5. KAPITEL

Gideon Horn ging wutentbrannt an Deck der Satyr auf und ab und versuchte dabei, das Weinen zu überhören, das vom Frachtraum heraufklang, während er seinen Männern befahl, die Enterhaken zu entfernen, die die Chastity mit der Satyr verbunden hatten.

Zum Teufel mit den Frauen und ihrem Gejammere! Begriffen sie denn nicht ihr Glück, dass sie der Chastity entkommen waren? Er war schon in New South Wales gewesen. Das war eine rechtlose Kolonie, in der sich Mörder und Diebe tummelten und in der kein Platz für Frauen war, nicht einmal für verurteilte.

Als sich die Satyr langsam von der Chastity löste, trat Barnaby ironisch lächelnd zu ihm. „Nun, Captain, das ist ja alles schön glatt gegangen. “

„Behalte deinen verdammten englischen Humor für dich, Barnaby. Mir steht jetzt nicht der Sinn danach.“

„Der Lärm, den die Frauen unter Deck veranstalten, macht die Männer ganz verrückt.“

„Sie werden ja wohl schon einmal eine Frau weinen gehört haben“, versetzte Gideon achselzuckend. Er musste allerdings zugeben, dass dieses unausgesetzte Wehklagen entschieden schlimmer war als das Jammern einer Frau, die ihren Juwelen nachtrauert. Er rief dem Bootsmann einen Befehl zu und wandte sich daraufhin wieder an Barnaby „Sag den Männern, dass sie sich die Ohren zustopfen sollen, wenn es sein muss. Wir haben einen harten Segeltörn vor uns, wenn wir außer Sicht sein wollen, ehe die Chastity nach Santiago zurückgekehrt ist und uns ein Schiff nachschicken kann.“

Barnaby nickte, doch er blieb neben seinem Captain stehen. „Das Problem ist, dass sie keine beliebigen Frauen sind. Sie sind zukünftige Ehefrauen, und die Männer können es nicht

ertragen, dass sie so verzweifelt sind. Das hatten sie nicht

erwartet.“

„Ich auch nicht. Dahinter steckt nur diese verdammte Lady Sara. Sie waren ruhig, bis ich sie zu den anderen in den Frachtraum bringen ließ. Ich hätte wissen müssen, dass sie die Frauen aufwiegeln würde. Sie bringt uns nichts als Ärger.“ „Ja.“ Barnaby zog eine Zigarre hervor, zündete sie an und zog heftig daran. „Vielleicht hätten Sie sie zurücklassen sollen. Alle ihre Drohungen waren haltlos. Selbst wenn sie ihren Bruder dazu gebracht hätte, einige verurteilte Frauen zu suchen, hätte er uns nicht finden können. Unsere Insel ist auf keiner Karte verzeichnet und . . .“

„Ich wollte das Risiko nicht eingehen. Wenn wir unsere Pläne in die Tat umsetzen wollen, müssen wir Frieden haben. Wir können uns nicht ständig vor irgendeinem verdammten Earl verstecken.“

„Ihre Mitnahme hat die Situation vielleicht noch verschlimmert. Glauben Sie, dass dieser Earl nichts unternehmen wird, wenn seine Schwester einfach verschwindet? Das ist doch ziemlich unwahrscheinlich.“

Düster blickte Gideon der sich schnell entfernenden Chastity nach. Dass Barnaby Recht hatte, machte es nicht leichter für ihn. „Wie du schon gesagt hast, wer sollte uns finden? Außerdem wäre die Frau in England eine viel größere Bedrohung. Wenn sie nicht bei ihm ist und ihn anstachelt, ist es ihm vielleicht egal. Wenn du eine solche Schwester hättest, würdest du sie zurückbekommen wollen?“

„Ich weiß nicht. Vielleicht.“ Barnaby paffte nachdenklich Rauch in die Luft. „Könnte es sein, dass Sie sie . . . aus anderen Gründen mitgenommen haben?“

Aufgebracht ging Gideon in Richtung Achterdeck davon. ,Was soll denn das heißen?“

Barnaby folgte ihm. „Sie ist die Schwester eines Earls, und jeder weiß, dass Sie dem Adel gern eins auswischen, Captain.“

Gideon schwieg auch noch, als er das Achterdeck erklomm Und das Steuerrad vom Bootsmann übernahm. Er wusste wirklich nicht, warum er Miss Willis - Lady Sara - an Bord gebracht hatte. Außer vielleicht, weil er rotgesehen hatte, als sie ihm den Titel ihres Bruders entgegengeschleudert hatte.

Der britische Adel machte ihn immer rasend. Diese gezierten Gecken waren der Fluch der zivilisierten Welt. Wenn es Leute wie den Earl of Blackmore und seine Schwester nich gäbe, gäbe es weniger Unterdrückung und weniger grausame Trennungen von Liebenden . . .

Er fluchte, als der alte Schmerz ihn wieder packte. So viel Dukes, Marquis und Viscounts hatte er schon zum Narren gehalten, ihnen den Besitz genommen und sie auf ihren Kriegs' schiffen verspottet. Doch das alles hatte weder den Schmerz vertreiben noch das britische System verändern können, das seinen Vater zu Grunde gerichtet und seine Mutter dazu gebracht hatte, Unglaubliches zu tun.

