Précy und die Marionetten

Wir erreichten Précy ungefähr bei Sonnenuntergang. Auf der Ebene wuchsen zahllose Pappeln. In einem großen leuchtenden Bogen lag die Oise unter einem Berghang. Ein leichter Nebel begann aufzuziehen und die Entfernungen aufzuheben. Es war vollkommen still bis auf das Läuten der Schafsglocken von einer Weide am Fluss und das Quietschen eines Wagens, der auf der langen Straße fuhr, die vom Hügel herunterführt. Die Villen in ihren Gärten, die Läden auf der Straße, alle schienen am Vortag verlassen worden zu sein; ich fühlte mich dazu verleitet, auf leisen Sohlen zu gehen wie jemand, der einen stillen Wald durchquert. Urplötzlich, als wir um eine Ecke bogen, war da eine Schar Mädchen in Pariser Kleidern, die Krocket spielten. Ihr Lachen und das dumpfe Geräusch von Kugel und Schlagstock verursachten einen fröhlichen Wirbel in der Nachbarschaft. Der Anblick dieser schlanken Gestalten, allesamt im Korsett und mit Schleifchen, erzeugte eine angemessene Unruhe in unseren Herzen. Anscheinend waren wir in Duftweite von Paris. Und hier spielten weibliche Exemplare unserer eigenen Spezies Krocket, als wäre Précy ein Ort im wirklichen Leben und nicht eine Station im Märchenland des Reisens. Denn, um ehrlich zu sein, kann man die Bauersfrau wohl kaum als Frau zählen, und nachdem wir an dieser Parade von Leuten in Röcken vorbeigezogen waren, die gruben, hackten und das Essen kochten, bot diese Kompanie bewaffneter Koketten einen recht überraschenden Anblick in der Landschaft und überzeugte uns sogleich, verführbare Männer zu sein.

Der Gasthof in Précy ist der übelste Gasthof in Frankreich. Nicht einmal in Schottland habe ich schlechteres Essen bekommen. Er wurde von Bruder und Schwester geführt, die beide nicht älter als zwanzig waren. Die Schwester bereitete uns, wenn man es denn so nennen möchte, eine Mahlzeit zu, der Bruder, der einen gebechert hatte, kam herein und brachte einen beschwipsten Metzger mit, um uns beim Essen Gesellschaft zu leisten. Wir fanden lauwarme Schweinefleischstücke im Salat und Stücke einer unbekannten gummiartigen Substanz im ragoût. Der Metzger gab Szenen aus dem Pariser Leben zum Besten, das er, wie er behauptete, ausgezeichnet kannte. Der Bruder saß derweil auf der Kante des Billardtischs, schwankte gefährlich und nuckelte an einem Zigarrenstumpen. Während dieses Zeitvertreibs marschierte plötzlich ein Trommler am Haus vorbei, und eine raue Stimme begann etwas auszurufen. Es war ein Marionettenspieler, der eine Abendvorstellung ankündigte.

Er hatte seinen Wagen auf dem Krocketrasen der Mädchen abgestellt und in einer dieser offenen Buden, die so typisch für französische Märkte sind, seine Kerzen angezündet; als wir dort ankamen, versuchten er und seine Frau mit dem Publikum einig zu werden.

Es war ein reichlich absurder Streit. Die Schausteller hatten einige Bänke aufgestellt, und jeder, der sich darauf niederließ, sollte ein paar sous für die Bequemlichkeit zahlen. Sie waren immer ziemlich gut besetzt – ein volles Haus –, solange nichts weiter geschah; aber kaum ließ sich die Schaustellerin blicken, um den Hut herumgehen zu lassen, rutschte das Publikum beim ersten Rasseln ihres Tamburins von den Sitzen und stellte sich mit den Händen in den Hosentaschen am Rand auf. Sicher hätte das selbst die Geduld eines Engels auf die Probe gestellt. Der Schausteller brüllte vom Proszenium herab, er sei überall in Frankreich gewesen und nirgendwo, nirgendwo, »nicht einmal an der Grenze zu Deutschland«, habe er ein so schäbiges Verhalten erlebt. Alles Diebe und Schufte und Halunken, wie er sie nannte! Und die Frau, die immer mal wieder eine Runde drehte, gab ihre schrille Zugabe zu der Schimpftirade. Ich habe hier und auch früher schon bemerkt, dass der weibliche Verstand sehr viel produktiver ist, wenn es um Beleidigungen geht. Das Publikum lachte überaus gutgelaunt über die Ausrufe des Mannes, doch unter den scharfzüngigen Paraden der Frau zuckte es zusammen und schrie auf. Sie zielte auf die wunden Punkte. Die Ehre des Dorfes war ihrer Gnade ausgeliefert. Aus der Menge antworteten ihr wütende Stimmen und erhielten für ihre Mühe eine schmerzhafte Erwiderung. Ein paar alte Damen neben mir, die für ihre Sitze gebührend bezahlt hatten, wurden puterrot und disputierten empört und lautstark über die Unverschämtheit dieser Scharlatane; sobald die Schaustellerin davon etwas mitbekommen hatte, fiel sie mit einem Schlag über sie her: Wenn Mesdames ihre Nachbarn überreden könnten, mit der üblichen Ehrlichkeit zu handeln, dann wären die Scharlatane, so versicherte sie ihnen, mehr als höflich. Mesdames hatten wohl ihren Teller Suppe und vielleicht auch ein Glas Wein zum Abendessen bekommen – auch die Scharlatane hätten Appetit auf Suppe und wollten nicht zusehen, wie man ihnen ihren geringen Verdienst vor den Augen wegschnappte. Einmal kam es sogar zu einer kurzen persönlichen Auseinandersetzung zwischen dem Schausteller und einigen Burschen, bei dem der Erstgenannte so bereitwillig wie eine seiner Marionetten in schallendes Gelächter ausbrach.

