17

Kat stand in Flammen, ihr Blut war ein schrilles Läuten in ihren Ohren. Jeder Zentimeter ihrer Haut brannte. Aber das war noch gar nichts im Vergleich zu dem alles versengenden Verlangen tief in ihr.

Sie schob Pete gegen die Wand und küsste ihn heftig. Sie wusste, dass es eine blöde Idee war, war aber unfähig aufzuhören. Die sexuelle Spannung zwischen ihnen hatte sich über Stunden aufgebaut, und sie musste sich unbedingt davon befreien. Im Moment war ihr völlig egal, wie.

Sein Rücken prallte mit einem dumpfen Schlag gegen die Wand, und sein ganzer Körper spannte sich an, als sie ihre Brust gegen seine drückte und ihre und seine Beine und Hüften fest aufeinanderlagen. Seine Arme schlossen sich um ihre Taille, während sie ihn weiterküsste, und sie wusste, dass er das vor allem tat, um sie beide davor zu bewahren, zu Boden zu sinken. Aber auch das konnte sie nicht aufhalten. Sie war in einen Strudel der Erregung gezogen worden, der jede Faser von ihr beherrschte.

Frustriert, weil es ihr immer noch nicht reichte, schob sie ihre Hände unter seine Jacke, um sie über seine harte Brust gleiten zu lassen, änderte den Winkel ihres Kusses und leckte mit der Zunge den Rand seiner Lippen entlang.

Wie durch einen Reflex öffnete er sich, und sie ergriff die Gelegenheit, mit ihrer Zunge in seinen Mund vorzustoßen und in einem tiefen Kuss zu versinken. Flüssige Hitze schoss ihr durch die Adern, und sie stöhnte bei der ersten Kostprobe. Sie wollte mehr, ließ ihre Hüften kreisen und rieb ihren schmerzenden Körper am Reißverschluss seiner Jeans.

Bei ihm veränderte sich etwas. Sie spürte es daran, wie sich seine Muskeln entspannten. Von irgendwo aus den Tiefen seiner Kehle drang ein Knurren, und plötzlich erwiderte er ihren Kuss. Er schlug mit seiner Zunge heftig gegen ihre, und seine Arme umfassten ihre Taille noch fester.

Ja, ja, ja! Das war genau, was sie wollte. Sie presste wieder ihre Hüften gegen seine und fühlte, wie seine Erektion in seiner Jeans anschwoll. Er neigte den Kopf, um den Kuss noch zu vertiefen, und ließ dann seine Hände hinunterwandern und ihren Hintern packen, um sie eng an sich zu ziehen.

Sie stöhnte wieder auf und wechselte die Position, sodass er mit jedem Schaukeln seiner Hüften ihren süßen Punkt traf. Prickelnde Gefühle schossen ihr durch den Unterleib. Er fuhr fort, sie zu küssen, während sie sich in dem leeren Gang aneinander rieben. Sie wusste, wenn sie so weitermachten, würde sie gleich hier kommen.

Visionen der erotischen Szene, die sie gerade miterlebt hatte, tauchten vor ihr auf, und die Worte der Stripperin kamen ihr wieder in den Sinn. Sieh mal, wie er uns beobachtet. Er sieht nicht mich an, sondern dich. Er will dich. Am liebsten sofort. Würdest du dich hier nehmen lassen, wenn du könntest?

Oh ja, sie war kurz davor! Sie wollte, dass Pete sie ausfüllte. Wollte spüren, wie er in ihr barst, wenn er kam. Sie hatte gesehen, wie heiß er gewesen war bei dieser Show. Sie konnte es jetzt fühlen, während er sie immer höher schaukelte und die Hand unter ihre Jacke schob, um durch das T-Shirt hindurch nach ihrer Brust zu greifen.

Die Berührung jagte wie Strom über ihre Haut und sandte tausend pulsierende Wellen direkt in ihr Lustzentrum. Spielte es eine Rolle, ob er nur durch das erregt war, was er gesehen hatte? Eigentlich nicht. Sie hatte diese Szene ja auch erregt. Aber was Kat heißgemacht hatte, war nicht, was die Stripperin gemacht hatte oder wie sie ausgesehen hatte, sondern das Wissen, dass Pete die Show verfolgte und sie genoss. Sie wusste, dass es falsch war, seine Erregung auszunutzen, um von ihm zu bekommen, was sie wollte, aber sie war außerstande, sich dagegen zu wehren.

Immer weiter rieb sie sich an ihm, tauchte mit ihrer Zunge tiefer in seinen Mund ein, um ihm so nah wie möglich zu sein. Von irgendwo weit hinten in ihrem Kopf – obwohl sie mit allen Kräften dagegen ankämpfte – drang der gesunde Menschenverstand durch den Dunstschleier der Lust und setzte sich allmählich im Vorderteil ihres Hirns fest.

Sie standen im Hinterflur eines schlüpfrigen Striplokals und waren kurz davor, hier an der Wand stehend, harten, wilden Sex zu haben. Jeder konnte sie jeden Moment überraschen. Busir und Minyawi waren wahrscheinlich immer noch in der Nähe, und wenn sie sie fanden, waren sie und Pete so gut wie tot. Hinzu kam, dass Pete zwar offensichtlich eine mächtige Erektion hatte und ihre Küsse erwiderte, sie aber tief im Herzen wusste, dass er es später bereuen würde.

