Reisebilder.
Vierter Teil

Erstdruck 1830.

Die Stadt Lucca

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XIII ~ XIV ~ XV ~ XVI ~ XVII
Spätere Nachschrift

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Lachen muß ich immer über die Engländer, die diesen ihren zweiten Dichter (denn nach Shakespeare gebührt Byron die Palme) so jämmerlich spießbürgerlich beurteilen, weil er ihre Pedanterie verspottete, sich ihren Krähwinkelsitten nicht fügen, ihren kalten Glauben nicht teilen wollte, ihre Nüchternheit ihm ekelhaft war und er sich über ihren Hochmut und ihre Heuchelei beklagte. Viele machen schon ein Kreuz, wenn sie nur von ihm sprechen, und selbst die Frauen, obgleich ihre Wangen von Enthusiasmus glühen, wenn sie ihn lesen, nehmen öffentlich heftig Partei gegen den heimlichen Liebling –

Briefe eines Verstorbenen.

Ein fragmentarisches Tagebuch

aus England. München 1830

Kapitel I

Die umgebende Natur wirkt auf den Menschen – warum nicht auch der Mensch auf die Natur, die ihn umgibt? In Italien ist sie leidenschaftlich wie das Volk, das dort lebt; bei uns in Deutschland ist sie ernster, sinniger und geduldiger. Hatte einst, wie die Menschen, auch die Natur mehr inneres Leben? Die Gemütskraft eines Orpheus, sagt man, konnte Bäume und Steine nach begeisterten Rhythmen bewegen. Könnte noch jetzt dergleichen geschehen? Menschen und Natur sind phlegmatisch geworden und gähnen sich einander an. Ein königl. preuß. Poet wird nimmermehr, mit den Klängen seiner Leier, den Templower Berg oder die Berliner Linden zum Tanzen bringen können.

Auch die Natur hat ihre Geschichte, und das ist eine andere Naturgeschichte als wie die, welche in Schulen gelehrt wird. Irgendeine von jenen grauen Eidechsen, die schon seit Jahrtausenden in den Felsenspalten des Apennins leben, sollte man als ganz außerordentliche Professorin bei einer unserer Universitäten anstellen, und man würde ganz außerordentliche Dinge zu hören bekommen. Aber der Stolz einiger Herren von der juristischen Fakultät würde sich gegen eine solche Anstellung auflehnen. Hegt doch einer von ihnen schon jetzt eine geheime Eifersucht gegen den armen Fido Savant, fürchtend, daß dieser ihn einst im gelehrten Apportieren ersetzen könnte.

Die Eidechsen mit ihren klugen Schwänzchen und spitzfündigen Äuglein haben mir wunderbare Dinge erzählt, wenn ich einsam zwischen den Felsen der Apenninen umherkletterte. Wahrlich, es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die nicht bloß unsere Philosophen, sondern sogar die gewöhnlichsten Dummköpfe nicht begreifen.

Die Eidechsen haben mir erzählt, es gehe eine Sage unter den Steinen, daß Gott einst Stein werden wolle, um sie aus ihrer Starrheit zu erlösen. Eine alte Eidechse meinte aber, diese Steinwerdung würde nur dann stattfinden, wenn Gott bereits in alle Tier- und Pflanzenarten sich verwandelt und sie erlöst habe.

Nur wenige Steine haben Gefühl, und nur im Mondschein atmen sie. Aber diese wenige Steine, die ihren Zustand fühlen, sind schrecklich elend. Die Bäume sind viel besser daran, sie können weinen. Die Tiere aber sind am meisten begünstigt, denn sie können sprechen, jedes nach seiner Art und die Menschen am besten. Einst, wenn die ganze Welt erlöst ist, werden alle anderen Erschaffnisse ebenfalls sprechen können, wie in jenen uralten Zeiten, wovon die Dichter singen.

Die Eidechsen sind ein ironisches Geschlecht und betören gern die anderen Tiere. Aber sie waren gegen mich so demütig, sie seufzten so ehrlich, sie erzählten mir Geschichten von Atlantis, die ich nächstens aufschreiben will, zu Nutz und Frommen der Welt. Es ward mir so innig zumute bei den kleinen Wesen, die gleichsam die geheimen Annalen der Natur aufbewahren. Sind es etwa verzauberte Priesterfamilien, gleich denen des alten Ägyptens, die ebenfalls naturbelauschend in labyrinthischen Felsengrotten wohnten? Auf ihren Köpfchen, Leibchen und Schwänzchen blühen so wunderbare Zeichenbilder wie auf ägyptischen Hieroglyphenmützen und Hierophantenröcken.

Meine kleinen Freunde haben mich auch eine Zeichensprache gelehrt, vermittelst welcher ich mit der stummen Natur zu sprechen vermag. Dieses erleichtert mir oft die Seele, besonders gegen Abend, wenn die Berge in schaurig-süßen Schatten gehüllt stehen und die Wasserfälle rauschen und alle Pflanzen duften und hastige Blitze hin und her zucken –

O Natur! du stumme Jungfrau! wohl verstehe ich dein Wetterleuchten, den vergeblichen Redeversuch, der über dein schönes Antlitz dahinzuckt, und du dauerst mich so tief, daß ich weine. Aber alsdann verstehst du auch mich, und du heiterst dich auf und lachst mich an aus goldnen Augen. Schöne Jungfrau, ich verstehe deine Sterne, und du verstehst meine Tränen!