Seine Mutter. Er ließ die Finger über seine mit Juwelen besetzte Gürtelschnalle gleiten. Ursprünglich war sie eine Brosche gewesen, doch er hatte sie als ständige Erinnerung an die Treulosigkeit seiner Mutter zu dieser Schnalle umarbeiten lassen. Vielleicht hatte Barnaby Recht. Vielleicht hatte er Lady Sara nur deshalb an Bord gebracht, um sie zu quälen, weil sie adelig war.

„Wenn Sie sie nicht wegen ihres Standes an Bord gebracht haben“, fuhr Barnaby fort, als hätte er Gideons Gedanken erraten, „dann vielleicht um ihrer selbst willen. Ihnen ist doch sicherlich nicht entgangen, dass sie eine sehr hübsche junge Frau ist.“

„Sie ist eine von denen", erwiderte er scharf. „Alles andere ist unwichtig.“

Als Barnaby lachte, umfasste Gideon das Steuerrad fester. Ja, er hatte Lady Saras gefällige Gestalt und ihr reizendes Gesicht bemerkt. Von ihren Haaren hatte er nur einige Locken gesehen, die unter der Kappe hervorgelugt hatten, doch sie waren von einem dunklen Rotbraun gewesen. Ihm fiel auf, dass er sich fragte, wie sie wohl aussehen mochte, wenn ihn Haar vom Wind leicht zerzaust wäre oder ihr sogar nass über die Schultern fiele.

Verärgert über sich selbst, schob er die Vorstellung beiseite. Sie war eine scharfzüngige, widerspenstige Frau. Mochte sie auch noch so verlockend sein, ihn konnte sie jedenfalls nicht in Versuchung führen. Er stellte gewisse Bedingungen an eine Ehefrau, und sie erfüllte keine davon. Er wollte eine sanftmütige junge Frau haben, die sich ihm in den Nächten hingebungsvoll schenkte und keine aufsässige Adlige, die ihn bei Tag und Nacht plagen würde.

„Es ist unwichtig, warum ich sie von der Chastity mitgenommen habe“, sagte er. „Sie ist an Bord, und es ist zu spät, um sie zurückzuschicken.“ Als unter Deck das Klagen weiter anschwoll, verfinsterte sich Gideons Miene. „Die Frauen werden mit dem Gejammere nicht aufhören, solange sie unten ist und sie aufhetzt.“

„Lady Sara scheint zu glauben, dass Sie Ihre Meinung ändern und die Frauen zur Chastity zurückbringen werden, wenn sie nur genügend Lärm machen.“

„Ha! Die Frauen können sich glücklich schätzen, dass ihnen das erspart bleibt, was ihnen in New South Wales bevorgestanden hätte, abgesehen von der langen Reise dorthin.“ „Ja, aber das wissen sie ja nicht. Und Sie haben Ihnen auch nicht genau genug gesagt, was wir Vorhaben.“

Gideon rieb sich das stoppelige Kinn. „Du hast Recht. Ich musste mich so beeilen, sie ohne Blutvergießen an Bord zu bekommen, dass ich ihnen nur erklärt habe, dass wir Ehefrauen haben wollen.“

Vielleicht sollte er sie alle beruhigen. Wenn er ihnen zusicherte, dass ihnen nichts geschehen würde, würden sie vielleicht eher zur Zusammenarbeit bereit sein. Vorausgesetzt natürlich, dass er Lady Sara dazu zwingen konnte, die Frauen nicht länger aufzuwiegeln. Sie hatte sich ja wohl selbst zur deren Sprecherin ernannt.

Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen. Ihre Sprecherin. Vielleicht sollte er das Problem lieber gleich anpacken. »Barnaby, geh hinunter, und bring Lady Sara in meine Kajüte. Dann komm zurück, und übernimm das Steuerrad.“

„Jetzt?“

„Sofort. Ich glaube, es wird Zeit, dass ich mich mit dieser lästigen Person einmal eingehend unterhalte.“

Sara stand inmitten des überfüllten Frachtraums und war so entrüstet, dass sie sich kaum beherrschen konnte. Wie konnte dieser erbärmliche Pirat es wagen, sie alle zu entführen!

„Los, meine Damen, ich weiß, dass Sie noch viel mehr Lärm machen können! “ schrie Sara über die Köpfe ihrer Schützlinge hinweg, die jammerten und sich aufführten, als hätte man ihnen ihre Kinder entrissen. „Wir werden sie dazu bringen, das Schiff zu wenden, und wenn wir uns heiser schreien müssen!"

„Sie werden uns stattdessen ermorden“, schimpfte Queenie über das Getöse hinweg. Sie war die Einzige gewesen, die sic gegen Saras Plan, die Piraten zu ärgern, gestellt hatte. Doch sie war von den anderen Frauen überstimmt worden. Wenigstem hatten sie etwas zu tun, statt in der Dunkelheit herumzuliegen und darauf zu warten, dass sie wie Lebensmittelrationen an die Männer verteilt wurden.