Über diese Szene war ich ziemlich erstaunt, da ich mit dem Wesen der mehr oder weniger künstlerischen französischen Vagabunden recht gut vertraut bin und sie mir stets überaus freundlich erschienen. Jeder, der sein Herz am rechten Fleck hat, muss Vagabunden lieben, sei es nur als lebenden Protest gegen Ämter und Kommerz und als etwas, das uns daran erinnert, dass das Leben nicht unbedingt das sein muss, was wir daraus machen. Sogar eine deutsche Musikkapelle, die man frühmorgens aus der Stadt ziehen sieht, um zwischen Wäldern und Wiesen in ländlichen Ortschaften ihre Runde zu machen, hinterlässt in der Phantasie einen romantischen Eindruck. Niemand unter dreißig kann so abgestorben sein, dass sein Herz beim Anblick eines Zigeunerlagers nicht wenigstens etwas klopft. »Wir sind nicht alle Baumwollfabrikanten« oder zumindest nicht durch und durch. Noch ist die Menschlichkeit nicht ganz ausgestorben. Die Jugend wird hin und wieder ein tapferes Wort finden, das den Reichtum schmäht, und eine Anstellung aufgeben, um mit einem Rucksack auf Wanderschaft zu gehen.

Ein Engländer ist im Umgang mit französischen Artisten stets besonders im Vorteil, denn England ist die natürliche Heimat der Akrobaten. Dieser oder jener Bursche in Trikot und mit Pailletten kann garantiert ein oder zwei Worte Englisch, hat schon einmal englisches aff-’n-aff getrunken und ist vielleicht schon einmal in einem englischen Varieté aufgetreten. Er ist mein Landsmann von Berufs wegen. Er neigt, so wie die belgischen Rudersportler, zu der Annahme, dass auch ich ein Athlet sein müsse.

Doch der Artist ist nicht mein Favorit: Er hat in seinem Wesen wenig oder nichts von einem Künstler, und meistens ist seine Seele klein und prosaisch, da sein Beruf sie nicht fordert und ihn nicht an erhabene Vorstellungen gewöhnt. Doch schon wenn ein Mann als Schauspieler gut genug ist, um durch eine Posse zu stolpern, wird sein Geist frei für eine neue Art von Gedanken. Er hat außer der Geldkassette noch andere Dinge, über die er nachdenken kann. Er hat Stolz, und was noch viel wichtiger ist, er hat ein Ziel vor Augen, das er nie ganz erreichen kann. Er ist auf eine Pilgerfahrt gegangen, die sein Leben lang andauern wird, da sie keinen anderen Ausgang kennt als die Vollkommenheit. Er wird sich jeden Tag ein wenig steigern, und selbst wenn er dieses Bestreben aufgegeben hat, wird er sich stets daran erinnern, dass er vor langer Zeit einmal diesem erhabenen Ideal gefolgt ist, dass er sich vor langer Zeit einmal in einen Stern verliebte. »Besser geliebt und verloren als überhaupt nicht geliebt.« Auch wenn der Mond Endymion nichts zu sagen gehabt hätte, auch wenn er sich mit Audrey niedergelassen hätte, um Schweine zu mästen, glauben Sie nicht, er hätte sich dennoch mit größerer Anmut bewegt und bis zum Schluss höhere Gedanken gehegt? Die Rüpel, die er in der Kirche trifft, hatten nie einen Traum, der höher als Audreys Haarband reichte, doch in Endymions Herzen gibt es eine Erinnerung, die es wie ein Gewürz frisch und hochmütig erhält.

