Auf dem Sambre-Kanal nach Landrecies

Als wir am Morgen herunterkamen, zeigte uns die Wirtin zwei Eimer voll Wasser hinter der Eingangstür. »Voilà de l’eau pour vous débarbouiller«, sagte sie. Also wuschen wir uns einer nach dem anderen, während Madame Gilliard draußen vor der Tür die Stiefel ihrer Familie bürstete und Monsieur Hector, fröhlich pfeifend, einige Kleinwaren für die heutige Kampagne in einer tragbaren Kommode ordnete, die zu seinem Gepäck gehörte. Derweil ließ das Kind überall Waterloo-Knallbonbons explodieren.

Ich frage mich übrigens, wie man Waterloo-Knaller in Frankreich nennt, vielleicht Austerlitz-Knaller. Es kommt sehr auf den Standpunkt an. Erinnern Sie sich an den Franzosen, der nach Southampton reisen wollte, am Waterloo-Bahnhof abgewiesen wurde und über die Waterloo-Brücke fahren musste? Er hatte wohl große Lust, wieder heimzukehren.

Pont liegt direkt am Fluss, doch während man von Quartes aus über das trockene Land nur zehn Minuten benötigt, um dorthin zu gelangen, muss man auf dem Wasser sechs trübsinnige Kilometer zurücklegen. Wir ließen unsere Taschen im Gasthof zurück und gingen durch die feuchten Obstgärten unbehindert zu unseren Kanus. Einige der Kinder waren da, um uns zu verabschieden, doch wir waren nicht länger die rätselhaften Wesen vom Vorabend. Eine Abfahrt ist viel weniger romantisch als eine unerklärliche Ankunft im goldenen Abendlicht. Sind wir beim ersten Erscheinen eines Gespenstes ungeheuer verblüfft, betrachten wir sein Verschwinden vergleichsweise gleichmütig.

Die guten Leute vom Gasthof in Pont kamen aus dem Staunen nicht heraus, als wir unsere Taschen abholten. Beim Anblick dieser beiden hübschen kleinen Boote, an denen jeweils ein Union Jack flatterte und deren Lack nach der Reinigung glänzte, wurde ihnen allmählich klar, dass sie in aller Ahnungslosigkeit Engel verköstigt hatten. Die Wirtin stand auf der Brücke und jammerte wohl, dass sie so wenig in Rechnung gestellt hatte; der Sohn rannte hin und her und rief die Nachbarn herbei, die dem Ereignis beiwohnen sollten; schließlich paddelten wir angesichts einer ziemlich großen Ansammlung gebannter Zuschauer fort. Die Herren sind Hausierer? Von wegen! Nun erkennt ihr zu spät deren wahre Natur.

Der ganze Tag war regnerisch mit gelegentlichen Schauern. Wir waren nass bis auf die Knochen, wurden bald ein wenig von der Sonne getrocknet und dann erneut durchweicht. Es gab ein paar ruhige Regenpausen und eine ganz besondere, als wir den Wald von Mormal entlangfuhren – ein Name, der sich unheilvoll anhört, doch ein Ort, dessen Anblick und Geruch höchst angenehm waren. Er wirkte feierlich, mit den Zweigen, die entlang des Ufers ins Wasser hingen und sich zu einem Wall aus Laubwerk verdichteten. Was ist ein Wald anderes als eine Stadt der Natur voller robuster und harmloser Geschöpfe, wo es nichts Lebloses und nichts Handgefertigtes gibt und die Bewohner gleichzeitig Häuser und öffentliche Denkmäler sind? Es gibt nichts derart Lebendiges und zugleich Stilles wie einen Wald. Zwei Leute, die in Kanus vorbeisausen, fühlen sich im Vergleich dazu überaus klein und geschäftig.

Von allen Gerüchen auf Erden ist der Duft von Bäumen der lieblichste und belebendste. Das Meer hat einen rohen, scharfen Geruch, der wie Schnupftabak in die Nasenlöcher zieht und einen Hauch von offenem Wasser und großen Schiffen in sich trägt; der Duft eines Waldes, dessen kräftigende Wirkung dem des Meeres am nächsten kommt, ist um vieles sanfter. Der Meeresgeruch variiert nur wenig, während der des Waldes unendlich reich ist. Er ändert mit jeder Stunde des Tages nicht nur seine Stärke, sondern auch sein Wesen, und wenn man von einem Teil des Waldes in einen anderen tritt, scheinen die verschiedenen Baumarten in verschiedenen Atmosphären zu wachsen. Für gewöhnlich dominiert das Fichtenharz. Einige Wälder aber haben kokettere Gewohnheiten, und der Atem des Waldes von Mormal, als er an jenem regnerischen Nachmittag zu uns an Bord wehte, roch nach nichts Geringerem als köstlicher Weinrose.