Es brachte sie fast um, den Kuss abzubrechen, aber sie tat es. Schwer atmend ließ sie ihren Kopf auf seine Brust sinken und hielt sich an seiner Jacke fest, um nicht vor Schwäche umzukippen. Nur für eine Minute. Nur bis sie sicher sein konnte, dass sie nicht den Boden unter den Füßen verlor.

Sein Herz hämmerte gegen ihr Ohr, und er atmete abgehackt, wie jemand, dem eine Weile der Sauerstoff weggeblieben ist. Eine seiner Hände lag immer noch fest um ihre Taille. Die andere streichelte in kleinen Kreisen ihre Kopfhaut und ihr Haar, wobei er sie an sich drückte und seinen Atem zu beruhigen suchte.

Oh, wie sie sich wünschte, dass es das war, das es zu sein schien: sie einfach nur festzuhalten, weil sie ihm etwas bedeutete.

Sie schloss die Augen. »Es tut mir leid. Gott, das war «, dumm, idiotisch, der beste Sex, den ich hatte, länger, als ich denken kann, »… nicht meine Absicht.«

Seine Hand hörte sofort auf, mit ihrem Haar zu spielen. Und er ließ rasch ihren Kopf und ihre Taille los. »Ja. Das glaube ich.«

Seine Stimme klang rau und belegt, doch es lag etwas darin, das ihr zuvor noch nicht aufgefallen war, und es ließ sie eine Grimasse ziehen. Als sie aufblickte, fürchtete sie sich fast vor dem, was sie in seinen Augen sehen würde.

Doch sie sah gar nichts. Als sie zurücktrat und ihn genauer anschaute, rieb er sich mit beiden Händen die Augen. Und als er die Hände herunternahm, war es, als hätte er eine Wand vor seinen Augen errichtet.

Obwohl sein Körper immer noch Anzeichen von Erregung zeigte, waren seine Augen leer. Sie hätte es nicht für möglich gehalten, dass er noch schlechter von ihr würde denken können, als das ohnehin schon der Fall war, doch nach dieser kleinen nymphomanischen Attacke zeigte sich, dass sie damit offensichtlich falschgelegen hatte.

»Pete –«

»Lass gut sein«, sagte er mit beiläufiger Stimme. »Wir sollten gehen.«

Und das war’s?

Sie stand stocksteif da, während er ihren Rucksack vom Boden aufhob und auf die Hintertreppe am Ende des Flurs zusteuerte. Hatte er tatsächlich vor, so zu tun, als sei nichts geschehen? Ein Teil von ihr war schockiert. Ein anderer war müde. Müde, die in ihr brodelnden Gefühle zu unterdrücken. In einem Moment war er der Mann, den sie in Erinnerung hatte, der sie festhielt und sie mit einer brennenden Leidenschaft küsste, die sie bei niemandem zuvor gespürt hatte, und der ihr das Leben rettete, obwohl er leicht hätte wegsehen können. Und im nächsten war er ein Fremder, kalt und berechnend, der sie einfach wegwischte, als wenn sie ihm nicht das Geringste bedeutete.

Sie bemühte sich, die beiden miteinander zu vereinen, doch hatte sie keine Ahnung, ob sie es schaffen würde. Und musste sich immer wieder fragen, warum er überhaupt zu ihr zurückgekommen war.

Als sie ihn weggehen sah, wusste sie, dass sie wieder bei null angekommen war und niemanden hatte, an den sie sich wenden konnte. Wem konnte sie überhaupt noch vertrauen?

Also, was wirst du nun tun, Kat? Was hast du immer getan?

Sie ergriff das Amulett des heiligen Judas Thaddäus auf ihrer Brust und dachte über ihr bisheriges Leben nach. Ihre Ziele hatten sie stets gerettet. Solange sie etwas gehabt hatte, auf das sie hinarbeiten konnte, war sie in der Lage gewesen, alles durchzustehen.

Als sie eine Waise gewesen und von Pflegefamilie zu Pflegefamilie weitergereicht worden war, hatte sie gut aufgepasst und gelernt, so viel sie konnte, damit sie eines Tages ihre eigenen Entscheidungen treffen konnte. Als sie an ihrer Promotion gearbeitet hatte und die Professoren ihr weismachen wollten, sie habe nicht das Zeug zur Ägyptologin, hatte sie sich dahintergeklemmt und noch härter gearbeitet. Und als sie untergetaucht war, entschlossen, in einem einzigen, schmerzhaften Augenblick ihr ganzes früheres Leben aufzugeben, hatte sie einen Tag nach dem anderen durchgehalten, weil sie wusste, solange sie sich versteckt hielt, waren die Menschen, die sie liebte, in Sicherheit.

Ziele. Sie waren das, woran sie sich hielt, wenn sie Kraft brauchte. Und daran würde sie sich auch jetzt halten.

Ihre Mutter war von ihr gegangen. Marty stand nicht mehr zur Debatte, weil er beeinflusst wurde. Und in ihrem Kopf warnte sie eine Stimme, dass sie auch Pete nicht trauen konnte, so sehr ihr Herz es sich auch wünschte.

