ja! Das ist es auch heute noch.

 

Gibt es denn in deinem Leben kein Gericht, das du selber kreiert hast? Hast du ausschließlich nach Rezepten anderer Menschen gekocht?

 

Ja. Ich habe keines selber kreiert.

 

Du siehst mich aber überrascht, denn du bist ja ein kreativer, phantasievoller Krebs.

 

Ich habe meine Phantasie auf andere Dinge verlagert, zum Beispiel auf die eine oder andere Sendung. Allerdings war die Wahl der Speisen und wie ich sie dann präsentiert habe, wie ich den Tisch gedeckt habe, sehr kreativ. Aber gekocht habe ich immer nach Rezept.

 

Jetzt bist du ja ein großer Kommunikator. Du kennst ja wahnsinnig viele Menschen, machst sie miteinander bekannt, hast in Berlin große, opulente Einladungen für 60 Leute und mehr gegeben. Kochst du für bestimmte Menschen spezielle Gerichte?

 

Nein. Aber ich weiß natürlich bei vielen – und wenn ich es nicht weiß, frage ich auch –, was sie nicht gerne essen. Ich erkundige mich schon, was sie nicht gerne essen, und dann mache ich eben was anderes. Immer nur Fisch oder immer nur Fleisch, nein.

 

Ich hatte den Verdacht, dass du bestimmte Speisen bestimmten Menschen zuordnen würdest. Dann hätte ich nämlich nachgefragt, ob es einen Grund hatte, dass wir damals bei dir Wildschwein mit Serviettenknödel serviert bekamen. Wir schwärmen heute noch davon!

 

Ich muss dich leider enttäuschen, liebe Hella. Es ist nicht so, dass ich für bestimmte Menschen ein bestimmtes Gericht oder eine bestimmte Art von Gerichten im Kopf habe, nein. Gerade Wildschwein und Wild generell hängt von der Jahreszeit ab. Im Hochsommer wart ihr mit Sicherheit dann nicht bei mir zu Gast.

 

Bist du denn auch tapfer, wenn Gäste bestimmte Wünsche äußern? Wenn die sagen: «Mensch, Alfred, ich will jetzt einen Karpfen.» Sagst du dann: «Kinder, das ist mir zu aufwendig. Heut gibt es bei mir eine Sardelle.»

 

Bis jetzt kann ich mich nicht erinnern, dass sich jemand etwas Spezielles gewünscht hat.

 

Was ist für dich das Sinnlichste oder auch Entspannendste bei diesem ganzen Gewerkel? Das Schnippeln der Zutaten? Das Köcheln? Das Servieren? Das Essen? Was ist das Schönste?

 

Das Schönste ist eigentlich, dass man dann am Tisch sitzt mit seinen Gästen und gemeinsam das Ergebnis der Schnippelei, des Rührens und des Kochens eben gemeinsam genießt. Natürlich freue ich mich, wenn die Gäste dann sagen: «Mmmh, das schmeckt gut!» Ich liebe es, mit angenehmen Gästen bei einem guten Essen positiv zu kommunizieren.

 

Bist du auch gerne bei anderen zu Gast? Gibt es Menschen, die genauso gut kochen wie du?

 

Ja, und das hängt nicht vom Kochen ab. Ich bin gerne Gast, auch wenn der Gastgeber nicht so doll kochen kann. Das ist nicht das Entscheidende. Mich freut die Atmosphäre, mich freut das Zusammensein, die Gespräche.

 

Hast du denn ein Lieblingsessen?

 

Nein.

 

Echt nicht?

 

Nein.

 

Auch nicht von deiner Mutter selig von früher?

 

Ich habe überhaupt nichts «Lieblings» in meinem Leben.

 

Ach.

