Pont-sur-Sambre: Der Handelsreisende

So wie die Lakaien in Molières Farce, als der echte Edelmann ihre Lustbarkeiten im unteren Stockwerk störte, mussten wir natürlich irgendwann einem richtigen Hausierer begegnen. Um die Lektion für gefallene Gentlemen wie uns noch lehrreicher zu machen, war es ein Hausierer von unendlich größerer Bedeutung als jener Schlag hundsgemeiner Kerle, mit denen wir verwechselt wurden: wie ein Löwe unter Mäusen oder ein Kriegsschiff, das auf zwei Jollen zusteuert. Tatsächlich verdiente er die Bezeichnung »Hausierer« nicht im Geringsten: Er war ein Handelsreisender.

Ich glaube, es war halb neun, als dieser ehrenwerte Monsieur Hector Gilliard aus Maubeuge in einem von einem Esel gezogenen Kippwagen vor der Bierstubentür aufkreuzte und von deren Bewohnern freudig begrüßt wurde. Er war ein schlanker, nervöser, tratschsüchtiger Mann, der teils wie ein Schauspieler, teils wie ein Rosstäuscher aussah. Offenkundig war er ohne die Vorzüge jedweder Bildung erfolgreich, denn er beharrte mit ernster Schlichtheit auf dem männlichen Artikel und gab im Laufe des Abends einige überaus waghalsig konstruierte Sätze im Futurum zum Besten. Er wurde von seiner Frau begleitet, die sehr hübsch war und ihr Haar unter einem gelben Kopftuch trug, und dem Sohn, einem kleinen vierjährigen Burschen, der ein Hemd und eine Soldatenmütze trug. Es war auffällig, dass das Kind viel besser gekleidet war als die Eltern. Wir wurden informiert, dass er bereits ein Internat besuchte, doch da die Ferien begonnen hatten, durfte er seine Eltern auf einer Rundreise begleiten. Welch eine bezaubernde Ferienbeschäftigung, nicht wahr? Mit Vater und Mutter in einem Kippwagen voller unzähliger Schätze herumzuziehen, auf beiden Seiten das grüne Land vorbeirattern zu sehen und von den Kindern in den Dörfern mit Neid und Bewunderung betrachtet zu werden. Während der Ferien ist es ein größerer Spaß, Sohn eines Handelsreisenden zu sein als Sohn und Erbe des weltgrößten Baumwollfabrikanten. Wahrhaftig, ich habe noch nie einen Prinzregenten gesehen, der sich mit Master Gilliard hätte messen können!

Während Monsieur Hector und der Sohn des Hauses den Esel versorgten und die Wertsachen wegsperrten, wärmte die Wirtin die Reste unserer Beefsteaks auf, röstete Scheiben der kalten Kartoffeln, und Madame Gilliard bemühte sich, den Jungen zu wecken, der an jenem Tag weit gereist war und im Licht verdrießlich und geblendet blinzelte. Kaum war er wach, begann er auch schon, sich aufs Essen vorzubereiten – mit Butterkeksen, unreifen Birnen, kalten Kartoffeln, die sich, soweit ich es beurteilen konnte, günstig auf seinen Appetit auswirkten.

Die Wirtin weckte, durch mütterlichen Wetteifer angestachelt, ihre kleine Tochter, und die beiden Kinder wurden einander vorgestellt. Master Gilliard sah sie einen Moment lang an, fast wie ein Hund, der sein Abbild im Spiegel betrachtet, bevor er sich abwendet. Er war zu dem Zeitpunkt völlig in den Verzehr des Butterkekses vertieft. Seine Mutter schien bestürzt, dass er so wenig Neigung zum anderen Geschlecht zeigte, und verlieh ihrer Enttäuschung aufrichtig und mit einem höchst überzeugenden Hinweis auf die Veränderungen, die die Jahre bringen werden, Ausdruck.

Es wird sicher noch eine Zeit kommen, da er den Mädchen größere Aufmerksamkeit schenkt und von seiner Mutter weniger hält: Hoffen wir, dass es ihr dann ebenso gut gefällt, wie sie es sich offenbar vorstellte. Aber ist es nicht merkwürdig genug, dass dieselben Frauen, die für das männliche Geschlecht nur Verachtung übrighaben, sogar dessen hässlichste Exemplare für lebhaft und hochgesinnt halten, wenn es sich dabei um ihre eigenen Söhne handelt?

Das kleine Mädchen betrachtete ihn länger und interessierter, wahrscheinlich weil sie sich in ihrem eigenen Haus befand, während er ein Reisender und an seltsame Begegnungen gewöhnt war. Außerdem hatte sie keinen Keks, der sie ablenkte.

