Das Märchen von Father Brown

 

Pittoresk waren Stadt und Staat Heiligwaldenstein, eines jener Spielzeugkönigreiche, aus denen bestimmte Teile des Deutschen Reichs immer noch bestehen. Der Staat war erst spät in seiner Geschichte unter preußische Vorherrschaft geraten – kaum 50 Jahre vor jenem herrlichen Sommertag, an dem Flambeau und Father Brown sich in seinen Gartenwirtschaften befanden und sein Bier tranken. Während der letzten Generation hatte es da nicht wenig Krieg und Willkürjustiz gegeben, wie gleich gezeigt werden wird. Doch wenn man sich Stadt und Staat nur so ansah, konnte man sich jenes Eindrucks der Kindlichkeit nicht erwehren, die ja die bezauberndste Eigenschaft Deutschlands ist – jene puppentheatrischen, väterlichen Monarchien, in denen der König so umgänglich zu sein scheint wie der Koch. Die deutschen Soldaten vor ihren unzähligen Schilderhäuschen sahen deutschem Spielzeug merkwürdig ähnlich, und die klar geschnittenen Zinnen des Schlosses sahen, vergoldet vom Sonnenschein, um so mehr vergoldetem Lebkuchen ähnlich. Denn es war das strahlendste Wetter. Der Himmel war von so preußischem Blau, wie es Potsdam nur hätte verlangen können, und doch glich es noch mehr jenem verschwenderischen und satten Farbgebrauch, den ein Kind aus seinem billigen Malkasten herausholt. Selbst die graurippigen Bäume sahen jung aus, denn ihre spitzen Knospen waren noch rosa, und ihr Muster sah vor dem tiefen Blau wie unzählige Kinderzeichnungen aus.

Trotz seiner prosaischen Erscheinung und seiner allgemein praktischen Lebensführung war Father Brown nicht ohne einen Schuß Romantik in seiner Zusammensetzung, obwohl er seine Träumereien im allgemeinen für sich behielt, wie das auch viele Kinder tun. Inmitten der kräftigen, strahlenden Farben eines solchen Tages aber und in dem heraldischen Rahmen einer solchen Stadt fühlte er sich fast so, als sei er in ein Märchen geraten. Er fand, wie ein jüngerer Bruder vielleicht, ein kindliches Vergnügen an dem beachtlichen Stockdegen, den Flambeau im Gehen zu schwingen pflegte und der nun senkrecht neben seinem mächtigen Humpen Münchner Bieres stand. Ja, in seiner schläfrigen Verantwortungslosigkeit ertappte er sich selbst sogar dabei, wie er den knorrigen und plumpen Griff seines schäbigen Schirmes mit den Augen schwacher Erinnerungen an die Keule eines Menschenfressers in einem farbigen Bilderbuch ansah. Doch niemals fügte er Dinge zur Dichtung zusammen, es sei denn die Erzählung, die jetzt folgt:

»Ich frage mich«, sagte er, »ob man wohl an einem solchen Ort wirkliche Abenteuer erleben könnte, wenn man sich dazu die Möglichkeit gäbe? Das alles ist ein herrlicher Hintergrund für sie, aber ich werde das Gefühl nicht los, daß man dann eher mit Pappschwertern angegriffen würde als mit wirklichen, schrecklichen Degen.«

»Sie irren sich«, sagte sein Freund. »In dieser Stadt kämpft man nicht nur mit Degen, sondern tötet auch ohne Degen. Und es gibt noch Schlimmeres.«

»Wieso, was meinen Sie?« fragte Father Brown.

»Nun«, erwiderte der andere, »wir sind hier am einzigen Ort in Europa, wo je ein Mann erschossen wurde ohne Feuerwaffe.«

»Sie meinen Pfeil und Bogen?« fragte Brown verwundert.

»Ich meine Kugel im Kopf«, erwiderte Flambeau. »Kennen Sie die Geschichte des verblichenen Fürsten dieser Stadt nicht? Dabei handelt es sich um eines der großen Polizeimysterien vor etwa 20 Jahren. Sie erinnern sich sicherlich, daß dieses Land zur Zeit der frühesten Konsolidierungspläne Bismarcks gewaltsam annektiert worden ist – gewaltsam, aber gar nicht mühelos. Das Reich (oder was einmal eines werden wollte) entsandte Fürst Otto von Großenmark, um das Land im Interesse des Reiches zu regieren. Wir haben sein Porträt in der Galerie gesehen – er wäre sicherlich ein gutaussehender älterer Herr gewesen, wenn er nur Haare und Augenbrauen gehabt hätte und nicht so verrunzelt gewesen wäre wie ein Geier; aber er hatte einiges durchzumachen, wie ich gleich erklären werde. Er war ein Soldat von hervorragendem Geschick und Erfolg, aber er hatte mit diesem kleinen Land keine leichte Aufgabe. Er wurde in verschiedenen Schlachten von den berühmten Gebrüdern Arnhold geschlagen – den drei patriotischen Freischärlern, auf die Swinburne ein Gedicht schrieb, Sie werden sich erinnern:

 

Wolves with the hair of the ermine

Wölfe im Hermelin

 

Crows that are crowned and kings –

Krähen zu Königen gekrönt –

 

These things be many as vermin

Mögen zahlreich wie Gewürm sein,

 

Yet Three shall abide these things.