 

Ich habe keine Lieblingsfarbe, ich habe kein Lieblingsbuch, ich habe kein Lieblingsland. Ich habe keine Lieblingsmusik, ich habe nichts Lieblings. Ich werde ja dauernd gefragt: «Welches war Ihr Lieblingsgast in all den Jahren?» Ich kann es nicht sagen. Genauso wenig kann ich die Frage nach meinem Lieblingsgericht beantworten. Ich bin kein Mensch, der sich gerne festlegt. Das ist wahrscheinlich der Grund, warum ich diese Sendungen machen konnte. In einer Woche war der Staatsmann Putin zu Gast, in der nächsten Woche waren es Menschen mit Behinderung. Diese totale Mixtur. Mein Leben war immer ganz offen nach allen Seiten. Das gilt fürs Essen, das gilt für Reisen, das gilt für die Bücher, für alles. Ich habe nichts Lieblings.

 

Aber du hast doch ein Ferienhäuschen in Griechenland. Hätte das auch auf Sizilien oder in Frankreich stehen können? Hat das nichts mit dem Land zu tun?

 

Doch, es hat mit dem Land zu tun. Ich würde es jedoch trotzdem nicht mein Lieblingsland nennen. Durch eine Aneinanderreihung von Zufällen hat es mich in jungen Jahren dorthin verschlagen. Ich war als 16-Jähriger im Schüleraustausch in Amerika. Am Ende des Jahres nahm ich an einer 14-tägigen Busreise quer durch das Land teil. Immer wieder setzte ich mich mit einem jungen Mädchen aus Athen zusammen. Wir freundeten uns an, und wenig später unternahm ich eine Reise nach Athen, nicht zuletzt, um auch sie dort wiederzusehen. Das war meine erste Reise nach Griechenland, und es sollten noch viele folgen. Land und Leute hatten es mir angetan, und so habe ich mir später dort ein Urlaubsdomizil errichtet. Wer weiß, wäre die junge Dame in Istanbul beheimatet gewesen, hätte ich jetzt vielleicht ein Häuschen irgendwo in der sonnigen Türkei. Griechenland ist wunderschön, ich möchte es aber nicht als mein Lieblingsland bezeichnen.

 

Wenn du sagst, du hast keine Lieblings und nichts Lieblings, keine Lieblingsmusik, kein Lieblingsland, gibt es denn auf der anderen Seite Dinge, die dich sehr anstrengen oder die du verabscheust? Gibt es eine Farbe, von der du sagst: «Damit würde ich niemals meine Wand streichen?»

 

Nein.

 

Gibt es eine Musik, wo du sagst: «Davon würde ich mir niemals eine CD kaufen?»

 

Nein.

 

Willst du dich nicht festlegen auf Lieblings, oder ist es einfach so, dass du für alles offen und empfänglich bist?

 

Ich bin ein Generalist. Mein Leben lang war das immer so. Auch bei den Sendungen, diese unterschiedlichen Dinge, was ich da alles gemacht habe. Gerade in «Bios Bahnhof» hatten wir klassische Sänger, Dirigenten mit großem Orchester, Opernsänger, aber genauso die verrücktesten Leute zu Gast.

 

Vielleicht hat das deinen großen Erfolg ausgemacht, dass du auf jeden Gast offen zugegangen bist.

 

Ja, vielleicht.

 

Du hast aber schon Lieblingsmenschen?

 

Ja, das ja. Aber das sind eben auch viele. Es gibt natürlich Leute, die mir nichts sagen. Das ist ja klar. Und es gibt andere, bei denen der Funke überspringt. Vorhin habe ich von der Busreise durch Amerika erzählt. Ich fuhr in diesem Bus zwei Wochen durch das Land, und plötzlich stellte ich nach einer Woche fest, dass ich von zehn Mal acht Mal immer neben derselben Person gesessen habe. Dafür muss es einen Grund geben. Es ist mit der Freundschaft genauso. Man lernt jemanden kennen, und dann bleibt er. Ich habe so viele Kandidaten bei «Mensch Meier» kennengelernt. Heute kann ich mich nicht an einen einzigen auch nur vage erinnern. Mit einer Ausnahme! Das ist die Lea Linster, eine Köchin aus Luxemburg, mit der ich heute noch ganz eng befreundet bin. Wir waren zusammen in New York, und sie hat auch schon hier in meiner Küche gekocht. Lea wurde von einer Kandidatin zu einer Freundin. Warum? Weil wir beide die gleiche Wellenlänge und die gleichen Interessen haben. Ich behaupte, irgendwie riecht man es, ob jemand zu einem passt oder nicht. Das ist so ein Gespür.