„Wenn sie uns hätten töten wollen, hätten sie das schon längst getan!“ schrie Sara zurück. „Sie haben gesagt, dass sie Ehefrauen haben wollen! Wir sollten ihnen zeigen, wie schrecklich wir als solche wären. Vielleicht lassen sie uns ja dann gehen!“

Kaum dass sie diese Worte ausgesprochen hatte, wurde die Luke zum Frachtraum geöffnet und einer der Piraten stieg die schmale Leiter herunter. Da er sofort lächelte, fragte sie sich, ob er ihre Worte gehört hatte.

Sie machte den Frauen ein Zeichen, ruhig zu sein, während sie ihren neuen Angreifer musterte. Seine elegantes Auftreten unterschied ihn erheblich von seinen Gefährten. In England hätte man ihn mit der gestreiften Weste und der zu einem Bergami-Knoten gebundenen Krawatte für einen Dandy gehalten.

Als die Frauen schwiegen, wandte er sich an Sara. „Der Captain möchte mit Ihnen sprechen, Lady Sara. Bitte seien Sie so gut, und folgen Sie mir.“

Himmel, der Mann war ja Engländer! Mitten unter diesen barbarischen Kolonialisten befand sich wenigstens ein Engländer, der vielleicht gewisse Skrupel hatte.

Vielleicht. Denn immerhin blieb er ein Pirat.

Bei seinen Worten hatten sich die Frauen um sie geschart, als wollten sie sie schützen. Obwohl diese Geste sie anrührte, war sie völlig nutzlos. Ihre Gefährtinnen konnten sich nicht einmal selbst schützen, geschweige denn sie.

„Es ist in Ordnung, meine Damen.“ Sie zwang sich zu einem beruhigenden Lächeln. „Ich werde mit dem Captain sprechen, wenn er es wünscht. Wer weiß, vielleicht ist er ja doch noch zur Vernunft zu bringen. “

Die skeptischen Blicke der Frauen hoben ihre Laune nicht.!

Das Letzte, wonach ihr der Sinn stand, war, die Kajüte eines Satyrs von eigenen Gnaden zu betreten. Doch sie verbarg ihre Angst hinter einer unerschrockenen Miene, straffte die Schultern und schlängelte sich an den Damen vorbei zur

Leiter.

Als sie den Piraten erreichte, trat er beiseite und forderte sie mit einer Geste auf, zuerst hochzusteigen. Sie zögerte nur einen Moment lang. Es war schwierig für sie, ihre Röcke eng an sich zu pressen, als sie die steilen Sprossen hinaufging. Warum sie sich so um Sittsamkeit bemühte, wusste sie selbst nicht. Sie hatte wenig Aussicht, ihre Unschuld noch viel länger zu behalten. Trotzdem waren so vornehme Gewohnheiten so sehr in ihr verwurzelt, dass sie diese nicht so leicht ablegen konnte.

Sobald sie beide an Deck waren, fasste der Pirat sie erstaunlich sanft am Arm und blieb stehen.

„Ich bin Barnaby Kent, der Erste Offizier. Bevor ich Sie zum Captain bringe, möchte ich Sie bitten, auf Ihr Benehmen in seiner Gegenwart zu achten.“

Sie sprach so hochmütig, wie es ihr nur möglich war. „Mein Benehmen? Gibt es denn besondere Anstandsregeln bei den Piraten, die ich nicht kenne?“

Seine Lippen zuckten, als er sie anschaute. „Nein. Aber Sie sollten trotzdem einige Hinweise zu Ihrem eigenen Vorteil beachten. “ Er drehte den Kopf zum Heck. „An Ihrer Stelle würde ich nicht allzu sehr auf Ihre Verwandtschaft mit dem Earl of Blackmore pochen.“

„Und warum nicht?“

„Haben Sie denn noch nichts von dem Piratenlord gehört? Ich weiß, dass man in den Londoner Zeitungen viel über ihn geschrieben hat.“

Seltsamerweise erinnerte sie das Wort „Piratenlord“ an etwas, was ihr bei den Worten Satyr und Captain Horn nicht eingefallen war. Ihr Herz begann, heftig zu pochen. „Der Piratenlord? Meinen Sie diesen . . . diesen schrecklichen Mann, der es sich zur Gewohnheit gemacht hat, Adlige zu attackieren?“ „Ja“, erwiderte Barnaby nüchtern. „Dieser schreckliche Mann“ ist Gideon Horn, Ihr Kaperer.“

Sie schluckte krampfhaft. Lieber Himmel. Also in den Zeitungen hatte sie von der Satyr gelesen. So war es nicht verwunderlich, dass der Piratenlord wütend geworden war, a sie Jordans Titel als letzten Trumpf hatte ausspielen wolle Sie hatte geglaubt, damit sich und den Frauen zu helfen, stattdessen hatte sie ihre Lage nur noch verschlimmert. „Ich ... ich verstehe.“

„Nein, Sie verstehen nicht. Captain Horn hasst den Adel, und daher sollten Sie ihn nicht an Ihre adlige Herkunft erinnern, wenn Sie ihn nur von seiner guten Seite kennen lernen wollen.“

