Der Salat von Oberst Cray

 

Father Brown wanderte an einem weißen unheimlichen Morgen von der Messe nach Hause, während sich die Nebel nur langsam hoben – einem jener Morgen, an denen man das Tageslicht als etwas Geheimnisvolles und Neues empfindet. Einzelne Bäume gewannen im Dunst immer schärfere Umrisse, als seien sie zuerst mit grauer Kreide skizziert worden, und danach mit Holzkohle. In noch weiteren Zwischenräumen erschienen die Häuser am zerfasernden Rand der Vorstadt; ihre Umrisse wurden deutlicher und deutlicher, bis er viele erkennen konnte, in denen flüchtige Bekannte wohnten, und sehr viele mehr, deren Besitzer er kannte. Aber alle Fenster und Türen waren geschlossen; niemand von diesen Leuten gehörte zu jenen, die schon so früh auf waren, und noch weniger zu jenen auf solchen Wegen. Aber als er durch den Schatten einer schönen Villa mit Veranden und weiten Ziergärten ging, hörte er ein Geräusch, das ihn fast gegen seinen Willen innehalten ließ. Es war das unverkennbare Geräusch einer Pistole oder eines Gewehrs oder einer anderen leichten Feuerwaffe, mit der geschossen wurde; aber nicht das verwirrte ihn am meisten. Dem ersten vollen Geräusch folgte unmittelbar eine Reihe schwächerer Geräusche nach – nach seiner Zählung etwa sechs. Er nahm an, daß das das Echo war; aber sonderbarerweise klang das Echo nicht im entferntesten so wie das Originalgeräusch. Es klang auch nach nichts anderem, das er hätte erkennen können; die drei dem am nächsten kommenden Dinge waren das Geräusch eines Sodawassersiphons, oder eines der vielen tierischen Geräusche, oder das Geräusch, das entsteht, wenn jemand ein Gelächter unterdrücken möchte. Keines davon ergab aber irgendeinen Sinn.

Father Brown bestand aus zwei Männern. Der eine war ein Mann der Tat, so bescheiden wie eine Primel und so pünktlich wie ein Uhrwerk; der seinen kleinen Kreis an Pflichten erfüllte und niemals daran dachte, sie zu ändern. Und dann war da der Mann des Nachdenkens, der sehr viel einfacher aber auch sehr viel stärker war und der nicht leicht aufgehalten werden konnte; dessen Denken stets (im einzig intelligenten Sinn des Wortes) freies Denken war. Er konnte nicht anders, als sich, selbst unbewußt, all die Fragen zu stellen, die zu stellen waren, und so viele wie ihm nur immer möglich zu beantworten; und alles das geschah wie das Atmen oder der Blutkreislauf. Bewußt aber ließ er seine Handlungen ihn niemals über den Rahmen seiner Pflichten hinaus tragen; und in diesem Fall wurden beide Haltungen gehörig auf die Probe gestellt. Er wollte gerade seinen Marsch durch das morgendliche Dämmerlicht wieder aufnehmen, während er sich einerseits zuredete, daß ihn das alles nichts angehe, gleichzeitig aber zwanzig Theorien im Kopfe hin und her wendete, was die sonderbaren Geräusche wohl bedeuteten. Dann aber wurde der graue Horizont silbern, und im heller werdenden Licht erkannte er, daß er sich beim Haus eines angloindischen Majors namens Putnam befand, der einen einheimischen Koch aus Malta hatte, welcher seiner Religionsgemeinschaft angehörte. Und er begann auch, sich daran zu erinnern, daß Pistolenschüsse manchmal ernsthafte Dinge sind, denen Konsequenzen folgen, die ihn durchaus offiziell angingen. Er wandte sich um, durchschritt das Gartentor und ging auf die Eingangstür zu.

Aus der Mitte der einen Seite des Hauses ragte etwas wie ein sehr niedriger Schuppen hervor; das war, wie er später herausfand, ein großer Müllbehälter. Um dessen Ecke kam eine Gestalt auf ihn zu, zunächst kaum mehr als ein Schatten im Nebel, die sich offensichtlich niederbeugte und herumsuchte. Dann verfestigte sie sich im Näherkommen, bis sie einen tatsächlich ungewöhnlich festen Körper ergab. Major Putnam war ein kahlköpfiger, stiernackiger Mann, klein und sehr breitschultrig und mit einem jener zu Schlaganfällen neigenden Gesichter, die durch den verlängerten Versuch entstehen, das orientalische Klima mit okzidentalem Luxus zu verbinden. Doch war es ein gutmütiges Gesicht und trug selbst jetzt, obwohl offensichtlich verwirrt und auf der Suche, eine Art unschuldigen Grinsens. Er hatte einen breiten Palmblätterhut auf dem Hinterkopf (der da an einen gar nicht zu diesem Gesicht passenden Heiligenschein erinnerte), ansonsten war er nur mit einem schreiend rot und gelb gestreiften Pyjama bekleidet, der, obwohl ob seines Glühens ins Auge fallend, an einem so frischen Morgen reichlich kühl zu tragen gewesen sein muß. Er war offensichtlich in höchster Eile aus seinem Haus gestürzt, und es überraschte den Priester nicht, daß er ohne weitere Förmlichkeiten rief: »Haben Sie das Geräusch gehört?«

»Ja«, antwortete Father Brown; »und ich dachte mir, ich schaue lieber mal herein für den Fall, daß irgendwas los ist.«

Der Major sah ihn mit seinen gutmütigen Glotzaugen sonderbar an. »Was meinen Sie denn, was das für ein Geräusch war?« fragte er.