 

Aber bei Menschen ist es schon so, dass du jetzt nicht sagen würdest: «Ich habe 20 Menschen, für die ich gleich empfinde.»

 

Nein.

 

In der Liebe oder in der Freundschaft bist du durchaus bereit, dich festzulegen?

 

Ja, absolut.

 

Gibt es etwas, was dir bei Menschen richtig auf die Nerven geht? Wo du keine Toleranz kennst?

 

Natürlich!

 

(Er macht sich kurz Gedanken.)

 

Wenn mich die Menschen belügen. Aber das erlebe ich nicht oft.

 

Ich möchte nochmal auf Hellas Frage zurückkommen, ob es bei Menschen etwas gibt, was dich über alle Maßen stören würde. Du hast diese Frage sehr diplomatisch beantwortet. Folgende Situation: Du kochst für Menschen, von denen du nicht alle kennst. Viele bringen einen Bekannten mit, und du kochst ein hervorragendes Essen. Alle lieben es, aber einer der Gäste hat überhaupt keine Tischmanieren. Er isst mit den Ellenbogen auf dem Tisch und rülpst nach dem Dessert durch deine gute Stube.

 

(Wie aus der Pistole geschossen:) Das wäre das klassische Beispiel für jemanden, mit dem ich mich nicht anfreunden würde. An dem Abend würde ich nichts sagen, ich würde nur denken: «Der wird nicht ein zweites Mal eingeladen.» Verstehst du? Ich sage zu mir: «Okay. Dann soll er so sein, wie er ist, aber er passt nicht zu mir.»

 

Du warst ja viele Jahre im Showbusiness tätig. Hast du mit Aberglauben zu tun? Gab es etwas, was vor einem Auftritt nicht passieren durfte, was du als schlechtes Omen empfunden hast?

 

Nein.

 

Bist du als Jurist ein durch und durch rationaler Mensch?

 

Ja, ich bin ein durch und durch rationaler Mensch. Das klingt langweilig, ist aber so.

 

Ich sehe diesen Ring an deinem Finger nicht zum ersten Mal. Ist er ein Talisman für dich?

 

Ja, schon. Den hat Keith, mein damaliger Partner, von dem Tisch anfertigen lassen.

 

Von dem Tisch?

 

Von dem berühmten, schönen Tisch, den du, Conny, auch so liebst. Unten am Fuß hat er ein kleines Stückchen Holz rausgeschnitten und diesen Ring bei einem Goldschmied fertigen lassen. Die Idee kam von seiner Tante. Die war zu Besuch hier und hat gemerkt, welchen Bezug ich zu diesem Tisch habe. Einige Zeit später, wir feierten auf einem Schiff vor der türkischen Küste, hat er ihn mir überreicht.

 

Jetzt haben wir dich ertappt! Wenn das nicht ein LIEBLINGSring ist, dann heiße ich nicht mehr von Sinnen.

 

(Grummelnd:) Jaaaaa.

 

Komm Alfred, Butter bei die Fische! Wenn der weg wäre, wärst du traurig.

 

Ja, aber – Lieblingsring heißt ja, dass ich –

 

– andere nicht so schön finde? Ist das dein einziger Ring?

 

Ich habe tatsächlich nur den.

 

Okay.

 

Ich würde sonst nichts Lieblings nennen, aber ich mag den gerne.

 

Wo wir gerade deinen Tisch erwähnt haben. Liebe Lesenation, es gibt hier einen wunderschönen Tisch bei Alfred im Esszimmer, der über 200 Jahre alt ist. Da du ihn aber schon 60 Jahre hast, sind es am End fast 300 Jahre. Weißt du noch, wie du den entdeckt hast oder warum dieser Tisch dich angesprungen hat?