Kapitel II

»Nichts in der Welt will rückwärts gehen«, sagte mir ein alter Eidechs, »alles strebt vorwärts, und am Ende wird ein großes Naturavancement stattfinden. Die Steine werden Pflanzen, die Pflanzen werden Tiere, die Tiere werden Menschen und die Menschen werden Götter werden.«

»Aber«, rief ich, »was soll denn aus diesen guten Leuten, aus den armen alten Göttern werden?«

»Das wird sich finden, lieber Freund«, antwortete jener; »wahrscheinlich danken sie ab oder werden auf irgendeine ehrende Art in den Ruhestand versetzt.«

Ich habe von meinem hieroglyphenhäutigen Naturphilosophen noch manches andre Geheimnis erfahren; aber ich gab mein Ehrenwort, nichts zu enthüllen. Ich weiß jetzt mehr als Schelling und Hegel.

»Was halten Sie von diesen beiden?« frug mich der alte Eidechs mit einem höhnischen Lächeln, als ich mal diese Namen gegen ihn erwähnte.

»Wenn man bedenkt«, antwortete ich, »daß sie bloß Menschen und keine Eidechsen sind, so muß man über das Wissen dieser Leute sehr erstaunen. Im Grunde lehren sie eine und dieselbe Lehre, die Ihnen wohlbekannte Identitätsphilosophie, nur in der Darstellungsart unterscheiden sie sich. Wenn Hegel die Grundsätze seiner Philosophie aufstellt, so glaubt man jene hübschen Figuren zu sehen, die ein geschickter Schulmeister, durch eine künstliche Zusammenstellung von allerlei Zahlen, zu bilden weiß, dergestalt, daß ein gewöhnlicher Beschauer nur das Oberflächliche, nur das Häuschen oder Schiffchen oder absolute Soldätchen sieht, das aus jenen Zahlen formiert ist, während ein denkender Schulknabe in der Figur selbst vielmehr die Auflösung eines tiefen Rechenexempels erkennen kann. Die Darstellungen Schellings gleichen mehr jenen indischen Tierbildern, die aus allerlei anderen Tieren, Schlangen, Vögeln, Elefanten und dergleichen lebendigen Ingredienzien, durch abenteuerliche Verschlingungen, zusammengesetzt sind. Diese Darstellungsart ist viel anmutiger, heiterer, pulsierend wärmer, alles darin lebt, statt daß die abstrakt Hegelschen Chiffern uns so grau, so kalt und tot anstarren.«

»Gut, gut«, erwiderte der alte Eidechserich, »ich merke schon, was Sie meinen; aber sagen Sie mir, haben diese Philosophen viele Zuhörer?«

Ich schilderte ihm nun, wie in der gelehrten Karawanserei zu Berlin die Kamele sich sammeln um den Brunnen Hegelscher Weisheit, davor niederknien, sich die kostbaren Schläuche aufladen lassen und damit weiterziehen durch die märk’sche Sandwüste. Ich schilderte ihm ferner, wie die neuen Athener um den Springquell des Schellingschen Geistestranks sich drängen, als wäre es das beste Bier, Breihahn des Lebens, Gesöffe der Unsterblichkeit –

Den kleinen Naturphilosophen überlief der gelbe Neid, als er hörte, daß seine Kollegen sich so großen Zuspruchs erfreuen, und ärgerlich frug er: »Welchen von beiden halten Sie für den größten?« – »Das kann ich nicht entscheiden«, gab ich zur Antwort, »ebensowenig wie ich entscheiden könnte, ob die Schechner größer sei als die Sontag, und ich denke –«

»Denke!« rief der Eidechs mit einem scharfen, vornehmen Tone der tiefsten Geringschätzung, »denken! wer von euch denkt? Mein weiser Herr, schon an die dreitausend Jahre mache ich Untersuchungen über die geistigen Funktionen der Tiere, ich habe besonders Menschen, Affen und Schlangen zum Gegenstand meines Studiums gemacht, ich habe soviel Fleiß auf diese seltsamen Geschöpfe verwendet wie Lyonnet auf seine Weidenraupen, und als Resultat aller meiner Beobachtungen, Experimente und anatomischen Vergleichungen kann ich Ihnen bestimmt versichern: Kein Mensch denkt, es fällt nur dann und wann den Menschen etwas ein, solche ganz unverschuldete Einfälle nennen sie Gedanken, und das Aneinanderreihen derselben nennen sie Denken. Aber in meinem Namen können Sie es wiedersagen: Kein Mensch denkt, kein Philosoph denkt, weder Schelling noch Hegel denkt, und was gar ihre Philosophie betrifft, so ist sie eitel Luft und Wasser, wie die Wolken des Himmels, ich habe schon unzählige solcher Wolken, stolz und sicher, über mich hinziehen sehen, und die nächste Morgensonne hat sie aufgelöst in ihr ursprüngliches Nichts; – es gibt nur eine einzige wahre Philosophie, und diese steht, in ewigen Hieroglyphen, auf meinem eigenen Schwanze.«

Bei diesen Worten, die mit einem dedaignanten Pathos gesprochen wurden, drehte mir der alte Eidechs den Rücken, und indem er langsam fortschwänzelte, sah ich darauf die wunderlichsten Charaktere, die sich in bunter Bedeutsamkeit bis über den ganzen Schwanz hinabzogen.

