24

»Das war ein wundervolles Abendessen.«

Maria Gotsi setzte ihr Weinglas an die Lippen und nippte daran, während sie den Mann ansah, der ihr im Per Se mit Blick auf den Central Park West gegenübersaß. Kerzenlicht beleuchtete seine runden Züge, sein dickliches Gesicht und seine dunklen Augen. Obwohl sie ihn nicht als persönlichen Freund bezeichnen würde, hatte die Tatsache, dass ein Mann seines Ranges sie angerufen und zum Abendessen eingeladen hatte, sie gereizt. Deshalb hatte sie die Einladung angenommen.

»Allerdings muss ich zugeben«, sagte sie, als sie ihr Glas auf dem weißen Leinentischtuch abstellte, »dass ich ein wenig überrascht war.«

»Ebenso wie ich«, sagte Omar Kamil mit starkem nahöstlichem Akzent und beugte sich auf seinem Stuhl nach vorne. »Ich war nicht nur erstaunt, als ich hörte, dass Sie sich in New York aufhalten, sondern auch, dass Sie zudem heute Abend noch frei waren.«

Maria schenkte ihm ein für sie typisches kokettes Halblächeln und strich über den Stiel ihres Weinglases. Sie hatte dieses Spiel schon früh gelernt: Den Männern in diesem Geschäft zu geben, was sie erwarten. Und das bedeutete, mit ihnen zu flirten, sie zu necken und aufmerksam zu verfolgen, was sie in ihrer Gegenwart taten und sagten, ohne sie jemals merken zu lassen, wie klug sie wirklich war.

Und dann zuzuschlagen, wenn sie es am wenigsten erwarteten.

Mit dieser Methode hatte sie das Kunstinstitut Athen von einem kleinen wissenschaftlichen Labor zu einem der führenden Archäometriezentren der Welt gemacht. Und so war sie auch zu einer der ganz Großen auf einem von Männern dominierten Gebiet geworden.

»Na ja«, sagte sie und beugte sich so weit vor, dass ihr schwarzer, eng anliegender Blazer ihr Dekolleté zusammendrückte, eine Bewegung, die eindeutig seine Aufmerksamkeit erregte, »wie sich herausgestellt hat, gab es eine kurzfristige Planänderung. Eigentlich hätte ich heute Abend wieder in Athen sein müssen, aber gewisse Umstände bezüglich meines Lagers hier in New York zwangen mich, meine Pläne zu revidieren.«

»Umstände?« Omars Blick flog von Marias zur Schau gestellten Brüsten zu ihrem Gesicht hinauf. Seine Knopfaugen schimmerten leicht amüsiert. »Was für Umstände?«

Oh ja. Sie hatte richtig geraten. Hier ging etwas vor sich. Ein Mann wie Kamil rief nicht einfach wegen eines Abendessens an und tauchte aus dem Nichts auf, wenn er nicht irgendetwas wollte.

Die Frage war, was er von ihr wollen konnte.

»Nur etwas rein Privates.« Sie lächelte wieder und glitt mit dem Finger den Stiel ihres Weinglases hinab. »Und wie laufen Ihre Vorbereitungen am Met?«

Er winkte ab und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Ausgezeichnet. Unter uns: Mein Assistent hätte die Überführung abwickeln und den Aufbau überwachen können, aber es war eine gute Ausrede für mich, der Hitze zu entkommen. Und ganz nebenbei gab es mir auch die Gelegenheit, mit Ihnen zu speisen.«

»Hm«, machte Maria und kaufte ihm kein Wort ab. »Das ist wahr.«

Er machte den Mund auf, um etwas zu erwidern, aber das Klingeln ihres Handys schnitt ihm das Wort ab.

