12. KAPITEL

„Was halten Sie davon?“ fragte Sara Louisa, als sie am nächsten Morgen kurz nach dem Frühstück an Deck standen und zum Horizont schauten. Vor einer knappen halben Stunde war gerufen worden: „Land voraus!“ Und sie konnten noch immer nur einen braunen Fleck jenseits des glasklaren Meeres ausmachen.

„Schwer zu sagen. Dazu ist die Insel noch viel zu weit entfernt. “

Die anderen Frauen umringten sie und drängten sich gegen die Reling, weil auch sie begierig darauf waren, einen Blick auf ihre neue Heimat zu werfen. Ann Morris schob sich an den Frauen vorbei und blieb neben Sara stehen. Ihre dunklen Locken umrahmten ihr rosiges Gesicht. „Ist das Atlantis?“

„Wir sind nicht sicher“, antwortete Sara. „Aber wir glauben es. Der Captain hatte mir gesagt, dass es nur zwei Tagesreisen dauern würde.“

Ann blickte mit leicht zusammengekniffenen Augen auf den Fleck. „Vielleicht sollten wir Petey bitten, uns durch ein Fernrohr sehen zu lassen. Gewiss wird er uns eins besorgen können.“

„Oh, ich bin sicher, dass er nur zu gern bereit dazu wäre, wenn Miss Willis ihn darum bitten würde“, meinte Louisa gedankenlos. „Da sie ihn ja nun bald heiratet, wird er . . .“

Ein plötzliches Klirren ließ Sara und Louisa zu Ann herumwirbeln. Diese blickte auf die zerbrochenen Teller, die sie eben noch in der Hand gehalten hatte, und presste die Faust gegen ihren Mund.

„Ann?“ fragte Sara, als die Waliserin sich bückte und die Scherben eilig in ihre Schürze sammelte. „Ann, ist alles in Ordnung?“ Sara kniete sich neben Ann nieder, der jetzt Tränen über die Wangen rollten. „Lieber Himmel, was ist denn los?“

„Nichts“, wehrte Ann ab und vermied es, Sara anzuschauen. „Es ... es ist nichts. Ich habe sie einfach nur fallen lassen.“ „Aber warum weinen Sie dann . . .“

Louisa unterbrach Sara damit, dass sie ihr die Hand auf die Schulter legte. Daraufhin beugte sie sich herab und flüsterte Sara ins Ohr: „Lassen Sie sie in Ruhe. Ich hätte das nicht vor ihr sagen sollen, aber ich dachte, dass sie von der Neuigkeit längst gehört hat.“

,,Welche Neuigkeit?“ erkundigte sich Sara.

„Dass Sie und Petey verlobt sind, natürlich.“

Sara hatte tatsächlich am Vorabend so vielen Frauen wie möglich davon erzählt, nachdem sie Petey verlassen hatte. Doch sie hatte sich keine Gedanken darüber gemacht, dass sie jemand damit verletzen könnte. Sara sah erst Louisa, dann Ann verwundert an, die gerade alle Scherben aufgehoben hatte und dabei war, durch die Menge davonzulaufen.

Die Wahrheit traf Sara wie ein Schlag. Oh, wie hatte sie nur so dumm sein können? Sie hatte gar nicht auf Anns bewundernde Bemerkungen über Petey geachtet und auch nicht, wie sie sich auf der Chastity immer um ihn gekümmert hatte.

Ann war in Petey verliebt - und Saras Verlobung mit ihm musste ihr das’Herz brechen. Sicherlich hatte Ann sich vorgenommen, Petey zu heiraten. Sara wurde von entsetzlichen Schuldgefühlen geplagt. Sie hatte Peteys Plan freudig zugestimmt und keinen Gedanken daran verschwendet, dass sie jemand anders damit wehtun könnte. Arme Ann.

Selbst wenn Petey die Gefühle der Waliserin nicht erwidern und er auf und davon gehen würde, sobald er eine Fluchtmöglichkeit von der Insel gefunden hätte, würde Sara die gleichen Gewissensbisse verspüren. Ann hatte von ihrem Leben noch nicht viel gehabt, und nun wurde ihr die einzige Hoffnung, an die sie sich geklammert hatte, auch noch zerstört. Und ausgerechnet von Sara, deren einziger Wunsch es gewesen war, die Frauen glücklich zu machen.

