19. KAPITEL

Sara erwachte davon, dass sie selbst Jordans Namen flüsterte. Erst nach einer Weile wusste sie, dass sie geträumt hatte und wenig später auch, wo sie war. Sie setzte sich in dem leeren Bett auf und sah sich mit schamgeröteten Wangen in Gideons Kajüte um. Gott im Himmel, sie war ja nackt in seinem Bett.

Erinnerungen an die letzte Nacht überschwemmten sie: Gideon hatte sie gezwungen zuzugeben, dass sie ihn wollte . . . Sie hatten sich ein zweites Mal geliebt, nachdem er sie so lange bedrängt hatte, bis sie auf ihm saß und den Rhythmus bestimmte . . . Sie hatte sich zufrieden und schläfrig gefühlt und war in seinen Armen eingeschlafen.

Wenigstens war sie nicht in seinen Armen aufgewacht. Das hätte sie nicht ertragen. In der vergangenen Nacht fand sie es ganz natürlich, sich ihm hinzugeben. Ihr Streit und der Brand waren mitverantwortlich dafür gewesen, dass sie sich geliebt hatten.

Doch jetzt im grellen Morgenlicht hielt sie es für einen ungeheuren Fehler. Petey würde mit Jordan zurückkehren. Sie konnte ihm doch nicht in dem Bewusstsein gegenübertreten, dass sie sich und ihre Familie entehrt hatte?

Das würde sie Gideon natürlich nicht sagen und ihm auch nicht erklären, warum sie in der vergangenen Nacht schwach geworden war. . . und warum sie die Liebesspiele nicht fortsetzen konnte.

Wenn er das überhaupt vorhatte. Er hatte ja noch nicht einmal gesagt, dass er sie heiraten wolle.

Nicht, dass sie versessen darauf war, ihn zu heiraten.

Schnell glitt sie unter den Leinentüchern hervor. Auf einem war ein roter Fleck zu sehen, der vom Verlust ihrer Unschuld zeugte. Einen Moment lang betrachtete sie ihn. Sie hatte ihre

Tugend an einen Piraten verloren. An einen Mann, der ihr keine tieferen Gefühle entgegenbrachte.

Aber sie hatte jetzt keine Zeit, darüber weiter nachzudenken. Sie musste sich anziehen und hier verschwinden, ehe er zurückkehrte und sie von ihren guten Vorsätzen abbrachte. Sie fühlte sich ganz wund zwischen den Beinen, als sie den Boden nach ihrem Unterkleid absuchte, doch sie konnte es nirgendwo entdecken. Auch ihre restlichen Kleider waren verschwunden.

„Suchst du das hier?“ fragte eine Stimme von der Kabinentür her.

Sie wirbelte herum, und ihr Herz pochte. Gideon lehnte am Türrahmen und ließ ihr Unterkleid von einem Finger herabbaumeln. Er trug eine graue Hose und ein schneeweißes, fast bis zur Taille offenes Hemd. Im Morgenlicht sah er so umwerfend männlich aus, dass ihr der Atem stockte.

Verflucht sei dieser Mann! Warum musste er auch ein so anziehendes Äußeres haben?

„Ich dachte, dass du vielleicht in meiner Abwesenheit wegläufst, und nahm mir deshalb die Freiheit, deine Kleider aus der Kajüte zu entfernen.“ Sein Blick glitt langsam und viel sagend über ihren nackten Körper. „Das scheint ein guter Einfall gewesen zu sein.“

Sie errötete heftig. Es war eine Sache, mitten in der Nacht nackt vor ihm zu stehen, als sie trunken vor Leidenschaft gewesen war. Im hellen Tageslicht war das etwas ganz anderes. Sie warf einen verstohlenen Blick durch die offene Tür. Wie demütigend wäre es, wenn einer seiner Männer gerade jetzt die Kajüte betreten würde?

Sie streckte die Hand aus. „Bitte Gideon, gib es mir.“

Er schlenderte in den Raum und schloss die Tür hinter sich. Lächelnd hängte er das Unterkleid an einen Haken neben der Tür und kam auf sie zu. „Gleich. Ich sehe dich gern am Morgen an. Zum Anziehen bleibt noch viel Zeit.“

„Aber.....