»Leg einen Zahn zu, Kat«, rief er vom Ende des Flurs. »Wir müssen die Kurve kratzen. Dieser Gorilla lungert wahrscheinlich noch hier irgendwo rum.«

Die Kurve kratzen.

Plötzlich wusste sie, was sie als Nächstes zu tun hatte. Vermutlich würde es Pete unglaublich ärgern, aber auf lange Sicht würde es besser für sie sein.

Die einzige Frage war, wann der richtige Zeitpunkt dafür war.

In dem Moment, als sie hinaus auf die Straße traten, spürte Pete, dass mit Kat etwas nicht stimmte.

Jeder andere hätte es wahrscheinlich nicht gemerkt, doch er hatte diese Frau besser kennengelernt als irgendjemand anderen in seinem Leben.

Erst nahm er an, dieser Stimmungswandel habe mit dem zu tun, was in dem Striplokal passiert war. Dann überdachte er es noch mal und kam zu dem Schluss, dass es das war, was im Flur des Striplokals passiert war, was sie offensichtlich aus dem Gleichgewicht gebracht hatte. Verdammt, es hatte ihn selbst völlig umgehauen. Vor allem ihre kleine Offenbarung, dass sie nicht geplant hatte, ihn anzuspringen, dass es einfach so passiert war.

Apropos zerstörtes Ego. Seit er ihr das allererste Mal begegnet war, entzündete sich sein Körper jedes Mal, wenn er sie ansah, wie ein Feuerwerkskörper, und sie hatte die Nerven ihm zu sagen, dass sie ihn eigentlich gar nicht wollte, sondern dass sie lediglich auf die äußeren Umstände reagiert hatte? Gott, die ganze Situation wurde von Minute zu Minute beschissener!

Er warf ihr einen Blick zu, während sie die Entfernung zwischen sich und dem Striplokal vergrößerten, und registrierte die Veränderung in ihrem Verhalten. Sie machte sich zuerst nur unterschwellig bemerkbar. Kats Schultern strafften sich, das Kinn hob sich, und der Ausdruck ihrer Augen verhärtete sich. Sie sah nicht aus, als sorgte sie sich um ihre Sicherheit oder die von jemand anders. Sie wirkte entschlossen, als befände sie sich inmitten eines größeren Meinungsumschwungs.

Oder als plante sie etwas.

Das gefiel ihm gar nicht. Wenn sie auf eigene Faust Pläne machte, konnte das seines Erachtens nichts Gutes bedeuten. Das letzte Mal, als sie etwas geplant hatte, war sein Leben mit quietschenden Reifen zum Stillstand gekommen, und dieser Stillstand hatte elend lange angehalten.

Sie liefen schweigend vier Blocks weiter und hielten sich in der heruntergekommenen Gegend, soweit es ging, in der Nähe der dunklen Hausmauern, bis sie schließlich ein Taxi anhielten, das sie über den Delaware River nach Camden, New Jersey brachte. Als er annehmen konnte, dass sie weit genug von Minyawis Schlägern entfernt waren und ihnen mit Sicherheit niemand folgte, gab Pete dem Fahrer ein Zeichen, sie bei einem armseligen Diner am I-676 aussteigen zu lassen, der bis Lokalschluss durchgängig Frühstück servierte. Er konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal etwas gegessen hatte, und ihm knurrte der Magen.

Es saßen nur eine Handvoll Gäste in dem Lokal, als sie es betraten. Eine Glocke an der Tür schellte, und eine dunkelhaarige Kellnerin blickte vom Tresen hoch, wo sie sich mit einem Mann mit einer 76ers-Kappe unterhalten hatte. Sie nickte ihnen zu. »Nehmen Sie Platz«, sagte sie. »Ich bin in einer Minute bei Ihnen.«

Pete sah sich in dem Raum mit den Resopaltischen und rissigen roten Plastiksitzecken um. Dunkelheit drang durch die großflächigen, streifigen Fenster, dennoch schaffte es das Leuchten eines neongrünen Motelschildes auf der anderen Seite der Straße, durch den Schmutz zu schimmern. Ein Paar, das wohl um die achtzig war, saß an einem der Fenster, die Gabeln in der Hand, und betrachtete sie, als hätte es noch nie zuvor Fremde gesehen. Ein Mann mittleren Alters las an einem Tisch mitten im Raum den Sportteil einer Zeitung und aß in Ketchup ertränkte Pommes frites. Wenigstens er machte sich nicht die Mühe aufzublicken.

Pete stufte den Ort als relativ harmlos ein und wies auf eine Sitznische in der hinteren Ecke, von der aus er die Eingangstür für alle Fälle im Auge behalten konnte und sie unmittelbaren Zugang zum Notausgang hatten, falls sie ihn benötigten.

Kat schlüpfte in die Sitzbank hinein, und das Plastik ächzte bei jeder Bewegung. Sie streifte den Parka von den Schultern und griff nach einer Speisekarte, die am Tischende zwischen Zuckerstreuer und Salz und Pfeffer klemmte. »Ich komme um vor Hunger«, sagte sie mit entschieden zu großer Begeisterung.