Sie erhob sich und fragte Louisa: „Wussten Sie, dass sie Petey mochte?“

Louisa nickte. „Aber machen Sie sich keine Gedanken. Ich verstehe völlig, warum Sie und Petey sich zusammenschließen, auch wenn Ann das nicht erkennt. Sie beide sind die Einzigen in dieser unseligen Gesellschaft, die noch nie das

Gesetz gebrochen haben. Ich kann ihm wirklich nicht vorwerfen, dass er keine Gefangene heiraten möchte, und natürlich kann ich Ihnen auch nicht verdenken, dass Sie keinen Piraten zum Mann haben wollen.“ Sie zuckte die Schultern. „Normalerweise bleiben die Menschen unter ihresgleichen. Das ist etwas, was ich . . . vor langer Zeit bitter erfahren musste.“

Louisas Geständnis machte Sara betroffen. Louisa hatte wenig über ihre Vergangenheit gesprochen, doch Sara hatte einige Mutmaßungen angestellt. Der Mann, den sie erstochen hatte, war der älteste Sohn eines Barons gewesen. Es war sicherlich leicht gewesen, sich in einen solchen Mann zu verlieben, doch als Gouvernante hatte Louisa nie darauf hoffen können, den Erben eines Adelstitels zu heiraten. Doch was hatte der Mann bloß getan, dass sie ihn vor Wut niedergestochen hatte? Eine einfache Weigerung, sie zu heiraten, schien Sara eine zu geringe Provokation für eine Frau von Louisas Herkunft und Klugheit zu sein. Da musste viel, viel mehr dahinter stecken.

Doch da Louisa nicht zu denen gehörte, die über ihre schlimmen Taten sprachen, würde Sara kaum die Wahrheit herausfinden können. Das war zu schade, weil sie Louisa gern geholfen hätte.

„Ich kann keine Bäume sehen“, sagte Louisa, weil sie ganz offensichtlich von sich ablenken wollte.

Noch immer schuldbewusst schaute Sara wieder zum Horizont hinüber. Jetzt hatte sich der Fleck zu einem formlosen Klecks vergrößert. „Soll das etwa das Paradies sein, von dem Gideon gesprochen hat?“ dachte sie laut.

Louisa sah sie neugierig an. „Gideon? Nennen Sie unseren Captain schon beim Vornamen?“

Saras Wangen brannten. „Nein, natürlich nicht. Ich . . . ich wollte Captain Horn sagen.“ Da war noch etwas, dessen sie sich schuldig fühlte - ihr gestriges verheerendes Erlebnis. Seither war er ihr aus gutem Grund aus dem Weg gegangen. Sie hätte ihm niemals solche Freiheiten gestatten dürfen. Das gab ihm eine völlig falsche Vorstellung von ihr.

„Ich an Ihrer Stelle würde mich von Captain Horn möglichst fern halten“, bemerkte Louisa mit leiser Stimme und betont ausdrucksloser Miene.

„Ich mag ihn nicht sonderlich.“

Louisa zog ein wenig zweifelnd die Augenbrauen hoch.

„Gut. Dann macht es Ihnen ja auch nichts aus, dass er Barnaby gestern Nacht in den Frachtraum geschickt hat, um ihm Queenie ins Bett zu holen.“

Sara sah Louisa schockiert an. „ Was hat er getan?“

„Sie haben doch gesagt, dass Sie ihm nicht nahe stehen.“ Sara blickte wieder zum Horizont und bemühte sich darum, unbekümmert zu wirken. „Das ist auch so. Ich bin nur entsetzt darüber, dass er so etwas tut, nachdem er den Männern befohlen hat, sich wie Gentlemen zu betragen, bis die Ehegelübde ablegt worden sind.“ Und nachdem er gestern versucht hat, mich zu verführen.

