15

»Savannah.«

Gideon erwachte mit einem Schrei, all seine Besorgnis, jede Zelle seines Körpers auf einen einzigen Gedanken konzentriert … sie.

Er setzte sich auf und spürte einen scharfen Schmerz, der aus seinem ganzen Körper kam, aber am schlimmsten schmerzte der tiefe Schnitt in seinem Oberschenkel. Er lag in einem Bett. In der Krankenstation des Ordens. Er atmete ein und roch nichts von der Asche, Schweiß und Blut, die nach der Explosion im Haus des Lakaien seinen ganzen Körper bedeckt hatten. Jemand hatte sich die Mühe gemacht, ihn zu waschen, nachdem er ihn verarztet hatte.

»Wie spät ist es?«, murmelte er laut. Wie lange war er bewusstlos gewesen? »Ach, Scheiße. Welchen Tag haben wir?«

»Alles in Ordnung, Gideon. Entspann dich.« Eine sanfte Frauenhand legte sich auf seine nackte Schulter. »Du bist jetzt außer Lebensgefahr. Tegan hat dich gestern Nacht ins Hauptquartier zurückgebracht.«

Gestern Nacht.

»Danika«, keuchte er, öffnete mühsam die Augen und sah zu Conlans Stammesgefährtin auf, die neben ihm stand, eine Rolle weißen Gazeverband in der Hand. »Wo ist sie? Wo ist Savannah?«

Die große Blondine schüttelte mitfühlend den Kopf. »Tut mir leid, das weiß ich nicht.«

Verdammt. Gideon warf die Bettdecke ab und schwang die Beine aus dem Bett, ignorierte den heißen Schmerz, der wie ein Speer in seine Wunde schoss. »Ich muss sie sehen. Ich muss sie finden. Keatons Meister ist immer noch irgendwo da draußen. Sie ist nicht sicher –«

»Sie ist weg, Alter.« Tegan stand in der Tür des Krankenzimmers, seine Miene war grimmig. Er nickte Danika flüchtig zu, die jetzt leise aus dem Raum schlüpfte und die beiden Krieger alleine ließ. »Meine Schuld, Gideon. Ich wusste nicht –«

»Was ist passiert?« Ein Adrenalinstoß schoss durch seine Adern, dann Furcht. »Was hast du mit ihr gemacht?«

»Ihr die Wahrheit gesagt. Was du ja offenbar versäumt hast.«

»Ach, verdammte Scheiße.« Gideon fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Ich Idiot. Was hast du ihr erzählt, T?«

Ein vages Schulterzucken, seine grünen Augen blieben undurchdringlich. »Dass du total besessen von ihr warst, seit du sie nach dem Angriff in der Universität im Fernsehen gesehen hast.«

Gideon stöhnte. »Scheiße.«

»Ja, sie war nicht gerade erfreut, das zu hören.«

»Ich muss zu ihr. Sie könnte in Gefahr sein, Tegan. Ich muss sie finden und mich davon überzeugen, dass sie in Ordnung ist. Ich muss ihr sagen, dass ich sie liebe. Dass ich sie brauche.«

»Du bist nicht in der Verfassung, das Hauptquartier zu verlassen.«

»Ach, scheiß drauf.« Gideon stieg schwerfällig aus dem Bett und zog angesichts des Schmerzes in seinem verletzten Bein eine Grimasse, aber er würde sich durch eine Kleinigkeit wie eine kürzlich durchtrennte Oberschenkelschlagader nicht davon abhalten lassen, die Frau zu suchen, die er liebte. »Sie gehört mir. Sie gehört zu mir. Das werde ich ihr sagen, und dann bringe ich sie zurück.«

Tegan knurrte. »Dachte mir schon, dass du so was in der Art sagen wirst. Und ausnahmsweise bin ich dir einen Schritt voraus, mein Alter. Hab den Charterjet des Ordens aufgetankt und startklar drüben im Hangar stehen. Du brauchst den Piloten nur zu sagen, wo du hinwillst.«