Kapitel III

Auf dem Wege zwischen den Bädern von Lucca und der Stadt dieses Namens, unweit von dem großen Kastanienbaume, dessen wildgrüne Zweige den Bach überschatten, und in Gegenwart eines alten, weißbärtigen Ziegenbocks, der dort einsiedlerisch weidete, wurde das Gespräch geführt, das ich im vorigen Kapitel mitgeteilt habe. Ich ging nach der Stadt Lucca, um Franscheska und Mathilde zu suchen, die ich unserer Verabredung gemäß schon vor acht Tagen dort treffen sollte. Ich war aber, zur bestimmten Zeit, vergebens hingereist, und ich hatte mich jetzt zum zweiten Male auf den Weg gemacht. Ich ging zu Fuße, längs den schönen Bergen und Baumgruppen, wo die goldnen Orangen, wie Sterne des Tages, aus dem dunklen Grün hervorleuchteten und Girlanden von Weinreben, in festlichen Windungen, sich meilenweit hinzogen. Das ganze Land ist dort so gartenhaft und geschmückt wie bei uns die ländlichen Szenen, die auf dem Theater dargestellt werden; auch die Landleute selbst gleichen jenen bunten Gestalten, die uns dann als singende, lächelnde und tanzende Staffage ergötzen. Nirgends Philistergesichter. Und gibt es hier auch Philister, so sind es doch italienische Orangenphilister und keine plump deutschen Kartoffelphilister. Pittoresk und idealisch wie das Land sind auch die Leute, und dabei trägt jeder Mann einen so individuellen Ausdruck im Gesicht und weiß in Stellung, Faltenwurf des Mantels und nötigenfalls in Handhabung des Messers seine Persönlichkeit geltend zu machen. Dagegen bei uns zulande lauter Menschen mit allgemeinen, gleichförmlichen Physiognomien; wenn ihrer zwölf beisammen sind, bilden sie ein Dutzend, und wenn einer sie dann angreift, rufen sie die Polizei.

Auffallend war mir, im Luccesischen, wie im größten Teile Toskanas, tragen die Frauenzimmer große, schwarze Filzhüte mit herabwallend schwarzen Straußfedern; sogar die Strohflechterinnen tragen dergleichen schwere Hauptbedeckung. Die Männer hingegen tragen meistens einen leichten Strohhut, und junge Burschen erhalten solchen zum Geschenk von einem Mädchen, das ihn selbst verfertigt, ihre Liebesgedanken und vielleicht auch manchen Seufzer hineingeflochten. So saß einst Franscheska unter den Mädchen und Blumen des Arnotals und flocht einen Hut, für ihren caro Cecco, und küßte jeden Strohhalm, den sie dazu nahm, und trillerte ihr hübsches »Occhie, stelle mortale«; – das lockichte Haupt, das den hübschen Hut nachher so hübsch trug, hat jetzt eine Tonsur, und der Hut selbst hängt, alt und abgenutzt, im Winkel eines trüben Abatestübchens zu Bologna.

Ich gehöre zu den Leuten, die immer gern einen kürzeren Weg nehmen, als die Landstraße bietet, und denen es alsdann wohl begegnet, daß sie sich auf engen Holz- und Felsenpfaden verirren. Das geschah auch hier, und ich habe zu meiner Reise nach Lucca gewiß doppelt soviel Zeit gebraucht als gewöhnliche Landstraßmenschen. Ein Sperling, den ich um den Weg frug, zwitscherte und zwitscherte und konnte mir doch keinen rechten Bescheid geben. Vielleicht auch wußte er ihn selbst nicht. Den Schmetterlingen und Libellen, die auf großen Glockenblumen saßen, konnte ich kein Wort abgewinnen; sie waren schon davongeflattert, ehe sie noch meine Fragen vernommen, und die Blumen schüttelten ihre tonlosen Glockenhäupter. Manchmal weckten mich die wilden Myrten, die, mit feinen Stimmchen, aus der Ferne kicherten. Hastig erklomm ich dann die höchsten Felsenspitzen und rief: »Ihr Wolken des Himmels! Segler der Lüfte! sagt mir, wo geht der Weg nach Franscheska? Ist sie in Lucca? Sagt mir, was tut sie? was tanzt sie? Sagt mir alles, und wenn ihr mir alles gesagt habt, so sagt es mir nochmals!«