»Es hörte sich nach einem Gewehr oder so was an«, erwiderte der andere nach einigem Zögern; »aber es schien mir eine eigenartige Sorte Echo zu haben.«

Der Major sah ihn immer noch ruhig, aber mit hervorstehenden Augen an, als die Vordertüre aufflog und eine Flut Gaslicht ins Gesicht des sich auflösenden Nebels losließ; und eine weitere Gestalt im Pyjama sprang oder stürzte hinaus in den Garten. Die Gestalt war sehr viel größer, schlanker und athletischer; ihr Pyjama, obwohl ebenfalls tropischer Herkunft, war vergleichsweise geschmackvoll, weiß mit einem leichten zitronengelben Streifen. Der Mann war hager, sah aber gut aus und war stärker sonnenverbrannt als der andere; er hatte das Profil eines Adlers und ziemlich tiefliegende Augen, und ein leicht komischer Zug entstand durch die Verbindung von pechschwarzem Haupthaar mit einem sehr viel helleren Schnurrbart. All dies nahm Father Brown in den Einzelheiten zu einem müßigeren Zeitpunkt wahr. In diesem Augenblick sah er an dem Mann nur eine Sache; das war der Revolver in seiner Hand.

»Cray!« rief der Major aus und starrte ihn an; »hast du den Schuß abgefeuert?«

»Ja, habe ich«, erwiderte der schwarzhaarige Gentleman wild; »und du hättest das an meiner Stelle auch getan. Wenn dich Teufel überall jagten und beinahe – «

Der Major unterbrach ihn reichlich hastig. »Das ist mein Freund Father Brown«, sagte er. Und dann zu Brown: »Ich weiß nicht, ob Sie Oberst Cray von der Königlichen Artillerie bereits begegnet sind.«

»Ich habe natürlich schon von ihm gehört«, sagte der Priester unschuldsvoll. »Haben Sie – haben Sie irgend etwas getroffen?«

»Das habe ich geglaubt«, antwortete Cray feierlich.

»Hat er – «, fragte Major Putnam mit leiser Stimme, »ist er hingestürzt, oder hat er geschrieen, oder sonstwas?«

Oberst Cray sah seinen Gastgeber mit einem sonderbaren und steten Blick an. »Ich werde dir genau sagen, was er getan hat«, sagte er. »Er hat geniest.«

Father Browns Hand fuhr halb zum Kopf empor in der Geste eines Mannes, der sich an jemandes Namen erinnert. Er wußte nun, daß es weder Sodawasser noch das Schnarchen eines Hundes gewesen war.

»Was denn«, brachte der entgeisterte Major hervor, »ich habe noch nie gehört, daß man auf einen Dienstrevolver niest.«

»Ich auch nicht«, sagte Father Brown schwach. »Wie gut, daß Sie nicht Ihre Kanonen auf ihn gerichtet haben, sonst hätte er sich wohl schwer erkältet.« Und dann, nach einer verwirrten Pause, sagte er: »War es ein Einbrecher?«

»Wir wollen reingehen«, sagte Major Putnam reichlich scharf und führte sie in sein Haus.

Das Innere ließ ein Paradoxon erkennen, das man oft in solch frühen Morgenstunden bemerken kann: daß die Zimmer heller erscheinen als der Himmel draußen; und das selbst, nachdem der Major das eine Gaslicht draußen in der Eingangshalle gelöscht hatte. Father Brown sah überrascht, daß der Speisetisch wie für ein Festmahl gedeckt war, mit Mundtüchern in ihren Ringen und Weingläsern von sechs unnötigen Formen neben jedem Teller. Es geschieht häufig genug, daß man zu jener Morgenstunde die Überreste eines Banketts vom Vorabend vorfindet; aber es so früh neu aufgedeckt zu finden, war ungewöhnlich.

Während er zögernd in der Halle stand, stürzte Major Putnam hinter ihm vorbei und warf einen hastigen Blick über das ganze längliche Geviert des Tischtuches. Schließlich stieß er stotternd hervor: »Alles Silber ist verschwunden!« und keuchte. »Fischmesser und -gabeln verschwunden. Der alte Gewürzständer verschwunden. Sogar das alte silberne Sahnekännchen verschwunden. Und nun, Father Brown, bin ich bereit, Ihre Frage zu beantworten, ob das ein Einbrecher war.«

»Das ist nur eine Irreführung«, sagte Cray hartnäckig. »Ich weiß besser als du, warum Leute dieses Haus verfolgen; ich weiß besser als du, warum – «

Der Major klopfte ihm mit einer Geste auf die Schulter, die fast der glich, mit der man ein krankes Kind tröstet, und sagte: »Es war ein Einbrecher. Es war ganz offensichtlich ein Einbrecher.«

»Ein Einbrecher mit einer schweren Erkältung«, bemerkte Father Brown, »das dürfte Ihnen helfen, ihn in der Nachbarschaft aufzuspüren.«

Der Major schüttelte düster den Kopf. »Er dürfte längst schon über alle Berge sein, fürchte ich«, sagte er.

