XXXVII.

 

Elena und Hendrik sind abgeflogen, die Reisegruppe ist in guten Händen und Fritze erwartet seinen Bus spätestens morgen aus der Werkstatt zurück. Dann heißt es auch für mich, Abschied zu nehmen, von Brüssel und André.

Ich habe meinen Trolley schon gepackt und warte in meinem Hotelzimmer auf seinen Anruf aus dem EU-Parlament. Er hat eine wichtige Konferenz zu organisieren, und weiß nicht, wie schnell er sich freimachen kann.

Traurig greife ich nach einem Praliné aus der Kilo-Packung, die ich in dem Schokoladengeschäft erworben habe, und erwische ausgerechnet eines aus Zartbitterschokolade.

Was  sind das für wundervolle Tage mit André gewesen.

Nach dem Shopping-Marathon haben wir zu viert in einem von ihm empfohlenen Lokal gespeist, danach sind wir Tanzen gegangen. Insgeheim ist es mir recht gewesen, dass Elena wegen ihres Fußes bald das Handtuch geworfen und sich mit Hendrik verabschiedet hat. Ich hätte bis zum frühen Morgen durchtanzen können. Doch irgendwann ist Schluss gewesen und André hat mich ins Hotel begleitet. – Bis vor meine Zimmertür.

Seufzend angele ich ein weiteres Praliné aus der Schachtel.

Gestern haben wir ein Picknick zu zweit gemacht. Er wollte unbedingt noch einmal zu der Stelle, wohin die Gangster Fritzes Reisebus entführt hatten. Dort haben wir es uns gemütlich gemacht und sind – diesmal bestens versorgt mit Essen und Trinken - auf unser Leben zu sprechen gekommen. Ich bin mit meinem schnell durch gewesen, aber seine Familiensaga hat sich echt spannend angehört. Wer kann seinen Stammbaum schon bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen? Er  jedenfalls bis zu dem Bildhauer Jean de Marville aus dem Burgund. In der Familie, die jetzt in Colmar im Elsass lebt, hat es viele Künstler gegeben, später auch Lehrer und Politiker – dafür entschieden sich die, denen es an künstlerischem Talent gemangelt hat.

André ist beides. Zunächst Dozent für internationales Business Management an einer Hochschule, hat er es über die Parti socialiste bis in den Regionalrat der Region gebracht, die in etwa einem deutschen Landesparlament entspricht. Von dort aus ist er als Europa-Abgeordneter für Frankreich nominiert worden. Über die Hälfte des Jahres arbeitet er in Brüssel und besitzt deshalb in der Unterstadt eine kleine Maisonett-Wohnung. Von dort pendelt er zu den Sitzungen nach Straßburg – in die Heimat.

Als ich das gehört habe, ist mir klar geworden, dass es für meine Liebe keine Chance gibt. Ein kleiner Flirt, nicht mehr, denn was soll der Mann, mit dem mich das Schicksal so hauteng zusammengeführt hat, mit einer kleinen deutschen Studentin anfangen? Wahrscheinlich ist ihm das von Anfang an bewusst gewesen, deshalb seine Zurückhaltung. – Naja, etwas aus der diplomatischen Reserve habe ich den Herrn Politiker schon gelockt…

Das dritte Praliné ist fällig, und noch immer schweigt das Telefon.

Nun hat ihn der Alltag eingeholt – und mich auch. Spätestens übermorgen werde ich wieder im Hörsaal sitzen und mich auf die Abschlussprüfung vorbereiten. Mit dem Master in der Tasche stehen mir eine Reihe beruflicher Möglichkeiten offen.

Seltsamerweise interessieren die mich im Moment überhaupt nicht, genauso wenig wie die nächste Tour für die „Reisen bildet GmbH“. Soll Sabine etwas aussuchen. Mir ist es völlig egal, wenn nur Jerome nicht dabei ist.

Das Telefon klingelt. Ich springe auf und greife nach dem Hörer. Am Apparat ist Andrés Assistent. Er teilt mir mit, dass ich zum Jaques-Delors-Eingang des Parlamentsgebäudes kommen und dort auf seinen Chef warten soll.

Unser letzter gemeinsamer Abend.

Schnell mache ich mich frisch und schlüpfe in das anthrazitfarbene Kostüm, in dem ich André zum ersten Mal begegnet bin und in dem ich Elena besonders ähnlich sehe.

Elena. Fast beneide ich sie, denn sie hat ihren Hendrik. Und ich?

Ich werde lediglich eine Erinnerung an schöne Tage in Brüssel mit nach Hause nehmen.

Liebe in Zartbitter
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