Bei solcher Überfülle von Torheit konnte es wohl geschehen, daß ein ernster Adler, den mein Ruf aus seinen einsamen Träumen aufgestört, mich mit geringschätzendem Unmute ansah. Aber ich verzieh’s ihm gerne; denn er hatte niemals Franscheska gesehen, und daher konnte er noch immer so erhabenmütig auf seinem festen Felsen sitzen und so seelenfrei zum Himmel emporstarren oder so impertinent ruhig auf mich herabglotzen. So ein Adler hat einen unerträglich stolzen Blick und sieht einen an, als wollte er sagen: »Was bist du für ein Vogel? Weißt du wohl, daß ich noch immer ein König bin, ebensogut wie in jenen Heldenzeiten, als ich Jupiters Blitze trug und Napoleons Fahnen schmückte? Bist du etwa ein gelehrter Papagoi, der die alten Lieder auswendig gelernt hat und pedantisch nachplappert? Oder eine vermüffte Turteltaube, die schön fühlt und miserabel gurrt? Oder eine Almanachsnachtigall? Oder ein abgestandener Gänserich, dessen Vorfahren das Kapitol gerettet? Oder gar ein serviler Haushahn, dem man, aus Ironie, das Emblem des kühnen Fliegens, nämlich mein Miniaturbild, um den Hals gehängt hat und der sich deshalb so mächtig spreizt, als wäre er nun selbst ein Adler?« Du weißt, lieber Leser, wie wenig Ursache ich habe, mich beleidigt zu fühlen, wenn ein Adler dergleichen von mir dachte. Ich glaube, der Blick, den ich ihm zurückwarf, war noch stolzer als der seinige, und wenn er sich bei dem ersten besten Lorbeerbaume erkundigt hat, so weiß er jetzt, wer ich bin.

Ich war wirklich im Gebirge verirrt, als schon die Dämmerung hereinbrach und die bunten Waldlieder allmählich verstummten und die Bäume immer ernsthafter rauschten. Eine erhabene Heimlichkeit und innige Feier zog, wie der Odem Gottes, durch die verklärte Stille. Hie und da, aus dem Boden, blickte ein schönes dunkles Auge zu mir herauf und verschwand im selben Augenblick. Zärtliches Flüstern tändelte mir ums Herz, und unsichtbare Küsse berührten luftig meine Wangen. Das Abendrot umhüllte die Berge wie mit Purpurmänteln, und die letzten Sonnenstrahlen beleuchteten ihre Gipfel, daß es aussah, als wären sie Könige mit goldenen Kronen auf den Häuptern. Ich aber stand wie ein Kaiser der Welt in der Mitte dieser gekrönten Vasallen, die schweigend mir huldigten.

Kapitel IV

Ich weiß nicht, ob der Mönch, der mir unfern Lucca begegnete, ein frommer Mann ist. Aber ich weiß, sein alter Leib steckt arm und nackt in einer groben Kutte, jahraus, jahrein; die zerrissenen Sandalen können seine bloßen Füße nicht genug schützen, wenn er, durch Dorn und Gestrippe, die Felsen hinaufklimmt, um droben in den Bergdörfern Kranke zu trösten oder Kinder beten zu lehren; – und er ist zufrieden, wenn man ihm dafür ein Stückchen Brot in den Sack steckt und ihm ein bißchen Stroh gibt, um darauf zu schlafen.

»Gegen den Mann will ich nicht schreiben«, sprach ich zu mir selbst. »Wenn ich wieder zu Hause in Deutschland, auf meinem Lehnsessel, am knisternden Öfchen, bei einer behaglichen Tasse Tee, wohlgenährt und warm sitze und gegen die katholischen Pfaffen schreibe – gegen den Mann will ich nicht schreiben.« –

Um gegen die katholischen Pfaffen zu schreiben, muß man auch ihre Gesichter kennen. Die Originalgesichter sieht man aber nur in Italien. Die deutschen katholischen Priester und Mönche sind bloß schlechte Nachahmungen, oft sogar Parodien der italienischen; eine Vergleichung derselben würde ebenso ausfallen, als wenn man römische oder florentinische Heiligenbilder vergleichen wollte mit jenen heuschrecklichen, frommen Fratzen, die etwa dem spießbürgerlichen Pinsel eines Nürenberger Stadtmalers oder gar der lieben Einfalt eines Gemütsbeflissenen aus der langhaarig christlich neudeutschen Schule ihr trauriges Dasein verdanken.