Und dann, als sich der ruhelose Mann mit dem Revolver wieder der Tür zum Garten zuwandte, fügte er mit gedämpfter und vertraulicher Stimme hinzu: »Ich weiß nicht, ob ich nach der Polizei schicken soll, denn ich fürchte, daß mein Freund hier vielleicht ein bißchen zu großzügig mit seinen Kugeln umgegangen und auf die falsche Seite des Gesetzes geraten ist. Er hat an den übelsten Orten gelebt und, um Ihnen gegenüber offen zu sein, ich habe den Eindruck, daß er sich manchmal Dinge einbildet.«

»Ich glaube mich zu erinnern, daß Sie mir mal erzählt haben«, sagte Brown, »er glaube, daß ihn eine indische Geheimgesellschaft verfolge.«

Major Putnam nickte, doch zugleich zuckte er mit den Achseln. »Ich nehme an, wir sollten ihm besser nach draußen folgen«, sagte er. »Ich will kein weiteres – sollen wir sagen, Niesen?«

Sie traten hinaus in das Morgenlicht, das jetzt bereits mit Sonnenschein gefärbt war, und sahen Oberst Crays hohe Gestalt sich tief zu Boden neigen und aufs genaueste den Zustand von Kies und Gras untersuchen. Während der Major unauffällig auf ihn zu schlenderte, schlug der Priester ebenso beiläufig einen Bogen, der ihn um die nächste Ecke des Hauses auf einen oder zwei Meter an den herausragenden Müllbehälter heranbrachte.

Er stand da und betrachtete dieses trübselige Objekt ungefähr anderthalb Minuten lang; dann trat er auf es zu, hob den Deckel an und steckte seinen Kopf hinein. Als er das tat, schossen Staub und andere schmutzfarbene Substanzen empor; aber Father Brown beachtete sein eigenes Äußeres niemals, was immer er sonst auch beachtete. Er verblieb so eine beträchtliche Zeitspanne, als ob er in geheimnisvolle Gebete versunken sei. Dann tauchte er wieder auf, mit Asche in seinem Haar, und wanderte ungerührt von dannen.

Als er um die Ecke wieder zum Gartentor hin bog, fand er dort eine Gruppe vor, die Morbiditäten aufzuzehren schien, wie das Sonnenlicht inzwischen die Morgennebel aufgezehrt hatte. Das wirkte keineswegs bewußt beruhigend; es war einfach reichlich komisch, so als habe sich ein Haufen Dickensscher Gestalten versammelt. Major Putnam war es gelungen, in ein ordentliches Hemd zu schlüpfen und sich in seine Hosen zu stürzen, einen karmesinroten Kummerbund umzulegen und sich eine passende leichte Jacke anzuziehen; auf diese Weise alltäglich gekleidet, schien sein rötlich-heiteres Gesicht vor Alltagsherzlichkeit zu bersten. Allerdings gestikulierte er nachdrücklich, aber schließlich sprach er mit seinem Koch – dem dunkelhäutigen Sohn Maltas, dessen hageres, gelbes, kummerdurchfurchtes Gesicht eigenartig mit der schneeigen Weiße von Kappe und Kleidung kontrastierte. Der Koch mochte wohl kummerdurchfurcht sein, denn das Kochen war des Majors Steckenpferd. Er war einer jener Amateure, die immer alles besser wissen als die Profis. Die einzige andere Person, der er jemals zugestand, ein Omelette beurteilen zu können, war sein Freund Cray – und als Brown sich daran erinnerte, wandte er sich um, um nach dem anderen Offizier zu sehen. In der neuerlichen Anwesenheit des Tageslichtes und der ordentlich gekleideten Menschen und ihres vernünftigen Geistes wirkte sein Anblick wie ein Schock. Der größere und elegantere Mann befand sich immer noch in seinem Nachtgewand, mit wirren schwarzen Haaren, und jetzt kroch er auf Händen und Füßen durch den Garten und suchte immer noch nach Spuren des Einbrechers; und hin und wieder schlug er mit der Hand auf den Boden, offensichtlich vor Zorn, daß er ihn nicht finde. Als er ihn so vierfüßig im Rasen sah, runzelte der Priester ziemlich bekümmert die Augenbrauen; und zum ersten Mal begann er zu vermuten, daß »bildet sich Dinge ein« ein Euphemismus sein könnte.

Das dritte Bestandteil der Gruppe von Koch und Epikuräer war Father Brown ebenfalls bekannt; es war Audrey Watson, das Mündel des Majors und seine Haushälterin; und in diesem Augenblick, wenn man nach ihrer Schürze, den aufgerollten Ärmeln und ihrem entschlossenen Benehmen urteilte, weit mehr Haushälterin als Mündel.