Stirnrunzelnd setzte Pete sich, ließ den Rucksack zu seinen Füßen auf den Boden fallen und griff nach seiner eigenen Speisekarte. Was zum Teufel war nur mit ihr los? Sie hatte innerhalb weniger Stunden alles durchgespielt: von völlig verängstigt im Park über irrsinnig erregt im Club bis hin zu quietschfidel jetzt. Er kaufte es ihr einfach nicht ab.

»Was darf’s denn sein?«, fragte die Kellnerin, als sie mit Block und Stift an ihrem Tisch stehen blieb. Sie betrachtete sie mit gelangweiltem Blick.

Pete sah auf die Uhr. 21:52. Laut Schild an der Tür war das Diner bis halb elf geöffnet, was bedeutete, dass sich die Schicht der Kellnerin dem Ende zuneigte.

»Kaffee«, sagte Pete und lächelte, doch es bewirkte nicht viel. Die Kellnerin hob die Augenbrauen und sah ihn über den Rand ihrer Brille hinweg an. »Zwei.« Er hielt zwei Finger in die Luft.

»Da muss ich erst welchen aufsetzen.« Sie blickte Kat an und seufzte. »Sonst noch was?«

Mit ausgehungertem Blick studierte Kat die Speisekarte. »Mal sehen. Sie servieren ja noch Frühstück, oder?« Ohne auf eine Antwort zu warten, sagte Kat: »Ich hätte gern zwei Spiegeleier. Mit Weizentoast, Kartoffelpuffern und Würstchen.« Während sie weiter in die Speisekarte schaute, verdrehte die Kellnerin die Augen und blickte zu Pete hinüber, bereit, seine Bestellung aufzunehmen, aber Kat ließ ihn gar nicht zu Wort kommen. »Haben sie diese Silver-Dollar-Pfannkuchen?«

Die Kellnerin nickte, warf einen Blick auf die Uhr und stieß einen Seufzer aus, der ihren zu lang geratenen Pony aus dem Gesicht fliegen ließ. Plötzlich begann Pete sich zu amüsieren, schlang einen Arm um die Rückenlehne der Sitzbank und sah mit großem Interesse zu.

Kat hatte immer noch einen kräftigen Appetit. Das hatte sich offensichtlich in den vergangenen sechs Jahren nicht geändert.

»Super«, fuhr Kat fort. »Dann nehme ich die mit Blaubeersirup. Oh, und eine Schale frisches Obst, wenn Sie haben. Und ein großes Glas Milch.« Sie blickte Pete an.

Der Stift der Kellnerin verharrte auf dem Papier, und sie sah auf. »Statt den Eiern?«

»Nein, zu den Eiern.«

Die Kellnerin blickte zwischen den beiden hin und her. »Ist das für Sie beide?«

Pete unterdrückte ein Lächeln und klappte die Speisekarte zu. »Für mich Cheeseburger mit Pommes.«

Die Kellnerin blickte wieder mit großen Augen Kat an, fast als rechnete sie damit, dass noch mehr kommen würde, doch als Kat bloß lächelte und ihre Karte schloss, schüttelte die Frau angewidert den Kopf und machte sich auf den Weg in die Küche.

Es war eine Szene, die er schon einmal mit ihr erlebt hatte. Er hatte keine Ahnung, wo Kat das ganze Essen in ihrer zierlichen Figur von einem Meter siebzig hinsteckte, aber er war der Meinung, dass sie einen übermenschlichen Stoffwechsel hatte, der all diese Kalorien mühelos verbrannte, denn es machte sich eindeutig nicht an ihrem Körper bemerkbar.

Und, oh ja, dank ihres kleinen Überfalls im Hinterflur des Strip­lokals wusste er jetzt ganz genau, wie sich ihr Körper anfühlte. Wie fest ihre Brüste waren, wie knackig ihr Hinterteil, und wie heiß sie zwischen den Schenkeln war.

Er rutschte auf der Bank hin und her, um den Druck in seiner Jeans zu lindern, der sich allein durch die Erinnerung daran wieder verstärkt hatte. Er hatte in Slades Garage seine Hände an ihrem Rücken gehabt, aber da hatte er zu sehr unter Drogen gestanden, um den Unterschied zu bemerken, den er vorhin deutlich gespürt hatte.

Was hatte sich an ihr verändert?

Er beobachtete sie unauffällig über den Tisch hinweg. Sie saß bewegungslos da, hatte ihre Hände auf der Resopalplatte gefaltet und starrte aus dem Fenster am anderen Ende des Raums. Sie sah ihn nicht an, aber sie hatte den Augenkontakt auch nicht vermieden, für ihn ein weiterer eindeutiger Hinweis darauf, dass etwas los war. Im Park hatte sie ihm kaum in die Augen blicken können.

Er wartete, bis die Kellnerin ihnen ihr Wasser und zwei dampfende Tassen schwarzen Kaffee gebracht hatte und dann wieder in der Küche verschwunden war, ehe er sich zu ihr vorbeugte.