»Louisiana«, murmelte er. »Sie wird nach Hause gefahren sein, nach Louisiana.«

Tegan warf ihm einen Stapel frischer Sachen zu, die neben dem Bett gelegen hatten. »Worauf wartest du dann noch? Mach hinne, Alter.«

Vor ihm erhoben sich die tiefen Schatten der alten Bäume des Atchafalaya-Sumpfes. Gideon sprang von der Ladefläche des alten Pick-ups, der ihn vom Flughafen von Baton Rouge mitgenommen hatte. Seine Beinwunde schmerzte höllisch bei jeder Meile, die er rannte, tiefer in die dichte Vegetation und die tief hängenden, moosbewachsenen Äste der Zypressen der Marschlandschaft hinein.

Savannahs Schwester Amelie lebte an einer abgelegenen Straße in dieser dünn besiedelten Gegend. Gideon wusste genau, wo er sie finden würde; nachdem er in der Krankenstation aufgewacht war, war er nur noch so lange im Hauptquartier des Ordens geblieben, um sich schnell in die Datenbank der Bundessteuerbehörde einzuhacken, die im Handumdrehen ihre Adresse ausgespuckt hatte.

Er schlich von der ungeteerten Straße hinüber zu dem bescheidenen kleinen Häuschen mit grauen Schindeln und überdachter Veranda, aus dessen Fenstern ein warmer Lichtschein drang. Es standen keine Autos auf der ungeteerten Einfahrt. Aus dem Haus drang kein Laut.

Geräuschlos stieg er die gedrungenen Stufen zur Veranda hinauf und ging zur Haustür, sein Oberschenkelmuskel protestierte bei jeder Bewegung. Mit seiner übersinnlichen Gabe tastete er durch die dünnen Wände des Hauses nach der energetischen Aura der Anwesenden. Jemand saß im Wohnzimmer, allein.

Gideon klopfte an die Haustür – und merkte, dass sie gar nicht ganz geschlossen war.

»Savannah?«

Von drinnen antwortete ihm ein ersticktes Stöhnen.

»Savannah!« Jetzt zog Gideon die Waffe und stürmte ins Haus, sein Körper in voller Alarmbereitschaft.

Es war nicht Savannah. Es musste ihre Schwester sein. Die nicht mehr ganz junge schwarze Frau saß gefesselt und geknebelt mitten im Wohnzimmer auf einem Küchenstuhl. Um sie herum Kampfspuren – umgestürzte Möbel, zerbrochener Krimskrams.

Aber keine Spur von Savannah.

Amelie Duprees Augen wurden groß, als Gideon sich ihr mit der Pistole in der Faust näherte. Sie schrie durch ihren Knebel, kämpfte panisch gegen ihre Fesseln an.

»Schsch«, sagte Gideon beruhigend und versuchte seine Angst davor, was wohl mit Savannah geschehen war, niederzukämpfen. Er riss Amelies Fesseln los und nahm ihr den Knebel ab. »Ich tu Ihnen nichts. Wo ist Savannah? Ich bin hier, um sie zu beschützen.«

»Sie haben sie entführt!«

Gideons Blut gefror zu Eis. »Wer?«

»Ich weiß nicht.« Sie schüttelte den Kopf, ein Schluchzen drang aus ihrer Kehle. »Ein paar Männer tauchten hier auf, vor etwa einer Stunde. Haben mich gefesselt und meine Schwester mitgenommen, mit vorgehaltener Waffe.«

Gideon stieß ein wütendes Knurren aus, tierhaft und tödlich. »Wohin haben sie sie gebracht? Wie haben sie ausgesehen?«

Amelie sackte vornüber und vergrub das Gesicht in den Händen. »Ich weiß es nicht, ich weiß es nicht! Oh mein Gott, jemand muss ihr helfen. Ich muss die Polizei anrufen!«

Gideon nahm sie fest bei den Schultern und zwang sie, ihn anzusehen. »Hören Sie zu, Amelie. Sie müssen hierbleiben und dürfen niemanden anrufen. Sie müssen mir vertrauen. Ich werde nicht zulassen, dass Savannah etwas passiert.«