»Geschieht dir ganz recht«, sagte sie gerade, »ich hab dir immer gesagt, du sollst den altmodischen Gewürzständer nicht mehr benutzen.«

»Ich mag ihn aber«, sagte Putnam versöhnlich. »Ich bin auch altmodisch, und so paßt alles gut zusammen.«

»Und verschwindet zusammen, wie du siehst«, erwiderte sie. »Na schön, wenn du dich nicht um den Einbrecher kümmerst, werd ich mich nicht ums Essen kümmern. Es ist Sonntag, und deshalb können wir weder Essig noch sonstwas in der Stadt holen lassen; und ihr indischen Herren könnt ja, was ihr Dinner nennt, nicht genießen, ohne einen Haufen scharfer Zutaten. Jetzt wünschte ich bei Gott, du hättest Vetter Oliver nicht gebeten, mich zum Hochamt zu begleiten. Es dauert mindestens bis halb eins, und bis dahin muß der Oberst aufbrechen. Ich glaube nicht, daß ihr Männer alleine fertig werdet.«

»O doch, können wir, meine Liebe«, sagte der Major und sah sie sehr freundlich an. »Marco hat alle Saucen; und wir haben uns oft genug an reichlich wilden Orten ganz gut zu helfen gewußt, wie Du inzwischen wissen solltest. Und außerdem brauchst Du einmal eine Abwechslung, Audrey; Du mußt doch nicht den ganzen Tag die Haushälterin sein; und außerdem weiß ich, daß Du gerne Musik hörst.«

»Ich möchte gerne in die Kirche gehen«, sagte sie mit sehr strengen Blicken.

Sie war eine jener schönen Frauen, die immer schön bleiben, weil ihre Schönheit nicht von ihrem Ausdruck oder ihrer Aufmachung abhängt, sondern vom Bau des Kopfes und von ihren Zügen. Aber obwohl sie die mittleren Jahre noch nicht erreicht hatte und ihr kastanienbraunes Haar von tizianischer Fülle, Form und Farbe war, gab es um ihren Mund und ihre Augen doch einen Zug, der andeutete, daß irgendein Kummer sie zernagte, wie Winde schließlich auch die Kanten griechischer Tempel zernagen. Denn die kleine häusliche Schwierigkeit, von der sie jetzt so entschieden sprach, war eher komisch denn tragisch. Father Brown entnahm dem Verlauf der Unterhaltung, daß Cray, der andere »Gourmet«, vor der üblichen Essenszeit abreisen mußte; daß aber Putnam, sein Gastgeber, um nicht um ein letztes Schlemmen mit einem alten Freund zu kommen, für ein besonderes Frühstück gesorgt hatte, das während der Morgenstunden aufgetragen und verspeist werden sollte, während Audrey und andere ernsthaftere Personen in der Morgenmesse weilten. Sie sollte sich dahin unter dem Schutz ihres Verwandten und alten Freundes Dr. Oliver Oman begeben, der, obwohl ein Wissenschaftler des eher bitteren Typs, ein begeisterter Musikliebhaber war und sogar bereit, in die Kirche zu gehen, um Musik zu hören. Nichts von all diesem also konnte mit der Tragödie in Miss Watsons Antlitz zu tun haben; und aus einem halb unbewußten Gefühl heraus wandte Father Brown sich erneut dem offenbar Wahnsinnigen zu, der da im Grase umherwühlte.

Als er zu ihm hinüberschlenderte, wurde der schwarze ungekämmte Kopf plötzlich gehoben, so als sei er von des Fathers andauernden Anwesenheit überrascht. Und tatsächlich war Father Brown aus Gründen, die nur er allein kannte, weit länger geblieben, als die Höflichkeit verlangte; oder auch nur üblicherweise gestattete.

»Also los!« schrie Cray mit wilden Augen. »Ich nehme an, Sie denken wie die übrigen, daß ich verrückt bin?«

»Ich habe diese Theorie erwogen«, erwiderte der kleine Mann gelassen. »Und ich neige zu der Annahme, daß Sie es nicht sind.«

»Was meinen Sie damit?« fauchte Cray reichlich bissig.

»Wirklich Verrückte«, erklärte Father Brown, »ermutigen stets ihre Krankhaftigkeit. Sie kämpfen nie dagegen an. Sie aber bemühen sich, die Spuren eines Einbrechers zu finden, selbst wenn es keine gibt. Sie kämpfen dagegen an. Sie wollen, was kein Verrückter je will.«

»Und was ist das?«

»Sie wollen widerlegt werden«, sagte Brown.