Wilde Eifersucht erfasste Sara, obwohl sie alles versuchte, sie zu unterdrücken. Ein bitterer Ausdruck erschien auf ihrem Gesicht, als sie zu Gideon schaute, der am Steuerrad stand und seinen Matrosen Befehle zurief. In seiner Lederweste und der hautengen Hose sah er wie ein Mann aus, der alles, was Röcke trug, verführte. Sie hatte recht daran getan, ihm nicht zu trauen. All seine zärtlichen Worte waren ohne jede Bedeutung. Er hatte sich nur mit ihr vergnügen wollen.

Nicht auszudenken, wenn sie sich ihm tatsächlich hingegeben hätte! Das wäre der schrecklichste Fehler gewesen, den sie hätte machen können!

Schulterzuckend sagte Louisa: „Er ist der Captain. Sie haben doch nicht wirklich geglaubt, dass er die gleichen Regeln befolgt, die er für seine Männer aufgestellt hat.“

„Genau das hatte ich erwartet. Er spricht davon, dass er eine Kolonie gründen und sie zu einem Paradies machen wolle, doch in Wahrheit möchte er einen Harem für sich und seine Männer haben. Er will uns alle zu Queenies machen.“ „Ruhig“, flüsterte Louisa. „Da kommt sie gerade.“

Sara nahm sich vor, die Frau nicht zu beachten. Aber dann riskierte sie doch einen verstohlenen Blick, weil es sie interessierte, ob Queenie tatsächlich so aussah, als hätte sie die Nacht mit dem Captain verbracht.

Daran bestand kein Zweifel. Queenie hatte eindeutig die Nacht mit irgendjemandem verbracht. Sie hatte einen zufriedenen, sinnlichen Ausdruck im Gesicht, und ihre Wangen waren leicht gerötet, als sie über das Deck zu den Frauen schlenderte.

„Guten Morgen.“ Sie hob die wohlgeformten Arme hoch über den Kopf und gähnte übertrieben. „Tut mir Leid, dass ich heute etwas später dran bin. Ich habe eine lange Nacht hinter mir.“ Mit einer lässigen Würde, die Sara bei dieser Frau gar nicht vermutet hatte, ließ sie die Arme wieder herabsinken. Dann nahm sie eine kokette Haltung an. „Ach, meine Damen, ihr braucht euch nicht die Köpfe darüber zu zerbrechen, wie diese Piraten als Ehemänner sein werden. Nach letzter Nacht kann ich sagen, dass sie das wirklich gut machen werden.“ Die meisten Frauen kicherten, doch Sara presste die Lippen zusammen. Sie wandte sich ab und unterdrückte die bitteren Worte, die ihr auf der Zunge lagen. Was spielte es für eine Rolle, wenn Gideon mit Queenie wirklich das Bett geteilt hatte? Und war es von Bedeutung für sie, dass diese Hure es genossen hatte? Sie verdienten einander. Queenie war die schlimmste aller verurteilter Frauen und Gideon der schlimmste aller Piraten. Also waren sie doch ein perfektes Paar.

Jetzt bemerkte Sara aus dem Augenwinkel, dass Queenie sich durch die Menge zu ihr drängte. Mit finsterer Miene blickte Sara starr zur Insel hinüber, die jetzt viel näher und größer war als zuvor.

„Ist sie das?“ fragte Queenie und stützte die verschränkten Arme auf der Reling ab. „Diese Insel Atlantis?“

„Wir vermuten es“, antwortete Louisa glücklicherweise. Sara wäre jetzt zu keiner höflichen Antwort fähig gewesen, und wenn ihr Leben davon abgehangen hätte.

„Sieht nicht besonders gut aus“, murrte Queenie. „Sie hat überhaupt nichts Grünes. Und wo ist das Wasser?“

Sara kniff die Augen zusammen. Queenie hatte Recht. Es gab kein Anzeichen für eine Quelle oder irgendeine Form von Vegetation. Das konnte doch wohl nicht das „Paradies“ sein, von dem Gideon gesprochen hatte.

Tiefe Enttäuschung erfasste die Frauen, als das Schiff sich der Insel näherte. Nach allem, was sie durchlitten haben, dachte Sara, hätte Gideon wenigstens so viel Anstand haben müssen, sie nicht über das, was ihnen auf Atlantis bevorstand, zu täuschen.