Drei werden ihnen widerstehen.

 

 

Oder irgendwas dieser Art. Tatsächlich ist es keineswegs sicher, daß die Besetzung je hätte Erfolg haben können, wenn nicht einer der drei Brüder, Paul, sich verächtlich aber entscheidend geweigert hätte, diesen Dingen weiterhin zu widerstehen, und, indem er alle Geheimnisse des Aufstandes übergab, dessen Niederwerfung ebenso wie seine eigene Beförderung zum Kämmerer des Fürsten Otto sicherstellte. Danach wurde Ludwig, der einzige wahre Held unter Swinburnes Helden, mit dem Schwert in der Hand bei der Eroberung der Stadt getötet; und der dritte, Heinrich, der, obwohl kein Verräter, im Vergleich zu seinen tatendurstigen Brüdern immer schon zahm, ja geradezu zaghaft war, zog sich in eine Art Einsiedelei zurück, wurde zu einem christlichen Quietismus bekehrt, der schon fast quäkerisch war, und mischte sich nie wieder unter die Menschen, außer um fast sein ganzes Hab und Gut den Armen zu geben. Man hat mir erzählt, daß man ihn bis vor gar nicht langer Zeit gelegentlich in der Nachbarschaft sehen konnte, einen Mann in schwarzem Umhang, fast blind, mit wildem weißem Haar, aber einem Antlitz von erstaunlicher Sanftmut.«

»Ich weiß«, sagte Father Brown, »ich habe ihn einmal gesehen.«

Sein Freund schaute ihn überrascht an. »Ich habe gar nicht gewußt, daß Sie schon früher hier waren«, sagte er. »Dann wissen Sie vielleicht ebensoviel darüber wie ich. Jedenfalls ist das die Geschichte der Arnholds, und er war ihr letzter Überlebender. Ja, und auch aller anderen Männern, die in diesem Drama ihre Rollen spielten.«

»Sie meinen, daß auch der Fürst schon lange tot ist?«

»Tot«, wiederholte Flambeau, »und das ist ungefähr alles, was wir darüber wissen. Sehen Sie, gegen Ende seines Lebens begannen seine Nerven, ihm Streiche zu spielen, wie das bei Tyrannen nicht ungewöhnlich ist. Er vervielfachte die übliche Tag- und Nachtwache rund um sein Schloß, bis es mehr Schilderhäuschen als Wohnhäuser in der Stadt zu geben schien, und zweifelhafte Charaktere wurden erbarmungslos erschossen. Er lebte fast ausschließlich in einem kleinen Zimmer genau im Zentrum des gewaltigen Labyrinthes all der anderen Zimmer, und selbst darin errichtete er sich noch eine Art Zentralzelle oder Zentralverschlag, mit Stahl beschlagen wie ein Safe oder ein Kriegsschiff. Manche behaupten, daß sich unter ihm wiederum ein geheimes Loch in der Erde befand, kaum groß genug, ihn zu fassen, so daß er also in seiner Angst vor dem Grab sich freiwillig an einen Platz verkroch, der einem Grab sehr ähnlich war. Aber er ging noch weiter. Die Bevölkerung galt eigentlich seit der Niederschlagung der Revolte als entwaffnet, aber Otto bestand nun, wie Regierungen das nur sehr selten tun, entschieden auf einer absoluten und buchstäblichen Entwaffnung. Sie wurde mit außerordentlicher Gründlichkeit und Strenge von ausgezeichnet organisierten Beamten durchgeführt, denen jeweils ein kleines und ihnen bekanntes Gebiet zugewiesen wurde, und soweit menschliche Kraft und Kenntnis von irgend etwas absolute Sicherheit erlangen können, war Fürst Otto absolut sicher, daß niemand auch nur eine Spielzeugpistole nach Heiligwaldenstein einführen konnte.«

»Menschliche Kenntnis kann sich solcher Dinge niemals sicher sein«, sagte Father Brown, der immer noch die rosa Knospen an den Zweigen über seinem Kopf betrachtete, »und wenn auch nur wegen der Schwierigkeiten in Definition und Bezeichnung. Was ist eine Waffe? Menschen sind schon mit den sanftesten Haushaltsgegenständen ermordet worden; sicherlich mit Teekesseln, vielleicht gar mit Teewärmern. Auf der anderen Seite: Wenn Sie einem alten Britannier einen Revolver zeigten, bezweifle ich, daß er ihn als Waffe erkennte – bis man damit in ihn hineinschösse, natürlich. Vielleicht hat jemand eine Feuerwaffe mitgebracht, die so neu war, daß sie nicht einmal wie eine Feuerwaffe aussah. Vielleicht sah sie aus wie ein Fingerhut oder so was. War an der Kugel etwas Besonderes?«

