5

»Pete. Oh, Pete! Bitte wach auf!«

Er kannte diese Stimme.

Pete kämpfte sich durch den Nebel hindurch, um wieder zu Bewusstsein zu kommen. An diesem Punkt war er schon einmal gewesen. Er wusste, dass er träumte. Wusste, dass es töricht war, sich erneut davon aufsaugen zu lassen, denn wenn er wieder erwachte, würde er sich unweigerlich noch zehnmal schlechter fühlen.

Doch ihr Geruch war allzu gegenwärtig. Sauber, frisch, mit einem Rest des Nachtjasmins, den sie immer geliebt hatte. Und doch irgendwie mächtiger, würziger, mehr sie. Ehe er es verhindern konnte, griff er nach ihr, um ihre Arme mit den Fingern zu umfassen und sie zu sich zu ziehen.

Ihre Haut war so seidig zart, wie er sie in Erinnerung hatte, ihre Hitze wärmte noch den kältesten Ort tief in seiner Brust. Seine Augen öffneten sich allmählich, und wie durch einen Schleier sah er ihr Gesicht. Ihr wunderschönes, vertrautes Gesicht.

Okay, vielleicht war es bescheuert, aber selbst wenn es ein Traum war, so war es dennoch sie.

»Kat.« Er legte ihr die Hand um den Nacken und näherte ihren Mund dem seinen.

Und stöhnte, sobald sie sich berührten.

Sie zögerte. Er konnte es spüren. Dann verbannte er den Gedanken aus seinem Kopf und schlang seine Arme fest um sie. Ihr sanftes Schnurren, als sie in seiner Umarmung zerfloss, ermutigte ihn. Er küsste sie wieder, ließ sich auf den Boden fallen und zog sie mit sich.

»Pete«, sagte sie dicht an seinem Mund. »Ach, ich sollte das nicht «

Ja, er sollte das auch nicht. Er würde den Inbegriff aller feuchten Träume an seinen Händen haben, wenn er aufwachte, aber wen zum Teufel kümmerte das jetzt noch?

Seine Finger fanden den Bund ihres Sweatshirts, und er schob es nach oben, glitt mit seinen Händen über die glatte Haut ihres Rückens, nach vorne zu ihren Rippen. Die leichte Berührung ließ sie nach Luft schnappen und schwer wieder ausatmen. Jeglicher Einspruch, den sie auf ihren verlockenden Lippen gehabt haben mochte, war verstummt, als sie seinen Kuss erwiderte.

Augenblicklich erwachte seine Erektion zum Leben. Er packte Kat an den Hüften und zog sie dicht an sich heran. Jenes betörende Schnurren, das tief aus ihrem Inneren kam, verwandelte sich in ein schmerzvolles Maunzen, das seiner Erfahrung nach bedeutete, dass sie genauso verrückt nach ihm war wie er nach ihr.

Er küsste sie noch heftiger, wusste, er würde niemals durchhalten, wenn sie sich weiterhin so an ihm rieb und ihm nicht schleunigst diese Klamotten vom Leib riss, seine pulsierende Erregung befreite, auf ihn stieg und ihn augenblicklich nahm.

Verflucht, er scherte sich nicht einmal darum, dass er in dieser abgefahrenen Fantasie auf einem kalten Betonboden lag, sein Kopf immer noch von einem Kater pochte, der sich gewaschen hatte, oder dass seine Zehen fast taub waren. Seine einzige Sorge war, wie er sie aus den Kleidern bekam und sich in sie versenken konnte, bis ihr heißer, süßer Duft ihn umströmen und sie seinen Namen schreien und mit einer Heftigkeit kommen würde, die

Moment! Er konnte sie riechen.

Die Zeit schien stillzustehen, während diese Erkenntnis zu ihm durchdrang.

Sein Herz machte einen Satz. Während sein ganzer Körper erschauderte, fuhr sie fort, ihn zu küssen.

In all seinen fieberhaften Fantasien, wieder bei Kat zu sein – über deren Verlust er niemals hinweggekommen war, sosehr er es auch versucht hatte –, hatte er sie immer sehen können, er hatte sie spüren und sogar bis zu einem gewissen Grad schmecken können. Doch niemals, nicht ein einziges Mal, hatte er sie in diesem immer und immer wiederkehrenden Traum riechen können.