Auch bei jenen, die nur die Randgebiete der Kunst streifen, hinterlässt dies einen zarten Stempel im Antlitz. Ich erinnere mich an ein Abendessen mit einer Gesellschaft in Château-Landon. Die meisten von ihnen waren eindeutig Hausierer, andere waren wohlhabende Kleinbauern, doch da war auch ein junger Bursche in Hemdsärmeln, dessen Gesicht sich von denen der anderen erstaunlich abhob. Es wirkte vollkommener, mehr Seele sprach daraus. Es hatte lebhafte, ausdrucksvolle Züge, und man konnte sehen, dass seine Augen die Dinge aufsogen. Mein Kamerad und ich wunderten uns sehr, wer oder was er sein könnte. Es war Jahrmarkt in Château-Landon, und als wir an den Buden vorbeigingen, wurde unsere Frage beantwortet: Da war unser Freund und fiedelte eifrig für die Bauern, die zur Musik ihre Luftsprünge machten. Er war ein umherziehender Violinspieler.

Einmal kam ein Trupp Wanderschauspieler im Département Seine-et-Marne in den Gasthof, in den ich eingekehrt war. Da waren Vater und Mutter, zwei Töchter, freche, plumpe Gören, die sangen und spielten, ohne zu wissen, wie sie es richtig anstellen sollten, und ein düsterer junger Mann, einem Hauslehrer ähnlich, ein widerspenstiger Anstreicher, der nicht übel sang und spielte. Die Mutter war das Genie der Truppe, falls man bei solch einer Schar unfähiger Scharlatane von Genie sprechen kann, während ihr Gatte nicht die richtigen Worte finden konnte, um seine Bewunderung für ihre Rolle des fidelen Bauern zum Ausdruck zu bringen. »Sie sollten meine Alte mal sehen«, sagte er und nickte mit bierseliger Miene. Eines Abends traten sie in einem Stall mit flackernden Lampen auf – eine elende Darbietung, die vom dörflichen Publikum ungerührt verfolgt wurde. Am nächsten Abend ging ein Platzregen nieder, gleich nachdem sie die Lampen angezündet hatten, und sie mussten so schnell wie möglich ihre Sachen zusammenpacken und kalt, nass und ohne Mahlzeit zu der Scheune rennen, wo sie ihre Unterkunft hatten. Am nächsten Morgen machte ein lieber Freund von mir, der so wie ich ein großes Herz für Wanderschauspieler hat, eine kleine Kollekte und ließ ihnen das Geld über mich als Trost für ihre Enttäuschung zukommen. Ich gab es dem Vater. Er dankte mir herzlich, und wir tranken zusammen eine Tasse in der Küche und sprachen über Straßen, das Publikum und harte Zeiten.

Als ich gehen wollte, erhob sich mein alter Vagabund und nahm seinen Hut ab. »Ich fürchte«, sagte er, »Monsieur halten mich für einen Bettler, aber ich habe noch eine weitere Bitte an Sie.« Sogleich begann ich ihn zu hassen. »Wir haben heute Abend noch einen Auftritt«, fuhr er fort. »Natürlich werde ich mich weigern, noch mehr Geld von Monsieur und seinen Freunden zu nehmen, die schon so freigebig gewesen sind. Aber unser Programm ist heute Abend etwas ganz Besonderes, und ich hege die Hoffnung, dass Monsieur uns mit seiner Anwesenheit beehrt.« Und dann mit einem Schulterzucken und einem Lächeln: »Monsieur verstehen – die Eitelkeit eines Künstlers!« Hört, hört! Die Eitelkeit eines Künstlers! Das ist eines der Dinge, die mich mit dem Leben versöhnen: ein zerlumpter, besoffener, unfähiger alter Halunke mit den Umgangsformen eines Gentlemans und der Eitelkeit eines Künstlers, um sein Selbstwertgefühl aufrechtzuerhalten!

Ein Mann ganz nach meinem Herzen ist Monsieur de Vauversin. Es ist fast zwei Jahre her, seit ich ihn das erste Mal traf, und ich hoffe, ihn noch oft wiederzusehen. Hier ist sein erstes Programm, das ich auf dem Frühstückstisch vorfand und seither als Andenken an schöne Tage aufbewahre:

 

Mesdames et Messieurs,

Mademoiselle Ferrario et M. de Vauversin auront l’honneur de chanter ce soir les morceaux suivants.