„Hat er denn eine gute Seite?“

Ein Lächeln glitt über das Gesicht des englischen Piraten „Ja, die hat er.“ Er musterte sie von Kopf bis Fuß. „Besonder" wenn er es mit einer Frau zu tun hat, die so hübsch ist wie Sie." Verwirrt senkte sie den Blick, und ihre Wangen röteten sich. „In diesem Fall glaube ich, dass Schönheit eher ein Nachteil als ein Vorteil ist.“

„Er wird Ihnen nichts tun. So ist er nicht. Aber seine Laune wird sich nicht bessern, wenn Sie ihn mit Ihren familiären Bindungen ärgern. Ich rate Ihnen, Ihre Zunge zu hüten. Das wäre sicherlich vorteilhafter für Sie und die anderen Frauen." Dieser Mann fühlte sich verantwortlich für sie, und das rührte sie. Vielleicht konnte sie daraus ja einen Nutzen ziehen. „Sie sind Engländer, nicht wahr? Sie wissen, dass Captain Horn sich barbarisch verhält. Bitte bewegen Sie ihn dazu, uns zur Insel Santiago zurückzubringen und sein Vorhabe aufzugeben.“

Alles Interesse an ihrem Wohlergehen verschwand, und ein harter Ausdruck trat in Barnabys Augen. „Vor langer Zeit schon habe ich jede Loyalität für die Engländer aufgegeben, Mylady. Außerdem bin ich der letzte Mensch, der den Captain dazu ermuntern würde, Sie alle gehen zu lassen.“

„Warum?“

„Weil es meine Idee war, das Sträflingsschiff zu kapern.“ Sie hätte es wissen müssen. Einem Piraten war nicht! zu trauen, welcher Nationalität er auch immer angehören mochte. Er würde ihnen nie helfen. Also waren sie ohne jede Hoffnung.

„Bringen Sie mich zum Captain“, sagte sie wie betäubt. Es hatte keinen Sinn, etwas hinauszuzögern. Sie würde ihre Schicksal ruhig entgegensehen.

Schweigend gingen sie unter den Wanten entlang zum Achterdeck, das sich drohend vor ihnen erhob. Sie erhaschte einen Blick auf den Captain, der mit dem Rücken zu ihnen oben am Steuerrad stand, und einen kurzen Augenblick lang durchfuhr sie eine eisige Kälte. Seine steife Haltung, die kühn gespreizten Beine, der breite bedrohliche Rücken . . . nie zuvor hatte sie eine so beängstigende Männergestalt gesehen. Mr. Kent musste sich keine Sorgen machen. Sie hatte kein Verlangen danach, Captain Horn zu verärgern.

Dann brachte Mr. Kent sie durch die Tür unter dem Achterdeck in einen Raum, der so groß war wie der Salon auf der Chastity. Zum Glück war niemand anwesend, weil alle damit beschäftigt waren, sich mit dem Schiff von der Chastity zu entfernen. Doch bald würde sich dieses Zimmer mit Piraten füllen, die trinken und spielen würden und . . .

Sie scheute sich, darüber nachzudenken, was sie sonst noch alles tun mochten. Wenigstens hatten sie und die Frauen noch eine kurze Atempause. Und wenn sie vernünftig mit dem Captain sprach, konnte sie ihn vielleicht dazu bringen, seine Meinung zu ändern.

Dieser Gedanke verging ihr jedoch, als Mr. Kent die Tür zur Kapitänskajüte im Heck des Schiffs öffnete und sie hineinführte. Sie sah sich um und war entsetzt über deren üppige Ausstattung und den gut gefüllten Waffenschrank. Das war nicht die Kajüte eines ehrlichen Mannes, der Mitleid hatte mit verurteilten Frauen. Es war die eines lasterhaften Menschen. Und für sie alle würde es keine Gnade geben.

„Der Captain wird in Kürze bei Ihnen sein“, meinte Mr. Kent, ehe er davonging und die Tür hinter sich schloss.

Sie achtete gar nicht weiter auf ihn, weil sie viel zu sehr damit beschäftigt war, sich umzuschauen. Sie hatte bisher nur eine Kapitänskajüte gesehen, und die hatte Captain Rogers gehört. Deren spartanische Ausstattung ließ sie im Vergleich zu dieser hier wie die eines Kabinenstewards erscheinen.

Jedes Möbelstück war aus bestem Mahagoni gefertigt worden, vom Schreibtisch, der mit Instrumenten und Papieren überhäuft war bis zu dem Schrank, der Pistolen und Messer in jeder Form hinter seinen geschliffenen Kristallglastüren enthielt. Die königsblauen Vorhänge waren mit Goldfäden durchwirkt, und ein Perserteppich lag auf dem Fußboden, eine besondere Extravaganz an einem Ort, an dem Wasser immer eine Bedrohung war.

Doch das beunruhigendste Möbelstück war das große Bett mit Mahagonigestell, das eine Ecke der geräumigen Kabine einnahm und in dessen Pfosten das gleiche Satyrmotiv geschnitzt war, das als Galionsfigur das Schiff zierte. Eine Tagesdecke aus roter Seide war über die Matratze drapiert und ein Berg pechschwarzer Kissen lagen am Kopfende. Wie in Trance ging sie zu dem Bett hinüber und stellte sich dabei laut die Frage, welche Ausschweifungen und Gräueltaten hier wohl schon stattgefunden haben mochten.