»Der Kerl im Park war nicht vom FBI

Sie sah ihn mit klaren Augen an. Klaren und sehr konzentrierten dunkelbraunen Augen. »Ich weiß.«

»Hast du ihn schon mal gesehen?«

Sie schüttelte den Kopf, führte ihr Glas mit Wasser an die Lippen und trank. »Nein, aber er wusste ziemlich viel über dich und mich. Vielleicht von der CIA

Pete griff nach der Kaffeesahne. »Ich weiß nicht, aber so viel ist klar: Wer immer es war, er kannte definitiv diesen Minyawi.«

Kat schürzte die Lippen. »Ja, aber woher wussten Busir und Minyawi, dass wir in Philadelphia sind? Das war verdammt schnell, selbst für Busir.«

Pete zuckte die Achseln und rührte den Kaffee um. »Vielleicht hat der Typ im Park ihn angerufen, nachdem du mit Slade gesprochen hast.«

Kat zog die Augenbrauen hoch. »Marty hätte mich nicht verpfiffen. Das glaube ich einfach nicht. Irgendwoher kannte der Kerl im Park Marty, weshalb ich denke, dass er irgendwie mit der Regierung zu tun hat. Aber ich bin sicher, dass Marty nicht wusste, was er vorhatte.«

Pete lehnte sich stirnrunzelnd zurück und hätte sich in den Hintern beißen können für den Stich von Eifersucht in seiner Brust, den es ihm jedes Mal versetzte, wenn sie Martin Slade erwähnte. Verdammter Mist, warum machte er sich so viel daraus?

»Ich schätze, im Moment können wir überhaupt nichts mit Gewissheit sagen«, sagte er. »Busir hat sich offensichtlich all die Jahre versteckt halten können, weil er mächtige Verbindungen hat. Du hast selbst gesagt, dass das SCA sich nicht eingemischt hat oder nicht einmischen wollte , als dein Vorgesetzter sich an sie gewendet hat. Wir haben ihren Mann durch die Explosion in der Garage zwar gebremst, aber sie haben unsere Spur nie ganz verloren.«

Er zögerte und fügte dann hinzu: »Der andere Kerl, Minyawi. Kennst du ihn?«

Kat schüttelte den Kopf. »Ich konnte ihn nicht besonders gut erkennen. Aber seine Stimme hatte etwas. Ich weiß nicht. Sie klang vertraut.«

»Ja, so geht es mir auch. Ich bin ziemlich sicher, dass ich ihn schon einmal gesehen habe, ich weiß nur nicht, wo ich ihn hinstecken soll.«

Kats Tasse blieb auf halben Weg zum Mund in der Luft schweben, während sie ihn anblickte. Die Kellnerin kam mit Ketchup und Tabasco zurück. Sie stellte die Flaschen auf den Tisch und entfernte sich wieder.

»Warum bist du in diesen Park zurückgekommen?«, fragte Kat mit ruhiger Stimme, während sie ihre Tasse abstellte.

Pete biss sich auf die Innenseite seiner Lippe, während er über ihre Frage nachgrübelte. Er hatte sich genau dasselbe immer wieder gefragt, seit er auf dieses Motorrad gesprungen und auf der Suche nach ihr zwischen den Bäumen hindurchgerast war. Und er hatte immer noch keine Antwort gefunden, die ihm gefallen hätte. Denn die einzige, die ihm in den Sinn kam, widersprach allem besseren Wissen.

»Es war richtig, es zu tun«, war alles, was er sagte.

In der Stille, die darauf folgte, hingen ihre Blicke aneinander. Dann sagte sie mit schmerzhaft sanfter Stimme: »Warum du es auch immer getan hast, danke. Du hast mir das Leben gerettet.«

Sein Herz hämmerte in seiner Brust, eine Reaktion, die ihn sowohl verwirrte als auch verärgerte. »Danke, dass du mir in New York meins gerettet hast. Ich bin immer noch nicht ganz sicher, was da passiert ist, aber ich habe das Gefühl, wenn du nicht eingeschritten wärst, würde ich jetzt nicht hier sitzen.«

Gefühle, die er nicht deuten konnte, huschten über Kats Gesicht, und sie machte den Mund auf, um etwas zu sagen, doch die Kellnerin kam mit einem Arm voller Teller zurück und unterbrach sie. Die Frau musste noch zweimal gehen, ehe Pete seinen Burger hatte und der Rest von Kats Bestellung den Tisch völlig überforderte.

Kat nahm ihre Gabel in die Hand und blickte auf ihr Essen hinab. »Es war keine große Sache. Wirklich. Ich habe sie einfach überrascht.«

Sie sah nicht aus, als hätte sie vor, ins Detail zu gehen, daher drängte er sie auch nicht. Sie stürzte sich auf ihr Essen, als sei sie völlig ausgehungert, und Pete hätte fast gekichert, während er nach der Ketchupflasche griff. Ganz die alte Kat. Die ersten paar Male, als er sie in Kairo zum Essen ausgeführt hatte, war er schockiert gewesen, wie viel sie verputzen konnte. Und dann war er überaus erfreut gewesen, wenn sie den Rest der Nacht damit zugebracht hatte, die Kalorien mit ihm im Bett wieder abzutrainieren.

Verdammt! Wieder rutschte er voller Unbehagen auf der Bank hin und her. Zerknirscht darüber, was die Erinnerung mit seiner Hose und dem letzten bisschen grauer Masse zwischen seinen Ohren anstellte.