Sie sahen jedoch, dass das Schiff nach rechts abdrehte. Es schien jetzt zu ihrem anderen Ende zu fahren.

„Vielleicht ist das noch gar nicht die Insel“, sagte einer der Frauen hinter Sara. „Vielleicht umrunden wir sie nur.“

„Das glaube ich nicht“, erwiderte Sara gleichgültig. „Wenn sie ihr hätten ausweichen wollen, hätten sie sie in größerem Abstand passieren können.“

Die Frauen drängten sich dichter an die Reling, weil jede sich die halb aus dem Wasser herausragenden Gesteinsbrocken genauer ansehen wollte, die jetzt so nahe waren, dass sie die Möwen erkennen konnten, die auf den Felsen saßen.

Das Schiff drehte jetzt ganz nach rechts ab und fuhr an der Insel entlang. Es dauerte einige Minuten, die Landzunge zu umrunden, denn Atlantis war weit größer, als sie erwartet hatten. Doch danach öffnete sich ihnen ein Blick auf eine neue Seite der Insel. Überrascht schnappten die Frauen alle nach Luft.

Diese Seite war grün und üppig bewachsen. Kokospalmen säumten den geschwungenen Sandstrand, und dahinter erstreckte sich ein Urwald aus exotischen Bäumen und Matten von Unterholz, die sich zum Gipfel eines Berges erstreckten, der sich mehrere Kilometer entfernt im Innern der Insel zu befinden schien.

Die Frauen entdeckten strohgedeckte Hütten verschiedener Bauart in Strandnähe, und an einem Ende der natürlichen Lagune war ein Hafenbecken zu erkennen, das für die Satyr groß genug erschien. Ein weiteres Schiff war auf der von ihnen abgewandten Seite vertäut, eine Schaluppe, die halb so groß war wie die Satyr, aber offensichtlich noch so seetüchtig, dass mit ihr größere Lasten transportiert werden konnten.

Als das Schiff langsamer wurde, entdeckte Sara einen kleinen Fluss, der die Küste durchschnitt. An seinem Ufer lagen zwei aus rohem Holz gezimmerte Karren, die offenbar zum Transport von Wasserbehältern benutzt wurden. Es gab sogar einen Pfad am Strand, auf dem die Karren wahrscheinlich entlanggezogen worden waren.

Ein Paradies. Sie musste es zugeben. Blaues Wasser mit exotischen Fischen, reifen Früchte an den Bäumen und ein mildes, warmes Klima. Ein Himmelreich.

Das kratzende Geräusch von Holz gegen Holz riss sie aus ihren Gedanken, denn das hieß, dass sie das Hafenbecken erreicht hatten. Als die Männer eilig den Anker warfen und das Schiff an den neu gesetzten Pfosten festmachten, sprachen die Frauen aufgeregt über ihre neue Heimat.

„Na, was halten Sie denn nun davon, meine Damen?“ fragte eine Stimme hinter ihnen. „Haben sich Ihre Erwartungen erfüllt?“

Als ein Chor von Frauen sich über die Insel laut begeisterten, presste Sara die Lippen zusammen. Gideon. Nachdem das Schiff angelegt hatte, nahm er sich jetzt wohl die Zeit, mit seiner kostbaren Insel zu prahlen. Zum Teufel damit.

Von seinem Standpunkt aus konnte Gideon Saras steife Haltung sehen und fragte sich, worüber sie jetzt so wütend sein mochte. Er hatte erwartet, dass sie angenehm überrascht über die Schönheiten von Atlantis wäre und nicht zornig.

Warum kümmert mich das eigentlich? dachte er mürrisch, als sie sich weigerte, ihn anzuschauen oder etwas zu sagen. Sie hat ihr Bett schon für diesen verfluchten Hargraves gemacht. Sollte sie doch nun auch darin mit ihm liegen.