Unwillkürlich streckte sie die Hand aus und berührte die gemusterte rote Seide, und plötzlich stand ihr das Bild des dunkelhaarigen Piraten deutlich vor Augen. Er musste viele Frauen in diesem Bett gehabt haben. Eine seltsame Hitze durchströmte sie bei der Vorstellung, wie er sich über eine Frau beugte, ihren Körper mit den Händen berührte und sie mit seinem festen Mund küsste . . .

„Suchen Sie nach Spuren von Diebstahl, Plünderung und Gewalt, Lady Sara?“ erkundigte sich jemand hinter ihr.

Mit feuerroten Wangen fuhr sie blitzschnell vom Bett zurück. Gott im Himmel, der Piratenlord war unbemerkt gekommen. Wie entsetzlich demütigend! Er schloss die Tür und lächelte flüchtig, als sie noch immer sprachlos dastand.

„Die Tagesdecke gehörte einem grässlichen Viscount, der nach Amerika reiste, um dort eine reiche Erbin zu heiraten“, sagte Gideon, während er den Säbel von seinem Gürtel löste und an einen Haken neben der Tür hängte. Dann schlenderte er zum Schreibtisch und warf ihr einen unverschämten Blick zu. „Es hat mir Spaß gemacht, sie von dem Bett zu entfernen, das er mit seiner Geliebten teilte. “

Sara zuckte zusammen, weil sie sich an das erinnerte, was Mr. Kent über den Hass das Captains auf den Adel gesagt hatte. Vielleicht sollte sie ihm die Wahrheit über ihre eigenen Familienbande verraten. Das könnte ihn vielleicht geneigter machen, ihre Bitten anzuhören. „Captain Horn, ich glaube, ich sollte Sie . . . über eine Sache aufklären. Ich bin nicht. . . ich meine . . . Sie sollten mich nicht Lady Sara nennen.“

In dem gedämpften Licht der Kabine ließ ihn sein plötzlich böser Blick wie ein gefährliches, bedrohliches Wesen erscheinen, das sie jeden Moment vernichten konnte. „Oh? Und warum nicht?“

„Weil ich keine echte Lady bin . . . jedenfalls nicht in dem Sinn, wie Sie glauben.“

Sie sah zu Boden und spürte seinen starken Unmut, als er sich ihr näherte. „Sie sind nicht die Schwester des Earl of

Blackmore?“

„Nun in gewisser Hinsicht schon.“ Sie schluckte. „Sein Vater, der verstorbene Earl of Blackmore, adoptierte mich nach seiner Verheiratung mit meiner verwitweten Mutter. Also bin ich gar nicht Lady Sara, sondern lediglich Miss Willis.“

Als Gideon schwieg, wagte sie es, ihn wieder anzuschauen, und stellte dabei erstaunt fest, dass er nun eher nachdenklich als wütend aussah.

„Wollen Sie damit sagen“, begann er, „dass Sie trotz der Adoption durch einen Earl und als Mitglied seiner Familie nicht den Ehrentitel besitzen, den seine anderen Kinder tragen dürfen?“

Sie hatte das noch nie von dieser Warte aus betrachtet. „Nun, so ist es.“

Gideon stieß einen verächtlichen Laut aus. „Das ist das Absurdeste, was ich je gehört habe.“ Er fuhr sich mit einer Hand durch das zerwühlte wellige Haar und warf ihr einen scharfen Blick zu. „Ich schwöre Ihnen, dass ich euch Engländer nie verstehen werde. Ihr habt mehr Regeln, die dazu angetan sind, Feindschaften in Familien hervorzurufen, als ich je gesehen habe. Jüngere Söhne können erben, Töchter jedoch nicht. Väter machen sich ihre Erben zu Feinden. Das ist doch völlig unbegreiflich.“

Seine Bemerkung über die sozialen Gegebenheiten der britischen Gesellschaft verwirrte sie. Von Piraten erwartete man keine Meinungen über derartige Dinge. Oder dass sie sie so unverblümt äußerten. „Sie müssen zugeben, dass dieses System lange gut funktioniert hat“, sagte sie in dem schwachen Versuch, ihre Landsleute zu verteidigen.

Er zog die Augenbrauen hoch. „Wirklich?“

Gideon schaffte es, in dieses eine Wort all seine Verachtung für die englische Lebensart zu legen. Welche Erfahrungen musste er bloß gesammelt haben, dass er solche Gefühle hegte? Obwohl sie gern gewusst hätte, warum er die Engländer hasste, fragte sie ihn nicht. Sie bezweifelte, dass dies stolze Pirat ihr eine Antwort geben oder ihre Neugier auch nur schätzen würde.

Jetzt sah er sie so durchdringend an, als versuchte er, ihre Gedanken zu erraten. Sie hatte die glühenden Blicke von Lords und die lüsternen vieler Gefangener in Newgate und natürlich all dieser Matrosen hier schon ertragen müssen. Doch noch nie hatte ein Mann sie so aufmerksam gemustert.