»Nun zu Minyawi«, sagte er, spießte seine Pommes auf und versuchte, seine entfesselte Libido zu vergessen. »Wenn wir danach gehen, was dieser Halloway im Park gesagt hat, ist er der Drahtzieher, nicht Busir. Und er weiß, dass wir zusammen sind. Es ist möglich, dass er uns über meine Kreditkarte ausfindig machen kann.«

Kat kaute auf einem Bissen herum. »Daran habe ich noch gar nicht gedacht, aber das könnte wohl sein.«

»Aber nicht sehr wahrscheinlich«, fuhr Pete fort, während er seinen Burger in die Hand nahm. »Wahrscheinlicher ist, dass er einen Insider hat, der Verbindungen zu Slade hat. Trotzdem bezahlen wir von jetzt an nur noch in bar, um auf der sicheren Seite zu sein.«

Kat legte ihre Gabel hin und nahm einen langen Schluck aus der Tasse. Etwas in ihren Augen verriet, dass sie ihn etwas fragen wollte, aber nicht wusste, wie sie das Thema anschneiden sollte.

»Was ist denn?«, fragte er schließlich, als seine Neugierde die Oberhand gewann.

Sie hob die Hand, um mit den Fingern über das Medaillon auf ihrer Brust zu streichen. »Was ist in Afghanistan geschehen?«

Aha, daher rührte ihre Stimmung!

Pete lehnte sich zurück und wischte sich unauffällig mit der Serviette über den Mund. Währenddessen blickte er sich im Restaurant um. Der Koch war aus der Küche gekommen und nun in ein Gespräch mit der Kellnerin und dem Mann vertieft, der immer noch am Tresen saß. Das ältere Paar, das sie vorhin neugierig beäugt hatte, stand gerade auf, um zu gehen. Niemand lauschte mehr ihrem Gespräch oder schenkte ihnen auch nur ein Fünkchen Aufmerksamkeit.

Was gut so war. Außer dass es viel zu viele Gelegenheiten bot, um vertrauliche Fragen wie diese zu stellen.

Wie viel sollte er ihr erzählen? Wie viel wusste sie überhaupt? Sie hatte ihn schon einmal beschuldigt, auf dem Schwarzmarkt zu kaufen und zu verkaufen, was freilich nicht so weit von der Wahrheit entfernt war. Was machte es also noch, wenn er ihr jetzt die Wahrheit erzählte?

Es machte aus demselben Grund etwas, wie ihm jetzt klar wurde, aus dem es auch damals etwas gemacht hatte. Weil er tief in seinem Inneren nicht wollte, dass sie die ganze Wahrheit über ihn kannte.

»Ich wurde aufgehalten«, sagte er in der Annahme, das sei die sicherste Antwort, mit der er aufwarten konnte.

»Was hast du überhaupt in Afghanistan gemacht?« Sie hatte wieder die Gabel in die Hand genommen und aß weiter, doch an der Haltung ihres Kinns konnte er erkennen, dass sie mehr als interessiert war und das Gespräch nicht fallen lassen würde.

Er widmete sich wieder seinem Burger und zuckte die Schultern. »Du weißt doch, dass ich mit Antiquitäten handle. Kairo war nicht der einzige Ort, wo ich nach Geschäften Ausschau gehalten habe.«

»In Afghanistan? Ich dachte, die Taliban hätten hart gegen den Handel mit dem Ausland durchgegriffen, nachdem sich der Krieg gegen den Terror aufgeheizt hatte.«

»Das haben sie auch. Das heißt aber nicht, dass man nicht reinkam.«

Er wusste, dass er ihr lediglich ein paar Knochen hinwarf und dass sie immer frustrierter wurde, und aus irgendeinem seltsamen Schuldgefühl heraus, hörte er sich selbst hinzufügen: »Es hatte aber wirklich nichts Zwielichtiges an sich. Ich hatte dort einen Kontakt, der mir von einem Sammler erzählt hat, der ein paar seiner Stücke verkaufen wollte. Ich wollte mich mit ihm treffen. Es lief alles ziemlich gut.«

Das tat es wirklich. Zumindest damals.

»Und warum haben sie dich nicht mehr weggelassen?«

Er führte sein Glas zum Mund und nahm einen langen Schluck Wasser. Oh, vielleicht, weil er in der Vergangenheit mit ein paar wirklich widerlichen Typen Geschäfte gemacht hatte, die auf dem Schwarzmarkt gehandelt hatten. Oder vielleicht war es auch passiert, weil er hin und wieder beide Augen zugedrückt hatte, wenn er wusste, dass die Herkunftspapiere eines Stückes gefälscht waren. Offensichtlich wusste INTERPOL das auch, sonst hätte man ihn wohl kaum in dem letzten afghanischen Drecksloch festgehalten. Oder vielleicht, weil er bei diesem Mal – obwohl er alles auf legale Weise gemacht hatte – nicht ganz so vorsichtig damit gewesen war, wem er erzählte, dass er nach Afghanistan flog.