Er umfasste ihre Taille und zog Sara an sich. Er hatte wieder den gleichen verlangenden Ausdruck in den Augen wie letzte Nacht. Und beschämt fühlte sie, dass sie unter dem feurigen Blick wie Wachs dahinzuschmelzen begann.

„Guten Morgen“, sagte er rau, während er den Kopf zu ihr herabsenkte.

„Bitte, Gideon . .

„Ja, Liebste. Sag ,Bitte, Gideon . . . mehr, Gideon ... ich möchte dich haben, Gideon' . . .“

„Ach, du arroganter . . .“

Er erstickte ihre Worte mit einem langen leidenschaftlichen Kuss, bei dem ihr ganz heiß wurde. Als er sie schließlich losließ, fühlte sie sich wie benommen, und er lächelte. „So ist es schon besser. Ich habe dich bisher ganz falsch behandelt. Ich hätte dich jedes Mal küssen sollen, sobald du den Mund geöffnet hast.“

Zorn stieg in ihr hoch. „Also, wissen Sie, Captain Horn . . .“

Als er sie diesmal unterbrach, war ihm ein Kuss nicht mehr genug. Er hob sie hoch und trug sie zum Bett, seinen Mund auf ihren gepresst. Und nachdem er sie aufs Bett gelegt hatte, entkleidete er sich schnell, glitt auf sie und spreizte mit den Knien ihre Oberschenkel. Erregt bog sie sich ihm entgegen, als er ungestüm in sie eindrang.

Diesmal war ihr Liebesakt kurz, wild und drängend, als fürchteten beide, dass sie nie mehr Zusammenkommen würden. Bestürzt fiel ihr auf, dass sie völlig hemmungslos war. Ja, es war wundervoll, ihn in sich zu spüren. Seine Kraft vertrieb all ihre Ängste. Sie wünschte sich so sehr, dass er zu ihr gehörte, auch wenn sie wusste, dass das niemals möglich sein würde.

Später schmiegte sie sich in seine Arme. Trotz der Schritte, die auf dem Deck hinter der Wand zu hören waren und Barnabys Befehlen, fühlte sie sich glücklich, einfach nur in Gideons Armen zu liegen.

Gideon drückte ihr einen Kuss aufs Ohr, und sein Atem streifte ihre heiße Wange. „Wie lautet es in Salomons Gesang? ,Wie ein Hügel von Weizen ist dein Leib, rund und golden und von Lilien umstanden“.“

Lieber Himmel, jetzt zitierte dieser Mann auch noch aus dem Hohenlied der Bibel, und das in einem höchst unerhörten Zusammenhang. Er war wirklich gottlos.

„Und deine Brüste . . .“, begann er.

„Gideon!“ protestierte sie, drehte sich zu ihm um und schaute ihn mit brennenden Wangen an. „Diese Stelle ist wirklich anstößig. Sie ist nicht dazu gedacht, dass man sie ... laut wiederholt.“

Ungeniert lächelte er sie an. „Ich bin ein Pirat, und man erwartet von mir, dass ich anstößige Bemerkungen mache.“ Er stützte sich auf einen Ellbogen auf, nahm eine Strähne ihres seidigen Haares und ließ sie durch die Finger gleiten. „Aber wenn du prüde sein möchtest, spreche ich von etwas weniger . . . Anstößigem. Von deinem Haar zum Beispiel.“

Er strich so zart darüber, wie sie es ihm gar nicht zugetraut hatte. Seine Stimme war sanft und fast wehmütig. „Ich liebe dein Haar. Es ist vergleichbar mit Kupfermünzen und Rohseide und Miss Mulligans Vorhänge.“

„Miss Mulligan?“ fragte Sara stirnrunzelnd. „Darf ich fragen, wer Miss Mulligan ist?“

„Hör mal, Miss Willis, du bist doch nicht etwa eifersüchtig?“ Der Schuft. Natürlich war sie eifersüchtig. Sie hob das Kinn und versuchte, unbekümmert zu wirken. „Es wäre doch dumm von mir, auf einen Piraten eifersüchtig zu sein, der schon die Hälfte aller Frauen der Christenheit in seinem Bett gehabt hat.“

Augenblicklich verschwand sein Lächeln. Kurz fluchend ließ er sich in die Kissen zurückfallen. „Nicht so viele. Möglicherweise ein Viertel der Frauen der Christenheit, obwohl ich versuche, ungefähr alle halbe Stunde eine Frau ins Bett zu bekommen. Es hält mich jung.“

Sie ignorierte seinen Sarkasmus und fauchte: „Und Miss Mulligan gehörte dazu.“

„O ja. Ich zerre zweiundsiebzig Jahre alte Frauen ins Bett, wann immer ich kann.“

Sara kam sich sehr dumm vor.