Während dieser letzten Worte war Cray auf die Füße gesprungen, oder besser getaumelt, und starrte den Geistlichen mit bewegten Blicken an. »Zum Teufel, das ist ein wahres Wort!« schrie er. »Alle hier reden auf mich ein, daß der Bursche lediglich hinter dem Silber her sei – als ob ich nicht nur zu erfreut wäre, wenn ich das auch glauben könnte! Sie redet auf mich ein«, und er warf seinen zerzausten schwarzen Kopf in Richtung auf Audrey herum, aber der andere bedurfte dieses Hinweises nicht, »sie redete heute auf mich ein, wie grausam es von mir sei, auf einen harmlosen Einbrecher zu schießen, und daß ich vom Teufel gegen die harmlosen Eingeborenen besessen sei. Und dabei war ich einst ein gutmütiger Mann – so gutmütig wie Putnam.«

Nach einer Pause sagte er: »Hören Sie, ich habe Sie noch nie gesehen; aber Sie sollen die ganze Geschichte beurteilen. Der alte Putnam und ich waren in der gleichen Offiziersmesse Freunde; aber aufgrund bestimmter Vorfälle an der afghanischen Grenze bekam ich weit früher mein Kommando als die meisten anderen Männer; nur wurden wir verwundet für eine Weile nach Hause geschickt. Ich hatte mich da draußen mit Audrey verlobt; und so reisten wir alle zusammen zurück. Aber auf der Rückreise kam es zu Vorfällen. Zu eigenartigen Vorfällen. Als Ergebnis davon wünscht Putnam, daß die Verlobung aufgelöst werde, und selbst Audrey läßt sie in der Schwebe. Ich weiß, wofür sie mich halten. Und Sie auch.

Nun gut, hier sind die Tatsachen. An unserem letzten Tag in einer indischen Stadt fragte ich Putnam, wo ich Trichinopoli-Zigarren bekommen könne; er verwies mich an ein kleines Geschäft gegenüber seiner Wohnung. Inzwischen habe ich herausgefunden, daß er völlig recht hatte; aber ›gegenüber‹ ist ein riskantes Wort, wenn einem anständigen Haus fünf oder sechs verkommene gegenüberstehen; und ich muß mich in der Tür geirrt haben. Sie öffnete sich nur sehr schwer, und dann in völlige Dunkelheit; aber als ich zurückgehen wollte, fiel die Tür hinter mir zu und rastete mit einem Geräusch von unzähligen Riegeln an ihrem Platz ein. Mir blieb nichts anderes übrig, als vorwärts zu gehen; und das tat ich auch, durch Gang nach Gang, in pechschwarzer Dunkelheit. Schließlich kam ich an Treppenstufen und dann an eine Geheimtür, die mit einem Riegelwerk der ausgeklügeltsten orientalischen Schloßmacherkunst verschlossen war, das ich nur durch Tasten untersuchen, aber schließlich doch öffnen konnte. Und wieder geriet ich in Düsternis, die unten durch eine Vielzahl kleiner aber stetig brennender Lampen in ein grünliches Zwielicht verwandelt wurde. Sie machten lediglich den Fuß oder den Sockel irgendeiner riesigen und leeren Architektur sichtbar. Unmittelbar vor mir war etwas, das wie ein Gebirge aussah. Ich gestehe, daß ich fast über die große steinerne Plattform stürzte, auf die ich herausgekommen war, als ich erkannte, daß es sich um ein Götzenbild handelte. Und am schlimmsten, es stand mit dem Rücken zu mir.

Es war kaum menschenähnlich, kam mir vor; jedenfalls wenn ich nach dem kleinen platten Kopf urteilte, und mehr noch nach einem Ding wie einem Schwanz oder einem zusätzlichen Glied, das hinten hochstand und wie ein ekelhafter Riesenfinger auf ein Symbol hinwies, das in die Mitte des weitläufigen steinernen Rückens eingegraben war. Ich hatte in dem matten Licht begonnen, nicht ohne Schrecken an der Hieroglyphe herumzurätseln, als etwas noch Schrecklicheres geschah. Eine Tür öffnete sich lautlos in der Tempelwand hinter mir, und ein Mann kam heraus mit braunem Gesicht und schwarzer Jacke. Er hatte ein eingraviertes Lächeln in seinem Gesicht aus kupfernem Fleisch und elfenbeinenen Zähnen; aber ich glaube, das Widerlichste an ihm war seine europäische Kleidung. Ich war, glaube ich, auf verhüllte Priester oder nackte Fakire vorbereitet. Das aber schien zu bezeugen, daß Teufelswerk die ganze Erde erobert habe. Wie ich dann herausfand, war es auch so.

›Wenn du nur des Affen Fuß gesehen hättest‹, sagte er mit stetem Lächeln und ohne weitere Vorrede, ›wären wir sehr milde gewesen – du wärest nur gefoltert und getötet worden. Wenn du des Affen Antlitz gesehen hättest, wären wir immer noch sehr maßvoll, sehr tolerant gewesen – du wärest nur gefoltert worden und dürftest leben. Da du aber des Affen Schwanz gesehen hast, müssen wir das furchtbarste Urteil verkünden. Und das lautet – Gehe in Freiheit.‹

Als er diese Worte sprach, hörte ich, wie das komplizierte eiserne Riegelwerk, mit dem ich mich so abgemüht hatte, sich automatisch öffnete: und dann hörte ich, wie sich weit hinten in den dunklen Gängen, die ich durchschritten hatte, die Riegel der schweren Straßentür von selbst wieder lösten.