Ich wünschte, unser Weg hätte immer weiter durch Wälder geführt. Bäume sind die höflichste Gesellschaft. Eine alte Eiche, die schon vor der Reformation an ihrem Standort höher wuchs als mancher Kirchturm, stattlicher als der Großteil der Berge und doch ein lebendes Wesen ist, das ebenso krank werden und sterben kann wie Sie und ich: Ist sie nicht in sich eine vielsagende Lektion in Geschichte? Doch endlose Weiten dieser eng verwurzelten Patriarchen, deren grüne Wipfel im Wind sich wiegen, deren stramme Sprösslinge sich nach ihren Knien recken – ein ganzer Wald, gesund und schön, dem Licht Farbe und der Luft Duft verleihend –, ist das nicht das beeindruckendste Stück im Repertoire der Natur? Heine wollte wie Merlin unter den Eichen von Brocéliande ruhen. Ich könnte mich nicht mit einem Baum zufriedengeben; doch wenn der Wald zusammenwüchse wie ein Banyan-Hain, dann würde ich gern unter der Pfahlwurzel des Ganzen begraben sein; meine Bestandteile würden von Eiche zu Eiche zirkulieren, und mein Bewusstsein würde sich über den ganzen Wald verteilen und der Ansammlung grüner Wipfel ein gemeinsames Herz schenken, so dass sie sich ihrer eigenen Schönheit und Würde erfreuen kann. Mir ist, als spürte ich, wie tausend Eichhörnchen in meinem riesigen Mausoleum von Ast zu Ast springen und die Vögel und Winde fröhlich über seine gewellte blättrige Oberfläche jagen.

Ach! Der Wald von Mormal ist nur ein Wäldchen, und es war nicht mehr als eine kurze Strecke, die wir an seinen Grenzen entlangfuhren. Die übrige Zeit kam der Regen weiterhin in Güssen und der Wind in Sturmböen, bis man bei diesem unbeständigen, scheußlichen Wetter ganz trübsinnig wurde. Es war eigenartig, dass es ausgerechnet dann zu schütten begann, wenn wir die Boote über eine Schleuse tragen und unsere Beine enthüllen mussten. So war es immer. Das ist eine von jenen Ursachen, die eine persönliche Abneigung gegen die Natur hervorrufen. Es scheint keine Erklärung dafür zu geben, warum der Schauer nicht fünf Minuten früher oder später kommen sollte, es sei denn, man unterstellt böswillige Absichten. Der Kapitän der Cigarette trug einen Regenmantel, der ihn mehr oder weniger über diese Wetterwechsel erhob. Doch ich musste den Großteil schutzlos ertragen. Allmählich erinnerte ich mich daran, dass die Natur weiblich ist. Mein Gefährte, der bei besserer Laune war, lauschte meinen Klageliedern mit großer Zufriedenheit und stimmte ironisch mit ein. Als verwandtes Beispiel nannte er das Spiel der Gezeiten, die, wie er meinte, »ausschließlich der Verwirrung von Kanufahrern dienen, es sei denn, sie sind dazu da, eine fruchtlose Eitelkeit des Mondes zu befriedigen«.

An der letzten Schleuse kurz vor Landrecies weigerte ich mich weiterzufahren und setzte mich trotz Regen ans Ufer, um meine Pfeife neu anzuzünden. Ein lebhafter alter Mann, den ich mittlerweile für den Teufel halte, kam herbei und befragte mich zu unserer Reise. Offenherzig breitete ich ihm unsere Pläne aus. Er sagte, dies sei das dümmste Unternehmen, von dem er je gehört habe. Wüsste ich denn nicht, fragte er, dass es den ganzen Weg über nichts als Schleusen, Schleusen, Schleusen gebe? Ganz zu schweigen davon, dass die Oise zu dieser Jahreszeit ziemlich ausgetrocknet sei? »Nehmen Sie den Zug, junger Mann«, sagte er, »und fahren Sie nach Hause zu Ihren Eltern.« Ich war über die Boshaftigkeit des Mannes so erstaunt, dass ich ihn nur schweigend anstarren konnte. Ein Baum hätte nie so mit mir gesprochen. Schließlich brachte ich ein paar Worte über die Lippen. Wir seien in Antwerpen aufgebrochen, sagte ich ihm, und hätten schon eine beträchtliche Strecke zurückgelegt. Den Rest würden wir trotz seiner Worte auch noch schaffen. Ja, und wenn es keinen anderen Grund gäbe, würde ich es schon deshalb tun, weil er gesagt hat, dass es nicht möglich wäre. Der freundliche alte Herr sah mich höhnisch an, deutete abfällig auf mein Kanu und spazierte kopfschüttelnd von dannen.

Ich kochte innerlich noch immer, als zwei junge Burschen des Weges kamen, die mich für den Diener des Kapitäns der Cigarette hielten, wahrscheinlich weil sie mein bloßes Hemd mit dem Regenmantel meines Freundes verglichen, und mir viele Fragen über meine Position und den Charakter meines Herrn stellten. Ich sagte ihnen, er sei ganz in Ordnung, habe sich aber diese absurde Reise in den Kopf gesetzt. »O nein, nein«, antwortete einer, »das dürfen Sie nicht sagen. Es ist nicht absurd, es ist sehr mutig von ihm.« Ich glaube, die beiden waren Engel, gesandt, um mich wieder aufzumuntern. Es tat mir richtig gut, all die Kränkungen des alten Mannes zu wiederholen, als ob sie zu meiner Rolle als unzufriedener Diener gehörten, um sie dann von diesen bewundernswerten jungen Männern wie Fliegen verscheuchen zu lassen.

Als ich diese Geschichte dem Kapitän der Cigarette erzählte, meinte er trocken: »Sie müssen eine eigenartige Vorstellung davon haben, wie englische Diener sich benehmen. Du hast mich an der Schleuse wie ein wildes Tier behandelt.«

Ich war ziemlich beschämt, aber meine Laune war angeschlagen gewesen, so viel zu meiner Verteidigung.