Sie starrte ihn an, Zweifel lag in ihren verängstigten Augen. »Sind Sie das etwa? Der ihr gestern Abend in Boston das Herz gebrochen hat, sodass sie sich zu mir nach Hause geflüchtet hat, als wäre ihre ganze Welt zusammengebrochen?«

Er antwortete nicht darauf, aber der Vorwurf lastete schwer auf ihm. »Ich bin der, der sie liebt. Mehr als sein Leben.«

»Dann lassen Sie nicht zu, dass sie ihr wehtun!«, rief sie. »Dass diese Männer meine Savannah töten!«

Gideon schüttelte feierlich den Kopf. »Das werde ich. Ich schwör’s Ihnen bei meinem Leben.«

Kaum hatte er es gesagt, da näherte sich ein Fahrzeug und hielt draußen vor dem Haus. Das dumpfe Dröhnen des Motors verstummte, dann wurden zwei Autotüren zugeworfen.

Gideon hob den Kopf, seine Kriegerinstinkte waren schlagartig in voller Alarmbereitschaft. Mit gezückter Waffe wirbelte er herum zur Haustür.

Da war sie.

Sie stand auf dem Rasen ihrer Schwester in der Dunkelheit, gefangen von einem Menschen, der sie im Schwitzkasten hatte – ein Lakai, wie Gideon sofort erkannte. Der riesige Schlägertyp presste Savannah die Mündung seiner Pistole gegen die Schläfe. Sie hatte geweint, ihr Gesicht war tränenverschmiert, die Lippen aschgrau vor Entsetzen.

Schlagartig strömte Gideon alles Blut aus dem Kopf und in sein dröhnendes Herz hinein.

Da bemerkte er den zweiten Mann, einen Stammesvampir, der lässig im Schatten einer Zypresse in der Nähe stand. Er trug einen maßgeschneiderten marineblauen Wollmantel, sein braunes Haar war makellos geschnitten und elegant nach hinten frisiert. Und seine Hände ruhten auf dem Knauf eines langen Schwertes, dessen polierte Stahlklinge im Mondlicht schimmerte.

Gideon brauchte den handgeschmiedeten Griff nicht zu sehen, um zu wissen, dass ein Raubvogel – ein Falke – in ihn eingearbeitet war.

Hugh Faulkners Schwert.

Aber das war nicht der Gen-Eins-Waffenschmied, den Gideon vor Jahrhunderten in London getötet hatte. Diesen Stammesvampir hatte er noch nie zuvor gesehen, da war er sich sicher.

»Lass die Waffen fallen, Krieger.«

Gideon sah von dem Stammesvampir zu dem Lakaien hinüber, der Savannah hielt, und schätzte ab, welchen der beiden er zuerst töten musste, damit sie die beste Chance hatte, heil davonzukommen. Das war bei beiden nicht sicher, und er wollte keinen Fehler riskieren, der sie das Leben kosten konnte.

»Waffen hinlegen«, knurrte der Vampir erneut. »Oder mein Mann pustet ihr das hübsche Köpfchen weg.«

Gideon lockerte seinen Griff um die Pistole und bückte sich, um sie auf den Boden zu legen.

»Alle Waffen. Langsam.«

Er nahm seinen Waffengürtel ab und legte ihn neben seinen Füßen auf den Boden. Die bandagierte Schnittwunde an seinem Oberschenkel hatte wieder zu bluten begonnen und sickerte durch sein Hosenbein.

Der andere Vampir schnüffelte dramatisch in der Luft und bleckte die Lippen zu einem amüsierten Grinsen. »Doch nicht ganz so unverwundbar, wie mir scheint.«

Gideon sah zu, wie der Stammesvampir die Spitze von Faulkners Schwert in der feuchten Erde von Amelie Duprees Hof drehte. »Kenne ich dich?«

Der Vampir lachte leise. »Niemand kannte mich. Damals nicht.«

Gideon versuchte, ihn einzuordnen, überlegte, ob oder wann ihre Pfade sich schon gekreuzt haben konnten.