Und das verwirrte sie sehr. Sie senkte die Lider und über; legte angestrengt, was sie sagen könnte, um seine eingehend Betrachtung zu unterbrechen. „Jedenfalls wird das doch sicher nicht der Grund sein, warum Sie mich hierher bringe: ließen.“

„Gewiss nicht.“ Er setzte sich in den Sessel hinter seinem Schreibtisch und deutete auf einen gepolsterten Stuhl, der in ihrer Nähe stand. „Nehmen Sie Platz, Lady Sara.“

Obwohl sie seiner Bitte nachkam, protestierte sie: „Ich hab Ihnen noch gesagt, dass sie mich nicht. . .“

„Auf meinem Schiff gelten meine Regeln. Ich werde Sie s nennen, wie es mir gefällt.“ Sein Blick glitt über ihren Körper, ehe er zu ihrem Gesicht zurückkehrte. „Und diese Anred wird mich nicht vergessen lassen, dass Sie einen Stiefbruder haben, der irgendwo dort draußen auf der Lauer liegt un nur darauf wartet, sich jeden Moment auf mich stürzen zu können.“

Sein Sarkasmus zeigte ihr deutlich, dass er sich keine Sekunde lang vor Jordan fürchtete. Zweifellos ließ ihre Offenbarung ihn glauben, dass Jordan keine Bedrohung mehr für ihn darstellte. Doch genau das hatte sie nicht erreichen wollen.

Sie setzte sich kerzengerade hin und faltete die Hände i ihrem Schoß. „Die Tatsache, dass Jordan nur mein Stiefbruder ist, ändern überhaupt nichts, Captain Horn. Er wird mich nicht im Stich lassen. Ich versichere Ihnen, dass er Sie jagen wird, sobald er hört, was geschehen ist. Kriegsschiffe werden Sie überallhin verfolgen. Die Angst vor meinem Stiefbruder wird Ihnen die Lust am Segeln rauben. “

Ihre Worte hatten nicht die Wirkung, die sie erhofft hatte. Ein Lächeln glitt über sein ausdrucksvolles Gesicht. „Dan ist es ja nur gut, dass wir nirgendwohin mehr segeln werden, sobald wir unser Ziel erreicht haben. “

„Was meinen Sie damit?“

Er zuckte mit den Schultern. „Meine Männer und ich ziehen uns von der Piraterie zurück. Deshalb benötigen wir ja auch

Ehefrauen.“

Das brachte sie vorübergehend zum Schweigen. Ihr Blick schweifte über die goldenen Beschläge in der Kabine und all den extravaganten Komfort. „Zurückziehen?“ fragte sie nach einer Weile.

„Ja. Sie wissen vielleicht, dass die Piraterie in letzter Zeit eine sehr gefährliche Tätigkeit geworden ist. Die meisten Regierungen setzen Schiffe für unsere Verfolgung ein. Meine Männer und ich haben genügend Rücklagen, von denen wir bequem leben können. Und wir möchten unsere glänzende Laufbahn nicht, im wahrsten Sinne des Wortes, kopflos beenden.“

Sara nickte. Sie hatte in Newgate genügend Zeit verbracht, um zu wissen, dass man ihn und seine Leute, falls man sie aufstöberte, hängen würde. Doch setzten sich Piraten wirklich zur Ruhe?

Er lehnte sich in seinem Sessel zurück, verschränkte die Finger und betrachtete sie mit diesem beunruhigenden Blick. Fast hatte sie das Gefühl, als berührte er ihren Mund, die Wangen und sogar ihre gut bedeckten Brüste. Wenn ein anderer Mann sie so angesehen hätte, hätte sie sich empört. Doch warum pochte ihr Herz, wenn er sie so musterte?

„Die Schwierigkeit ist“, fuhr er mit rauer Stimme fort, „dass es für uns kein Land gibt, in dem wir willkommen sind.“

„Und wie sieht es mit Amerika aus?“

„Auch dort nicht. Leider hat Amerika wenig für uns übrig. Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass irgendeine amerikanische Stadt eine Piratenbande wie uns mit offenen Armen aufnehmen würde.“

„Hoffentlich nicht“, entfuhr es ihr, und sie hätte sich am liebsten die Zunge abgebissen, als sie den zornigen Ausdruck auf seinem Gesicht bemerkte.

Doch als er weitersprach, klang seine Stimme völlig ruhig. ,,Dann werden Sie ja nun unsere Lage verstehen. Zum Glück haben meine Männer und ich eine von Menschen unbewohnte Insel entdeckt. Sie hat einen Süßwasserfluss und eine üppige Vegetation, und sie ist auch groß genug für uns und unsere

Nachkommen. Wir haben beschlossen, uns dort niederzulassen und unser eigenes Land zu gründen.“

Sein Blick wurde dunkel und fast hypnotisierend. „Dort gib es nur ein Problem. Wir haben keine Frauen. Und eine Kolonie ohne Frauen . . . nun, ich denke, Sie können das Ausmaß unseres Dilemmas ermessen.“