Jetzt konnte er es.

Auch sie war heiß. Wie flüssige Hitze an seiner Haut, wo sie sich immer tiefer in ihm vergrub.

Träume konnte man nicht riechen, und so sicher wie das Amen in der Kirche waren sie nicht warm.

Verwirrt und gefangen in einem Zustand zwischen Traum und Wirklichkeit, packte er ihre Arme, stieß sie zurück und blinzelte, um in ein Gesicht zu blicken, das er nicht erwartet hatte, jemals in seinem Leben wiederzusehen.

»Kat?« Krächzend brachte er das Wort hervor und wagte nicht, sich zu rühren, als diese großen Augen von der Farbe geschmolzener Schokolade über sein Gesicht wanderten.

»Ja«, flüsterte sie. »Ich bin’s wirklich.«

Unmöglich.

Er fuhr hoch, hatte keine Ahnung, was hier los war. Alles, was er mit Sicherheit wusste, war, dass seine kranken Sexfantasien bisher nie in einen derartigen Irrsinn abgedriftet waren. Mit großer Mühe erhob er sich vom Boden und wurde beinahe wieder umgehauen von einer Welle der Übelkeit, die ihn zwang, abermals nach der Türklinke zu greifen, um nicht von Neuem in die Knie zu gehen.

Ehe er sich orientieren konnte, stand sie schon neben ihm. »Ich weiß, wie das für dich aussehen muss, aber wenn du mir nur eine Minute gibst, kann ich dir alles erklären.« Sie klang verzweifelt. Ein wenig ängstlich. Und völlig neben sich.

Verdammter Mist! Damit waren sie schon zu zweit. »Was zum « Das Pochen traf seinen Schädel wieder mit der Wucht eines Presslufthammers, und er presste sich die Finger auf die Schläfen. »Das ist nicht real«, murmelte er zu sich selbst, während er seinen Kopf heftig schüttelte. »Das kann nicht real sein. Ich habe einen Kater. Einen ausgewachsenen Kater. Oder einen Hirntumor. Eins von beidem.« Er kniff fest die Augen zusammen. »Kernspin. Genau. Ich brauche eine Kernspinuntersuchung.«

Sie streckte die Hand nach ihm aus. »Lass mich –«

Er zuckte zusammen und schreckte vor ihr zurück. Er fürchtete, nicht mehr geradeaus denken zu können, wenn sie ihn noch mal berührte. Und gerade jetzt musste er seinen blöden Kopf klar kriegen, um rauszubekommen, was in Gottes Namen hier los war.

Sie zog ihre Hand weg, als hätte sie sich an ihm verbrannt, griff an eine Art Anhänger um ihren Hals und umschloss ihn mit ihren Fingern. »Das Mindeste, was du tun könntest, wäre, dir anzuhören, was ich zu sagen habe, Pete. Glaub mir, ich hätte dich da nicht reingezogen, wenn es irgendeinen anderen Ausweg gegeben hätte.«

Er hörte ihre Worte kaum, nahm aber deren scharfen Tonfall wahr. Obwohl das Einzige, worauf er sich in diesem Moment konzentrieren konnte, das Amulett war, das sich in ihrer Faust verbarg.

Er schob ihre Hand fort und betastete die silberne Medaille zwischen ihren Brüsten.

Judas Thaddäus, der Schutzheilige hoffnungsloser Fälle. Kat hatte das Amulett immer getragen. Es niemals abgenommen. Und die urplötzliche Erinnerung daran, wie dieser Talisman auf seine Brust fiel, wenn sie sich geliebt hatten, war so lebendig und real wie das warme und greifbare Gewicht, das jetzt in seiner Hand lag.

Seine Augen schnellten zu ihrem Gesicht hoch.

Sie war real. Das hier passierte wirklich, und – Himmel noch mal! – sie lebte.