»Du hast mich damals nicht bemerkt. Das hat auch er kaum getan.« Es lag bitterer Groll in seinem Ton, aber auch noch etwas anderes. Ein alter, bitterer Schmerz. »Sein Bastard, den er nicht anerkennen wollte. Die einzige Familie, die er hatte.«

Gideon sah ihn mit schmalen Augen an. »Hugh Faulkner hatte einen Sohn?«

Ein schmales, hasserfülltes Lächeln erschien auf seinem Gesicht und verzerrte die polierte Fassade zu einem hässlichen Grinsen. »Einen halbwüchsigen Sohn, der mit ansah, wie du ihn getötet hast, vor allen Leuten abgeschlachtet mit weniger Respekt, als man Schweinen entgegenbringt. Einen Sohn, der geschworen hat, ihn zu rächen, auch wenn er im Leben keine Verwendung für mich hatte.« Hugh Faulkners ungewollter Sohn lächelte jetzt ein echtes Lächeln. »Ein Sohn, der beschlossen hat, auch dem Mörder seines Vaters die einzige Familie zu nehmen, die er noch hatte.«

Wut brandete in Gideon auf. »Meine Brüder waren unschuldige Kinder. Du hast diese drei Rogues auf sie gehetzt, um sie zu ermorden?«

»Ich dachte, das würde genügen«, antwortete der andere ruhig. »Ich dachte, dann wären wir quitt. Und lange Zeit hat es mir auch genügt. Sogar als ich nach Amerika kam, um unter einem neuen Namen ein neues Leben zu beginnen. Und diesen Namen habe ich heute zu etwas Glanzvollem und Respektablem erhoben: Cyril Smithson.«

Gideon erinnerte sich vage an den Namen aus der Elite der Dunklen Häfen. Ein reicher Mann mit großem gesellschaftlichen Einfluss. Ein Name, der in den zivilen Kreisen des Stammes diskreditiert wäre, wenn die schändliche, mörderische Vergangenheit seines Trägers ans Licht kam.

»Zu wissen, dass ich dir deine letzten lebenden Verwandten genommen habe, hätte mir vielleicht genügt, auch nachdem ich mich in Boston wiederfand und dich bei deinen Missionen als Ordenskrieger beobachtet habe«, fuhr Smithson fort. »Aber dann hat meine liebe Stammesgefährtin idiotischerweise in einem karitativen Anfall einige meiner persönlichen Sachen der Universität gespendet, einschließlich des Schwertes meines Vaters. Als ich ging, um es mir wiederzuholen, war Keaton in seinem Büro und fickte eine kleine Schlampe. Sie sah mich und schrie.« Der Stammesvampir schnalzte missbilligend mit der Zunge. »Nun, für das, was dann geschah, kann mir niemand einen Vorwurf machen. Das Mädchen hat meine Fänge und Augen gesehen.«

»Also hast du auch sie ermordet«, sagte Gideon.

Smithson zuckte mit den Schultern. »Sie war ein Problem, das beseitigt werden musste. Genau wie ihre Mitbewohnerin hier.«

Gideon folgte dem Blick des Vampirs zu Savannah. Sie atmete heftig, ihre Brust hob und senkte sich heftig vor Angst, und sie sah Gideon flehend in die Augen.

Smithson drehte das Schwert müßig in den Fingern. »Diese Klinge hätte ich eigentlich nie aus meinem Besitz lassen sollen, nachdem die Rogues sie mir gebracht haben, mit dem Blut deiner Brüder darauf. Du solltest nie erfahren, was in jener Nacht wirklich passiert ist. Jetzt, wo du es weißt … nun, ich schätze, jetzt sind wir wieder ganz am Anfang, nicht?«

Der Vampir hob das Schwert und prüfte sein Gewicht. »Ich war nie besonders gut mit Schwertern. Primitive Waffen eigentlich. Aber effektiv.«

»Was willst du, Smithson? Einen Kampf auf Leben und Tod mit mir, hier und jetzt?«

»Ja.« Er sah zu Gideon hinüber, der ihn am anderen Ende des Hofes sprühend vor Hass ansah. »Ja, das ist genau, was ich will. Aber ich werde dich nicht unterschätzen, wie es mein Vater getan hat.«

Er warf seinem Lakaien einen raschen Seitenblick zu. Zwei Schüsse ertönten kurz nacheinander, je eine Kugel für Gideons Schultern.