Das Problem war, er ertrug es nicht, dass Hargraves sie bekam. Gott allein wusste, dass sie eine unangenehme Person war und eine äußerst scharfe Zunge hatte. Doch er konnte einfach nicht vergessen, wie es sich angefühlt hatte, sie zu umarmen und zu küssen und dass sie einige Augenblicke lang hingebungsvoll in seinen Armen gelegen hatte. Zur Hölle noch mal, solche Gedanken hatten ihn die halbe Nacht wach gehalten und ihn dazu gebracht, Queenie zu sich zu rufen und sie genauso schnell an Barnaby weiterzureichen, als ihm klar wurde, dass sie nicht die war, die er haben wollte.

Als hätte sie seine Gedanken gelesen, trat Queenie neben ihn und schob die Hand in seine Armbeuge. „Guten Morgen, Sir. Ich hoffe, Sie fühlen sich heute Morgen genauso gut wie ich.“

Ungläubig blickte er auf Queenie herab. Als er sie zuletzt gesehen hatte, hatte sie ihn verflucht, weil er sie fortgeschickt hatte. Er und Barnaby hatten alle Hände voll zu tun gehabt, sie davon zu überzeugen, dass sie seine Kajüte verlassen musste, nachdem er den entsetzlichen Fehler gemacht hatte, sie zu sich zu rufen. Was für ein Spiel spielte sie denn nun? Er wusste, dass sie die Nacht mit Barnaby verbracht hatte, und nach dem Lächeln seines Ersten Offiziers und ihrer erfreuten Miene zu urteilen, war es wohl auch eine gute Nacht gewesen. Was wollte sie dann aber nun von ihm?

Als Queenie einen kurzen Blick auf Sara warf, ahnte Gideon, was los war. Sara hatte wohl erfahren, dass er Queenie verlangt hatte. Und Queenie hatte Sara anscheinend glauben lassen, dass sie die Nacht mit ihm verbracht hatte.

Deshalb also weigerte sich Sara, ihn anzusehen oder mit ihm zu sprechen! Sie war wegen Queenie wütend. Dieser Gedanke machte ihn fast glücklich. Trotz aller Behauptungen, dass sie ihn nicht wollte, war sie eifersüchtig auf eine Dirne, von der sie annahm, sie hätte das Bett mit ihm geteilt.

Dann kam ihm ein ernüchternder Gedanke. Es konnte durchaus sein, dass sie die moralische Entrüstung über seine angebliche Lüsternheit nur vorgab. Es sähe Sara ähnlich, wenn sie ihn deshalb mit Verachtung strafte, weil sie sich selbst reinwaschen wollte dafür, dass sie das Feuer der Leidenschaft in ihm entfacht hatte, das sie selber nicht hatte löschen wollen.

Während Queenie weiter neben ihm blieb, blickte er auf Saras Rücken. Diese kleine Hexe. Sie hatte kein Recht dazu, wütend zu sein. Er hatte nichts getan, dessen er sich schämen müsste. Schließlich hatte sie ihn so wild auf sich gemacht.

Er wollte Queenie schon beiseite schieben und hielt dann inne. Warum eigentlich? Wenn Sara eifersüchtig war, bekam sie wenigstens eine Ahnung davon, wie er gestern gelitten hatte, als er zusehen musste, wie sie um Hargraves herumscharwenzelt war. Vielleicht würde sie sich dann eingestehen, dass sie diesen Matrosen gar nicht haben wollte.

Die anderen Frauen waren mit Hilfe seiner Männer von Bord gegangen, um die Insel zu erkunden. Nur Sara stand noch an der Reling. Locker legte er den Arm um Queenies Schultern und sagte fröhlich: „Guten Morgen, Miss Willis. Und was halten Sie von unserer Insel?“

Sie wandte sich ihm zu und wurde blass, als sie ihn zusammen mit Queenie sah. Doch sie fasste sich schnell wieder. „Sie ist wunderschön,“ Herablassend fügte sie hinzu: „Die Insel ist der perfekte Platz für Sie und Ihre lüsternen Gefährten, um sich mit Ihren unwilligen Konkubinen zu vergnügen.“

Ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Sie meinen wohl, ,mit unseren zukünftigen Frauen, nicht wahr? Und ich kann Ihnen versichern, dass nicht alle von ihnen unwillig sind.“ Er betrachtete Queenies üppige Brüste. „Manche sind wirklich sehr glücklich, hier zu sein.“

Der Ausdruck auf Saras Gesicht entzückte ihn. Er würde sein Schiff dafür verwetten, dass sie eifersüchtig war, auch wenn sie das niemals zugeben würde, nicht einmal vor sich selbst.