Seine Welt wurde aus den Angeln gehoben. Sein Instinkt übernahm die Kontrolle über seinen Körper, und mit einer Bewegung, die so abrupt war, dass sie nach Luft schnappte, packte er Kat hart, zog sie dicht an seine Brust und küsste sie mit aller Inbrunst.

»Kit-Kat«, murmelte er an ihren Lippen.

Aber ebenso rasch, wie sich Freude und Euphorie in ihm aufgebäumt hatten, waren sie auch wieder verpufft.

Sie war am Leben. War es die ganze Zeit gewesen und hatte nicht versucht, Kontakt zu ihm aufzunehmen. Nicht ein einziges Mal in sechs Jahren. Während er sich selbst die Schuld gegeben, wie ein Kleinkind über ihren Tod geheult oder sich nichts sehnlicher gewünscht hatte, als mit ihr tauschen zu können. Nein, statt ihn ausfindig zu machen, wie er es an ihrer Stelle getan hätte, hatte sie ihr Leben irgendwo fortgesetzt, gesund und munter und offensichtlich unversehrt.

Er unterbrach den Kuss, schob sie eine Armlänge von sich weg und blickte auf sie hinunter. »Du lebst? Nach all der Zeit bist du am Leben?«

Ihre Muskeln verkrampften sich unter seinen Händen. »Ich weiß, das ist schwer für dich zu begreifen, aber ich hatte meine Gründe. Ich hatte das heute Abend alles nicht so geplant. Ich hatte nicht geplant, dass du

Sie blickte auf sein Hemd hinab und verstummte.

Geplant. Das heute Abend.

Ihre Worte hallten in seinem Kopf wider, als schlagartig die Erinnerung zurückkehrte. Und gleichzeitig schien sich die Wirklichkeit in seiner Magengrube zu einem Knoten zu formen.

»Du warst im Auktionshaus. Du warst die Frau, die ich in der Menge gesehen habe.« Die, hinter der er wie ein liebeskranker Trottel hergejagt war.

»Ich – ich hatte gehofft, du würdest mich nicht sehen.«

Sie nicht sehen? Er ließ die Arme sinken. Der Knoten in seinem Magen zog sich immer mehr zusammen. Seine Gedanken rasten. Zu Marias Mund, wie er sich in der Limousine auf seinen gepresst hatte, wie sie zu Boden gefallen waren und er im Rückspiegel in jene Augen geblickt hatte, die exakt dieselbe Form und Farbe hatten wie diejenigen, in die er gerade vor sich sah.

»Und im Wagen. Warst du das auch?«

Sie nickte langsam. »Nachdem ich die beiden gesehen hatte, wollte ich nur fünf Minuten mit dir reden. Ich schwöre dir, mehr wollte ich nicht. Aber dann ging alles drunter und drüber, und« – sie schlug die Hände über dem Kopf zusammen – »ich hatte schließlich keine Wahl mehr.«

Keine Wahl?

Plötzlich gefiel ihm ganz und gar nicht, worauf alles hinauszulaufen schien. Es klang nicht nach der Wiedervereinigung, wie er sie sich in seiner Fantasie ausgemalt hatte.

Kat deutete seine Miene wohl richtig und versteifte sich. »Bevor du voreilige Schlüsse ziehst –«

»Voreilige Schlüsse?«, fuhr er sie an. »Du lebst und warst die ganze Zeit nicht ein einziges Mal in der Lage, einen gottverdammten Telefonhörer in die Hand zu nehmen und mir mitzuteilen, dass du doch nicht durch eine Autobombe in Kairo ums Leben gekommen bist? Oder hast du es etwa bloß verschwitzt?«

Sein Kopfschmerz nutzte die Gelegenheit, ihm einen Stich mitten in die Stirn zu verpassen. Er kniff die Augen zu, presste sich die Finger auf die Schläfen und beugte sich vor, um das Pulsieren abzumildern. »Scheiße, tut das weh!«

»Oh Pete!« Sie seufzte. »Kipp nicht um! Das schaffe ich nicht noch einmal. Ich weiß nicht einmal, wie viel sie dir verabreicht haben.«