»Tut mir leid«, sagte sie und holte das RAZR aus ihrer Blank­lederhandtasche hervor. »Bei all dem Hin und Her in meinem Lager sollte ich den Anruf lieber entgegennehmen.« Sie hielt sich das Telefon ans Ohr. »Dr. Gotsi.«

»Hier ist Pete.«

Das war eine Überraschung. Sie hatte seit der Auktion nichts mehr von Peter gehört und nicht vorgehabt, allzu bald wieder mit ihm zu reden. Sie blickte über den Tisch hinweg Omar an, der sie mit undurchdringlichen Augen ansah. »Von dir zu hören, hätte ich heute Abend am allerwenigsten erwartet.«

»Ich weiß. Hör zu, Maria, wegen der Sache, die bei der Auktion passiert ist –«

»Schon vergessen«, sagte sie schnell. Sie wollte nicht anfangen über Peters Auktion zu diskutieren, wenn Omar sie so eindringlich beobachtete, und ehrlich gesagt war sie auch nicht ganz sicher, wie sie sich wegen der Geschichte, die zwischen ihnen passiert war, fühlen sollte. Obwohl sie Peters Gesellschaft genoss und er – wider besseres Wissen – über die Jahre hinweg ein guter Freund geworden war, war sie nicht an einer Beziehung mit ihm in irgendeiner Form interessiert. Natürlich war sie, wenn sie mit einem Mann ausging, auch nicht daran interessiert, an diesem Abend nur die zweite Geige zu spielen. Wenn sie nicht genug war, um seine volle Aufmerksamkeit zu erlangen, dann hatte es nicht viel Sinn, ihn wiederzusehen, Freund hin oder her.

»Ich bin froh, das zu hören«, sagte Peter in einem eindeutig erleichterten Ton. »Denn ich muss dich um einen Gefallen bitten.«

Etwas in seinem Tonfall klang leicht besorgt, und das erregte ihr Interesse, denn Peter Kauffman war selten etwas anderes als cool und vollkommen beherrscht.

»Und an was hattest du dabei gedacht?«, fragte sie zögerlich.

»Das werde ich heute Abend mit dir besprechen, wenn du Zeit hast. Ich müsste in etwa einer Stunde in New York sein. Ich würde gerne bei dir vorbeikommen, wenn das in Ordnung ist.«

Er kam nach New York? Hier war eindeutig irgendwas im Busch. Sie sah auf ihre Armbanduhr. »Ja, das müsste gehen.«

»Schön. Ich weiß das wirklich zu schätzen, Maria.«

»Hm«, sagte sie nur. Sie hatte immer noch keinen Schimmer, wozu sie gerade ihre Zustimmung gegeben hatte.

Sie klappte ihr Handy zu und lächelte Omar an. »Entschuldigen Sie die Unterbrechung.«

Er hob sein Glas und nahm einen langen Schluck Wein. »Ihr Freund?«

Mit einem humorlosen Lachen strich sie sich eine Haarsträhne hinters Ohr. »Nein. Nichts dergleichen.« Was immer Pete von ihr wollte, war sicher nicht romantischer Natur. Das war es nie gewesen. »Einfach nur ein Freund.«

Der Kellner trat an den Tisch. »Kann ich Sie noch für ein Dessert begeistern?«

Maria schüttelte den Kopf. »Nein, nur die Rechnung, denke ich.«

»Ach, kommen Sie, Maria«, sagte Omar, nahm die Dessertkarte entgegen und blitzte sie mit einem boshaftes Lächeln an. »Sie haben doch noch Zeit für eine kleine Sünde, oder etwa nicht?«

Etwas in seinen Augen warnte sie davor, ihn so schnell abzufertigen. Und obwohl Maria keine Ahnung hatte, warum, fügte sie sich. Peter konnte auf sie warten. Nachdem er auf der Auktion so mit ihr umgesprungen war, konnte er warten, bis er schwarz wurde.

Pete lehnte sich im Sitz nach vorne, als das Taxi vor Marias Gebäude anhielt. Draußen prasselte der Regen in Strömen auf die Straße, und das Wasser lief aus den übervollen Dachrinnen auf den Gehweg hinunter. Er gab dem Taxifahrer ein paar Geldscheine und öffnete die Tür.

