8. KAPITEL

Die Sonne versank blutrot am Horizont. Sara lehnte an der Reling und wünschte, ein Schiff würde sie holen und nach England bringen und damit in die Sicherheit ihres Heims. Sie hasste es, zugeben zu müssen, dass Jordan doch Recht gehabt hatte. Diese Reise hatte von Anfang an unter einem schlechten Stern gestanden.

Und dieser elende Captain Horn machte alles nur noch schlimmer. Oh, wie musste er über sie gelacht haben, nachdem sie seine Kajüte verlassen hatte, wo sie zuvor seinen Küssen nachgegeben hatte! Wie musste er sich an ihrer Schwäche geweidet haben! Statt mit ihm als Vertreterin der Frauen zu reden, hatte sie zugelassen, dass er sich ihr gegenüber skandalöse Freiheiten herausgenommen hatte. Er hatte sie sehr wirkungsvoll abgelenkt und zweifellos für seine eigenen schändlichen Zwecke benutzt.

Mit ehrlicher Anziehungskraft hatte das sicherlich nichts zu tun. Das hatte er ihr ja deutlich zu verstehen gegeben, erst in seiner Kajüte und dann später, als er sie vor seinen Männern zurückgewiesen hatte, als ob sie eine Art. . . Beutestück der Piraten wäre, das er nach seinem Belieben verteilen konnte. Allein die Erinnerung daran ließ ihre Wangen glühen. Zuvor hatte er sie dahinschmelzen lassen und ihr dann später angeboten, sie dem erstbesten Mann zu überlassen, der sie haben wollte. Dieser Schuft! Dieser Halunke! Oh, wie sie ihn hasste.

„Miss Willis“, sagte jemand hinter ihr. Sie drehte sich um und sah, dass Louisa sich den Weg vorbei an den Frauen bahnte, die auf dem Deck herumsaßen und ihr Abendessen zu sich nahmen. Mit einer Schale Rindfleisch-Eintopf und Schiffszwieback in der einen Hand und einem Becher Wasser, dem ein wenig Rum zugesetzt war, kam Louisa zu ihr.

„Sie sollten wirklich etwas essen“, sagte Louisa mit ihrer gewohnten Gouvernantenstimme und hielt ihr den Teller entgegen. „Sie müssen doch bei Kräften bleiben.“

„Wozu?“ Sara seufzte und nahm nur den Becher. „Es hat keinen Sinn, sich gegen sie zu stellen. Sie machen mit uns, was sie wollen, ganz gleich, was wir sagen.“

„Das stimmt nicht.“ Louisa stellte den Teller auf eine Kiste, nahm einen Zwieback und drückte ihn Sara in die Hand. „Sie haben es schon geschafft, dass sie uns die Wahl lassen. Das ist mehr, als wir vorher hatten. “

„Die Wahl.“ Verächtlich lachte Sara auf und krümelte den Zwieback ins Meer. Nach dem Zusammentreffen mit diesem grässlichen Piratenkapitän hatte sie keinen Appetit mehr. Als sie wieder sprach, klang ihre Stimme gereizt. „Wir können einen jungen oder alten Piraten heiraten, einen verwegenen oder langweiligen, doch wir müssen Piraten unser Jawort geben, unsere restlichen Tage auf einer einsamen Insel verbringen und können unsere Familien nie mehr wieder sehen . . .“ Die Stimme versagte ihr bei dem Gedanken daran, dass sie für immer von Jordan getrennt bleiben würde.

Jordan würde sie niemals finden. Wie sollte er auch? Er würde an den falschen Orten nach ihr suchen, weil er gewiss nicht auf die Idee käme, dass sich die Piraten auf einer Insel aufhielten. Tränen liefen ihr über die Wangen. Unwirsch wischte sie sie weg. Sie weinte nie. Dazu war sie viel zu praktisch veranlagt. Doch heute Abend fühlte sie sich schrecklich hilflos.

Mitfühlend drückte Louisa ihren Arm. „Kommen Sie. Ärgern Sie sich nicht darüber. Es wird schon alles gut werden. Glauben Sie mir. “

Eine fremde, schroffe Stimme ließ sich neben Louisa hören. „Wenn die Lady ihre Abendmahlzeit nicht essen möchte, sollte sie es einer anderen geben und es nicht ins Meer werfen. “

Als Sara und Louisa sich umdrehten, sahen sie, dass der Koch sie finster anstarrte. In einer Hand hatte er einen Wasserkrug und in der anderen den knorrigen und abgeschabten Stock, den er als Spazierstock benutzte. Der grau melierte Bart, der die untere Hälfte seines Gesichts bedeckte, gab ihm ein wildes Aussehen. Und von einer Schwäche, die man angesichts seines Krückstocks vermuten könnte, war keine Spur zu merken.