Erneut stützte er sich auf einen Ellbogen auf. „Du bist eifersüchtig! Und völlig grundlos. Miss Mulligan war eine alte Jungfer, der eine der vielen Pensionen gehörte, in denen mein Vater und ich gewohnt haben. Ich war knapp sieben Jahre alt, als wir dort waren, und wir blieben nur sechs Monate. Das war länger als an den meisten anderen Orten.“ Er spielte mit ihrem Haar und ließ die Strähnen immer wieder zwischen seinen Fingern hindurchgleiten. „Doch ich erinnere mich noch immer lebhaft an die Vorhänge in ihrem Salon. Sie waren aus irgendeinem roten, seidenen Material, und wenn die Sonne hindurchschien, sahen sie flammend rot aus.“

Gideon lächelte. „Wenn mein Vater betrunken war und mich mit dem Riemen schlagen wollte, rannte ich fort und versteckte mich hinter diesen Vorhängen. Ich hoffte, dass sie mich schützen würden.“ Ihre Blicke trafen sich. „Auf seltsame Weise war das auch so. Er hat mich nie gefunden, wenn ich dort stand.

Und wenn Miss Mulligan mich entdeckte, gab sie mir Milch und Kekse. Dann erlaubte sie mir, mich zu ihr ins Bett zu legen, während mein Vater seinen Rausch ausschlief. Für einen sechsjährigen Jungen war das der Himmel. Sie war freundlich und mütterlich und duftete nach Rosenwasser. Ich mochte diesen Geruch.“

Saras Kehle war wie zugeschnürt. Sanft berührte sie seine Wange mit den Fingern. „Hat dein Vater dich ... oft mit dem Riemen geschlagen?“

Gideon schaute sie an, doch Sara hatte das Gefühl, als nähme er sie gar nicht wahr. Er legte sich aufs Bett zurück, schob sich einen Arm unter den Kopf und blickte starr zur Decke hinauf. „Oft genug. Wahrscheinlich denkst du, dass er es noch ein wenig öfter hätte tun sollen, um mir ein wenig Tugend einzubläuen. Wie es ja schon in der Bibel heißt: ,Wenn du auf den Stock verzichtest, verwöhnst du das Kind.“'

„O nein, sag diesen schrecklichen Satz nicht! Damit rechtfertigen die Menschen nur ihre Grausamkeit. Wenn man ein Kind schlägt, demütigt man es und flößt ihm Angst ein.“ Forschend sah er sie an, als wollte er sie ganz ergründen. „Ja“, sagte er schließlich. „Das stimmt wirklich.“

Sie fühlte mit ihm. Armer Gideon. Kein Wunder, dass er sich sein eigenes Paradies schaffen wollte. Die Welt, in der er aufgewachsen war, musste die Hölle für ihn gewesen sein.

„Was hat deine Mutter dagegen getan?“ fragte Sara. „Hat sie es zugelassen, dass dein Vater dich geschlagen hat?“ Gideons Miene verschloss sich. Unvermittelt glitt er aus dem Bett und schlüpfte in die Hose. „Sie war nicht da.“

Sara richtete sich auf und zog sich das Laken vor die Brust. „Wieso? Ist sie gestorben?“

An den Schreibtisch gelehnt, fragte Gideon: „Ist das so wichtig? Sie war einfach nicht da.“

„Wenn du nicht über sie sprechen möchtest..."