Savannah schrie. Sie kämpfte gegen den Griff ihres Entführers an und sah verzweifelt zu Gideon hinüber, als der Lakai den Lauf seiner Pistole wieder gegen ihre Schläfe drückte.

Er fühlte den Schmerz der frischen Wunden kaum, war völlig auf sie und den wilden, verzweifelten Ausdruck in ihren Augen konzentriert. Er schüttelte schwach den Kopf, befahl ihr wortlos, nichts zu tun, was sie in Lebensgefahr brachte.

»Das sollte gleiche Bedingungen schaffen«, bemerkte Smithson, als die Schüsse durch den Sumpf hallten. »Aber wenn ich’s mir recht überlege, lieber noch einen, zur Sicherheit«, sagte er zu dem Lakaien. »In den Bauch.«

Die Hand des Lakaien begann, sich von Savannahs Kopf zu entfernen. Gideon sah es wie in quälender Zeitlupe – wie die Muskeln im Handgelenk des Mannes auf den Befehl seines Meisters zuckten, um die Pistole auf ihr neues Ziel auszurichten.

Savannah, nicht!

Gideon blieb nicht einmal mehr die Zeit, um die Worte auszusprechen. Sobald der Lakai seine Aufmerksamkeit von ihr abwandte, ergriff sie ihre Chance. Sie verlagerte ihr Gewicht und schlug den Arm des Mannes in die Höhe, gerade, als er abdrückte. Der Schuss ging daneben, die Kugel pfiff in die Bäume hinauf, und Savannah riss sich von dem Lakaien los.

»Töte sie«, befahl Smithson.

Und der Lakai feuerte ein weiteres Mal. Die Kugel traf Savannah in den Rücken, und sie stürzte wie tot zu Boden.

Amelie hinter ihnen auf der Veranda schrie auf und rannte über den Rasen zu ihrer Schwester.

Gideon brüllte auf. Entsetzen und Wut schossen durch seine Adern, kalt und schwarz wie Säure. »Nein!«, heulte er, zerrissen von einer Qual, wie er sie noch nie gespürt hatte. »Nein!«

Er sprang Smithson an, warf ihn hart auf den Boden und drosch mit den Fäusten auf ihn ein. Die beiden Vampire rollten in einem wilden Nahkampf durchs nasse Gras. Gideon war sich vage bewusst, dass der Lakai auf sie zurannte und mit seiner Waffe auf ihn zielte, aber zögerte, abzudrücken, um nicht aus Versehen seinen Meister zu treffen.

Gideon ignorierte diese Gefahrenquelle und schlug weiter auf Smithson ein. Sie zerrten aneinander, knirschten mit Fängen und Zähnen, als sie auf dem Boden miteinander rangen.

Gideons Wut war eine hungrige Bestie, die auf die Chance wartete, den tödlichen Schlag zu führen.

Als Smithson dann den Kopf drehte und hektisch nach seinem verlorenen Schwert tastete, stürzte sich Gideon zum tödlichen Schlag auf ihn. Er schlug dem anderen Mann seine Zähne und Fänge in den Hals und biss zu, so fest er konnte.

Dann schüttelte er mit einem wilden Ruck den Kopf und riss Smithson den Kehlkopf heraus.

Smithson zuckte und schlug in Todesqualen um sich, eine Blutfontäne spritzte auf.

Sein Lakai stand in verblüfftem Schweigen da, sein kurzes Zögern gab Gideon alle Zeit, die er brauchte, um beide mit einem Schlag zu vernichten.

Er hob Faulkners Schwert auf und stieß es tief in Smithsons Brust.

Der Vampir zuckte um die Klinge, seine Augen wurden groß und traten aus den Höhlen.

Gideon hörte einen Schuss irgendwo ganz in seiner Nähe, spürte einen plötzlichen, schweren Schlag gegen die Schläfe, und dann sah er auf einmal rot. Es war sein Blut, das ihm in die Augen strömte. Der Lakai hatte ihm in den Kopf geschossen.