Noch ein Pirat, der sie schikanierte. Sara hatte genug von ihnen allen und war heute Abend nicht mehr dazu aufgelegt, sich zu wehren.

Doch Louisa war wohl ganz anderer Stimmung, denn sie richtete sich auf und drohte ihm mit dem Finger. „Wie können Sie es wagen, der armen Frau Scherereien wegen dieses widerlichen Zwiebacks zu machen! Wenn Ihr Zwieback genießbar wäre, Sir, würde sie ihn bestimmt nicht den Fischen vorwerfen!“

Erstaunt blinzelte er sie an. „Genießbaren Zwieback?“ fragte er mit erhobener Stimme. „Ich kann Ihnen sagen, Madam, dass ich den besten Zwieback auf hoher See backe!“ „Das besagt wenig, denn Schiffszwieback schmeckt ja immer fürchterlich. “

„Ist schon gut, Louisa, du musst mich nicht verteidigen . . .“ beschwichtigte Sara sie.

Doch Louisa achtete gar nicht auf Sara. „Dieser Zwieback ist so hart, dass ich ihn kaum herunterwürgen konnte. Und dieser Eintopf . . .“

„Hör mal, du respektlose Hexe“, fuhr der Koch sie an und unterstrich seine Worte mit einem heftigen Aufstoßen seines Stocks, „Silas Drummonds Eintopf ist einmalig, und ich fordere jeden Mann - oder jede Frau - dazu auf, ihn besser zu machen!“

„Wie Sie wünschen. Wenn ich das Kochen übernehmen würde, wäre er gewiss besser.“ Louisa hob den Saum der fadenscheinigen Schürze, die man den Frauen als Teil ihrer Gefangenenkleidung gegeben hatte. „Natürlich brauche ich dazu eine bessere Schürze und eine anständige Haube, aber wir werden die Sachen sicherlich irgendwo auftreiben können . . . ach, und dann seien Sie doch so gut und zeigen mir, wo die Vorräte gelagert werden . . .“

„Das kommt gar nicht infrage!“ In Silas Gesicht spiegelte sich Wut und Erstaunen. Eine amüsante Mischung!

Zu Saras Überraschung kümmerte sich Louisa nicht um seinen Ärger. „Wie soll ich denn dann das Essen für morgen vorbereiten?“

„Du wirst überhaupt nichts vorbereiten! “ brüllte er. „In meiner Küche hat so ein hochnäsiges Weib, das wahrscheinlich nicht einmal weiß, wie man dem Rindfleisch das Salz entzieht, nichts verloren!“

Sara stützte den Ellbogen auf der Reling ab und verfolgte den Wortwechsel belustigt, da sie jetzt überzeugt war, dass Louisa imstande war, für sich selbst einzustehen.

„Es kann doch nicht so schwer sein, ein anständiges Essen zu kochen. Ich habe den besten Köchen der Welt zugesehen.“ Zu Sara gewandt, fügte sie hinzu: „Ich war bei dem Duke of Dorchester in Diensten. Er hatte zwei französische Küchenchefs angestellt. Ich denke schon, dass ich von ihnen das eine oder andere gelernt habe.“

„Französische Küchenchefs? Englische Dukes?“ empörte sich Silas. „Du kommst meiner Küche nicht zu nahe, du . . . du . . .“

„Ich heiße Louisa Yarrow, aber Sie können mich Miss Yarrow nennen“, sagte Louisa affektiert.

Er war so überrascht von dieser herablassenden Äußerung, dass Sara ihr Lachen hinter einem scheinbaren Hustenanfall verbarg.

„Es ist unwichtig, wie ich dich nenne oder wie du dich selbst nennst“, grollte er und näherte sich Louisa so weit, dass er auf sie herabblicken konnte. Infolge eines Wellentals neigte sich das Schiff unvermittelt zur Seite. Während sich Sara und Louisa an der Reling festhalten mussten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, brachte er es irgendwie fertig, aufrecht stehen zu bleiben, als ob seine Füße auf dem Deck festgeschweißt wären. „Du kommst meiner Küche nicht zu nahe, Weib. Ich habe schon genug damit zu tun, all diese Frauen zu verpflegen. Da muss ich nicht auch noch eine Unruhestifterin an meiner Seite haben.“

„Vielleicht könnte Louisa Ihnen ein bisschen helfen“, warf Sara ein. Sie musste zugeben, dass der Eintopf nicht sonderlich gut aussah und schmeckte, und ein schneller Blick über das Deck zeigte ihr, dass die anderen Frauen trotz ihres Hungers ihre Mahlzeit ohne großen Appetit verzehrten.