Er lächelte sie so unerwartet charmant an, dass sie sich dazu zwingen musste, nicht darauf zu reagieren. Sie wollte nicht von diesem . . . diesem gottlosen Schurken verzaubert werden. „Aber warum diese Frauen? Warum haben Sie nicht Frauen von den Kapverdischen Inseln mitgenommen oder . ..“ „Weshalb, glauben Sie, waren wir denn wohl auf Santiago?" Er blickte von ihr fort und wurde noch ernster. „Leider wollen nur wenige Frauen zu einer unbekannten Insel reisen, auf der sie für immer von ihren Familien abgeschnitten sind und au der man von ihnen erwartet, dass sie mithelfen, sie bewohnbar zu machen. Nicht einmal die . . . Dirnen halten etwas von dieser Vorstellung.“

Röte stieg ihr in die Wangen. Sie rutschte unbehaglich auf ihrem Sitz hin und her. „Können Sie ihnen das verdenken?“

Sein Blick ruhte jetzt wieder auf ihr, und er lächelte, als bereitete ihm ihre Verwirrung große Freude. „Ich denke nicht. Sie werden ihre Gründe haben, warum sie auf Santiago bleiben wollen. Doch die Lage ist für die Frauen der Chastity völlig anders. Sie sind dazu verdammt worden, ein sklavenähnliches Leben in einem fremden Land zu führen. Wir haben uns für sie entschieden, weil wir dachten, dass sie die Freiheit bei uns der erzwungenen Knechtschaft unter grausamen ehemaligen Strafgefangenen in New South Wales vorziehen würden.“ „Ehrlich gesagt, erkenne ich keinen großen Unterschied zwischen ehemaligen Strafgefangenen und Piraten“, entgegnete sie. „Sie handeln doch alle gegen das Gesetz.“

Ein Muskel zuckte an seiner Wange, was ihn noch gefährlicher aussehen ließ. „Ich versichere Ihnen, dass es einen gewaltigen Unterschied gibt zwischen meinen Männern und jenen Verbrechern. “

„Und Sie erwarten von mir, dass ich Ihnen das glaube?“ „Bleibt Ihnen eine Wahl?“ Als er ihre verärgerte Miene bemerkte, unterdrückte er seine eigene Wut. „Außerdem hat unsere Insel mehr zu bieten als New South Wales, denn dort ist

das Wetter erbarmungslos und die Regierung noch mitleidloser. Wir haben ein wundervolles Klima, ein leichtes Leben, Nahrung in Hülle und Fülle, und wir müssen uns nur unseren eigenen Gesetzen unterwerfen. Bei uns gibt es keine Kerkermeister und keine Staatsdiener, die die Armen unterdrücken und die reichen Adligen hofieren .. . Die Insel ist ein Paradies, oder zumindest wird sie eines sein, wenn Ihre Damen mit uns kommen.“

Seine Miene hatte sich aufgehellt. Er hatte ein hübsches Bild von seiner Insel gemalt, doch Sara ließ sich davon nicht beeindrucken. New South Wales mochte sich auf lange Sicht als unangenehm erweisen, doch die Frauen hatten dort wenigstens eine gewisse Wahlmöglichkeit. Sie mussten nicht gegen ihren Willen heiraten. Obwohl die Einwohner dieses Landes die verurteilten Frauen als Prostituierte ansehen mochten, würde es dort immer Möglichkeiten für die Frauen geben, sich durch harte Arbeit Ehrbarkeit zu erwerben. Manche der deportierten Gefangenen hatten es sogar geschafft, nach England und zu ihren Familien zurückzukehren, zugegebenermaßen allerdings nur sehr wenige.

Auf Captain Horns Insel gab es diese Möglichkeiten nicht. Sie wären seiner Gnade und der seiner Piraten ausgeliefert. „Ein Paradies?“ Sara erhob sich, und die Röcke schwangen um ihre Knöchel. „Sie meinen wohl ein Paradies für Sie und Ihre Männer. Sie haben nichts erwähnt, was die Insel zu einem Paradies für die Frauen machen würde. Sie wären gezwungen, Ihre Ehefrauen zu sein und für ein ,Land‘ zu arbeiten, das sie sich nicht ausgesucht haben.“

Jetzt stand er auf, umrundete den Schreibtisch und blieb dicht vor ihr stehen. „Glauben Sie wirklich, dass sie in New South Wales irgendeine Chance haben? Ich bin dort gewesen. Ich habe gesehen, wie man die verurteilten Frauen behandelt hat. Sie werden an die Kolonisten als Dienstboten verteilt, doch die einzige Arbeit, die ihnen die Männer dort anzubieten haben, ist die, die sie auf dem Rücken liegend verrichten müssen.“

Seine Grobheit trieb ihr wieder die Röte in die Wangen. Er senkte seine Stimme zu einem scharfen Flüstern. „Und die, die nicht zu dieser Arbeit taugen, landen in überfüllten Fabriken, in denen schlimmere Zustände herrschen als in

Englands Gefängnissen. Würden Sie Ihren Schutzbefohlene dieses Schicksal wünschen, Lady Sara? Ich biete ihnen d Freiheit an, und Sie bieten ihnen das an.“

Seine unfairen Anschuldigungen machten sie wütend. „Freiheit? Verstehen Sie das unter einer erzwungenen Ehe? Sie behaupten, Ihre Kolonie sei besser, doch Sie haben mir keinen Beweis dafür genannt. Sie verteilen diese Frauen genauso an Ihre Männer wie die australischen Behörden das tun. Sie bieten ihnen zwar die Ehe an, doch das ist ja auch nichts anderes als eine erzwungene Knechtschaft, oder?“

Im Moment wirkte er so starr wie die Galionsfigur an seinem Schiff. Die Augen zusammengekniffen, antwortete er: „Angenommen, man überließe den Frauen die Wahl. “ Er schwieg so unvermittelt, als bedauerte er seine Worte sofort wieder.