„Nein, das möchte ich nicht.“ Als sie ihm einen verletzten Blick zuwarf, fügte er hinzu: „Wir haben über wichtigere Dinge zu reden, Sara. Zum Beispiel über das, was heute geschehen wird.“

Der plötzliche Themenwechsel ließ sie unachtsam sein. „Heute?“

„Die Frauen wählen sich doch ihre Ehemänner aus. Hast du das vergessen?“

Ach ja. Das. Sie hatte wirklich nicht mehr daran gedacht. Ohne auf eine Antwort zu warten, sprach er weiter: „Wir werden nicht so lange damit warten können, bis die neuen Häuser gebaut sind. Das wird Wochen dauern. Die Männer, die nach Sao Nicolau gefahren sind, kehren heute Morgen zurück, und daher gibt es keinen Grund mehr für einen weiteren Aufschub. Ich muss wissen . . .“ Er hörte mitten im Satz auf, während ein verletzlicher Ausdruck auf seinem Gesicht erschien. „Ich muss wissen, wen du wählen wirst.“

„Damit du deine Zustimmung geben kannst?“ fauchte sie. „Was, zum Teufel, willst du damit sagen?“

Sie zwang sich mühsam um einen gelasseneren Ton. „Als wir zuletzt darüber sprachen, hast du mir sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass du mich nicht heiraten möchtest.“ „Das ist nicht wahr. Wenn ich mich erinnere, sagte ich nur, dass ich ,die Ware vorher prüfen müsse“.“

„O ja, daran kann ich mich erinnern. Und nachdem du sie nun geprüft hast, habe ich den Test bestanden? Wie viele Frauen hast du denn auf deiner Suche nach der perfekten Bettgefährtin geprüft“?“

„Verflixt noch mal, Sara, du weißt genau, dass ich keine andere Frau mehr angefasst habe, seit ich dich kennen gelernt habe. Was wir in der vergangenen Nacht miteinander erlebt haben war kein Test. Leider kann ich ja nicht wählen. Das ist deine Sache. Die Frage ist, wen du wählen wirst.“

Verwirrt und innerlich zerrissen, wandte sie den Blick von ihm ab. Ihn heiraten? Wie konnte sie? Petey und Jordan würden in frühestens einem Monat hier sein. Und wenn sie da waren, würde sie mit ihnen fortgehen. Obwohl die Vorstellung, mit Gideon auf dieser faszinierenden Insel zu bleiben, so verlockend war, dass sie fast bereit war, allem zuzustimmen, was er wollte.

Was für ein dummer Gedanke. Sie gehörte nicht hierher. Und außerdem war er ja nur auf der Suche nach einer bequemen Bettgefährtin. Aus irgendwelchen Gründen hatte er sie ausgewählt, doch das hatte keine große Bedeutung.

„Ich habe gar keine wirkliche Wahl“, erwiderte sie ausweichend. „Ich würde lieber nicht heiraten, doch das wirst du nicht gestatten. Wenn ich dich nicht wähle, wirst du ja mich wählen. Und das heißt, dass ich dich entweder als Ehemann aussuche oder dich selbst bestimmen lasse, mein Ehemann zu werden. Das kommt doch alles auf das Gleiche hinaus.“ Wütend ballte er die Hände zu Fausten. „Du würdest lieber unverheiratet bleiben, als mich zu heiraten? Selbst nach dem, was wir in der vergangenen Nacht gemeinsam erlebt haben, bin ich dir noch immer als Ehemann nicht gut genug?“

„Das stimmt so nicht, Gideon! “ Doch als er sie ansah und auf eine Erklärung wartete, fand sie keine. Sie konnte ihm doch wohl schlecht die Wahrheit sagen . . ., dass sie hoffte, bald von dieser Insel geholt zu werden. „Ich bin einfach noch nicht so weit. Eine Ehe ist etwas Endgültiges. Man müsste sich viel besser kennen lernen, bevor man so einen Schritt tut.“

„Wie vorausschauend von dir“, bemerkte Gideon erbost. „Einem Mann deine Unschuld zu geben ist nicht endgültig, aber ihn zu heiraten schon. Also gut, du wirst nicht heiraten müssen. Ich werde dich nicht dazu zwingen.“

Er nahm sein Hemd und wandte sich zur Tür.

„Warte! Was meinst du denn damit?“

Wortlos trat er vor die Tür, hob ein verschnürtes Bündel auf und warf es mitten in die Kajüte. „Hier. Das sind Kleider, die ich aus Sao Nicolau für dich habe mitbringen lassen. Zieh dich an. Ich erwarte dich in einer halben Stunde an Deck.“ Und bevor sie ihn noch etwas fragen konnte, war er verschwunden.

Sie blickte gegen die geschlossene Tür und spürte, wie sich eine schreckliche Leere in ihr ausbreitete. Was hatte sie getan? Was hatte er nun vor? Niemals hätte sie ihm nachgeben dürfen. Das war ein furchtbarer Fehler gewesen. Und wie sollte sie sich aus dieser verfahrenen Situation wieder befreien?