„Das ist eine großartige Idee“, sagte eine andere Stimme. Sie gehörte dem Ersten Offizier, der eine Zigarre rauchend neben

Sara stand. „Warum lässt du dir denn bei den Vorbereitungen nicht von den Frauen helfen? Gott weiß, dass wir zur Abwechslung gut mal eine anständige Mahlzeit gebrauchen könnten.“ Silas sah den Ersten Offizier finster an. „Du schlägst dich auf die Seite dieser Frau? Also, ich habe genug von deinen Beschwerden. Und von Ihren auch.“ Er drehte sich um und stapfte davon. „Glaubt nur ja nicht, dass ich euch noch etwas kochen werde. Soll diese Hexe euch doch ein dünnes französisches Süppchen servieren, dann könnt ihr mal sehen, wie euch das schmeckt. Ihr werdet mich in einer Woche auf Knien bitten, dass ich euch wieder was koche. Verdammte englische Narren. Ich schwöre . . .“

Er brummte weiter vor sich hin, während er das Deck überquerte. Doch als Louisa ihm folgen wollte, hielt Barnaby sie auf.

„Lassen Sie ihn in Ruhe. Er ist ein alter Brummbär, der Frauen nicht leiden kann. Man munkelt, dass er keine im Bett zufrieden stellen kann, wenn Sie verstehen, was ich meine. Irgendeine alte Kriegswunde.“ Er warf Louisa ein einschmeichelndes Lächeln zu, das seine schönen weißen Zähne entblößte. „Wenn Sie nach einem Ehemann suchen, sollten Sie sich lieber an mich halten. Alle meine Körperteile funktionieren perfekt.“ Ein frostiges Lächeln umspielte Louisas Lippen, als sie ihm den Arm entriss. „Ach wirklich? Dann würde ich Ihnen Vorschlagen, dass Sie sich eine Frau suchen, die all Ihre Körperteile mit Freuden pflegen und hätscheln möchte. Ich fürchte, dass ich sie lieber in Stücke schlagen würde.“ Damit raffte sie ihre Röcke und eilte hinter Silas her. Barnaby blickte ihr überrascht nach, während er unwillkürlich seine Beine zusammenpresste.

„Sie ist ein kalter Fisch, was?“ bemerkte er, als er sich Sara zuwandte.

„Eigentlich nicht. Sie mag nur Männer nicht so sehr.“ „Ah“, sagte Barnaby, als ob er das verstehen würde.

Doch seine gerunzelte Stirn ließ erkennen, dass es nicht so war. Wie konnte er auch? Er war ja niemals der Gnade oder Ungnade eines Mannes ausgeliefert gewesen, und sein Leben wurde auch noch nicht von einem Vertreter des anderen Geschlechts ruiniert. Kein Mann, der noch nie seines Geschlechts wegen gequält worden war, würde Louisas Hass verstehen können.

„Und was ist mit Ihnen?“ fragte er. „Hassen auch Sie die Männer?“

Leider nicht, dachte sie und erinnerte sich daran, wie demütigend sie auf Gideons Kuss reagiert hatte. „Nur die Männer, die versuchen, mir die Freiheit zu nehmen.“

Die Sonne war schließlich untergegangen, und der graue Dunst verstärkte den intensiven Blick von Barnabys schwarzen Augen, mit dem er sie musterte. „Meinen Sie Männer wie unseren Captain?“

Die leichte Ironie in seiner Stimme ließ sie rot werden. Alle schienen zu vermuten, dass sie vor ihrem erlauchten Captain in Ohnmacht fallen würde. Sie senkte den Blick und fuhr mit den Fingern über die glatte, schimmernde Oberfläche der Messingreling. „Ja, ihn. Sicherlich. Er hat kein Recht dazu, uns gegen unseren Willen festzuhalten.“

Barnaby lehnte sich zurück, als er einen langen Zug aus seiner Zigarre nahm. „Schauen Sie sich um, Miss Willis. Sieht es so aus, als hätten die anderen Frauen etwas dagegen, dass man sie von diesem anderen Schiff befreit hat?“

Sara drehte sich um und betrachtete ihre Gefährtinnen. Der Schein der Laternen, die jemand angezündet hatte, fiel auf Frauen und Männer, die miteinander lachten und sprachen. Manche versuchten, die Männer einzuschätzen, manche verdeckt, andere mutiger und offener. Unter dem schützenden Überhang der Takelage legte ein Pirat den Arm um eine junge Gefangene, die das nicht nur zuließ, sondern ihn auch scheu anlächelte. Selbst der älteren Frau, die heute Nachmittag über ihre geringen Chancen, einen Ehemann zu finden, gesprochen hatte, wurde von einem weißhaarigen Seemann der Hof gemacht, einem der wenigen älteren Männer auf Captain Horns Schiff.