›Es hat keinen Sinn, um Gnade zu bitten; du mußt frei gehen‹, sagte der lächelnde Mann. ›Von jetzt an wird ein Haar dich wie ein Schwert schneiden, und ein Hauch dich wie eine Natter stechen; Waffen werden wider dich aus dem Nichts kommen; und du sollst viele Male sterben.‹ Und damit verschluckte ihn die Wand erneut; und ich trat auf die Straße hinaus.«

Cray hielt inne; und Father Brown setzte sich ungekünstelt auf den Rasen und begann, Gänseblümchen zu pflücken.

Dann fuhr der Soldat fort: »Putnam machte sich mit seiner fröhlichen Alltagsvernunft natürlich über meine Ängste lustig; und seit jener Zeit zweifelt er an meiner geistigen Gesundheit. Na schön, und jetzt werde ich Ihnen mit den knappesten Worten die drei Dinge berichten, die sich seither ereignet haben; und dann sollen Sie urteilen, wer von uns recht hat.

Das erste ereignete sich in einem indischen Dorf am Rande des Dschungels, aber Hunderte von Meilen von dem Tempel und der Stadt und jenen Völkerstämmen und Gebräuchen entfernt, wo der Fluch auf mich gelegt worden war. Ich erwachte in der tiefsten Nacht und kg da und dachte an nichts Besonderes, als ich ein schwaches Kitzeln spürte, als ob ein Faden oder ein Haar über meine Gurgel gezogen würde. Ich zuckte davor zurück und mußte unwillkürlich an die Worte im Tempel denken. Als ich dann aufstand und mir Lampen und einen Spiegel gesucht hatte, erwies sich die Spur an meinem Hals als eine Blutspur.

Das zweite ereignete sich in einem Gasthof in Port Said, später während unserer gemeinsamen Heimreise. Es war eine Mischung aus Kneipe und Andenkenladen; und obwohl sich nichts da befand, was auch nur im entferntesten an den Affenkult erinnerte, ist es natürlich durchaus möglich, daß sich irgendwelche ihm zugehörigen Bildnisse oder Amulette dort befanden. Sein Fluch jedenfalls befand sich da. Ich erwachte wiederum in der Dunkelheit von einem Gefühl, das in keine kälteren oder buchstäblicheren Worte gefaßt werden könnte als die, daß ein Hauch mich stach wie eine Natter. Existenz war nurmehr Todeskampf der Auslöschung; ich schlug mit dem Kopf gegen die Wand, bis ich ihn gegen ein Fenster schlug; und stürzte mehr als ich sprang in den Garten darunter. Putnam, der arme Kerl, der den anderen Vorfall einen zufälligen Kratzer genannt hatte, mußte jetzt doch die Tatsache ernst nehmen, daß man mich im Morgengrauen halb besinnungslos unten auf dem Rasen fand. Ich befürchte aber, daß er meinen Geisteszustand ernst nahm, und nicht meine Geschichte.

Das dritte ereignete sich auf Malta. Wir befanden uns da in einer Festung; und zufälligerweise lagen unsere Schlafzimmer zur offenen See hin, die fast bis zu unseren Fensterbänken reichte, hätte es da nicht eine platte weiße Brustwehr gegeben, so kahl wie die See. Wieder wachte ich auf; aber es war nicht dunkel. Es war Vollmond, als ich zum Fenster ging; ich hätte einen Vogel auf den kahlen Zinnen sehen können oder ein Segel am Horizont. Was ich sah, war eine Art Stock oder Ast, der frei im leeren Himmel kreiste. Er flog geradenwegs durch mein Fenster und zerschmetterte die Lampe neben dem Kopfkissen, das ich gerade erst verlassen hatte. Es war eine jener sonderbar geformten Kriegskeulen, die manche östlichen Völker verwenden. Aber es war aus keiner menschlichen Hand gekommen.«

Father Brown warf die Gänseblümchenkette weg, die er geflochten hatte, und erhob sich mit nachdenklichem Gesicht. »Besitzt Major Putnam«, fragte er, »irgendwelche östlichen Erinnerungsstücke, Idole, Waffen oder so, von denen das eine oder andere vielleicht einen Fingerzeig geben könnte?«

»Viele, wenngleich nicht von großem Nutzen, fürchte ich«, erwiderte Cray; »aber kommen Sie doch auf alle Fälle in sein Arbeitszimmer.«

Als sie eintraten, gingen sie an Miss Watson vorüber, die sich ihre Handschuhe für die Kirche zuknöpfte, und sie hörten von unten Putnams Stimme, der immer noch dem Koch eine Vorlesung über die Kochkunst hielt. Im Arbeitszimmer und Kuriositätenkabinett des Majors stießen sie plötzlich auf einen Dritten, mit seidenem Zylinder und im Ausgehanzug, der am Rauchtisch über einem offenen Buch brütete – ein Buch, das er geradezu schuldbewußt fallen ließ, als er sich umdrehte.