Sie hob das Kinn an und sagte mit hochmütiger Stimme: „Manche haben keine Selbstachtung. Von denen spreche ich nicht. Das müssen sie mit ihrem Gewissen ausmachen.“ Queenie schäumte vor Wut. „Sie hochnäsige kleine Hu . . .“ „Das reicht, Queenie.“ Er nahm den Arm von ihrer Schulter. „Warum gehen Sie nicht zu den anderen Frauen? Ich muss noch ein einige Worte mit Miss Willis wechseln.“ Sekundenlang sah es so aus, als wollte Queenie sich weigern, doch dann kam sie offenbar zu dem Schluss, dass Auflehnung sich nicht lohnte. Sie zuckte mit den Schultern und ließ seine Taille los. „Wenn Sie es wollen, Sir. Ich schaue mal, ob die Betten an Land genauso bequem sind wie auf See.“ Sie warf ihm noch einen einladenden Blick zu, ehe sie mit aufreizendem Hüftschwung das Deck hinunterschlenderte.

Als Gideon sich Sara wieder zuwandte, sah er, dass sie Queenie zornig nachschaute. Er lachte leise. „Sie können sie nicht leiden, was?“

Während Sara sich das Haar mit einer Hand glättete, drehte sie sich um und ging davon. „Sie interessiert mich überhaupt nicht. Wenn Sie mich bitte entschuldigen wollen, Captain Horn . . .“

Sie schrak zusammen, als er sie am Arm packte. „Sind Sie denn gar nicht neugierig, Sara? Möchten Sie gar nicht wissen, wie ich Queenie in der vergangenen Nacht fand?“ „Überhaupt nicht!“ Flammende Röte überzog Saras Wangen. „Lassen Sie mich sofort los!“

Er legte einen Arm um ihre Taille, beugte sich zu ihr herab und flüsterte: „Wollen Sie nicht erfahren, was wir miteinander gemacht haben? Ob ich sie so geküsst habe wie Sie? Ob ich ihre Brüste gestreichelt habe und diese intime Stelle zwischen ihren Schenkeln . . .“

„Hören Sie auf damit!“ Ihr Körper bebte. „Hören Sie auf, so etwas zu sagen!“

Ihr Gesicht hatte jetzt einen so schmerzlichen Ausdruck, dass er es nicht über sich brachte, sie noch mehr zu quälen. „Ich habe sie nicht angerührt.“ Das Eingeständnis war ihm über die Lippen gekommen, noch ehe er es verhindern konnte.

„Ich habe sie zu Barnaby geschickt, ohne sie auch nur geküsst zu haben.“

„Es ... es kümmert mich nicht, was sie mit ihr getan haben.“ Doch die Erleichterung, die in ihrer Stimme mitschwang, verriet ihm, dass sie log.

„Ich wollte Sie haben“, fuhr er fort. „Und ich werde Sie auch bekommen, egal, was ich dafür tun muss.“

Das war die Wahrheit. Die letzte Nacht hatte ihn eines gelehrt: Er konnte keine andere Frau in seinem Bett ertragen, wenn er nur Sara haben wollte. Er musste sie wenigstens ein einziges Mal lieben, wenn auch nur, um sie sich anschließend aus dem Kopf schlagen zu können.

„Sie können mich nicht. . . haben“, sagte sie stockend. „Ich bin einem anderen versprochen.“

„Das spielt keine Rolle.“ Während der langen Stunden, in denen er sich in der letzten Nacht nach ihr gesehnt hatte, hatte er eines beschlossen: Irgendwie würde er sie von Hargraves fortlocken. „Sie sind für mich wie geschaffen, nicht für ihn. Und bald werde Ich Sie so weit haben, dass Sie das auch zugeben werden. Darauf können Sie sich verlassen.“