Alle Männer schwirrten um die Frauen herum wie Bienen um ihren Stock. Obwohl sie sich nicht besonders aggressiv oder grob verhielten, war die Art, in der sie die Frauen umgarnten, doch auffällig arrogant, als seien sie sicher, von ihnen erhört zu werden.

Sie seufzte. „Ich denke, dass die Frauen nicht wirklich ärgerlich sind über ihre Lage.“

„Nicht wirklich ärgerlich?“ Er lachte. „Ich würde sagen, sie wirken recht zufrieden.“

Plötzlich war auf der anderen Seite des Decks ein lauter Schlag zu hören, und eine schrille, hohe Stimme schrie: „Rühr mich nicht an, du dreckiger Pirat! Noch muss ich mich von dir nicht anfassen lassen!“

Sara und Barnaby sahen einen Mann, der sich seine gerötete Wange hielt, während eine hübsche junge Frau wütend davonstürmte.

„Nicht alle scheinen zufrieden zu sein, Sir.“ Der Wind blies Sara eine Haarsträhne ins Gesicht, und sie schob sie unwillig zurück. „Einige haben sich lediglich ihrem Schicksal ergeben. Sie wissen, dass sie keine Wahl haben. Da sie daran gewöhnt sind, alles hinzunehmen, was ihnen zugemutet wird, werden sie das Beste daraus machen. Doch ich hatte ehrlich gehofft, dass es ihnen besser ergehen würde.“

Nach diesen Worten schritt sie rasch davon, weil sie solche Gespräche nicht mehr ertragen konnte. Barnaby war kein bisschen anders als sein Herr. Er sah einfach nicht die grausame Wahrheit der Lage. Sie konnte sagen, was sie wollte, und doch würden beide Männer weiterhin glauben, dass sie den Frauen einen großen Gefallen damit getan hätten, sie zu sich aufs Schiff geholt zu haben.

Da sie sich noch erbärmlicher fühlte als zuvor, ging sie zur Luke. Plötzlich trat ein Seemann aus dem Schatten heraus und versperrte ihr den Weg. Ihr jähes Erschrecken ging in Erleichterung über, als sie Petey erkannte.

„Kommen Sie, Miss Willis, wir müssen miteinander sprechen“, flüsterte er, während er sie zur Luke zog.

„Das müssen wir wirklich.“ Sie folgte ihm unter Deck und sah sich dabei vorsichtig um, ob auch ja niemand sie beobachtete. Sie wartete, bis sie zum Zwischendeck hinuntergeklettert waren, ehe sie die Frage stellte, die sie schon geplagt hatte, seit sie ihn aus der Kajüte des Captains hatte herauskommen sehen. „Ich vermute, dass Sie sich an Bord geschlichen haben, als wir herübergebracht wurden, doch warum hat man Sie nicht getötet?“

„Der Captain hat gesagt, dass er Verwendung für mich hat.“ Petey zündete die Laterne im Zwischendeck an, und als er sich Sara wieder zuwandte, war seihe grimmige Miene in dem dämmrigen gelblichen Licht erkennbar. „Sie haben mich zum Besatzungsmitglied gemacht, doch das heißt nicht, dass ich tun und lassen kann, was ich will. Viele Augen beobachten mich. Also sollten wir vorsichtig sein.“

„Sie haben sicherlich gehört, was Captain Horn gesagt hat. Dass wir uns Ehemänner aussuchen müssen.“

Er nickte finster. „Ich habe es gehört. Und ich habe auch schon einen Plan. Wenn Sie und die Frauen ihre Wahl bekannt geben, sollten Sie mich auswählen.“

Die Vorstellung überraschte sie. Petey heiraten? Obwohl sie wusste, dass er seinen Vorschlag nur um Ihres Schutzes willen machte, wusste sie nicht, ob er ihr gefiel. Lebenslänglich auf einer einsamen Insel zu verbringen war schon schlimm genug, aber lebenslänglich mit einem Mann zu leben, den sie kaum kannte . . .