»Nicht daß ich wüßte«, antwortete Flambeau; »aber alle meine Informationen sind bruchstückhaft und stammen ausschließlich von meinem alten Freund Grimm. Er war ein sehr fähiger Detektiv im deutschen Geheimdienst, und er versuchte, mich festzunehmen; stattdessen habe ich ihn festgenommen, und dann hatten wir manch interessanten Plausch miteinander. Er war hier mit der Untersuchung zum Fall des Fürsten Otto betraut, aber ich habe vergessen, ihn zu der Kugel zu befragen. Nach Grimm hat sich folgendes ereignet.« Er hielt einen Augenblick inne, um den größeren Teil seines dunklen Lagerbieres in einem Zug zu trinken, und fuhr dann fort:

»An dem fraglichen Abend sollte der Fürst allem Anschein nach in einem der äußeren Gemächer erscheinen, weil er bestimmte Besucher zu empfangen hatte, die er wirklich sehen sollte. Es handelte sich um Geologen, die ausgeschickt worden waren, um der alten Frage angeblicher Goldvorkommen in den Bergen hier herum nachzugehen, die so lange (sagt man) die Kreditwürdigkeit des kleinen Stadtstaates sicherten, weshalb der im Stande gewesen war, selbst während der pausenlosen Bombardierung durch größere Armeen seine Beziehungen zu den Nachbarn aufrechtzuerhalten. Bisher wurde aber selbst von der sorgfältigsten Untersuchung nicht gefunden, die – «

»Die absolut sicher sein konnte, auch eine Spielzeugpistole zu finden«, sagte Father Brown mit einem Lächeln. »Aber was war mit dem verräterischen Bruder? Hatte der dem Fürsten nichts zu erzählen?«

»Er hat immer wieder beteuert, daß er davon nichts wisse«, erwiderte Flambeau; »daß dies das einzige Geheimnis sei, das seine Brüder ihm nicht mitgeteilt hätten. Man muß allerdings zugeben, daß das durch einige fragmentarische Worte unterstützt wird, die der große Ludwig in der Stunde seines Todes sprach, als er Heinrich ansah, aber auf Paul wies und sagte: ›Du hast ihm nicht erzählt…‹, und kurz danach vermochte er nicht mehr zu sprechen. Jedenfalls, die Abordnung der ausgezeichneten Geologen und Mineralogen aus Paris und Berlin war da in der glanzvollsten und angemessensten Aufmachung, denn niemand trägt seine Orden lieber als die Männer der Wissenschaft – wie jeder weiß, der einmal an einer Soirée der Royal Society teilgenommen hat. Es war eine brillante Versammlung, aber sehr spät und erst nach und nach entdeckte der Kämmerer – Sie haben sein Porträt auch gesehen: Ein Mann mit schwarzen Augenbrauen, ernstem Blick und einem ausdruckslosen Lächeln darunter –, der Kämmerer, sagte ich, entdeckte, daß alle da waren außer dem Fürsten. Er suchte alle äußeren Gemächer ab; dann erinnerte er sich an die wahnsinnigen Angstanfälle des Mannes und stürzte in das innerste Zimmer. Das war ebenfalls leer, aber den in seiner Mitte errichteten stählernen Turm oder Verschlag zu öffnen dauerte eine Weile. Als er sich öffnete, war er ebenfalls leer. Der Kämmerer ging hinein und starrte in das Loch im Boden, das tiefer schien und um so grabähnlicher – das ist natürlich sein Bericht. Und während er noch dabei war, hörte er Aufschreie und Tumult in den langen Räumen und Korridoren draußen.

Zuerst war es ein fernes Getöse und Gekreische von etwas Undenkbarem am Rande der Menge, sogar außerhalb des Schlosses. Danach war es ein erschreckend nahes Gelärme, laut genug, um verständlich zu sein, hätte nicht das eine Wort das andere übertönt. Danach kamen Worte von schrecklicher Klarheit, und sie kamen näher, und als nächstes stürzte ein Mann ins Zimmer und berichtete die Neuigkeit so knapp, wie solche Neuigkeiten berichtet werden.

Otto, Fürst von Heiligwaldenstein und Großenmark, lag im Tau des dunkelnden Dämmerlichtes im Walde jenseits des Schlosses, die Arme zur Seite und das Gesicht zum Mond empor geworfen. Das Blut pulsierte noch aus seiner zerschmetterten Schläfe und Wange, aber das war auch das einzige an ihm, was sich noch wie etwas Lebendes bewegte. Er war mit seiner weißgelben Paradeuniform bekleidet, wie um die Gäste drinnen zu empfangen, mit der Ausnahme, daß seine Schärpe gelöst worden war und zusammengeknüllt neben ihm lag. Bevor er aufgehoben werden konnte, war er tot. Aber tot oder lebendig war er ein Rätsel – er, der sich immer im innersten Zimmer verborgen hatte, hier draußen in den nassen Wäldern, unbewaffnet und allein.«

»Wer hat seine Leiche gefunden?« fragte Father Brown.