Eine halbe Stunde später stand Gideon oben auf dem Achterdeck und hielt grimmig nach Sara Ausschau. Wo war sie? Sie musste jetzt hier bei ihm sein.

Sie sollte miterleben, wie er ihr sein Opfer darbrachte. Schließlich machte er das nur für sie und ihre Damen. Niemand sonst würde sich über das freuen, was er verkünden wollte. Seine Männer würden vor Wut schnauben.

Doch das kümmerte ihn nicht. Er hatte entschieden, und er würde das bis zum Schluss durchziehen, auch wenn er damit seine Männer verärgerte. Mit dem, was er vorhatte, würde er ihre Lage verbessern.

Jedenfalls würde seine eigene dadurch verbessert werden. Vielleicht war dies das Einzige, was helfen konnte.

Plötzlich tauchte Sara unter dem Achterdeck auf und sah voller Angst zu ihm hoch. Sein Puls beschleunigte sich bei ihrem Anblick. Sie trug das weiß verzierte blaue Kleid, das die Männer auf seinen Wunsch für sie gekauft hatten. Mit dem offenen Haar, das ihr locker über die Schultern fiel, sah sie wundervoll aus. Und der Wind presste ihr den dünnen Baumwollstoff so gegen die Beine, dass kaum etwas der Phantasie überlassen blieb.

Ihr Abenteuer im Bett hätte ihn eigentlich von diesem unvernünftigen Verlangen nach ihr befreien müssen. Doch das war nicht geschehen, sondern es war nur noch gewachsen. Er wollte sie jetzt in diesem Augenblick schon wieder lieben. Nachdem er jahrelang englische adlige Damen verhöhnt hatte, setzte seine Sehnsucht nach dieser einen seinem Stolz ziemlich zu.

Doch er war nie so dumm gewesen, sich von dem abhalten zu lassen, was er wollte, und er wollte Sara haben ... in seinem Haus und in seinem Bett. Er hatte sie längst zur Frau gewählt. Nun musste er sie nur noch dazu bringen, dass sie ihn wählte.

Er wandte den Blick von ihr ab und sah die Gruppe an. Es wurde Zeit, dass er den ersten Schritt seines Planes verkündete, um genau das zu tun.

„Guten Morgen. Ich bin froh, dass wir alle den Brand unbeschadet überlebt haben. Wir haben zwar in der vergangenen Nacht alle Hütten verloren, doch das wird uns nicht aufhalten können. Jemand hat mir klargemacht, dass die Insel Atlantis es wert ist, um sie kämpfen.“ Seine Männer murmelten zustimmend und einige Frauen auch.

„Da jetzt die restlichen Männer von Sao Nicolau zurückgekehrt sind“, fuhr er fort, „haben wir nahezu alles Material zur Verfügung, das zum Wiederaufbau benötigt wird. Was fehlt, können wir vielleicht auf der Insel finden.“

Er straffte die Schultern. Nun kam der schwierigste Teil. „Miss Willis sagte mir, dass die Frauen bereit wären, uns beim

Wiederaufbau zu helfen. Daher habe ich entschieden, sie für ihre Hilfe zu entschädigen.“

Gideon hielt inne, ehe er fortfuhr: „Ich werde ihnen einen weiteren Monat Zeit geben, um sich für ihre Ehemänner zu entscheiden.“

Erst herrschte Stille, dann erhob sich unter den Männern ein leises Grollen, und ihre Mienen verfinsterten sich. Barnaby sah ihn an, als sei er verrückt geworden, doch Silas blieb überraschend ruhig.

Gideon bat um Ruhe. „Ich weiß, dass einige Frauen schon Ehemänner gefunden haben, und wenn sie heiraten wollen, können sie das auch tun. Da uns der Wiederaufbau sehr beschäftigen wird, ist es nur gerecht, die anderen Frauen nicht zu zwingen, sich in dieser Zeit auch noch mit den zusätzlichen Problemen des Ehelebens abzumühen.“

Schließlich wagte er es, Sara anzuschauen. Ungläubig sah sie ihn an. Ann eilte strahlend zu ihr, doch Sara konnte den Blick nicht von ihm wenden. Er war überrascht, dass er kein bisschen Triumph in ihrem Gesicht entdecken konnte, sondern ein Erschrecken, das allmählich wich und Dankbarkeit Platz machte.