Die Pfaffen in Italien haben sich schon längst mit der öffentlichen Meinung abgefunden, das Volk dort ist längst daran gewöhnt, die geistliche Würde von der unwürdigen Person zu unterscheiden, jene zu ehren, wenn auch diese verächtlich ist. Eben der Kontrast, den die idealen Pflichten und Ansprüche des geistlichen Standes und die unabweislichen Bedürfnisse der sinnlichen Natur bilden müssen, jener uralte, ewige Konflikt zwischen dem Geiste und der Materie, macht die italienischen Pfaffen zu stehenden Charakteren des Volkshumors, in Satiren, Liedern und Novellen. Ähnliche Erscheinungen zeigen sich uns überall, wo ein ähnlicher Priesterstand vorhanden ist, z.B. in Hindostan. In den Komödien dieses urfrommen Landes, wie wir schon in der »Sakontala« bemerkt und in der neulich übers setzten »Vasantasena« bestätigt finden, spielt immer ein Brahmine die komische Rolle, sozusagen den Priestergrazioso, ohne daß dadurch die Ehrfurcht, die man seinen Opferverrichtungen und seiner privilegierten Heiligkeit schuldig ist, im mindesten beeinträchtigt wird – ebensowenig wie ein Italiener mit minderer Andacht bei einem Priester Messe hört oder beichtet, den er noch tags zuvor betrunken im Straßenkote gefunden hat. In Deutschland ist das anders, der katholische Priester will da nicht bloß seine Würde durch sein Amt, sondern auch sein Amt durch seine Person repräsentieren; und weil er es vielleicht anfangs mit seinem Berufe wirklich ganz ernsthaft gemeint hat und er nachher, wenn seine Keuschheits- und Demutsgelübde etwas mit dem alten Adam kollidieren, sie dennoch nicht öffentlich verletzen will, besonders auch, weil er unserem Freunde Krug in Leipzig keine Blöße geben will, so sucht er wenigstens den Schein eines heiligen Wandels zu bewahren. Daher Scheinheiligkeit, Heuchelei und gleisendes Frömmeln bei deutschen Pfaffen; bei den italienischen hingegen viel mehr Durchsichtigkeit der Maske und eine gewisse feiste Ironie und behagliche Weltverdauung.

Doch was helfen solche allgemeine Reflexionen! Sie können dir wenig nutzen, lieber Leser, wenn du etwa Lust hättest, gegen das katholische Pfaffentum zu schreiben. Zu diesem Zwecke muß man, wie gesagt, mit eignen Augen die Gesichter sehen, die dazu gehören. Wahrlich, es ist nicht einmal hinreichend, wenn man sie im königlichen Opernhause zu Berlin gesehen hat. Der vorige Generalintendanz tat zwar immer das Seinige, um den Krönungszug in der »Jungfrau von Orleans« so täuschend treu als möglich darzustellen, seinen Landsleuten die Idee einer Prozession zu veranschaulichen und ihnen Pfaffen von allen Couleuren vor Augen zu bringen. Doch das getreueste Kostüm kann nicht die Originalgesichter ersetzen, und vertrödelte man sogar noch extra 100000 Taler für goldne Bischofsmützen, festonierte Chorhemden, buntgestickte Meßgewänder und ähnlichen Kram – so würden doch die protestantisch vernünftigen Nasen, die unter jenen Bischofsmützen hervorprotestieren, die dünnen denkgläubigen Beine, die aus den weißen Spitzen dieser Chorhemden herausgucken, die aufgeklärten Bäuche, denen jene Meßgewänder viel zu weit, alles würde unsereinen daran erinnern, daß keine katholische Geistliche, sondern Berliner Weltliche über die Bühne wandeln.

Ich habe oft darüber nachgedacht, ob der Generalintendant jenen Zug nicht viel besser darstellen und uns das Bild einer Prozession viel treuer vor Augen bringen könnte, wenn er die Rollen der katholischen Pfaffen nicht mehr von den gewöhnlichen Statisten, sondern von jenen protestantischen Geistlichen spielen ließe, die in der theologischen Fakultät, in der »Kirchenzeitung« und auf den Kanzeln am orthodoxesten gegen Vernunft, Weltlust, Gesenius und Teufeltum zu predigen wissen. Es würden dann Gesichter zum Vorschein kommen, deren pfäffisches Gepräge gewiß jenen Rollen viel täuschender entspräche. Ist es doch eine bekannte Bemerkung, daß die Pfaffen in der ganzen Welt, Rabbinen, Muftis, Dominikaner, Konsistorialräte, Popen, Bonzen, kurz, das ganze diplomatische Korps Gottes, im Gesichte eine gewisse Familienähnlichkeit haben, wie man sie immer findet bei Leuten, die ein und dasselbe Gewerbe treiben. Schneider, in der ganzen Welt, zeichnen sich aus durch Zartheit der Glieder, Metzger und Soldaten tragen wieder überall denselben farouchen Anstrich, Juden haben ihre eigentümlich ehrliche Miene, nicht weil sie von Abraham, Isaak und Jakob abstammen, sondern weil sie Kaufleute sind, und der Frankfurter christliche Kaufmann sieht dem Frankfurter jüdischen Kaufmanne ebenso ähnlich wie ein faules Ei dem andern. Die geistlichen Kaufleute, solche, die von Religionsgeschäften ihren Unterhalt gewinnen, erlangen daher auch im Gesichte eine Ähnlichkeit. Freilich, einige Nuancen entstehen durch die Art und Weise, wie sie ihr Geschäft treiben. Der katholische Pfaffe treibt es mehr wie ein Kommis, der in einer großen Handlung angestellt ist; die Kirche, das große Haus, dessen Chef der Papst ist, gibt ihm bestimmte Beschäftigung und dafür ein bestimmtes Salär; er arbeitet lässig, wie jeder, der nicht für eigne Rechnung arbeitet und viele Kollegen hat und im großen Geschäftstreiben leicht unbemerkt bleibt – nur der Kredit des Hauses liegt ihm am Herzen und noch mehr dessen Erhaltung, da er bei einem etwaigen Bankerotte seinen Lebensunterhalt verlöre. Der protestantische Pfaffe hingegen ist überall selbst Prinzipal, und er treibt die Religionsgeschäfte für eigene Rechnung. Er treibt keinen Großhandel wie sein katholischer Gewerbsgenosse, sondern nur einen Kleinhandel; und da er demselben allein vorstehen muß, darf er nicht lässig sein, er muß seine Glaubensartikel den Leuten anrühmen, die Artikel seiner Konkurrenten herabsetzen, und als echter Kleinhändler steht er in seiner Ausschnittbude, voll von Gewerbsneid gegen alle großen Häuser, absonderlich gegen das große Haus in Rom, das viele tausend Buchhalter und Packknechte besoldet und seine Faktoreien hat in allen vier Weltteilen.