Überrascht schöpfte sie Hoffnung. „Zwischen welchen Möglichkeiten dürfen sie denn wählen? Ob sie mit Ihnen auf Ihre Insel gehen wollen oder nicht?“

Finster sah er sie an. „Nein. Ich meine, dass sie sich ihre Ehemänner selber aussuchen können. Sie haben die Möglichkeit, die Männer eine Woche lang kennen zu lernen und festzustellen, was sie auf unserer Insel erwartet. Danach müssen sie jedoch den Antrag des Mannes, den sie sich ausgesucht haben, annehmen.“

„Oh.“ Sie überdachte seinen Vorschlag einen Moment. Das Angebot war zwar besser als sein ursprüngliches, aber bei weitem nicht so gut, als ließe er den Frauen die Wahl, auf die Chastity zurückzukehren oder mit den Piraten mitzugehen. Allerdings war sie nicht sicher, ob die Frauen überhaupt auf die Chastity zurückkehren wollten. Sie hatte eine dunkle Ahnung, dass er Recht hatte mit dem, was den Gefangenen bevorstand, wenn sie ihre Reise nach New South Wales fortsetzten.

Wenn sie nur überzeugt wäre, dass seine Männer sich wirklich zur Ruhe setzen wollten. Wenn sie nur ihre Charaktere kennen würde. Sie seufzte leise. Sie waren Piraten. Musste sie noch mehr wissen?

Dennoch bot er den Frauen etwas an, was sie in New South Wales nicht bekommen würden - die Chance, den Mann zu wählen, der sie versklaven würde.

Sie suchte nach einer Möglichkeit, sich die Wahl leichter zu machen. „Eine Woche ist wenig Zeit“, meinte sie. „Da wir Ihre Insel erst. ..“

„Wir werden Atlantis in zwei Tagen erreichen“, unterbrach

er sie.

„Atlantis?“ wiederholte sie. „Wie das griechische Atlantis?“ Einen Augenblick lang wurden seine Züge weicher. „Manche behaupten, Atlantis sei eine Utopie, Lady Sara. Und ich behaupte, wir schaffen ein Atlantis, etwas, was phantastisch ist, aber dennoch existiert.“

„Eine Land, in dem die Männer alle Wahlmöglichkeiten haben und die Frauen keine.“

„Ich biete ihnen eine Wahlmöglichkeit an.“

„Könnten wir vielleicht zwei Wochen Zeit bekommen?“ Seine Miene wurde wieder härter. „Eine Woche. Nehmen Sie das Angebot an, oder lassen Sie es bleiben. Wie auch immer Sie sich entscheiden - Ihre Frauen werden auf jeden Fall Ehemänner bekommen. Ich habe schon ein großes Zugeständnis damit gemacht, dass ich den Frauen die Wahl überlasse. Die Männer werden sich darüber beschweren.“

„Und was ist, wenn eine Frau beschließt, nicht zu heiraten?“ „Das ist für mich keine Wahl.“ Er schob die Daumen unter den breiten Ledergürtel mit der seltsamen Schnalle. „Wenn eine Frau sich am Ende dieser einen Woche keinen Ehemann ausgesucht hat, wird einer für sie ausgewählt.“

„Gott sei Dank verhandeln wir ja hier nicht über etwas Wichtiges“, bemerkte sie ironisch. „Ich muss natürlich erst mit den Frauen sprechen, da ich keine Entscheidung für sie treffen kann.“

„Natürlich.“ Er ging zu seinem Schreibtisch und lehnte sich dagegen. „Und ich hoffe, dass danach das Gejammere aufhört.“

Es klang wie ein Befehl. Sie zuckte mit den Schultern. „Schon möglich, wenn sie Ihre Bedingungen annehmen.“ Während sie ihre Röcke glatt strich, sagte sie: „Darf ich jetzt gehen, Captain Horn, und die Frauen über Ihr Angebot informieren?“

„Natürlich. Ich gebe Ihnen eine Stunde. Dann wird sich Barnaby Ihre Antwort abholen.“

Sie wandte sich der Tür zu und war froh, endlich der verwirrenden Nähe dieses Piraten zu entkommen.

Doch als sie sie öffnete, sagte er: „Noch etwas, Lady Sara.«

Sie wandte sich ihm halb zu. „Ja?“

„Ich sollte Sie vielleicht noch darauf hinweisen, dass dieses Angebot alle Frauen auf diesem Schiff betrifft. Also gilt es auch für Sie. Auch Sie haben eine Woche lang Zeit, sich unter meinen Männern einen Ehemann auszusuchen.“ Boshaft lächelnd ließ er den Blick über ihre Lippen, den Hals, die Brüste die Taille und die Hüften gleiten. „Oder ich werde Ihnen mit Freuden einen Ehemann wählen.“