Für ihre Dankbarkeit gab es überhaupt keinen Grund. Irgendwie würde er Sara schon bekommen. Vielleicht war es verrückt von ihm, sie heiraten zu wollen. Doch das war ja die, einzige Möglichkeit, sie zu bekommen.

„Wir werden alle auf dem Schiff schlafen“, fuhr er fort, „es sei denn, jemand von euch möchten in Zelten übernachten oder die Nächte am Strand unter freiem Himmel verbringen. Die Männer behandeln die Frauen respektvoll und berücksichtigen ihre Wünsche. Ist das für alle annehmbar?“ Er schwieg und wartete darauf, dass sich ein Sturm der Entrüstung erhob. Doch abgesehen von einigen schwachen Klagen schienen die Männer seine Entscheidung zu akzeptieren. Vielleicht erkannten auch sie die Vorteile, hatten vielleicht schon Probleme mit ihren Frauen und brauchten mehr Zeit, um eine Vereinbarung zu treffen.

„Barnaby wird die Arbeiten für den Wiederaufbau verteilen, und Silas wird das Entladen der Schaluppe überwachen. Ich werde mit Miss Willis beraten, wie die Frauen uns helfen können. Das ist alles. Ihr könnt gehen.“

Als er zum Deck hinunterstieg, hielt er nach Sara Ausschau, doch sie war von Frauen umringt, die sie mit Fragen überschütteten. Dann sah er Barnaby mit aufgebrachter Miene auf sich zukommen.

„Was, zur Hölle, ist denn in dich gefahren?“ fragte Barnaby noch frecher als sonst. „Erst schickst du die Hälfte der Männer zum Einkaufen weg, und nun verschiebst du auch noch die Hochzeit. Ich würde sagen, dass wir die Frauen einfach heiraten. Dann haben wir diese verdammte Sache hinter uns und können uns mit dem Hausbau befassen!“

„Ja, und wir beide kennen deine Erfahrungen mit Frauen“, erinnerte Gideon ihn. „Du zerrst sie ins Bett und wirfst sie dann weg. So kann man Geliebte behandeln, Barnaby, nicht aber Ehefrauen.“

„Und seit wann weißt du denn so genau, wie man eine Ehefrau behandelt? Wann zuletzt hattest du auch nur eine Geliebte, mit der du länger als eine Monat zusammen warst?“ „Das ist mir alles selbst klar.“ Gideon schaute an Barnaby vorbei zu Sara hinüber, deren kupferfarbenes Haar in der Morgensonne schimmerte. „Doch ich habe vor, etwas dagegen zu unternehmen.“

Wütend folgte Barnaby seinem Blick. „Ich wusste es. Das hat mal wieder was mit dieser Frau zu tun. Sie hat dich verhext.“ Als Gideon nicht antwortete, fuhr Barnaby fort: „Hast du vor, sie zu heiraten? Glaubst du wirklich, dass diese halsstarrige, prüde Frau dich wählen wird?“

Gideon unterdrückte ein Lächeln über Barnabys völlig falsche Einschätzung von Sara. „Keine Sorge, zu gegebener Zeit wird sie mich schon wählen. “

„Ach, darum geht es in Wirklichkeit. Du räumst dir selber Zeit ein, um ,Mylady' länger den Hof machen zu können. Dann ist sie ja wohl für die anderen von uns nicht mehr zu haben.“ Er warf Barnaby einen abschätzenden Blick zu. „Hast du sie nicht gerade als ,halsstarrig und prüde“ bezeichnet?“ „Manche Männer mögen solche Frauen.“

Mühsam unterdrückte Gideon seine Wut. „Nicht, wenn ich es verhindern kann. Du teilst den Männern mit, dass Sara Willis zu mir gehört. Keinem ist es gestattet, ihr auch nur die Wange zu küssen, verstanden?“

Barnaby ergab sich mit erhobenen Händen. „Natürlich,

Captain, natürlich. Keine Angst. Niemand ist so dumm, dir deine Frau wegzunehmen.“

Deine Frau. Das gefiel ihm. „Gut. Und nun musst du mich entschuldigen. Ich habe noch etwas mit meiner Frau“ zu besprechen.“

Damit verließ er Barnaby und schlenderte hinüber zu Sara, die sich mit Louisa unterhielt.