Mit Kats Rucksack in einer Hand zog er die Schultern ein und streckte ihr den Arm hin, um ihr beim Aussteigen zu helfen. Der Schnee, der noch vor wenigen Tagen den Bürgersteig bedeckt hatte, war schon lange fortgespült, und die Rinnsteine füllten sich stetig mit Wasser und überfluteten die Straße. Zu dieser Stunde und bei diesem Wetter war außer ihnen keine Menschenseele unterwegs.

Er nahm sie fest bei der Hand, während sie auf den überdachten Hauseingang zueilten. Dort angekommen, schüttelten sich beide wie nasse Hunde.

Kat warf einen besorgten Blick auf den Seitenweg. Wasser tropfte von ihrem kurzen Haar und lief ihr die Schläfe hinab.

»Was ist?«, fragte Pete und streckte die Hand aus, um ihr den Tropfen von der Wange zu wischen, ohne zu wissen, was er tat.

»Ich « Sie hob die Hand, und in ihren Augen sah er so etwas wie Sorge und Reue und noch etwas anderes, das er nicht ganz deuten konnte. »Schon gut.« Sie lief an ihm vorbei und betrat das Gebäude, wo der Türsteher ihr die Tür aufhielt.

Sie war ungewöhnlich still gewesen, seit er ihr verkündet hatte, dass sie zurück nach New York flogen, und auf der Fahrt vom Flughafen hierher hatte sie jede Unterhaltung gemieden wie der Teufel das Weihwasser. Man brauchte kein Genie zu sein, um zu merken, dass sie wenig Lust hatte, hier zu sein.

Er riskierte einen Blick auf sie, als sie vor den Aufzügen standen und warteten, beobachtete, wie es in ihren Gesichtszügen arbeitete, während sie auf die glänzenden Türen starrte. Ihr Haar war feucht vom Regen und zerzaust von ihren Fingern. Ihre Wangen waren leicht gerötet – teils durch die Novemberkälte draußen, teils durch einen guten Schuss Zorn. Sein Blick wanderte weiter nach unten, zu ihrer offenen Jacke, dem V ihres T-Shirts. Zum Medaillon des heiligen Judas Thaddäus, das auf ihrer Brust ruhte.

Und als er so dastand und sie musterte, überkam ihn eine Vision. Wie sie rittlings auf ihm saß und ihm lächelnd von oben in die Augen sah. Wie dieses Amulett auf seine Brust fiel und über seine Haut streifte, während sie sich bewegte. Wie sie sich hinunterbeugte und ihn küsste, so lange und langsam und schwelgerisch, dass er nicht genug von ihr bekommen konnte.

Seine Brust schnürte sich zusammen, als Ann Lathams Worte ihm wieder in den Sinn kamen. Es hat nichts mit weise zu tun. Sondern damit, dass der Verlust von jemandem, von dem man noch nicht einmal wusste, dass man ohne ihn nicht leben kann, einen sehr nachdenklich macht und dazu führt, dass man seine Prioritäten noch einmal gründlich überdenkt.

Er schluckte schwer, als sich die Fahrstuhltür mit einem Klingelgeräusch öffnete. Ein Mann mit schütterem Haar und dunkler Haut, bekleidet mit einem langen Woll-Trenchcoat stieg aus, drängte sich zwischen ihnen hindurch und ging auf den Ausgang zu. Seine Schulter prallte gegen Petes, die ohnehin schon wehtat, und Pete verlor beinahe das Gleichgewicht. Der Schmerz zuckte seinen Arm entlang.

»’tschuldigung«, murmelte der Mann im Vorbeieilen mit einem starken Akzent.

Pete betrat hinter Kat den Fahrstuhl und sah sich noch einmal nach ihm um. »Selber Entschuldigung«, grummelte er.

Der Mann hielt inne, und gerade als sich die Aufzugtüren wieder schlossen, wandte er sich nach ihnen um.

Pete drückte den Aufzugsknopf an dem Wandpaneel und schlug heftiger auf die Sprechanlage zu der Penthousewohnung, als nötig gewesen wäre. »Was in dieser Stadt so alles herumläuft«, murmelte er. Als Kat nichts erwiderte, blickte er in ihre Richtung und war ziemlich sicher, dass er Rauch aus ihren Ohren kommen sehen konnte.