»Ein dem Hofe verbundenes Mädchen namens Hedwig von Soundso«, erwiderte sein Freund, »die in den Wald gegangen war, um wilde Blumen zu pflücken.«

»Hatte sie welche gepflückt?« fragte der Priester und starrte leeren Blickes auf die Zweige über ihm.

»Ja«, erwiderte Flambeau. »Ich erinnere mich besonders, daß der Kämmerer oder der alte Grimm oder sonstwer sagte, wie schrecklich das gewesen sei, als man auf ihren Ruf herbeieilte und das Mädchen erblickte, wie es mit Frühlingsblumen sich über dieses – dieses blutige Häufchen beugte. Jedenfalls, die Hauptsache ist, daß er tot war, ehe Hilfe eintraf, und diese Nachricht mußte natürlich sofort ins Schloß überbracht werden. Die Verwirrung, die sie dort auslöste, ging weit über alles hinaus, was an einem Hof beim Sturz eines Potentaten üblich ist. Die ausländischen Besucher, und insbesondere die Bergwerksexperten, waren in die wildesten Zweifel und Erregungen gestürzt, ebenso wie viele wichtige preußische Beamte, und es wurde bald deutlich, daß der Plan zur Auffindung des Schatzes eine viel größere Rolle in der Angelegenheit spielte, als man zunächst gedacht hatte. Experten und Beamten waren große Prämien und internationale Vorteile versprochen worden, und manche behaupteten sogar, daß die Geheimräume des Fürsten und die starke Bewachung weniger auf Furcht vor der Bevölkerung zurückgingen als vielmehr auf die Verfolgung irgendwelcher privater Nachforschungen von – «

»Hatten die Blumen lange Stengel?« fragte Father Brown.

Flambeau starrte ihn an. »Was sind Sie doch für ein merkwürdiger Mensch!« sagte er. »Genau das ist es, was der alte Grimm erzählte. Er erzählte, der häßlichste Teil an der Sache – häßlicher noch als Blut und Kugel – sei gewesen, daß die Blumen besonders kurz waren, fast direkt unter den Köpfen abgepflückt.«

»Natürlich«, sagte der Priester, »wenn ein erwachsenes Mädchen wirklich Blumen pflückt, pflückt sie sie mit langen Stengeln. Wenn sie nur ihre Köpfe abpflückt, wie das ein Kind tut, so sieht das aus, als ob – « Und er zögerte.

»Ja?« fragte der andere.

»Naja, sieht es fast so aus, als habe sie sie nervös abgerupft, als Entschuldigung dafür, daß sie da war – nun, da sie da war.«

»Ich weiß, worauf Sie hinauswollen«, sagte Flambeau düster.

»Aber dieser wie jeder andere Verdacht bricht an der einen Stelle zusammen – das Fehlen einer Waffe. Er hätte, wie Sie sagten, mit vielen Dingen getötet werden können – selbst mit seiner eigenen Schärpe; aber wir haben nicht zu erklären, wie er getötet wurde, sondern wie er erschossen wurde. Und Tatsache ist, daß wir das nicht können. Man hat das Mädchen rücksichtslos durchsucht; denn um die Wahrheit zu sagen, sie erschien verdächtig, obwohl sie die Nichte und das Mündel des bösen alten Kämmerers Paul Arnhold war. Aber sie war sehr romantisch und der Sympathie mit der alten revolutionären Begeisterung ihrer Familie verdächtig. Jedoch: Wie romantisch auch immer man ist, man kann einem Mann keine große Kugel in Schläfe oder Hirn denken, ohne ein Gewehr oder eine Pistole zu verwenden. Und es gab keine Pistole, obwohl es zwei Pistolenschüsse gab. Und jetzt sind Sie dran, mein Freund.«

»Woher wissen Sie, daß es zwei Schüsse gab?« fragte der kleine Priester.

»Nur eine stak in seinem Kopf«, sagte sein Gefährte, »aber in der Schärpe gab es ein weiteres Schußloch.«

Father Browns glatte Stirn zog sich plötzlich zusammen. »Hat man die andere Kugel gefunden?« fragte er.

Flambeau zuckte ein bißchen zusammen. »Ich kann mich nicht erinnern«, sagte er.

»Warten Sie! Warten Sie! Warten Sie!« rief Brown und runzelte seine Stirne mehr und mehr in einer ungewöhnlichen Konzentration der Wißbegier. »Halten Sie mich nicht für unhöflich. Lassen Sie mich einen Augenblick darüber nachdenken.«

»Schon gut«, sagte Flambeau lachend und leerte sein Bier. Eine leichte Brise bewegte die knospenden Bäume und blies weiße und rosane Wölkchen in den Himmel, die den Himmel um so blauer und die ganze farbenprächtige Szene um so eigenartiger erscheinen ließen. Sie hätten Cherubime sein können, die durch die Fensterflügel eines himmlischen Kindergartens heimflogen. Der älteste Turm des Schlosses, der Drachenturm, stand da ebenso grotesk wie der Bierkrug, aber ebenso vertraut. Und erst hinter dem Turm schimmerte der Wald, in dem der Mann tot gelegen hatte.

