Sambre-Oise-Kanal: Kanalboote

Am nächsten Tag brachen wir spät auf, während es regnete. Der Richter eskortierte uns höflich unter einem Regenschirm bis zum Ende der Schleuse. Wir hatten nun in Bezug auf das Wetter einen Grad an Demut erreicht, den man außerhalb der schottischen Highlands selten erlebt. Ein Stückchen blauer Himmel oder ein flüchtiger Sonnenstrahl ließen unsere Herzen frohlocken, und wenn es nicht heftig regnete, hielten wir den Tag fast schon für schön.

Lastkähne lagen in langen Reihen hintereinander auf dem Kanal. Viele von ihnen sahen überaus schmuck und tadellos aus in ihrem Wams aus Erzengelteer, das sich vom weißen und grünen Anstrich abhob. Einige wurden geziert von bunten Eisengeländern und ganzen Gärten aus Blumentöpfen. Kinder spielten auf den Decks und kümmerten sich so wenig um den Regen, als wären sie am Ufer des Lochcarron aufgewachsen. Männer hielten Angeln über das Dollbord, einige saßen unter Regenschirmen, Frauen wuschen ihre Wäsche, und alle Kähne rühmten sich einer Promenadenmischung als Wachhund. Ein jeder bellte wie wild die Kanus an, rannte bis ans Ende des eigenen Schiffs und gab so das Wort an den Hund auf dem nächsten weiter. Wir sind wohl an jenem Tag an etwa hundert von diesen Kähnen vorbeigerudert, die hintereinander aufgereiht waren wie Häuser in einer Straße, und kein einziger enttäuschte uns hinsichtlich dieser bellenden Begleitung. Es war wie ein Besuch in einer Menagerie, meinte der Kapitän der Cigarette.

Diese kleinen Städte am Kanalufer hatten eine sehr merkwürdige Wirkung auf den Verstand. Sie schienen, mit ihren Blumentöpfen und rauchenden Schornsteinen, ihrer Wäsche und ihrem Abendessen, ein festverwurzelter Teil der Landschaft zu sein. Kaum aber wurde der Kanal weiter unten geöffnet, setzte eine Dschunke nach der anderen die Segel oder schirrte die Pferde an. Sie schwammen davon in alle Regionen Frankreichs, und das improvisierte Dörfchen verteilte sich Haus um Haus in alle vier Himmelsrichtungen. Die Kinder, die heute am Sambre-Oise-Kanal gespielt haben, ein jedes auf der Türschwelle seines Vaters – wann und wo werden sie sich das nächste Mal wiedersehen?

Eine Zeitlang beherrschte das Thema Lastkähne unsere Gespräche, und wir planten, uns in hohem Alter auf die Kanäle Europas zurückzuziehen. Es wäre die gemächlichste aller Reisearten, mal auf einem schnell strömenden Fluss im Kielwasser eines Dampfschiffs, dann wieder tagelang an einem unbedeutenden Knotenpunkt auf Pferde wartend. Man würde uns mit der Würde des Alters an Deck herumtrödeln sehen samt den weißen Bärten, die uns bis in den Schoß fielen. Wir wären ständig mit Farbtöpfen zugange, so dass es unter allen Kanalschiffen kein frischeres Weiß und kein smaragdgrüneres Grün gäbe. Bücher müsste es in der Kajüte geben und Tabakfässchen und einen alten Burgunder, so rot wie ein Sonnenuntergang im November und duftend wie ein Veilchen im April. Es müsste ein Flageolett geben, auf dem der Kapitän der Cigarette mit geschickten Fingern zarte Melodien unter den Sternen hervorbringen würde, oder vielleicht könnte er, ohne Instrument, seine Stimme – ein wenig dünner als in frühen Tagen und mit einem gelegentlichen Tremolo oder, sagen wir lieber, einer natürlichen Verzierung – zu kraftvollen und feierlichen Psalmengesängen erheben.

All diese Träume, die in meinem Gehirn brodelten, ließen mich wünschen, an Bord eines dieser idealen Faulenzerhäuser zu gehen. Ich hatte reichlich zur Auswahl, als ich an einem nach dem anderen vorbeifuhr und die Hunde mich, den Vagabunden, anbellten. Schließlich sah ich einen netten alten Mann und seine Frau, die mich mit einigem Interesse betrachteten, also wünschte ich ihnen einen guten Tag und ruderte längsseits. Ich begann mit einer Bemerkung über ihren Hund, der ein wenig wie ein Bluthund aussah. Dann ließ ich ein Kompliment über die Blumen der Madame fallen, um danach ihre Lebensart zu preisen.