Mademoiselle Ferrario chantera – Mignon – Oiseaux Légers – France – Des Français dorment là – Le château bleu – Où voulez-vous aller?

M. de Vauversin – Madame Fontaine et M. Robinet – Les plongeurs à cheval – Le Mari mécontent – Tais-toi, gamin – Mon voisin l’original – Heureux comme ça – Comme on est trompé.

 

An einem Ende der salle à manger errichteten sie eine Bühne. Und welch ein herrlicher Anblick war Monsieur de Vauversin, mit einer Zigarette im Mund, wie er an seiner Gitarre zupfte und Mademoiselle Ferrarios Augen mit dem gehorsamen, treuherzigen Blick eines Hundes folgte! Die Veranstaltung endete mit einer Tombola oder Versteigerung von Lotterielosen: ein bewundernswerter Spaß mit all der Aufregung eines Glücksspiels und ohne Hoffnung auf einen Gewinn, durch den man sich seiner Begeisterung geschämt hätte, denn hier ist alles Verlust. Man beeilt sich, sein Geld loszuwerden; es ist ein Wettstreit darum, wer das meiste Geld zum Wohle von Monsieur de Vauversin und Mademoiselle Ferrario ausgibt.

Monsieur de Vauversin ist ein kleiner Mann mit großem Kopf und schwarzem Haar, lebhaftem und einnehmendem Wesen und einem Lächeln, das entzückend wäre, wenn er bessere Zähne hätte. Früher war er Schauspieler im Châtelet, doch von der Hitze und dem Schein der Bühnenbeleuchtung bekam er ein Nervenleiden, das ihn für das Theater untauglich machte. Nach dieser Krise willigte Mademoiselle Ferrario alias Mademoiselle Rita vom Alcazar ein, das Los eines Wanderers mit ihm zu teilen. »Ich könnte nie die Großzügigkeit dieser Dame vergessen«, sagte er. Er trägt so enge Hosen, dass sich jeder, der ihn kennt, seit langem wundert, wie er sie an- und auszieht. Er malt gelegentlich Aquarelle, er schreibt Gedichte, er ist der geduldigste aller Angler und verbrachte lange Tage damit, am unteren Ende des Gasthofgartens vergeblich eine Angelschnur in den klaren Fluss zu halten.

Sie sollten ihn hören, wenn er bei einer Flasche Wein von seinen Erlebnissen erzählt, denn seine Art zu reden ist überaus angenehm. Stets ist er bereit, über seine eigenen Missgeschicke zu lächeln, und immer wieder zeigt er einen unvermittelten Ernst, wie ein Mann, der das Grollen der Brandung im Ohr hat, wenn er von den Gefahren der Tiefe spricht. Denn es war nicht länger her als vielleicht letzte Nacht, dass die Einkünfte nicht mehr als eineinhalb Francs betrugen, mit denen die Ausgaben von drei Francs für die Zugfahrkarte und zwei für Kost und Logis abgedeckt werden mussten. Der Bürgermeister, ein Mann mit Millionen auf dem Konto, saß in der ersten Reihe, applaudierte Mademoiselle Ferrario in einem fort und stiftete trotzdem während des ganzen Abends nur drei sous. Die Lokalbehörden bedenken den Wanderkünstler mit bösen Blicken. Ach! Ich kenne das nur zu gut, da ich selbst für einen gehalten und allein aufgrund dieser Verwechslung gnadenlos eingesperrt worden war. Monsieur Vauversin suchte einmal ein Polizeikommissariat auf, um die Erlaubnis für einen Auftritt als Sänger zu bekommen. Der Kommissar, der ungeniert rauchte, lüftete höflich den Hut, als der Sänger hereinkam. »Herr Kommissar«, begann er, »ich bin ein Künstler.« Und sogleich setzte der Kommissar seinen Hut wieder auf. Keine Höflichkeiten für die Gefährten Apollos! »So tief sind sie gesunken«, sagte Monsieur de Vauversin und fuchtelte mit seiner Zigarette.