»Was ist dann aus dieser Hedwig geworden?« fragte der Priester schließlich.

»Sie ist mit General Schwartz verheiratet«, sagte Flambeau. »Sie haben sicherlich von seiner reichlich romantischen Karriere gehört. Er hatte sich schon vor seinen Heldentaten zu Königgrätz und Gravelotte ausgezeichnet; er hat tatsächlich von der Pike auf gedient, was sehr ungewöhnlich ist, selbst in den kleinsten der deutschen Staaten – «

Father Brown setzte sich plötzlich aufrecht hin.

»Von der Pike auf gedient!« rief er und spitzte die Lippen, als wolle er pfeifen. »Oha, oha, was für eine seltsame Geschichte! Was für eine seltsame Art, einen Mann zu töten; aber ich vermute, daß es die einzig mögliche war. Aber sich einen so geduldigen Haß vorzustellen – «

»Was meinen Sie?« fragte der andere. »Auf welche Art haben sie den Mann denn getötet?«

»Sie haben ihn mit der Schärpe getötet«, sagte Brown sorgfältig; und dann, als Flambeau protestierte: »Ja, ja, ich weiß, die Kugel. Vielleicht sollte ich sagen, er starb daran, daß er eine Schärpe hatte. Ich weiß, das klingt nicht wie daß er eine Krankheit hatte.«

»Ich nehme an«, sagte Flambeau, »daß Ihnen eine Vorstellung in Ihren Kopf gekommen ist, aber das wird die Kugel aus seinem nicht leicht herausbekommen. Wie ich bereits erklärt habe, hätte er leicht erwürgt werden können. Aber er wurde erschossen. Von wem? Mit was?«

»Er wurde auf seinen eigenen Befehl hin erschossen«, sagte der Priester.

»Sie meinen, er hat Selbstmord begangen?«

»Ich habe nicht gesagt, auf seinen eigenen Wunsch hin«, erwiderte Father Brown. »Ich sagte, auf seinen eigenen Befehl hin.«

»Na schön, wie lautet also Ihre Theorie?«

Father Brown lachte. »Ich bin in Ferien«, sagte er. »Ich habe keine Theorien. Nur erinnert mich dieser Ort an Märchen, und wenn Sie mögen, erzähle ich Ihnen eine Geschichte.«

Die kleinen rosanen Wolken, die wie Zuckerwatte aussahen, waren hinauf zu den Zinnen der Türme des vergoldeten Lebkuchenschlosses geschwebt, und die rosanen Babyfinger der knospenden Bäume schienen sich zu spreiten und zu strecken, um sie zu fassen; der blaue Himmel nahm das helle Violett des Abends an, als Father Brown plötzlich wieder sprach:

 

»Es war in einer scheußlichen Nacht, der Regen tropfte noch von den Bäumen, und der Tau verdichtete sich bereits, als Fürst Otto von Großenmark hastig aus einer Seitentür des Schlosses trat und schnell in den Wald schritt. Einer der zahllosen Wachposten salutierte, aber er nahm keine Notiz davon. Er wollte auch nicht, daß man besondere Notiz von ihm nähme. Er war froh, als die großen Bäume, grau und glitschig vom Regen, ihn wie ein Sumpf verschluckten. Er hatte absichtlich die am wenigsten belebte Seite seines Palastes gewählt, aber selbst die war belebter, als ihm lieb war. Jedoch bestand keine besondere Gefahr, daß ihm jemand amtlich oder diplomatisch folgen würde, denn sein Ausgang erfolgte aus einem plötzlichen Impuls. All die Diplomaten in voller Uniform, die er hinter sich ließ, waren unwichtig. Es war ihm plötzlich klar geworden, daß er ohne sie auskommen konnte.

Seine große Leidenschaft war nicht die edle Furcht vor dem Tode, sondern die seltsame Sucht nach Gold. Um dieser Legende vom Golde willen hatte er Großenmark verlassen und war in Heiligwaldenstein eingedrungen. Dafür, und nur dafür hatte er den Verräter gekauft und den Helden abgeschlachtet, dafür hatte er den falschen Kämmerer lange befragt und wieder befragt, bis er zu dem Schluß gekommen war, daß der Renegat im Hinblick auf sein Unwissen wirklich die Wahrheit gesagt hatte. Dafür hatte er fast widerwillig Gold bezahlt und versprochen um der Chance willen, den größeren Betrag zu gewinnen; und dafür hatte er sich aus seinem Palast gestohlen wie ein Dieb im Regen, denn ihm war ein anderer Weg eingefallen, wie er sich seinen Herzenswunsch erfüllen könnte, und dazu billig.