Eindeutig nicht glücklich. Nun, dann waren sie schon zu zweit. Sie hierherzubringen, war auch nicht seine erste Wahl gewesen, aber so weit er es überblicken konnte, war ihnen nichts anderes übrig geblieben.

Marias Haushälterin meldete sich auf das Klingeln, und Pete kündigte sich an. Zwei Sekunden später setzte sich der Fahrstuhl in Bewegung. »Wir bleiben nur ein paar Minuten. Bis wir den Anhänger haben, dann hauen wir wieder ab.«

»Du hättest mich im Auto warten lassen können«, stieß Kat zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Ich hätte nicht mit hochkommen müssen.«

»Und dich allein da draußen lassen? Wo du dich heute schon mal aus dem Staub machen wolltest und auf uns geschossen wurde? Das glaube ich weniger.«

Der Blick, den sie ihm zuschleuderte, verriet, dass sie ihr Glück jederzeit lieber mit einer geladenen Kanone versuchen würde als mit ihm.

Okay, definitiv sauer. Aber warum zum Teufel wurmte ihn das so?

Der Aufzug öffnete sich, und sie traten beide in die Diele hinaus. Da Marias Penthouse das gesamte Stockwerk einnahm, gab es nur eine einzige Doppeltür direkt vor ihnen. Kat versteifte sich. Pete schritt voran und klopfte.

Eine junge Frau, die Pete nicht kannte, die aber Marias Haushälterin sein musste, öffnete die Tür.

Er ließ Kat den Vortritt und folgte ihr dann. Maria erschien auf der geschwungenen Treppe, die in die obere Etage führte. Dunkles Haar fiel ihr bis auf die Schultern. Sie trug leger sitzende schwarze Seidenhosen und eine langärmelige, anthrazitfarbene Tunika und sah so perfekt aus wie immer, selbst in Freizeitkleidung.

»Du bist später dran, als ich erwartet hatte, Peter«, sagte sie, als sie die letzten paar Stufen hinunterkam. Ihre schwarzen Pantoffeln klapperten auf dem Marmorboden, als sie das untere Stockwerk erreicht hatte, und ihre Augen wanderten vom Kopf bis zu den Zehenspitzen über ihn. »Und du siehst furchtbar aus.«

Aus dem Augenwinkel sah Pete, wie sich Kats Schultern anspannten, aber netterweise verschränkte sie weder die Arme, noch verzog sie das Gesicht oder ließ sonst irgendwie durchblicken, dass sie sauer war. Das musste Pete ihr lassen. Wenn die Rollen umgekehrt gewesen wären und sie ihn zu Slade geschleift hätte, hätte er den Kerl bereits niedergestreckt.

»Ziemlich beschissenes Wetter draußen. Wir brauchten länger als angenommen.«

»Hm.« Marias Blick wechselte zu Kat hinüber, und sie streckte die Hand aus. »Ich bin Maria Gotsi.«

Kat zögerte, dann gab sie Maria die Hand. »Katherine Meyer.«

»Sie ist eine alte Freundin«, warf Pete ein.

»Hm«, machte Maria wieder, während sie Kat scharf anblickte.

Die Spannung zwischen den beiden Frauen erfüllte den ganzen Raum. Die Szene in der Limousine am Abend der Auktion kam Pete wieder in den Sinn. In diesem Moment erschien ein Sturz aus fünfzehn Metern Höhe in einen kochenden Ozean verlockender als hier zwischen diesen beiden eingekeilt zu sein.

Er machte den Mund auf, um Druck abzulassen, doch Maria kam ihm zuvor.

»Ich kenne Sie von der Auktion«, sagte sie und ließ Kats Hand los. »Schwarz lässt Ihre Gesichtsfarbe fahl wirken.« Sie verlegte ihre Aufmerksamkeit wieder auf Pete. »So, und was ist denn nun so wichtig, dass es nicht bis morgen warten kann?«

Ganz die alte Maria. Unverblümt und sofort zur Sache kommend, besonders, wenn sie über eine Situation nicht die Kontrolle hatte. Die spitze Bemerkung war Kat nicht entgangen. Aus dem Augenwinkel beobachtete Pete ein Muskelzucken ihres Kiefers, doch sie gab immer noch keinen Mucks von sich und wandte ihre Augen keine Sekunde von Maria ab.