Mein Bruder kannte, als er noch in Köln lebte, einen sogenannten «Aufkäufer». Darunter versteht man Antiquitätenhändler, die übers Land fahren und alte Möbel, die in Scheunen zu verrotten drohen, Bauern oder Gutsbesitzern abkaufen. Diese werden dann im Bedarfsfall restauriert und ausgestellt. Ich fuhr also zu besagtem Händler, da ich dringend einen Tisch benötigte, und entdeckte in einer seiner Hallen ungefähr 15 identische Exemplare dieses Tisches. Ich habe mir dann einen ausgewählt und gekauft. Zwei Jahre später war ich in einem Restaurant in München, und dort standen die anderen «Geschwistertische». Begeistert fragte ich den Geschäftsführer nach Herkunft und Bezeichnung seiner Tische. Er hatte sie tatsächlich beim selben Händler erworben und nannte sie Rhön-Tische, was sich bei meiner Recherche als falsch herausgestellt hat. Bis heute kenne ich den korrekten Namen meines Tisches nicht.

 

Ich glaube, ich weiß, wie dieser Tisch heißt. Der heißt «Lieblingstisch». Alfred, so leid es mir tut, du hast einen Lieblingstisch!

 

Obwohl dieser Tisch offensichtlich ja Brüderchen und Schwesterchen hat, würdest du so weit gehen zu sagen, der hat so etwas wie Magie für dich?

 

Ja, wenn ich einen anderen von denen gekauft hätte, wäre das aber auch der Fall.

 

Wenn du so über dich nachdenkst, würdest du sagen, du hast einen Tick? Gibt es irgendeine Macke, von der du sagst: «Das haben andere nicht, die hab nur ich»?

 

Die Ticks, die ich habe, sind nicht so dominant, dass ich sie spontan benennen könnte. Wenn mich jemand darauf aufmerksam machen würde, würde ich sagen: «Ja, das stimmt!»

 

Was ist denn mit deiner Brille? Du trägst, seitdem ich dich kenne, runde Brillen. Du hast dich nie für ein eckiges Modell entschieden. Würdest du sagen, das ist eine Marotte?

 

Vielleicht.

 

Eine liebgewordene Angewohnheit?

 

Diese Brille hat mir meine erste große Liebe empfohlen. Mit der Zeit wurde es ein Teil von meinem Image, und dann habe ich es halt gelassen. Hätte er mir damals zu einer eckigen Form geraten, hätte ich heute ’ne viereckige Brille auf der Nase.

 

Willst du uns damit sagen, dass du ein Gewohnheitsmensch bist? Hast du Veränderung nicht gerne?

 

Ich denke, ja. Ja, ich bin ein Gewohnheitsmensch!

 

Was wäre für dich auf der berühmten einsamen Insel unverzichtbar?

 

Menschen! Das Einzige, was ich immer vermissen würde, wären Menschen. Ich brauche Menschen.

 

Begleiten dich Lampenfieber, Höhen- oder Platzängste im Leben?

 

Im Grunde genommen habe ich keine Ängste. Früher allerdings, bei meinen allerersten Auftritten hatte ich mit leichtem Lampenfieber zu kämpfen. Das verflog dann aber im Laufe der Jahre.

 

Du sprichst jetzt von deiner ersten Talkshow «Kölner Treff»?

 

Ja, wobei die ersten Gehversuche nicht im Fernsehen, sondern im «Senftöpfchen» stattfanden.
Dort habe ich eine Talkshow ohne Fernsehen gemacht. Die Idee dazu stammt aus Israel und fand dort jeden Sonntag in einem Hotel nur für geladene Gäste statt. Dieses Konzept gefiel mir auf Anhieb, ich wählte jedoch ein kleines Theater als geeigneten Ort dafür. Ich erfuhr, dass der Besitzer des «Senftöpfchens» kurz zuvor verstorben war. Dort lief wenig Programm, und so wurde ich bei der Witwe, die heute noch immer die Prinzipalin dieses Hauses ist, vorstellig. «Pardon, mein Name ist Alfred Biolek. Ich würde gerne bei Ihnen eine Talkshow machen.» Daraufhin hat sie, ich weiß es noch wie heute, wörtlich gesagt: «Ich habe keine Ahnung, was das ist, aber bitte, machen Sie.»