Während der Mahlzeit war mein junger Lord das einzige Thema. Die Eltern waren beide von absurder Begeisterung über ihr Kind beseelt. Monsieur beharrte auf dessen Klugheit: dass er die Namen aller Kinder in seiner Schule kenne; und als dies durch eine Probe gründlich widerlegt wurde, hieß es, er sei in einem merkwürdig hohen Maß vorsichtig und genau, und wenn man ihm eine Frage stelle, dann würde er dasitzen und nachdenken und nachdenken, und wenn er die Antwort nicht wisse: »Jessas, dann würde er Ihnen gar nichts sagen – foi, il ne vous le dira pas!« –, was wirklich einem sehr hohen Maß an Vorsicht entspricht. In regelmäßigen Abständen fragte Monsieur Hector, den Mund voll Beefsteak, seine Frau, in welchem Alter der kleine Kerl das eine oder andere Bedeutende von sich gegeben habe, und ich bemerkte, dass Madame dem meist mit Naserümpfen entgegnete. Sie selbst war nicht prahlerisch veranlagt, doch wurde sie nicht müde, das Kind zu liebkosen; und sie schien ein sanftes Vergnügen darin zu finden, alle glückverheißenden Momente seines kurzen Daseins in Erinnerung zu rufen. Kein Schuljunge könnte mehr von den Ferien sprechen, die vor ihm liegen, und weniger von der dunklen Schulzeit, die unweigerlich darauf folgt. Sie wies, mit einem Stolz, der vielleicht zum Teil kaufmännische Ursprünge hatte, auf seine Taschen, die mit Kreiseln, Pfeifen und Schnüren zum Bersten vollgestopft waren. Wenn sie in einem Haus einen Geschäftsbesuch abstattete, begleitete er sie anscheinend, und wann immer sie etwas verkaufte, erhielt er einen sou vom Profit. Die beiden guten Leute verdarben ihn wirklich in hohem Maße. Aber sie achteten dennoch auf seine Manieren und ermahnten ihn wegen ein paar kleiner Benimmfehler, die er während des Essens ab und an erkennen ließ.

Im Großen und Ganzen kränkte es mich nicht allzu sehr, für einen Hausierer gehalten zu werden. Ich bin vielleicht der Meinung, dass ich mit größerer Vornehmheit gespeist habe oder meine Französischfehler einer anderen Klasse angehören, doch es war klar, dass derartige Feinheiten von der Wirtin und den beiden Arbeitern ignoriert wurden. Im Wesentlichen hinterließen wir und die Gilliards in der Bierstube denselben Eindruck. Monsieur Hector fühlte sich natürlich heimischer und spuckte große Töne, doch dies ließ sich durch den Umstand erklären, dass er in einem Eselskarren reiste, während wir armen Kerle zu Fuß unterwegs waren. Ich glaube, die anderen dachten ganz ohne böse Absicht, wir würden vor Neid sterben angesichts des beruflichen Erfolgs des Neuankömmlings.

Und dessen bin ich mir sicher: Ein jeder taute auf, wurde freundlicher und geselliger, sobald diese unschuldigen Leute die Bühne betraten. Ich wäre nur ungern dazu bereit, dem Handelsreisenden eine große Geldsumme anzuvertrauen, aber ich bin mir sicher, sein Herz saß am rechten Fleck. Wenn man in dieser wirren Welt ein oder zwei vernünftige Ansichten bei einem Menschen findet – vor allem wenn man eine ganze Familie findet, die unter so angenehmen Bedingungen zusammenlebt –, dann kann man vollauf zufrieden sein und den Rest als gegeben voraussetzen oder, was noch besser ist, sich tapfer dazu entschließen, dass man ohne den Rest bestens zurechtkommt, dass zehntausend schlechte Eigenschaften eine einzige gute nicht weniger gut machen.

Es wurde langsam spät. Monsieur Hector zündete eine Stalllaterne an und ging hinaus, um nach seinem Karren zu sehen, und mein junger Gentleman entledigte sich des besseren Teils seines Gewandes, um unter allgemeinem Gelächter auf dem Schoß seiner Mutter und danach auf dem Boden herumzutollen.

»Wirst du alleine schlafen?«, fragte das Dienstmädchen.

»Das ist kaum zu befürchten«, sagte Master Gilliard.

»In der Schule schläfst du allein«, widersprach seine Mutter. »Komm schon, sei ein Mann.«

Doch er protestierte, dass Schule etwas anderes sei als Ferien, dass es in der Schule Schlafsäle gäbe, und beendete die Diskussion mit Küssen. Seine Mutter lächelte, niemand war glücklicher darüber als sie.

Es war wirklich, wie er es bezeichnete, kaum zu befürchten, dass er allein schlafen müsste, denn es gab nur ein Bett für das Trio. Wir hingegen hatten heftig dagegen protestiert, ein Ruhelager teilen zu müssen, und bekamen ein Kämmerchen mit zwei Betten im Dachgeschoss des Hauses, das zudem mit exakt drei Kleiderhaken und einem Tisch möbliert war. Es gab nicht einmal ein Glas Wasser. Aber die Fenster ließen sich öffnen – mit etwas Glück.

Eine Weile bevor ich einschlief, wurde der obere Teil des Hauses von lautstarken Schnarchtönen erfüllt: Die Gilliards, die Arbeiter und die Wirtsleute waren wohl einvernehmlich daran beteiligt. Draußen schien der Neumond strahlend hell über Pont-sur-Sambre und auf die Bierstube, wo wir Hausierer alle in unseren Betten lagen.