Ferne am oberen Ende eines sich hinaufwindenden Bergpfades, zu dem er seine Schritte lenkte, stand zwischen den Felsenpfeilern auf der Klippe, die die Stadt überragte, die Einsiedelei, kaum mehr als eine mit Dornengestrüpp eingefriedete Höhle, in der der dritte der großen Brüder sich so lange vor der Welt verborgen hielt. Er, dachte Fürst Otto, konnte keinen wirklichen Grund haben, ihm die Übergabe des Goldes zu verweigern. Er hatte das Versteck schon seit Jahren gekannt und keinerlei Schritte unternommen, es aufzusuchen, schon ehe ihn sein neuer asketischer Glaube von Vermögen und Vergnügen trennte. Gewiß, er war ein Gegner gewesen, aber jetzt bekannte er die Pflicht, keinen Gegner zu haben. Einige Zugeständnisse in seinen Angelegenheiten, einige Anrufungen seiner Grundsätze vermochten ihn wahrscheinlich dazu zu bewegen, das Geheimnis des schnöden Geldes preiszugeben. Otto war trotz all seiner sorgfältigen militärischen Schutzmaßnahmen kein Feigling, und außerdem war seine Habgier stärker als seine Angst. Und schließlich gab es kaum Grund für Angst. Denn wenn er sicher war, daß es im ganzen Fürstentum keine privaten Waffen mehr gab, so war er hundertmal sicherer, daß es deren keine in der kleinen Einsiedelei des Quäkers auf dem Berge gab, wo er mit zwei alten einfachen Dienern von Kräutern lebte, und jahraus jahrein ohne die Stimme eines anderen Menschen. Fürst Otto schaute mit einem grimmen Lächeln auf die hellen viereckigen Labyrinthe der lampenbeleuchteten Stadt unter sich. Denn soweit das Auge blicken konnte, standen die Gewehre seiner Freunde, und keine Prise Pulver für seine Feinde. Die Gewehre standen so nahe selbst an diesen Bergpfad heran, daß ein Ruf von ihm die Soldaten den Berg heraufstürmen lassen würde, um nicht von der Tatsache zu reden, daß Wald wie Hang in regelmäßigen Abständen von Patrouillen begangen wurden; Gewehre so weit weg in den düsteren Wäldern jenseits des Flusses, winzig durch die Entfernung, daß kein Feind sich auf irgendwelchen Umwegen in die Stadt schleichen konnte. Und um den Palast waren Gewehre an der Westtür und an der Osttür, an der Nordtür und an der Südtür, und überall entlang der vier Fassaden, die sie miteinander verbanden. Er war sicher.

Das war um so deutlicher, nachdem er die Kuppe überschritten hatte und sah, wie nackt das Nest seines alten Feindes war. Er stand auf einer schmalen Felsenkanzel, die an drei Seiten steil abbrach. Hinten lag die schwarze Höhle, von grünen Dornen maskiert, so niedrig, daß man kaum glauben konnte, ein Mann könne sie betreten. Vorne der Felsabsturz und die weite, aber wolkige Sicht übers Tal. Auf der engen Felskanzel stand ein altes bronzenes Chor- oder Lesepult und ächzte unter einer großen deutschen Bibel. Bronze oder Kupfer war von den nagenden Winden und Wettern an jenem ausgesetzten Ort grün geworden, und Otto kam unmittelbar in den Sinn: ›Selbst wenn sie Waffen gehabt haben, müssen die inzwischen verrostet sein.‹ Der aufgehende Mond hatte hinter Gipfeln und Zacken totenfahles Dämmerlicht werden lassen, und der Regen hatte aufgehört.

Hinter dem Lesepult, mit dem Blick über das Tal, stand ein sehr alter Mann in einer schwarzen Robe, die ebenso gerade herabfiel wie die Felsabhänge ringsherum, und dessen weißes Haar und schwache Stimme gleichermaßen im Winde zu verwehen schienen. Er las offenbar ein Stundengebet als Teil seiner religiösen Übungen. ›Sie vertraueten auf ihre Pferde…‹

›Mein Herr‹, sagte der Fürst von Heiligwaldenstein mit recht ungewöhnlicher Höflichkeit, ›ich würde gerne ein kurzes Wort mit Ihnen sprechen.‹

›… und auf ihre Streitwagen‹, fuhr der alte Mann schwach fort, ›wir aber vertrauen auf den Namen des Herrn aller Heerscharen…‹ Seine letzten Worte waren unhörbar, aber er schloß das Buch verehrungsvoll und machte, da fast blind, eine tastende Bewegung und hielt sich dann am Lesepult fest. Sofort glitten seine beiden Diener aus der niedrigen Höhle hervor und stützten ihn. Sie trugen dumpfschwarze Gewänder dem seinen gleich, aber auf ihrem Haar lag weder jenes frostige Silber noch auf ihren Gesichtern die frostige Feinheit der Züge. Es waren Landleute, Kroaten oder Ungarn, mit breiten, stumpfen Gesichtern und schmalen Augenschlitzen. Zum ersten Mal beunruhigte den Fürsten irgend etwas, aber sein Mut und sein diplomatisches Geschick blieben standhaft.