 

Hast du das da schon mit Dieter Thoma zusammen gemacht?

 

Nein, das habe ich ganz alleine, natürlich mit meinen wechselnden Gesprächsgästen moderiert. Der WDR fand das ganz toll, hat es mir aber allein nicht zugetraut.

 

Alfred, wie kommt es, dass ich mir dich nicht mit Tieren vorstellen kann?

 

Wir hatten in meiner Kindheit unheimlich viele Tiere, aber nur, um sie zu essen. Sehr viele Kaninchen, viele Hühner und Gänse. Ich habe als Kind Tiere nur als Nahrungsmittel kennengelernt.

 

Wie schön, dass du heute keine Tiere mehr hast.

 

Bist du jemand, der ins Meer schwimmen geht? Oder sagst du: «Das ist alles mein Essen, was im Meer schwimmt.»

 

Nein, nein, ich schwimme im Meer.

 

Erinnerst du dich an ein Gericht aus deiner Kindheit, das es nicht mehr gibt und was du schmerzlich vermisst?

 

Nein.

 

Nein? Kannst du heute noch alles nachkochen, was deine Mutter damals auf den Tisch gezaubert hat?

 

Ja, wir haben ja anfangs schon über Serviettenknödel mit Wild geschwärmt. Das waren so die typischen Speisen, die meine Mutter häufig gemacht hat. Vieles, was typisch war für diese österreichisch-tschechische Küche, gibt es heute nicht mehr, aber das bedauere ich auch nicht dramatisch.

 

War dein Umzug von Berlin zurück nach Köln eine gute Entscheidung?

 

Ja. Jetzt lebe ich wieder ganz anders als die vergangenen Jahre in Berlin. Interessant, dass dieser Unfall, den ich hatte, eben auch sein Positives hat. Heute lebe ich in einer ganz anderen Welt, in der ich mich sehr wohl fühle.

 

Bezeichnest du rückblickend dein Leben als reich und erfüllt?

 

Oh ja! Ich lebe ein sehr schönes, angenehmes, gutes Leben. Ich habe auch keine Probleme, an den Tod zu denken. Wenn ich mal irgendwann da liege und weiß, jetzt ist es vorbei, dann lasse ich einfach nochmal all diese tollen Jahre an mir vorbeiziehen.

 

Darf ich fragen, ob du glaubst, dass es danach weitergeht?

 

Da bin ich mir unsicher. Ich weiß es nicht. Ich bin katholisch und sehr streng katholisch erzogen worden. Aber das hat sich im Laufe der Jahre aufgelöst. Ich habe noch einen gewissen Bezug zur Religion und bin auch noch zahlendes Mitglied der katholischen Kirche. Ob und wie es weitergeht, davon habe ich keine richtige Vorstellung. Weder dass es auf keinen Fall etwas gibt, noch dass es etwas gibt.

 

Dass du noch Mitglied in dem Club bist, wundert mich jetzt. Da laufen doch so viele Dinge, über die man die Nase rümpft.

 

Ich glaube, wenn ich ausgetreten wäre, hätte sich meine Mutter –

 

– im Grabe umgedreht?

 

Aber nicht nur ein Mal! Das wäre so laut gewesen, dass die Leute, die auf den Friedhof spazieren, sagen würden: «Was ist denn da los? Das ist ja ein Wahnsinnsgeräusch!» Meine Mutter hätte sich nicht nur ein Mal um die eigene Achse gedreht, sie hätte gar nicht mehr aufgehört, sich zu drehen.

 

Also gibt es doch was danach, wenn du davon ausgehst, dass deine Mutter keine Ruhe gefunden hätte.

 

Wahrscheinlich, aber ich weiß nicht, was.
Des Wahnsinns fette Beute: Macken und Marotten auf der Spur
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