Solches hat nun freilich auch seine physiognomische Wirkungen, aber diese sind doch nicht vom Parterre aus bemerkbar, die Familienähnlichkeit in den Gesichtern katholischer und protestantischer Pfaffen bleibt doch in ihren Hauptzügen unverändert, und wenn der Generalintendant die obenerwähnten Herren gut bezahlt, so werden sie ihre Rolle, wie immer, recht täuschend spielen. Auch ihr Gang wird zur Illusion beitragen, obgleich ein feines, geübtes Auge wohl merkt, daß er sich von dem Gange katholischer Priester und Mönche ebenfalls durch feine Nuancen unterscheidet.

Ein katholischer Pfaffe wandelt einher, als wenn ihm der Himmel gehöre; ein protestantischer Pfaffe hingegen geht herum, als wenn er den Himmel gepachtet habe.

Kapitel V

Es war schon Nacht, als ich die Stadt Lucca erreichte.

Wie ganz anders erschien sie mir die Woche vorher, als ich am Tage durch die widerhallend öden Straßen wandelte und mich in eine jener verwunschenen Städte versetzt glaubte, wovon mir einst die Amme soviel erzählt. Da war die ganze Stadt still wie das Grab, alles war so verblichen und verstorben, auf den Dächern spielte der Sonnenglanz, wie Goldflitter, auf dem Haupte einer Leiche, hie und da aus den Fenstern eines altverfallenen Hauses hingen Efeuranken, wie vertrocknet grüne Tränen, überall glimmernder Moder und ängstlich stockender Tod, die Stadt schien nur das Gespenst einer Stadt, ein steinerner Spuk am hellen Tage. Da suchte ich lange vergebens die Spur eines lebendigen Wesens. Ich erinnere mich nur, vor einem alten Palazzo lag ein schlafender Bettler mit ausgestreckt offner Hand. Auch erinnere ich mich, oben am Fenster eines schwärzlich morschen Häuslein sah ich einen Mönch, der den roten Hals mit dem feisten Glatzenhaupt recht lang aus der braunen Kutte hervorreckte, und neben ihm kam ein vollbusig nacktes Weibsbild zum Vorschein; unten, in die halb offne Haustüre, sah ich einen kleinen Jungen hineingehen, der als ein schwarzer Abate gekleidet war und mit beiden Händen eine mächtig großbäuchige Weinflasche trug. – In demselben Augenblick läutete unfern ein feines ironisches Glöcklein, und in meinem Gedächtnisse kicherten die Novellen des Boccaccio. Diese Klänge konnten aber keineswegs das seltsame Grauen, das meine Seele durchschauerte, ganz verscheuchen. Es hielt mich vielleicht um so gewaltiger befangen, da die Sonne, so warm und hell, die unheimlichen Gebäude beleuchtete; und ich merkte wohl, Gespenster sind noch furchtbarer, wenn sie den schwarzen Mantel der Nacht abwerfen und sich im hellen Mittagslichte sehen lassen.

Als ich jetzt, acht Tage später, wieder nach Lucca kam, wie erstaunte ich über den veränderten Anblick dieser Stadt! »Was ist das?« rief ich, als die Lichter mein Auge blendeten und die Menschenströme durch die Gassen sich wälzten. »Ist ein ganzes Volk als nächtliches Gespenst aus dem Grabe gestiegen, um im tollsten Mummenschanz das Leben nachzuäffen? Die hohen, trüben Häuser sind mit Lampen verziert, überall aus den Fenstern hängen bunte Teppiche, die morschgrauen Wände fast bedeckend, und darüber lehnen sich holde Mädchengesichter, so frisch, so blühend, daß ich wohl merke, es ist das Leben selbst, das sein Vermählungsfest mit dem Tode feiert und Schönheit und Jugend dazu eingeladen hat.« Ja, es war so ein lebendes Totenfest, ich weiß nicht, wie es im Kalender genannt wird, auf jeden Fall so ein Schindungstag irgendeines geduldigen Martyrers, denn ich sah nachher einen heiligen Totenschädel und noch einige Extraknochen mit Blumen und Edelsteinen geziert und unter hochzeitlicher Musik herumtragen. Es war eine schöne Prozession.