›Ich fürchte, wir sind uns‹, sagte er, ›seit jener furchtbaren Kanonade nicht mehr begegnet, in der Ihr armer Bruder fiel.‹

›Alle meine Brüder starben‹, sagte der alte Mann und sah immer noch über das Tal hin. Dann wandte er für einen Augenblick Otto sein ermattetes feines Gesicht zu und sein wintriges Haar, das ihm wie Eiszapfen über die Augenbrauen fiel, und fügte hinzu: ›Wie Sie sehen, bin auch ich tot.‹

›Ich hoffe, Sie verstehen‹, sagte der Fürst und nahm sich fast bis zur Versöhnlichkeit zusammen, ›daß ich nicht hergekommen bin, um Sie als Gespenst jener großen Kämpfe heimzusuchen. Wir wollen nicht darüber reden, wer damals im Recht oder im Unrecht war, aber in wenigstens einem Punkt hatten wir nie unrecht, weil Sie immer recht hatten. Was immer man über die Politik Ihrer Familie sagen mag, niemand hat auch nur für einen Augenblick geglaubt, daß Sie durch die Gier nach Gold getrieben wurden; Sie haben sich selbst über jeden Verdacht erhaben gezeigt, daß –‹

Der alte Mann in dem schwarzen Gewand hatte ihn bisher gelassen mit seinen wäßrigen blauen Augen und einem Ausdruck hinfälliger Weisheit angesehen. Als aber das Wort ›Gold‹ gesagt wurde, streckte er seine Hand aus, als ob er etwas anhalten wolle, und wandte sein Gesicht ab und den Bergen zu.

›Er hat vom Gold gesprochen‹, sagte er. ›Er hat von ungesetzlichen Dingen gesprochen. Hindert ihn am Sprechen.‹

Otto hatte das Laster seiner preußischen Art und Abkunft, Erfolg nicht als einen Zufall, sondern als Charaktereigenschaft anzusehen. Er sah sich und seinesgleichen als ewige Eroberer von Völkern, die ewig erobert werden. Demgemäß war er kaum mit dem Gefühl der Überraschung bekannt und kaum auf den nächsten Zug vorbereitet, der ihn erschreckte und erstarren ließ. Er hatte gerade den Mund geöffnet, um dem Einsiedler zu antworten, als ihm der Mund gestopft und die Stimme erstickt ward mit einem starken weichen Knebelband, das ihm jählings wie eine Bandage um den Kopf geschlungen wurde. Es dauerte volle vierzig Sekunden, ehe ihm auch nur klar wurde, daß die beiden ungarischen Diener das getan hatten und daß sie es mit seiner eigenen Offiziersschärpe getan hatten.

Der alte Mann wandte sich wieder schwach seiner großen, bronzegetragenen Bibel zu, wendete die Seiten mit einer schrecklichen Geduld um, bis er zum Jakobusbrief kam und zu lesen begann: ›So ist auch die Zunge nur ein kleines Glied und –‹

Etwas in dieser Stimme ließ den Fürsten sich plötzlich umdrehen und den Bergpfad herabjagen, den er hinaufgeklommen war. Er hatte bereits den halben Weg zu den Gärten des Schlosses zurückgelegt, ehe er versuchte, sich die erstickende Schärpe von Hals und Mund zu lösen. Er versuchte es wieder und wieder, und es war unmöglich. Die Männer, die den Knebel geknüpft hatten, kannten den Unterschied zwischen dem, was ein Mann mit seinen Händen vor sich tun kann, und dem, was er mit seinen Händen hinter seinem Kopf tun kann. Seine Beine waren frei, um wie Antilopen über die Berge zu springen; seine Arme waren frei für jede Geste oder für jedes Signal; aber sprechen konnte er nicht. In ihm hauste ein stummer Teufel.

Er war den Wäldern bereits nahe, die das Schloß umgaben, ehe er richtig begriff, was sein stummer Zustand bedeutete und was er bedeuten sollte. Erneut blickte er grimmig hinab auf die hellen viereckigen Labyrinthe der lampenbeleuchteten Stadt unter sich, aber er lächelte nicht mehr. Er wiederholte sich in tödlicher Ironie die Phrasen seiner früheren Stimmung. Soweit das Auge blicken konnte, standen die Gewehre seiner Freunde, deren jeder einzelne ihn erschießen würde, wenn er den Anruf nicht beantworten konnte. Gewehre standen so nahe, daß Wald und Hang in regelmäßigen Abständen von Patrouillen begangen werden konnten; deshalb war es nutzlos, sich im Wald bis zum Morgen zu verbergen. Gewehre standen so weit entfernt, daß kein Feind sich auf irgendwelchen Umwegen in die Stadt schleichen konnte; deshalb war es sinnlos, auf irgendeinem weiten Weg in die Stadt zurückzukehren. Ein Ruf von ihm würde seine Soldaten den Berg hinaufstürmen lassen. Aber von ihm würde kein Ruf kommen.