»Wir sind gekommen, um den Halsschmuck zu holen, den ich dir vor ein paar Wochen gegeben habe«, sagte Pete. »Der kauernde Pharao aus Gold.«

Maria blickte zwischen den beiden hin und her. »Und warum willst du ihn zurückhaben?«

Pete sah Kat an und hob die Augenbrauen. Das war eigentlich ihre Sache. Er beschloss, es ihr zu überlassen, wie viel sie Maria sagen wollte.

Kat hob das Kinn. »Weil er nicht das Recht hatte, ihn Ihnen zu geben. Er gehört mir.«

Stille.

»Ich verstehe«, sagte Maria schließlich und strich sich mit einem Finger den Hals hinunter. »Aber wir sind in Amerika. Und in diesem Land steht das Recht auf der Seite der Besitzenden. Also warum hört ihr nicht auf, um den heißen Brei herumzureden, und sagt mir, was ausgerechnet an diesem Halsschmuck so wichtig ist, dass ihr beiden hier angerannt kommt, obwohl mein Zuhause ganz offensichtlich der letzte Ort ist, an dem jeder von euch jetzt gerne wäre?«

Kat blickte in seine Richtung, und er sah die Unentschlossenheit in ihren Schokoladenaugen. Er nickte und gab ihr ohne Worte zu verstehen, dass sie rein gar nichts von Maria bekommen würden, wenn sie nicht kooperierten.

Kat wandte sich wieder Maria zu, und in ihren Augen konnte Pete Stärke und Gewissheit sehen, und eine Frau, die einfach alles tun würde, um zu bekommen, was sie wollte. Etwas Vertrautes schien sich in seiner Brust umzukehren. Sie war nicht mehr das schüchterne Mädchen, in das er sich vor all den Jahren verliebt hatte. Sie war tausendmal erotischer und eine Million Mal faszinierender. Und so verdammt bei der Sache, dass er sie am liebsten besinnungslos küssen, wie ein Höhlenmensch ins Bett zerren und sich von ihr auf jede nur erdenkliche Art zähmen lassen wollte. Was völlig hirnrissig war, angesichts all dessen, was sie ihm in den letzten zwei Tagen aufgebürdet hatte.

»Ich habe ihn ihm geschickt«, sagte Kat. »In seinem Inneren steckt etwas, das von großer Bedeutung für die Ermittlung in einem internationalen Fall sein könnte.« Sie zuckte gleichgültig mit den Schultern. »Natürlich bleibt es Ihnen überlassen, ob Sie ihn behalten oder uns aushändigen. Aber wenn Sie ihn behalten, könnte das FBI Ihnen Behinderung bei einer Ermittlung vorwerfen. Oder sogar Verdunkelung.«

Zweifel zeichneten sich auf Marias Gesicht ab. Sie schwenkte ihren Blick wieder zu ihm. »Eine internationale Ermittlung«, sagte sie ausdruckslos. »In die einer von euch oder ihr beide verwickelt seid. Neuerdings.«

Pete schüttelte den Kopf. »Seit langer Zeit.«

Maria kniff die Augen zusammen. »Warum werde ich das Gefühl nicht los, dass da noch mehr ist?«

Weil es stimmte. Und weil sie ein kluge Frau war. Pete antwortete nicht.

Ebenso wenig Kat.

Marias Pantoffeln klapperten, als sie zur Anrichte ging und sich dort ein Glas Wein einschenkte. Sie nahm einen großen Schluck und blickte wieder Pete an. »Es tut mir leid, aber er ist nicht hier.«

»Und wo ist er?«, fragte Kat schnell.