Voran gingen die Kapuziner, die sich von den anderen Mönchen durch lange Bärte auszeichneten und gleichsam die Sappeurs dieser Glaubensarmee bildeten. Darauf folgten Kapuziner ohne Bärte, worunter viele männlich edle Gesichter, sogar manch jugendlich schönes Gesicht, das die breite Tonsur sehr gut kleidete, weil der Kopf dadurch wie mit einem zierlichen Haarkranz umflochten schien und samt dem bloßen Nacken recht anmutig aus der braunen Kutte hervortrat. Hierauf folgten Kutten von anderen Farben, schwarz, weiß, gelb, panaché, auch herabgeschlagene dreieckige Hüte, kurz, all jene Klosterkostüme, womit wir durch die Bemühungen unseres Generalintendanten längst bekannt sind. Nach den Mönchsorden kamen die eigentlichen Priester, weiße Hemde über schwarze Hosen, und farbige Käppchen; hinter ihnen kamen noch vornehmere Geistliche, in buntseidne Decken gewickelt und auf dem Haupte eine Art hoher Mützen, die wahrscheinlich aus Ägypten stammen und die man auch aus dem Denonschen Werke, aus der »Zauberflöte« und aus dem Belzoni kennenlernt; es waren altgediente Gesichter, und sie schienen eine Art von alter Garde zu bedeuten. Zuletzt kam der eigentliche Stab, ein Thronhimmel und darunter ein alter Mann mit einer noch höheren Mütze und in einer noch reicheren Decke, deren Zipfel von zwei ebenso gekleideten alten Männern, nach Pagenart, getragen wurden.

Die vorderen Mönche gingen mit gekreuzten Armen ernsthaft schweigend; aber die mit den hohen Mützen sangen einen gar unglücklichen Gesang, so näselnd, so schlürfend, so kollerend, daß ich überzeugt bin, wären die Juden die größere Volksmenge und ihre Religion wäre die Staatsreligion, so würde man obiges Gesinge mit dem Namen »Mauscheln« bezeichnen. Glücklicherweise konnte man es nur zur Hälfte vernehmen, indem hinter der Prozession, mit lautem Trommeln und Pfeifen, mehrere Kompanien Militär einherzogen, so wie überhaupt an beiden Seiten neben den wallenden Geistlichen auch immer je zwei und zwei Grenadiere marschierten. Es waren fast mehr Soldaten als Geistliche; aber zur Unterstützung der Religion gehören heutzutage viel Bajonette, und wenn gar der Segen gegeben wird, dann müssen in der Ferne auch die Kanonen bedeutungsvoll donnern.

Wenn ich eine solche Prozession sehe, wo unter stolzer Militäreskorte die Geistlichen so gar trübselig und jammervoll einherwandeln, so ergreift es mich immer schmerzhaft, und es ist mir, als sähe ich unseren Heiland selbst, umringt von Lanzenträgern, zur Richtstätte abführen. Die Sterne zu Lucca dachten gewiß wie ich, und als ich seufzend nach ihnen hinaufblickte, sahen sie mich so übereinstimmend an mit ihren frommen Augen, so hell, so klar. Aber man bedurfte nicht ihres Lichtes, tausend und aber tausend Lampen und Kerzen und Mädchengesichter flimmerten aus allen Fenstern, an den Straßenecken standen lodernde Pechkränze aufgepflanzt, und dann hatte auch jeder Geistliche noch seinen besonderen Kerzenträger zur Seite. Die Kapuziner hatten meistens kleine Buben, die ihnen die Kerze trugen, und die jugendlich frischen Gesichtchen schauten bisweilen recht neugierig vergnügt hinauf nach den alten, ernsten Bärten; so ein armer Kapuziner kann keinen großen Kerzenträger besolden, und der Knabe, den er das Ave Maria lehrt oder dessen Muhme ihm beichtet, muß bei Prozessionen wohl gratis dieses Amt übernehmen, und es wird darum gewiß nicht mit geringerer Liebe verrichtet. Die folgenden Mönche hatten nicht viel größere Buben, einige vornehmere Orden hatten schon erwachsene Rangen, und die hochmütigen Priester hatten wirkliche Bürgersleute zu Kerzenträgern. Aber endlich gar der Herr Erzbischof – denn das war wohl der Mann, der in vornehmer Demut unter dem Thronhimmel ging und sich die Gewandzipfel von greisen Pagen nachtragen ließ –, dieser hatte an jeder Seite einen Lakaien, die beide in blauen Livreen mit gelben Tressen prangten und zeremoniös, als servierten sie bei Hof, die weißen Wachskerzen trugen.