Der Mond war in strahlendem Silberglanz aufgegangen, der Himmel zeigte sich in Streifen hellen Nachtblaus zwischen den schwarzen Streifen der Föhren um das Schloß. Blumen von großer und fedriger Art – nie noch hatte er zuvor solche Dinge bemerkt – leuchteten zugleich und wurden vom Mondschein verfärbt und erschienen unbeschreiblich phantastisch, wie sie sich zusammenrotteten, als kröchen sie um die Wurzeln der Bäume herum. Vielleicht war seine Vernunft bereits durch die unnatürliche Gefangenschaft unsicher geworden, die er mit sich herumschleppte, aber in jenem Wald empfand er etwas unergründlich Deutsches – das Märchen. Mit halbem Geiste wußte er, daß er sich dem Schloß eines Ungeheuers näherte – vergessen hatte er, daß er selbst das Ungeheuer war. Er erinnerte sich, wie er seine Mutter gefragt hatte, ob im alten Park zu Hause Bären hausten. Er bückte sich, um eine Blume zu pflücken, als ob sie ein Zauber gegen Verzauberung sei. Der Stengel war stärker, als er erwartet hatte, und brach mit einem leisen Krachen. Er versuchte, sie sorgsam in seine Schärpe zu stecken, als er den Anruf hörte: ›Wer da?‹ Da erinnerte er sich, daß die Schärpe nicht an ihrem gewöhnlichen Platze war.

Er versuchte zu schreien, und war stumm. Der zweite Anruf kam; und dann ein Schuß, der kreischte, während er herankam, und dann durch den Aufschlag plötzlich verstummte. Otto von Großenmark lag friedlich zwischen den Märchenbäumen und konnte weder mit Gold noch mit Stahl weiteres Unheil anrichten ; nur der Silberstift des Mondes griff die komplizierten Verzierungen seiner Uniform auf und zeichnete sie hie und da nach, oder die alten Falten auf seiner Stirne. Möge Gott Erbarmen mit seiner Seele haben.

Der Wachposten, der entsprechend den strikten Befehlen der Garnison gefeuert hatte, kam natürlich herbeigelaufen, um nach Spuren seiner Beute zu suchen. Es war ein Gemeiner namens Schwartz, seither in seinem Beruf nicht unbekannt, und was er fand, war ein kahler Mann in Uniform, dessen Gesicht mit einer Art Maske aus seiner eigenen Offiziersschärpe so bandagiert war, daß nichts als seine offenen toten Augen zu sehen war, die im Mondlicht steinern glitzerten. Die Kugel war durch den Knebel in den Mund eingedrungen; deshalb gab es ein Schußloch in der Schärpe, aber nur einen Schuß. Zwar nicht korrekt, aber sehr natürlich riß der junge Schwartz die rätselvolle Seidenmaske ab und schleuderte sie auf den Rasen; und dann erkannte er, wen er niedergestreckt hatte.

Wir können uns der nächsten Phase nicht sicher sein. Aber ich neige dazu anzunehmen, daß es in jenem kleinen Wald trotz des entsetzlichen Anlasses doch noch zu einem Märchen kam. Ob jene junge Dame namens Hedwig zuvor bereits irgend etwas von dem Soldaten wußte, den sie rettete und schließlich heiratete oder ob sie zufällig auf den Zufall stieß und ihre Bekanntschaft in jener Nacht begann, werden wir vermutlich niemals wissen. Aber wir können, glaube ich, wissen, daß diese Hedwig eine Heldin war und es verdiente, einen Mann zu heiraten, der ein Held wurde. Sie tat das Kühne und Kluge. Sie überredete den Wachposten, auf seinen Posten zurückzukehren, wo ihn nichts mit der Katastrophe in Verbindung bringen konnte; er war nur einer der treuesten und ordentlichsten von 50 solcher Posten in Rufweite. Sie blieb bei der Leiche und schlug Alarm; und da gab es nichts, was sie mit der Katastrophe in Verbindung bringen konnte, da sie keine Feuerwaffe hatte und sich auch keine hätte beschaffen können.

Nun«, sagte Father Brown und erhob sich fröhlich, »ich hoffe, daß sie glücklich sind.«

»Wohin gehen Sie?« fragte sein Freund.

»Ich werde mir das Porträt dieses Kämmerers noch einmal ansehen, dieses Arnholds, der seine Brüder verriet«, antwortete der Priester. »Ich möchte wissen, welchen Anteil – ich möchte wissen, ob ein Mann weniger Verräter ist, wenn er zweimal Verräter ist.«

Und lange grübelte er vor dem Porträt eines weißhaarigen Mannes mit schwarzen Augenbrauen und einer rosigen, gemalten Art Lächelns, das der schwarzen Warnung in seinen Augen zu widersprechen schien.