»Verabreicht? Was soll denn das heißen?«

Kurz bevor sie ihn berühren konnte, hielt sie mit einem nervösen Gesichtsausdruck inne. »Ich ähm « Als er den Kopf hob, um sie anzustarren, zog sie die Schultern hoch und ließ sie schließlich mit einem Seufzer wieder fallen. »Ein Beruhigungsmittel. Ich weiß nicht, wie viel du abbekommen hast, aber du warst die letzten fünf Stunden weg.«

Langsam richtete er sich auf. »Moment mal. Willst du damit sagen, dass du mich unter Drogen gesetzt hast?«

Sie machte den Mund auf, um etwas zu sagen, schloss ihn dann aber schnell wieder, ohne zu antworten.

Und da traf ihn die ganze Wahrheit auf einmal wie ein Donnerschlag. Die Auktion, die Limousine, die Dunkelheit, die Kälte und sie hier, lebendig, allein in diesem Zimmer: Sie hatte ihn gar nicht aufgesucht. Sie war aus einem ganz anderen Grund auf der Auktion gewesen, und dort war irgendetwas schiefgegangen, was sie dazu gebracht hatte, ihn hinterhältig zu überfallen. Ja, je länger er darüber nachdachte, desto offensichtlicher wurde es, dass sie ihn seit ihrem angeblichen Tod hereingelegt hatte. Vielleicht sogar schon vorher.

Und war das nicht wirklich eine verdammte Ironie des Schicksals?

In diesem Moment, mit seinen rasenden Kopfschmerzen und dem schwachen Magen, interessierte es ihn einen feuchten Kehricht, was sie von ihm wollte oder warum sie ihn hierher gebracht hatte. Alles, was er denken konnte, war, dass sie die ganze Zeit quicklebendig und er innerlich so gut wie tot gewesen war.

»Ich bin schon raus.«

Er ging aus der Tür, durch die er eben hereingestolpert war, und schenkte dem Schock, der ihr ins Gesicht geschrieben stand, keinerlei Beachtung. Vom Zimmer hinter ihm fiel Licht in die Garage und beleuchtete den Wagen und die gegenüberliegende Werkzeugwand.

»Pete, warte!«

Ja, klar. Nie im Leben. Damit war es ein für alle Mal vorbei.

Er lief auf die wuchtige Tür am anderen Ende des Raums zu. Schritte hallten hinter ihm, während er an dem Schloss herumhantierte, doch er drehte sich nicht um, sah sie nicht an. Versuchte mit aller Kraft, nicht an sie zu denken.

Als er es schließlich schaffte, die Tür zu öffnen, wehte ihm Schnee ins Gesicht. Er hob die Hand, um den beißenden Wind abzuhalten, und machte versuchsweise ein paar Schritte in den Schnee hinaus.

Wo war er eigentlich? Weit und breit waren keine Lichter irgendeiner Stadt zu sehen. Mit seinen eleganten Schuhen sank er in den zwanzig Zentimeter tiefen Pulverschnee ein. Er stolperte.

Die Dunkelheit und die Schneeflocken, die ihm unaufhörlich über das Gesicht fegten, machten es ihm unmöglich, irgendetwas zu erkennen, doch die rationale Hälfte seines Gehirns sagte ihm: Wo immer er sich befand wo eine Garage war, musste auch ein Haus sein. Und in Häusern gab es Telefone.

»Pete! Bitte komm wieder rein! Du holst dir den Tod da draußen!«

So blau, wie er sich fühlte, hielt er es kaum für möglich zu frieren. Und auf gar keinen Fall würde er wieder zu ihr hineingehen.

Okay, das war hirnrissig.

Kat fröstelte in der kalten Luft, schlang sich die Arme um die Taille und versuchte zu atmen.

Wie lange war Pete schon weg? Zwei Minuten? Drei? Sie konnte ihn nicht mehr sehen, hatte nicht den leisesten Schimmer, in welche Richtung er gegangen war. Er hatte verdammt noch mal nichts als einen Smoking an. Bei den eisigen Temperaturen würde er es da draußen nicht lange aushalten, und er wusste nicht, wo er war oder wohin er gehen sollte. Und ganz nebenbei hatte er keine Chance, in diesem undurchdringlichen Blizzard irgendetwas zu sehen.