Cray stellte ihn höflich genug als Dr. Oman vor, aber in seinem Gesicht zeigte sich eine solche Abneigung, daß Brown vermutete, die beiden Männer seien, ob Audrey das nun wußte oder nicht, Rivalen. Und der Priester war dem Vorurteil keineswegs abgeneigt. Dr. Oman war wirklich ein tadellos gekleideter Herr; mit gutgeschnittenen Zügen, obwohl fast so dunkel wie ein Asiate. Doch Father Brown mußte sich energisch zureden, daß man auch solchen gegenüber Nächstenliebe zu empfinden habe, die ihren Spitzbart wichsen, die schmale, behandschuhte Hände haben und die mit vollkommen modulierter Stimme sprechen.

Cray schien an dem kleinen Gebetbuch in Omans dunkel behandschuhter Hand etwas besonders Irritierendes zu finden. »Ich wußte nicht, daß das auf Ihrer Linie liegt«, sagte er ziemlich grob.

Oman lachte leicht und unbeleidigt. »Das hier ist es mehr, ich weiß«, sagte er und legte die Hand auf das dicke Buch, das er hatte fallen lassen, »ein Wörterbuch der Drogen und ähnlicher Dinge. Aber es ist viel zu groß, als daß man es in die Kirche mitnehmen könnte.« Dann schloß er das größere Buch, und wieder schien da ein feinster Hauch von Hast und Verwirrung zu sein.

»Ich nehme an«, sagte der Priester, der das Thema offenbar gerne wechseln wollte, »daß all diese Speere und anderen Sachen aus Indien sind?«

»Von überall her«, antwortete der Doktor. »Putnam ist ein alter Soldat und war soviel ich weiß auch in Mexiko und Australien und auf den Kannibalen-Inseln.«

»Ich hoffe, er hat nicht auch auf den Kannibalen-Inseln«, sagte Brown, »die Kunst des Kochens erlernt.« Und er ließ seine Blicke über die Schmortiegel und die anderen fremdartigen Geräte an den Wänden wandern.

In diesem Augenblick schob das fröhliche Subjekt ihres Gesprächs sein lachendes hummeriges Gesicht ins Zimmer. »Nun komm schon, Cray«, rief er. »Dein Essen wird gerade aufgetragen. Und die Glocken läuten für die Kirchgänger.«

Cray verschwand nach oben, um sich umzuziehen; Dr. Oman und Miss Watson verfügten sich feierlich inmitten anderer Kirchgänger die Straße hinab; aber Father Brown bemerkte, daß der Doktor sich zweimal umsah und das Haus beobachtete; und daß er sogar bis zur Straßenecke zurückkam, um es erneut zu überblicken.

Der Priester sah verwirrt aus. »Er kann nicht am Müllbehälter gewesen sein«, murmelte er. »Nicht in dem Anzug. Oder war er heute schon früher da?«

Father Brown war, was andere Menschen anging, so feinfühlig wie ein Barometer; heute aber schien er so feinfühlig zu sein wie ein Nilpferd. Keine gesellschaftliche Anstandsregel, sei sie nun von der strikten oder von der unausgesprochenen Art, ließ sein Verweilen beim Mahle der angloindischen Freunde zu; und doch verweilte er, wobei er seine Position durch einen Schwall amüsanter aber völlig überflüssiger Konversation verschleierte. Das war um so rätselhafter, als er keinerlei Anteil an der Mahlzeit wünschte. Als nacheinander die exquisitest gewürzten Curry-Reisspeisen vor die beiden anderen hingestellt wurden, begleitet von den zugehörigen Weinen, wiederholte er nur, daß dies einer seiner Fasttage sei, und knabberte an einem Stück Brot und nippte an einem Glas kalten Wassers, das er dann aber nicht mehr anrührte. Dafür war sein Redestrom überwältigend.

»Ich will Ihnen sagen, was ich für Sie tun werde«, rief er; »ich werde Ihnen einen Salat anmachen! Ich darf ihn zwar nicht essen, aber ich werde ihn anmachen wie ein Engel! Da haben Sie ja einen Kopfsalat.«

»Das ist unglücklicherweise das einzige, was wir haben«, antwortete der Major gutgelaunt. »Erinnern Sie sich, daß Senf, Essig, Öl und so weiter mit dem Gewürzständer und dem Einbrecher verschwunden sind.«

»Ich weiß«, erwiderte Brown unbestimmt. »Ich habe immer befürchtet, daß das geschehen würde. Deshalb trage ich auch immer einen Gewürzständer mit mir. Ich liebe eben Salat.«

Und zum Erstaunen der beiden Männer zog er einen Pfefferstreuer aus seiner Westentasche und stellte ihn auf den Tisch.

»Ich frage mich, was der Einbrecher mit dem Senf wollte«, fuhr er fort und zog ein Senftöpfchen aus einer anderen Tasche. »Vermutlich ein Senfpflaster. Und Essig« – während er diese Würze hervorbrachte – »habe ich da nicht etwas über Essig und braunes Papier gehört? Was Öl angeht, das ich wohl in meine linke – «

Seine Geschwätzigkeit ward für einen Augenblick angehalten; denn als er den Blick hob, sah er, was sonst niemand sah – die schwarze Gestalt von Dr. Oman, der auf dem sonnenbeschienenen Rasen stand und reglos in das Zimmer schaute. Bevor er sich jedoch wieder fassen konnte, war Cray eingefallen.