Doch was mich am meisten freute, war einer seiner Ausbrüche, als wir den ganzen Abend über die Unannehmlichkeiten, Demütigungen und Nöte seines Wanderlebens gesprochen hatten. Jemand sagte, es sei besser, eine Million auf der Kante zu haben, und Mademoiselle gab zu, dass ihr das auch sehr gefallen würde. »Eh bien, moi non – mir nicht«, rief de Vauversin und schlug mit der Hand auf den Tisch. »Wenn einer in dieser Welt gescheitert ist, dann ich! Es gab eine Kunst, in der ich gut war, so gut wie einige, vielleicht auch besser als andere, und nun ist sie mir versagt. Ich muss im Land umherziehen, Münzen sammeln und Unsinn singen. Glauben Sie, ich würde mein Leben bedauern? Glauben Sie, ich wäre lieber ein Bürger, fett wie ein Mastkalb? Ich nicht! Es gab Augenblicke, da wurde mir auf der Bühne applaudiert: es hat mir nichts bedeutet. Aber manchmal, wenn ich keinen einzigen Klatscher bekam, habe ich tief in meinem Herzen erkannt, dass ich genau den richtigen Ton getroffen oder eine präzise und aussagekräftige Geste gefunden hatte, dann, Messieurs, wurde mir bewusst, was Freude ist, was es bedeutet, etwas gut zu machen, was es bedeutet, ein Künstler zu sein. Wenn man weiß, was Kunst ist, dann hat man auf ewig einen Gewinn, wie ihn kein Bürger je in seinen kleinlichen Geschäften finden kann. Tenez, messieurs, je vais vous le dire – es ist wie eine Religion.«

Dies war, wenn man die Volten der Erinnerung und die Ungenauigkeiten der Übersetzung in Rechnung stellt, das Glaubensbekenntnis des Monsieur de Vauversin. Ich erwähne ihn unter seinem richtigen Namen, falls ein anderer Wanderer ihm begegnen sollte mit seiner Gitarre, seiner Zigarette und mit Mademoiselle Ferrario; denn sollte sich nicht die ganze Welt daran erfreuen, diesen unglücklichen und loyalen Gefolgsmann der Musen zu ehren? Möge Apollo ihm Verse schicken, von denen bislang niemand zu träumen wagte; möge der Fluss seiner Angelschnur die silbernen Fische nicht länger verweigern; möge die Kälte ihn auf langen Winterreisen nicht beißen und die wichtigtuerischen Dorfbeamten ihn nicht durch ungebührliche Manieren beleidigen; und möge er niemals Mademoiselle Ferrario an seiner Seite missen, um ihr mit treuherzigen Blicken zu folgen und sie auf der Gitarre zu begleiten!

Die Marionetten boten eine überaus trübselige Unterhaltung. Sie führten ein Stück mit dem Titel Pyramus und Thisbe auf, in fünf endlosen Akten, allesamt in Alexandrinern geschrieben, die ebenso großspurig waren wie die Darsteller. Eine Marionette war König, eine andere der böse Berater, eine dritte, vorgeblich von außerordentlicher Schönheit, stellte Thisbe dar. Dann gab es noch Wachen und hartherzige Väter und umherspazierende Gentlemen. Während der zwei oder drei Akte, die ich ausharrte, geschah nichts Besonderes, doch werden Sie erfreut sein zu erfahren, dass die Einheit ordnungsgemäß gewahrt wurde und das ganze Stück, mit einer Ausnahme, den klassischen Regeln folgte. Diese Ausnahme war der fidele Bauer, eine schlanke Marionette in Holzschuhen, die in Prosa sprach und in breitem patois, das vom Publikum außerordentlich geschätzt wurde. Er nahm sich verfassungswidrige Freiheiten gegenüber der Person des Souveräns heraus, kickte seinen Mitmarionetten die Holzschuhe auf den Mund, und wann immer keiner der verseschmiedenden Verehrer in der Nähe war, erklärte er Thisbe in witzigen Worten auf eigene Gefahr seine Liebe.

Die Handlungen dieses Burschen und der kleine Prolog, mit dem der Schausteller eine komische Lobrede auf seine Truppe hielt, auf ihre Gleichgültigkeit gegenüber Beifall und Pfiffen, und ihre einzigartige Hingabe an ihre Kunst pries, waren die wenigen Momente der ganzen Veranstaltung, von denen man sich vorstellen konnte, dass sie jemandem immerhin ein Lächeln abringen würden. Doch die Dörfler von Précy schienen entzückt. Solange etwas als Schau angeboten wird und man bezahlt, um es sich anzusehen, wird es unweigerlich ein Amüsement. Wenn wir pro Kopf so und so viel für Sonnenuntergänge zahlen müssten oder wenn Gott den Hut herumgehen ließe, bevor der Weißdorn blüht – welch ein Spektakel würden wir dann um ihre Schönheit machen! Doch diese Dinge, ebenso wie gute Gefährten, werden von dummen Leuten bald nicht mehr wahrgenommen: Und der geistesabwesende Handelsreisende trabt in seinem gefederten Zweispänner vorbei und ist sich der Blumen am Wegesrand oder der Wolkenlandschaft über ihm gewiss nicht bewusst.