Aus Smithsons Brust stieg ein letztes gurgelndes Röcheln auf, als der Tod ihn sich holte. Gleichzeitig brach sein Lakai tot auf dem Boden zusammen, das Leben des Geistsklaven unauflöslich an das seines Meisters gebunden.

»Savannah.« Gideon schleppte sich hinüber zu ihr, wo Amelie an ihrer Seite kniete. Savannah regte sich nicht. Ihr Rücken war blutüberströmt, und oben an ihren Rippen hatte die Kugel ein dunkles Loch durch ihren hellgrauen Pulli gebrannt.

»Sie stirbt!«, schluchzte Amelie, ohne ihn anzusehen, völlig auf ihre Schwester konzentriert. Sie streichelte Savannah mit zitternden Händen, ihr Gesicht voller Kummer. »Du hast versprochen, sie zu retten. Du hast es bei deinem Leben geschworen.«

»Mach mir Platz«, keuchte er mühsam, seine Stimme gespenstisch, heiser von seinen Verletzungen, seiner Angst um Savannah und seinen vollständig ausgefahrenen Fängen. »Lass mich ihr helfen.«

Erst jetzt sah Amelie sich zu ihm um. Sie schnappte nach Luft und zuckte zurück. Dann kroch sie hektisch nach hinten, Savannah an sich gedrückt, als dachte sie, sie könnte sie vor dem blutenden Monster beschützen, das sich plötzlich an der Stelle befand, wo vor wenigen Minuten noch ein Mann gewesen war. »Oh mein Gott. Was für eine Ausgeburt der Hölle bist du?«

»Bitte«, zischte Gideon. Ihm wurde langsam schwarz vor Augen, sein Puls dröhnte schwer in seinen Schläfen, und er hatte unerträgliche Kopfschmerzen. Er musste schnell handeln. Ihm blieb nicht mehr viel Zeit, um zu tun, was getan werden musste, bevor einer von ihnen starb. Er griff nach Savannahs Hand und nahm ihren schlaffen Körper sanft aus Amelies Armen. »Bitte, es ist ihre einzige Chance. Vertrau mir. Lass mich sie retten.«

Er wartete nicht ab. Konnte keine weitere Sekunde mehr verstreichen lassen, ohne Savannah die Kraft seines Blutes zukommen zu lassen.

Er biss sich ins Handgelenk und hielt es über ihre geöffneten Lippen.

»Trink«, flüsterte er heiser. »Bitte, Liebste … trink das.«

Dunkelrote Tropfen fielen in ihren erschlafften Mund. Der Strom wurde stärker, pulsierte mit jedem mühsamen Schlag seines Herzens aus ihm heraus. »Komm schon, Savannah. Tu’s. Bitte nimm mein Geschenk an. Das ist alles, was ich dir jetzt geben kann.«

Sie begann, langsam die Zunge zu bewegen. Ihr schlanker Hals machte Schluckbewegungen, sie nahm den ersten Zug aus seiner Ader. Dann schluckte sie wieder und wieder.

Dann hob sie einen Spalt die Augenlider, nur eine winzige Reaktion, aber genug, um Gideon einen Seufzer der bodenlosen Erleichterung zu entringen.

Sie würde leben.

Das spürte er mit einer Gewissheit, die ihn beschämte. Sein Blut würde sie retten.

Sie lebte. Smithson war tot und konnte ihr nichts mehr tun.

Gideon hatte nun doch sein Versprechen gehalten.

Jetzt wurde ihm schwarz vor Augen, ein Gefühl der Taubheit kroch über seine Kopfhaut. Er musste sich anstrengen, sich aufrecht zu halten, unsichtbare Fesseln zogen ihn zu Boden.

So kämpfte er gegen die Ohnmacht an, hielt schützend Savannahs Kopf im Arm und konzentrierte sich auf den regelmäßigen Rhythmus ihres Mundes, der zart an seinem Handgelenk saugte. Sie trank von ihm, heilte durch seine Hilfe.

Und das war vorerst alles, was für ihn zählte.