Früher oder später würde er das einsehen, oder? Von diesem Anwesen waren es Meilen bis zum nächsten Haus. Die Nordseite grenzte an einen Wald und die drei anderen an Felder und Weideland. Der gesunde Menschenverstand würde ihn schließlich wieder zurück in die Wärme der Garage treiben, nicht? Obwohl sie hier war.

Sie biss auf ihrem Daumennagel herum und hatte nicht die geringste Ahnung, was Pete dann sagen oder tun würde. Ihre Vernunft sagte ihr, dass das gut so war. Sie hatte endlich den goldenen Pharao. Pete wusste, dass sie lebte. Wenn ihm jetzt irgendetwas zustoßen sollte, nun ja, dann wäre er zumindest ein wenig darauf vorbereitet. Er war nicht mehr ihr Problem. Wenn sie darüber nachdachte, war er es nie gewesen.

Aber ihr verräterisches Herz rief ihr zu, dass das eine schlechte Nachricht sei. Er könnte da draußen in der Kälte draufgehen oder, noch schlimmer, entkommen und dann von Busir gefunden werden. So oder so hatte sie, indem sie ihn heute Abend hierher gebracht hatte, sein Todesurteil unterzeichnet.

Das war ja ein toller Gedanke! Alles, was sie die letzten sechs Jahre getan hatte, war keinen Schuss Pulver wert, wenn er zu stolz war, ihr fünf Minuten seiner verflixten Zeit zu opfern.

Sie schüttelte den Gedanken ab und sagte sich, dass er zurückkommen würde. Wenn er erst herausfand, dass sie hier völlig abgeschieden waren, und ihm klar würde, dass niemand außer ihr da war, um ihm zu helfen, würde ihm nichts anderes übrig bleiben.

Das hoffte sie zumindest.

Sie spielte mit dem Medaillon auf ihrer Brust. Und dachte törichterweise an diesen Kuss.

Das Wort heiß kam ihr in den Sinn. Wie die Küsse, mit denen er sie in Kairo berauscht hatte, aber drängender. Unmittelbarer. Ihre Wangen erhitzten sich bei der bloßen Erinnerung. Und immer noch genauso naiv wie damals, war sie ihm heute wieder verfallen. Hatte sich ihm geöffnet wie eine Blüte. Sich in seinen Körper sinken lassen. Nicht einmal daran gedacht, dagegen anzukämpfen.

Zwei Mal!

Idiotin.

Hatte sie ihre Lektion über ihn denn nicht gelernt? Kat starrte noch einmal in den Schnee hinaus und kam endlich zur Vernunft. Sie konnte die Tür nicht noch länger auflassen. Die Temperatur im Gebäude würde von Minute zu Minute weiter in den Keller rutschen.

Sie schaltete das Außenlicht ein, damit Pete das Haus im Schneesturm finden konnte, und machte die Tür zu. Sie ging zurück in die Wohnung und drehte den Heizkessel höher, holte sich Decken aus dem Schrank und legte sie auf das Gitter, um sie zu wärmen. Sie ging in die Küche, die nur die Größe einer Kammer hatte, nahm den Teekessel und füllte ihn mit Wasser.

Dadurch, dass sie etwas zu tun hatte, fühlte sie sich geringfügig besser. Während sich das Wasser auf dem Herd erwärmte, ging sie zur Wohnungstür zurück, die sie offen gelassen hatte, und lehnte sich an den Türrahmen, um zu warten.

Fünfzehn Minuten vergingen. Zwanzig. Nichts war zu hören außer dem Wind, der draußen heulte.

Wo war er?

Eine Uhr irgendwo in der Wohnung zählte tickend die langen Sekunden, und Kat biss sich auf die Lippen. Spielte noch ein wenig mit ihrem Amulett herum. Und obwohl sie versuchte, dagegen anzukämpfen, musste sie daran denken, wie er sie heute Abend angesehen hatte, als ihm klar geworden war, dass sie ­wirklich noch lebte. Daran, wie er sie von Anfang an angesehen hatte.