Maria zuckte die Achseln, als könnte Kats Frage sie kaum weniger interessieren, genauso wie Kat vor wenigen Augenblicken die Achseln gezuckt hatte. »In meinem Lager.«

»Hier in New York City?«

»Möglich. Ich habe in den letzten paar Tagen ein paar Ladungen zurück nach Athen geschickt. Möglicherweise war er darunter.«

Kat warf Pete einen besorgten Blick zu.

»Oder«, fuhr Maria fort, »möglicherweise ist er noch im Tresorraum.«

»Dann lass uns nachsehen«, sagte Pete. »Wir können nicht warten, bis deine Sendungen in Griechenland ankommen und deine Angestellten die Kisten auspacken.«

Maria lachte. »Peter, es ist fast elf Uhr abends. Das Gebäude ist geschlossen, der Tresorraum verriegelt, und nicht einmal ich habe vor morgen früh Zugang zum Sicherheitscode. Ich fürchte, bis morgen steckt ihr fest.«

Kat wandte sich mit klaren Anzeichen von Enttäuschung ab und blickte sich in der Wohnung um. Und Pete spürte das erste Aufwallen von Unbehagen.

Er hatte gehofft, den Halsschmuck zu bekommen und Kat vor Sonnenaufgang wieder aus New York hinausgeschafft zu haben. Ihm gefiel es nicht, hier zu sein, wo man sie jederzeit sehen konnte, wenn sie durch die Stadt fuhren oder ein Hotel betraten. Es war seltsam genug, dass sie nicht verfolgt worden waren, doch er war sich natürlich auch nicht ganz sicher, und er würde garantiert nicht sein Leben – oder Kats – für ein paar vage Vermutungen aufs Spiel setzen. Er hatte am eigenen Leibe miterlebt, wozu diese Kerle fähig waren.

Je mehr er über die Tatsache nachdachte, dass man sie in die Falle gelockt hatte, dass Busir ihn benutzt hatte, um an Kat zu kommen, umso entschlossener war er, dafür zu sorgen, dass sie lebend aus der Sache herauskam.

Verschiedene Möglichkeiten schossen ihm durch den Kopf. Und obwohl er wusste, dass diejenige, die am hellsten aufleuchtete, die schlechteste von allen war, war sie zugleich die sicherste.

»Schön«, sagte Pete. »Dann gehen wir morgen früh mit dir zusammen dahin und suchen ihn. Aber bis dahin musst du mir noch einen Gefallen tun.«

Maria hob fragend die Augenbrauen, erwiderte jedoch nichts.

»Wir brauchen für heute Nacht ein Quartier.«

Blitzschnell fuhr Kat zu ihm herum.

»Was?«, fragten beide Frauen gleichzeitig.

»Nur für heute Nacht«, sagte er und ignorierte Kats Reaktion. »Sobald wir den Halsschmuck haben, bist du uns los.«

»Auf gar keinen Fall«, rief Kat. »Ich werde nicht eine einzige –«

Ein durchtriebenes Lächeln malte sich auf Marias Gesicht, die Kats Reaktion ebenfalls ignorierte. »Das könnte interessant werden.«

Sie nahm eine Glocke von der Anrichte und klingelte. Die Haushälterin kam aus der Küche herein. »Mabel«, sagte Maria. »Zeigen Sie Ms Meyer das Gästezimmer. Sie« – ihr Blick wanderte von oben nach unten über Kats mitgenommene, schmutzige Kleidung – »sieht aus, als könnte sie ein Handtuch brauchen.«

Die Luft schien sich neben Pete abzukühlen, und er konnte spüren, wie sich Kats Augen wie eisige Dolche in ihn bohrten, doch er wandte sich nicht nach ihr um. Das hier war im Moment der sicherste Ort für sie, ob es ihr nun gefiel oder nicht.

Maria blickte Pete mit einem siegessicheren Lächeln an, das ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ. Er wusste, dass Kat es sah, und er wusste, er würde nicht das Geringste dagegen unternehmen.

»Ich dagegen«, sagte Maria, »hätte gerne etwas Zeit mit dir, Peter. Wir haben noch ein paar Dinge zu regeln, meinst du nicht auch?«