Andererseits kannte sie ja auch keinen der anderen Männer. Doch vielleicht gab es einen, der sie um ihrer selbst willen heiraten wollte und nicht nur aus Pflichtgefühl. „Ich weiß wirklich nicht, Petey . . .“

„Verstehen Sie doch. Wenn Sie mich heiraten, müssen wir die Ehe ... ja nicht vollziehen.“ Seine Ohren hatten sich wieder gerötet. „Das würde für Sie alles leichter machen, wenn wir erst nach England zurückgekehrt sind. Seine Lordschaft wird keine Schwierigkeiten haben, die Ehe annullieren zu lassen, wenn wir nur nicht. . . Sie wissen schon. “

„Ja, ich weiß. Aber Sie glauben doch nicht wirklich, dass es uns jemals möglich sein wird . . .“ Zwei Piraten gingen so dicht über ihren Köpfen vorbei, dass sie sie lachen hörten. Sara hielt den Atem an, bis sie sich von der offenen Luke entfernt hatten, dann beugte sie sich näher zu Petey. „Sie glauben doch nicht, dass wir jemals entkommen können.“

„Wir haben durchaus eine Chance. Ich habe ein wenig Ahnung von der Navigation. Wenn die Insel sich in der Nähe anderer Inseln befindet, kann ich uns zu einer bewohnten hinüberrudern.“

Seufzend wand sie sich die Kette ihres Medaillons um den Finger. „Entschuldigen Sie, Petey, aber das klingt nicht sehr vielversprechend. “

„Vielleicht nicht. Aber denken Sie daran, dass Captain Horn gesagt hat, Einkäufe werden auf den Kapverdischen Inseln gemacht. Es wäre doch möglich, dass wir uns auf der Fahrt dorthin verstecken und von dort aus nach England zurück-kehren. Machen Sie sich keine Sorgen. Ich werde mir schon etwas ausdenken, um uns hier herauszuholen und nach Hause zurückzubringen.“ Seine Stimme wurde fester. „Und in der Zwischenzeit sollten Sie sich lieber von dem Piratenlord fern halten.“

„Nennen Sie ihn bloß nicht so. Das gibt ihm eine Bedeutung, die er gar nicht hat.“

Petey ergriff ihren Arm. „Hören Sie, Miss Willis. Captain Horn hat den Frauen zwar die Auswahl überlassen, aber er ist von Ihnen äußerst angetan. Deshalb brauchen Sie jemand, der Ihnen den Hof macht, jemand, der ihn von Ihnen fern hält. . .“ Ein seltsames Beben erfasste sie bei Peteys Worten. Sie sagte sich selbst, dass es Angst war. Denn schließlich konnte sich nur eine Närrin über das Interesse eines gnadenlosen Piraten geschmeichelt fühlen. Und außerdem irrte Petey sich. „Das stimmt nicht. Haben Sie nicht gehört, was er heute Nachmittag vor allen Piraten gesagt hat?“

Finster schaute Petey drein. „Ich weiß, was er gesagt hat, aber ich habe auch gehört, was die Männer erzählten. Sie wetten alle, dass er Sie noch vor Ende der Woche im Bett haben wird.“

Sie errötete. „Unsinn. Darüber müssen Sie sich keine Gedanken machen. Eher würde ich sterben, als mich von diesem Ungeheuer noch einmal anfassen zu lassen.“

„Noch einmal?“ Der Druck von Peteys Fingern verstärkte sich um ihren Arm. „Was hat er Ihnen angetan, als sie bei ihm in der Kajüte waren? Er hat Sie doch nicht verletzt, oder?“ Sie ärgerte sich über ihren Versprecher und antwortete: „Natürlich nicht. Wir haben nur miteinander gesprochen. Aber ich glaube nicht, dass er mich besonders mag, und ich verachte ihn. Also müssen Sie keine Angst haben. Es wird ihm niemals gelingen, mich zu heiraten oder zu verführen.“

Zumindest hoffte sie das. Sie war sich nicht sicher, ob sie ihm widerstehen konnte, wenn er es versuchte. Diese Vorstellung gab ihr zu denken. „Vielleicht haben Sie Recht, Petey. Vielleicht sollte ich mir Sie als Ehemann aussuchen.“

„Das wäre wirklich das Beste, Miss Willis, glauben Sie mir. Doch ich werde Sie auf jeden Fall irgendwie aus dieser schrecklichen Lage befreien.“

„Das hoffe ich wirklich“, flüsterte sie.