„Louisa, würden Sie uns bitte allein lassen?“ bat er, als die beiden Frauen sich ihm zuwandten. „Ich muss mit Sara sprechen.“

„Natürlich“, beeilte Louisa, sich zu sagen, doch er sah, dass sie ihn nicht aus den Augen ließ, während sie außer Hörweite

ging.

Als er ihr einen scharfen Blick zuwarf, hastete sie über das Deck davon. Daraufhin wandte er sich Sara zu. „Diese Frau lässt dich nie aus den Augen. Ist sie deine Beschützerin?“ „Sie macht sich nur Sorgen um mich.“

„Na, jetzt braucht sie sich keine Sorgen mehr um dich zu machen. Ich werde mich ja nun um dich kümmern.“

Ein sanftes Lächeln huschte über Saras Gesicht. „Ja, das sehe ich. Gideon, es war wirklich sehr nett von dir, dass du uns mehr Zeit gegeben hast. Du wirst es nicht bedauern. Es wird für alle Beteiligten besser sein.“

Aufmerksam sah er sie an. „Für dich auch?“

Sie errötete. „Ja natürlich.“ Sie schaute zur Seite und berührte mit den Fingern das Medaillon, das sie ständig trug. „Es gibt noch etwas, was ich mit dir besprechen muss, Gideon. Ich . . . ich meine . . . was letzte Nacht geschehen ist. .. sollte nicht noch einmal geschehen.“

„Meinst du den Brand?“ fragte er bewusst begriffsstutzig. Er konnte kaum glauben, dass sie dies nach seiner großzügigen Geste von ihm verlangte.

Sie sah ihn wieder an. „Du weißt sehr genau, dass ich nicht von dem Feuer spreche, ich meine uns. Es ist nicht schicklich . . .“

„Findest du es nicht ein wenig spät, über Schicklichkeit zu reden?“

„Vielleicht. Aber ich . . . glaube trotzdem, dass wir . . . das nicht wiederholen sollten.“ Als er sie ungläubig ansah, fügte sie hastig an: „Wenn wir an eine Ehe denken, müssen wir uns besser kennen lernen, und damit meine ich nicht im Bett. Ich . . . ich kann keinen klaren Gedanken fassen, wenn du mich liebst

„Gut.“

„Nein, das ist nicht gut. Die Ehe ist eine Verbindung, die ein Leben lang halten soll. Und die Entscheidung möchte ich mit klarem Kopf treffen.“

„Ich kann deinen Kopf klären“, bot er an und griff nach ihr.

Doch sie wich vor ihm zurück. „Nein! Das ist genau das, was ich meine. Du möchtest, dass ich alles andere außer dir vergesse. Und dann bin ich plötzlich mit dir verheiratet und weiß gar nicht, wie das geschehen konnte. Das will ich nicht. Ich möchte wissen, was ich tue, wenn ich zustimme, dich zu heiraten. “

Zum Teufel mit dieser Frau. Warum musste sie ständig über alles nachdenken? Warum konnte sie nicht wie andere Frauen damit zufrieden sein, dass ein Mann ihr Herz im Sturm eroberte.

Plötzlich fiel ihm etwas ein. Genau das hatte ja seine Mutter getan - und es hatte zu einer Katastrophe geführt. Nein, er wollte nicht, dass sich die Vergangenheit wiederholte und Sara irgendwann bedauerte, dieser Ehe zugestimmt zu haben.

Trotzdem war es für ihn hart, zu akzeptieren, dass er sie weder berühren, noch küssen oder lieben durfte. Aber gut, er würde ihr genügend Zeit zum Nachdenken geben.

„In Ordnung, Sara. Wir können uns näher kennen lernen. Wir werden Atlantis wieder aufbauen und uns während der ganzen Zeit nicht berühren.“ Auf ihren verblüfften Blick hin senkte er die Stimme. „Ich glaube zwar nicht, dass du das wirklich willst, aber das musst du selbst herausfinden.“

Er schwieg und gab ihr Zeit, über seine Worte nachzudenken. Als er weitersprach, flüsterte er nur noch: „Wenn du deine Meinung ändern solltest - und das wirst du bestimmt tun - musst du den ersten Schritt tun.“ Ohne ihre Antwort abzuwarten, ging er davon.