»Sie sind schon eine erstaunliche Nummer«, sagte er mit starrem Blick. »Wenn Ihre Predigten so amüsant sind wie Ihre Manieren, werde ich gerne kommen und sie anhören.« Seine Stimme veränderte sich ein wenig, und er lehnte sich in seinen Stuhl zurück.

»Oh, ein Gewürzständer enthält auch Predigten«, sagte Father Brown sehr ernsthaft. »Haben Sie denn nichts vom Glauben gehört, der wie ein Senfkorn ist; oder vom Erbarmen, das mit Öl salbt? Und was den Essig angeht, kann denn irgendein Soldat jenen einsamen Soldaten vergessen, der, als sich die Sonne verdunkelte – «

Oberst Cray beugte sich ein wenig vor und griff krampfhaft in das Tischtuch.

Father Brown, der den Salat anmachte, rührte zwei Löffel Senf in das Glas Wasser neben sich; dann stand er auf und sagte mit einer neuen, lauten und jähen Stimme: »Trinken Sie das!«

Im gleichen Augenblick kam der bewegungslose Doktor aus dem Garten herbeigestürzt, sprengte ein Fenster auf und rief: »Werde ich gebraucht? Hat man ihn vergiftet?«

»Fast«, sagte Brown mit dem Schatten eines Lächelns; denn das Brechmittel hatte sehr plötzlich gewirkt. Und Cray lag in einem Liegestuhl und keuchte wie ums Leben, aber lebend.

Major Putnam war aufgesprungen, sein purpurrotes Gesicht grau gefleckt. »Ein Verbrechen!« schrie er heiser. »Ich werde die Polizei holen!«

Der Priester konnte hören, wie er seinen Palmblätterhut vom Haken riß und durch die Eingangstür davonstürzte; er hörte das Gartentor schlagen. Aber er stand nur da und sah Cray an; und nach einigem Schweigen sagte er ruhig:

»Ich werde nicht viel sagen; aber ich werde Ihnen sagen, was Sie wissen wollen. Auf Ihnen liegt kein Fluch. Der Tempel des Affen war entweder Zufall oder ein Teil des Tricks; und der Trick war ein Trick des weißen Mannes. Es gibt nur eine Waffe, die eine Blutspur mit jener federleichten Berührung zieht: ein Rasiermesser in der Hand eines weißen Mannes. Es gibt nur einen Weg, ein gewöhnliches Zimmer mit einem unsichtbaren überwältigenden Gift zu füllen: das Gas anzudrehen – das Verbrechen eines weißen Mannes. Und es gibt nur eine Art Keule, die man aus einem Fenster schleudern kann, die sich inmitten der Luft umdreht und in das nächstgelegene Fenster zurückfliegt: der australische Bumerang. Sie können davon einige im Arbeitszimmer des Majors sehen.«

Und damit ging er nach draußen und sprach einen Augenblick mit dem Doktor. Im nächsten Augenblick kam Audrey Watson ins Haus gestürzt und warf sich neben Crays Stuhl auf die Knie. Er konnte nicht hören, was sie einander sagten; aber ihre Gesichter bewegte Freude und nicht Unglück. Der Doktor und der Priester gingen langsam auf das Gartentor zu.

»Ich nehme an, daß auch der Major sie liebte«, sagte er mit einem Seufzer; und als der andere nickte, bemerkte er: »Sie haben sich sehr nobel verhalten, Doktor. Sie haben eine schöne Tat getan. Aber was hat Ihren Verdacht erregt?«

»Eine winzige Kleinigkeit«, sagte Oman; »aber in der Kirche ließ es mir keine Ruhe, so daß ich zurückkam, um zu sehen, ob alles in Ordnung sei. Das Buch auf seinem Tisch war ein Werk über Gifte; und es war an der Stelle geöffnet, wo steht, daß ein bestimmtes indisches Gift, obwohl tödlich und kaum nachzuweisen, besonders einfach durch die Anwendung der einfachsten Brechmittel unschädlich gemacht werden kann. Ich nehme an, daß er das im letzten Augenblick gelesen hat – «

»Und sich daran erinnerte, daß es im Gewürzständer Brechmittel gab«, sagte Father Brown. »Genau so war es. Er warf den Ständer in den Müllbehälter – wo ich ihn zusammen mit anderem Silber fand –, um einen Einbruch vorzutäuschen. Wenn Sie sich aber den Pfefferstreuer ansehen, den ich auf den Tisch gestellt habe, werden Sie ein kleines Loch sehen. Da traf Crays Kugel, wirbelte den Pfeffer hoch und machte den Verbrecher niesen.«

Es herrschte Schweigen. Dann sagte Dr. Oman ingrimmig: »Der Major brauchte lange, um die Polizei zu finden.«

»Oder die Polizei, um den Major zu finden?« sagte der Priester. »Wie auch immer, auf Wiedersehen.«