Plötzlich fiel ihm etwas ein. »Halloway wusste von der Blue Notice.«

Sie blickte auf und zog die Stirn kraus, weil er so abrupt das Thema gewechselt hatte. »Was ist eine Blue Notice?«

»Eine Fahndungsausschreibung mit einem Farbcode, die INTERPOL an ihre Mitgliedsstaaten verschickt, um den Gesetzesvollzug in ihren Ermittlungsverfahren zu unterstützen. Eine Green Notice bedeutet, dass irgendein gefährlicher Berufsverbrecher gesucht wird, eine Yellow Notice wird herausgegeben, wenn nach vermissten Personen gefahndet wird, Rot dient der Verhaftung von flüchtigen Straftätern, und Blau geht raus, wenn innerhalb eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens bestimmte Personen ausfindig gemacht werden sollen.«

»Du scheinst eine Menge über die Arbeit von INTERPOL zu wissen.«

»Wenn du mit solchen Leuten zu tun hast, wie ich damals, hältst du die Ohren offen und bist auf der Hut.«

Sie zog die Augenbrauen zusammen und musterte ihn wie einen Fremden. Dann machte sie große Augen und hob abwehrend die Hand, als sie eins und eins zusammengezählt hatte. »Moment! Du warst in ein strafrechtliches Verfahren der Internationalen Kriminalpolizei verwickelt?«

Der Argwohn, den er in ihrer Stimme hörte, ließ ihn das Gesicht verziehen, und er sagte sich, dass das unwichtig war, obwohl es ihn schmerzte zu wissen, dass sie nun glaubte, mit ihrer ursprünglichen Vermutung über ihn in Kairo nicht ganz falsch gelegen zu haben. Es schmerzte sehr. Aber was sich jetzt noch als wichtiger herausgestellt hatte, war, dass Halloway von der Notice wusste.

»Nein«, sagte er entschieden. »Die Blue Notice diente nur zur Überwachung. Sie bedeutete, dass mich die afghanische Regierung festhalten konnte, während sie mich überprüften. Sie bedeutete, dass ich das Land nicht verlassen konnte und dass die USA nichts tun konnten, um mich rauszuholen, bis sie aufgehoben wurde.« Er sah sie an. »Und sie wurde aufgehoben, Kat, ganz offensichtlich, denn sonst säße ich jetzt nicht hier. Ich gebe zu, dass ich in der Vergangenheit mit ein paar Leuten zusammengearbeitet habe, mit denen ich mich wahrscheinlich nicht hätte abgeben sollen, aber auf dieser Reise habe ich nichts Unrechtes getan. Und das wussten sie, weshalb sie mich letztendlich gehen lassen mussten.«

Sie berührte wieder das Amulett, und während sie über das nachdachte, was er gesagt hatte, sah er Zweifel in ihren Augen aufkeimen, gepaart mit Fragen, von denen sie nicht wusste, ob sie sie stellen sollte. »Und warum bist du überrascht, dass Halloway das wusste? Wenn er für das FBI gearbeitet hat, warum sollte er dann nicht über blaue und grüne Notizen, oder wie man sie auch immer nennt, Bescheid wissen? Die USA gehören doch auch zu INTERPOL, oder?«

»Ja. Es gibt etwa einhundertsechsundachtzig Mitgliedsstaaten, und die USA gehören definitiv dazu. Und wenn dieser Kerl wirklich für das FBI gearbeitet hat, dann wusste er es. Das ist klar. Aber er hat gesagt, dass er für die Abteilung für Kunstraub gearbeitet hat und dass sie mich damals beobachtet hätten.«

»Und? Gehört die nicht zum FBI

»Doch, aber die Abteilung für Kunstraub wurde erst gegründet, nachdem ich in Kabul war.«

Kat blickte sich in dem leeren Restaurant um, während sie diese Information verdaute. »Also war er eindeutig nicht beim FBI

»Ich glaube nicht. Vielleicht irgendwann mal, aber mein Gefühl sagt, dass es nicht so war. Er hätte wissen müssen, wann diese Abteilung eingerichtet wurde.«

»Und woher war er dann? Von der CIA? Warum hätte er uns darüber täuschen sollen?«

»Es ist denkbar, dass er für Vater Staat gearbeitet hat. Es würde erklären, wie er Slade kennengelernt hat, aber ich bezweifle es. Ich schätze, dass er Verbindungen zu INTERPOL hat.« Eine Welle der Erregung durchströmte ihn. »Und wenn das so ist, dann haben wir gerade unsere erste Chance bekommen, denn ich weiß, wie wir es rausfinden.«

Schnell sah er auf die Uhr. Heute Abend war es zu spät. Aber morgen war auch noch ein Tag. Als er sich eine Pommes in den Mund steckte und aufblickte, biss Kat sich auf die Lippe und spielte wieder mit ihrem Medaillon.

Und Pete hörte auf zu essen, denn dieser Blick war wieder in ihre Augen zurückgekehrt. Dieser entschlossene Blick, der verriet, dass sie gerade eben eine Entscheidung gefällt hatte.

»Was ist denn?«, fragte er erneut.

Sie zögerte und sagte dann schließlich: »Wenn jemand von INTERPOL mit der Sache zu tun hat, dann müssten sie auch mit Sawils ursprünglicher Beschwerde vertraut sein, die er beim SCA eingereicht hat.«

»Ja, daran habe ich auch schon gedacht. Eure Liste mit vermissten Relikten ist vielleicht gar nicht weitergeleitet worden. Und wenn jemand beim SCA mit dieser Person unter einer Decke gesteckt hat, wäre eure Beschwerde niemals irgendwo angekommen.«

Sie starrte auf ihren halb leer gegessenen Teller hinunter. »Ich bin an dem Morgen, bevor Sawil und ich in das Grab gingen, noch einmal zum SCA gegangen. Sie haben mich abgewimmelt.« Man konnte sehen, wie ihr ein Schauer über den ganzen Körper lief, und sie machte den Mund auf, um noch etwas hinzuzufügen, schloss ihn aber schnell wieder.