Wenn man solch ein Experiment in England wagte, würde man sich sofort eine Ohrfeige einhandeln. Man würde erfahren, dass das Leben bitter sei, nicht ohne beiläufige Bemerkung über das bessere Los des Fragestellers. Was ich nun an Frankreich so schätze, ist, dass sich ein jeder klar und unerschütterlich seines eigenen Glücks bewusst ist. Jeder weiß, auf welcher Seite sein Brot gebuttert ist, und hat Freude daran, dies anderen vorzuführen, was zweifellos der bessere Teil von Frömmigkeit ist. Und sie verachten es, über Armut zu klagen, was ich für den besseren Teil von Mannhaftigkeit halte. Zu Hause habe ich gehört, wie eine Frau in weitaus besserer Lage, mit einem guten Batzen Geld in der Tasche, ihr eigenes Kind in schrecklichem Jammerton »Kind eines armen Mannes« nannte. Ich käme noch nicht einmal auf die Idee, so etwas gegenüber dem Herzog von Westminster zu sagen. Die Franzosen aber sind allesamt von diesem Unabhängigkeitsgeist erfüllt. Vielleicht liegt dies an den republikanischen Institutionen, wie sie sie nennen. Wahrscheinlich gibt es aber einfach nur weniger wirklich arme Leute, so dass die Anzahl der Jammernden zu gering ist, um sich gegenseitig aufzustacheln.

Die Leute auf dem Kahn waren entzückt zu hören, dass ich ihr Zuhause bewunderte. Sie verstünden sehr gut, sagten sie mir, dass Monsieur sie beneide. Zweifellos sei Monsieur reich, und wenn dem so sei, könne er sich doch eine Kanalfähre einrichten hübsch wie eine Villa – joli comme un château. Und mit diesen Worten luden sie mich auf ihre Wasservilla ein. Sie entschuldigten sich für ihre Kajüte, sie seien noch nicht reich genug, um sie so einzurichten, wie es sich gehöre.

»Hier, an dieser Seite sollte der Kamin stehen«, erklärte der Ehemann. »Dann brauchte man einen Schreibtisch in der Mitte – Bücher – und« – verständlicherweise – »all das. Das wäre doch ziemlich kokett – ça serait tout à fait coquet.« Und er sah sich um, als seien die Renovierungsarbeiten schon gemacht. Es war offenkundig nicht das erste Mal, dass er seine Kajüte in der Phantasie derart verschönerte, und wenn er das nächste Mal ein paar Groschen verdient, dann rechne ich damit, den Schreibtisch in der Mitte vorzufinden.

Madame hatte drei Vögel in einem Käfig. Sie seien nichts Besonderes, erklärte sie. Schöne Vögel seien so teuer. Letzten Winter hätten sie versucht einen Hollandais in Rouen zu bekommen (Rouen?, dachte ich, kann dieses ganze Haus mit seinen Hunden und Vögeln und rauchenden Schornsteinen so weit reisen? Kann es zwischen den Klippen und Obstgärten der Seine ein ebenso gemütliches Heim sein wie an den grünen Feldern der Sambre?), doch sie kosteten fünfzehn Francs – stellen Sie sich das mal vor – fünfzehn Francs!

»Pour un tout petit oiseau – für einen ziemlich kleinen Vogel«, fügte der Ehemann hinzu.

Als ich sie weiter bewunderte, verebbten die Entschuldigungen, und die guten Leute begannen mit ihrem Kahn und ihren glücklichen Lebensumständen zu prahlen, als ob sie Kaiser und Kaiserin Indiens wären. Es war, wie man in Schottland sagt, ein Ohrenschmaus und brachte mich in heiteren Einklang mit der Welt. Wenn die Leute wüssten, wie aufmunternd es ist, jemanden prahlen zu hören, vorausgesetzt, er prahlt mit etwas, das er wirklich besitzt, dann würden sie es wohl offener und anmutiger tun.

Sie fingen an, Fragen über unsere Reise zu stellen. Sie hätten ihre Begeisterung sehen sollen. Die beiden schienen drauf und dran, ihren Kahn aufzugeben, um uns zu begleiten. Doch diese canaletti sind Zigeuner, die letztlich halb sesshaft sind. Die teilweise Domestizierung kam auf recht hübsche Weise zum Ausdruck. Plötzlich runzelte Madame die Stirn. »Cependant«, begann sie und schwieg wieder; dann begann sie von neuem, indem sie mich fragte, ob ich ledig sei.

»Ja«, sagte ich.

»Und Ihr Freund, der gerade vorbeikam?«

Auch er sei unverheiratet.

Ach so – dann sei alles in Ordnung. Sie könnte nicht dulden, dass Frauen allein zu Hause zurückgelassen würden, aber da es keine Frauen gab, taten wir das Bestmögliche.

»In die Welt hinauszuziehen«, sagte der Ehemann, »il n’y a que ça – es gibt nichts Besseres als das. Sehen Sie, ein Mann, der wie ein Bär in seinem eigenen Dorf bleibt«, fuhr er fort, »gut und schön, aber der sieht nichts. Und wenn der Tod kommt, hat er nichts gesehen.«

Madame erinnerte ihren Mann an einen Engländer, der in einem Dampfer diesen Kanal hinaufgefahren war.

»Vielleicht Mr. Moens auf der Ytene«, schlug ich vor.

»Genau«, stimmte der Ehemann zu. »Er hatte seine Frau und seine Familie dabei und Diener. Er ging bei jeder Schleuse an Land und fragte die Bootsführer oder die Schleusenwärter nach den Dorfnamen; und dann schrieb er, schrieb sie auf. Oh, der hat vielleicht viel geschrieben. Ich vermute, es war eine Wette.«

Eine Wette war eine gern genutzte Erklärung für unsere eigenen Heldentaten, aber als Grund, sich Notizen zu machen, schien es eine originelle Ausrede zu sein.