XII.

 

André de Marville sieht sich nervös in dem kleinen Büro um.

„Ist sie immer noch nicht erschienen? Und auch keine Nachricht eingetroffen?“

Sein Assistent, der am Schreibtisch hockt und telefoniert, unterbricht das Gespräch für drei Sekunden und schüttelt bedauernd den Kopf.

Der hochgewachsene französische EU-Abgeordnete - einer der gewählten vierzehn Vizepräsidenten des Parlaments -, steht einen Moment unentschlossen da. Nichts als Ärger gibt es mit der kurzfristig anberaumten Anhörung vor der Expertengruppe für Finanzen. Zuerst hat de Marville als Leiter des Ausschusses für Wirtschaft und Währung  regelrecht darum kämpfen müssen, außer der Reihe einen der kleinen, seit Wochen ausgebuchten Tagungsräume zu bekommen, bisher fehlt noch immer der vollständige Rücklauf, welche Ausschussmitglieder morgen tatsächlich erscheinen werden, und nun erweist sich auch noch die angekündigte Referentin aus Berlin als unzuverlässig. Mit Mühe unterdrückt der Politiker das Verlangen, sich die Haare zu raufen.

Vor zwei Stunden ist er mit der Dame verabredet gewesen. Inzwischen hat er zwei wichtige Absprachen getätigt und müsste längst in der Kantine im Nebengebäude sein, wo er den Abgesandten des französischen Finanzministers abfangen will.

„Sagen Sie der Mademoiselle, wenn sie sich meldet, sie möchte sich ein wenig gedulden, ich bin in einer halben Stunde zurück.“

Der Mitarbeiter nickt. Er weiß, sein Chef, der nichts mehr hasst als Unpünktlichkeit, wird in genau neunundzwanzig Minuten über diese Schwelle treten. Er könnte die Uhr danach stellen.

Liebe in Zartbitter
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