Sie war an dem Abend in dem Grab gewesen, als Ramirez getötet worden war. Pete wollte sie fragen, was sie dort gesehen hatte, doch er spürte, dass es nicht der richtige Zeitpunkt und nicht der richtige Ort dafür war. Er wusste jedoch, dass sie irgendetwas für sich behielt.

»Ramirez muss noch mit jemand anders gesprochen haben«, sagte er schließlich. »Vielleicht war er der Verbindungsmann zu dem Kerl von INTERPOL

»Das bezweifle ich.«

Er tauchte eine Fritte in Ketchup und aß weiter. »Zu blöd, dass wir nicht wissen, wer die andere Person war, die du in dem Grab gehört hast.«

Als Kat schwieg, blickte Pete auf. »Was hast du?«

»Ich « Sie griff schnell nach ihrem Rucksack zu seinen Füßen und schlüpfte aus der Sitzbank. »Ich muss zur Toilette.«

Pete runzelte über ihren seltsamen und unvermittelten Abgang die Stirn, beobachtete, wie sie auf die Toiletten zusteuerte, und hatte eine plötzliche Eingebung, dass er vielleicht nachsehen sollte, ob sie tatsächlich dorthin ging. Diese Frau sah aus, als wollte sie türmen.

Er erstarrte mit einer Pommes auf halbem Weg zu seinem offenen Mund. Und ihm wurde übel.

Aber das würde sie doch wohl nicht noch einmal tun, oder?

Er ließ die Fritte wieder auf den Teller sinken und wischte sich seine Hände, die plötzlich schwitzten, an einer Serviette ab. Seine Augen hefteten sich an die Tür der Damentoilette, und im Geiste zählte er die Minuten, die sie schon verschwunden war. Als er bei fünf angekommen war, festigte sich sein Verdacht, dass sie ihn wieder aufs Kreuz gelegt hatte, und nicht so, wie sein Körper es sich gewünscht hätte.

Verdammte Scheiße! Wie blöd musste er sein, dass er die Anzeichen nicht bemerkt hatte? Sie hatte geplant, sich aus dem Staub zu machen, seit sie dieses Striplokal verlassen hatten.

Fassungslosigkeit und eine wieder aufwallende Wut, kochten in seiner Brust hoch, als er nach der Tischkante griff und aus der Bank rutschen wollte. Gerade als er auf die Beine kam, öffnete sich die Tür der Damentoilette, und Kat trat heraus.

Eine Woge der Erleichterung durchströmte ihn, als er sie sah, und er ließ sich, vollgepumpt mit Adrenalin, wieder auf die Bank fallen.

Idiot. Vollidiot. Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und atmete tief durch, um seinen Blutdruck zu beruhigen. Auf keinen Fall würde sie ihn wieder so abservieren wie damals in Kairo. Ob sie es zugab oder nicht, sie brauchte seine Hilfe. Sonst wäre sie längst weg.

Weg.

Dieser Gedanke versetzte ihm einen Schlag in den Magen, während er zusah, wie sie das Restaurant durchquerte und sich wieder auf ihrem Platz niederließ, mit ihren langen Beinen, dem hochgewachsenen schlanken Körper, dunklem, zerzaustem, kurzem Haar und den noch dunkleren, faszinierenden Augen, die er beinahe nie mehr wiedergesehen hätte. Irgendwie musste er einen Weg finden, die Vergangenheit hinter sich zu lassen, damit sie zusammenarbeiten und das hier – was immer es war – durchstehen konnten.

Von seinem Platz aus betrachtete er das Silbermedaillon, das zwischen ihren Brüsten hing, folgte ihm zum V ihres T-Shirts und, ohne es zu wollen, zu dem teilweise enthüllten Dekolleté, und er erinnerte sich an ihre letzte gemeinsame Woche voller Sinneslust. Als er mit dem einzigen Anliegen nach Kairo gekommen war, ihre angeschlagene Beziehung in Ordnung zu bringen. Als sie ihn mit ihren Händen und ihrem Mund und jedem Zentimeter ihres Körpers um den Verstand gebracht hatte.

Als alles zwischen ihnen in sich zusammengefallen war.

Sie starrte auf ihr Essen hinunter, als sähe sie es zum ersten Mal. »Ich habe eigentlich gar keinen Hunger mehr.«

Er auch nicht. Auf Cheeseburger und Fritten sowieso nicht.

Er hob die Hand und gab der Kellnerin ein Zeichen. »Die Rechnung bitte!«

Kat blickte hoch, als er aufstand. »Wohin gehen wir jetzt?«

Er wies mit dem Kopf auf das blinkende Neonschild auf der anderen Straßenseite und zog Bargeld aus seiner Brieftasche. »Schlafen. Ich denke, für heute reicht’s, oder was meinst du?«