Auf jeden Fall schien mir solche Kerzenträgerei eine gute Einrichtung, denn ich konnte dadurch um so heller die Gesichter besehen, die zum Katholizismus gehören. Und ich habe sie jetzt gesehen, und zwar in der besten Beleuchtung. Und was sah ich denn? Nun ja, der klerikale Stempel fehlte nirgends. Aber dieses abgerechnet, waren die Gesichter untereinander ebenso verschieden wie andre Gesichter. Das eine war blaß, das andre rot, diese Nase erhob sich stolz, jene war niedergeschlagen, hier ein funkelnd schwarzes, dort ein schimmernd graues Auge – aber in allen diesen Gesichtern lagen die Spuren derselben Krankheit, einer schrecklichen, unheilbaren Krankheit, die wahrscheinlich Ursache sein wird, daß mein Enkel, wenn er hundert Jahr später die Prozession in Lucca zu sehen bekommt, kein einziges von jenen Gesichtern wiederfindet. Ich fürchte, ich bin selbst angesteckt von dieser Krankheit, und eine Folge derselben ist jene Weichheit, die mich wunderbar beschleicht, wenn ich so ein sieches Mönchsgesicht betrachte und darauf die Symptome jener Leiden sehe, die sich unter der groben Kutte verstecken: – gekränkte Liebe, Podagra, getäuschter Ehrgeiz, Rückendarre, Reue, Hämorrhoiden, die Herzwunden, die uns vom Undank der Freunde, von der Verleumdung der Feinde und von der eignen Sünde geschlagen worden, alles dieses und noch viel mehr, was ebenso leicht unter einer groben Kutte wie unter einem feinen Modefrack seinen Platz zu finden weiß. Oh! es ist keine Übertreibung, wenn der Poet in seinem Schmerze ausruft: »Das Leben ist eine Krankheit, die ganze Welt ein Lazarett!«

»Und der Tod ist unser Arzt –« Ach! ich will nichts Böses von ihm reden und nicht andre in ihrem Vertrauen stören; denn da er der einzige Arzt ist, so mögen sie immerhin glauben, er sei auch der beste, und das einzige Mittel, das er anwendet, seine ewige Erdkur, sei auch das beste. Wenigstens kann man von ihm rühmen, daß er immer gleich bei der Hand ist und trotz seiner großen Praxis nie lange auf sich warten läßt, wenn man ihn verlangt. Manchmal folgt er seinen Patienten sogar zur Prozession und trägt ihnen die Kerze. Es war gewiß der Tod selbst, den ich an der Seite eines blassen, bekümmerten Priesters gehen sah; in dünnen zitternden Knochenhänden trug er diesem die flimmernde Kerze, nickte dabei gar gutmütig besänftigend mit dem ängstlich kahlen Köpfchen, und so schwach er selbst auf den Beinen war, so unterstützte er doch noch zuweilen den armen Priester, der bei jedem Schritte noch bleicher wurde und umsinken wollte. Er schien ihm Mut einzusprechen: »Warte nur noch einige Stündchen, dann sind wir zu Hause, und ich lösche die Kerze aus, und ich lege dich aufs Bett, und die kalten, müden Beine können ausruhen, und du sollst so fest schlafen, daß du das wimmernde Sankt-Michaels-Glöckchen nicht hören wirst.«

›Gegen den Mann will ich auch nicht schreiben‹, dacht ich, als ich den armen, bleichen Priester sah, dem der leibhaftige Tod zu Bette leuchtete.

Ach! man sollte eigentlich gegen niemanden in dieser Welt schreiben. Jeder ist selbst krank genug in diesem großen Lazarett, und manche polemische Lektüre erinnert mich unwillkürlich an ein widerwärtiges Gezänk in einem kleineren Lazarett zu Krakau, wobei ich mich als zufälliger Zuschauer befand und wo entsetzlich anzuhören war, wie die Kranken sich einander ihre Gebrechen spottend vorrechneten, wie ausgedörrte Schwindsüchtige den aufgeschwollenen Wassersüchtling verhöhnten, wie der eine lachte über den Nasenkrebs des andern und dieser wieder über Maulsperre und Augenverdrehung seiner Nachbaren, bis am Ende die Fiebertollen nackt aus den Betten sprangen und den andern Kranken die Decken und Laken von den wunden Leibern rissen und nichts als scheußliches Elend und Verstümmlung zu sehen war.

Kapitel VI

Jener schenkte nunmehr auch der übrigen Götterversammlung,

Rechtshin, lieblichen Nektar dem Mischkrug emsig entschöpfend.

Doch unermeßliches Lachen erscholl den seligen Göttern,

Als sie sahn, wie Hephästos im Saal so gewandt umherging.

Also den ganzen Tag bis spät zur sinkenden Sonne

Schmausten sie; und nicht mangelt’ ihr Herz des gemeinsamen Mahles,

Nicht des Saitengetöns von der lieblichen Leier Apollons,

Noch des Gesangs der Musen mit holdantwortender Stimme.

Vulgata

Da plötzlich keuchte heran ein bleicher, bluttriefender Jude, mit einer Dornenkrone auf dem Haupte und mit einem großen Holzkreuz auf der Schulter; und er warf das Kreuz auf den hohen Göttertisch, daß die goldnen Pokale zitterten und die Götter verstummten und erblichen und immer bleicher wurden, bis sie endlich ganz in Nebel zerrannen.

Nun gab’s eine traurige Zeit, und die Welt wurde grau und dunkel. Es gab keine glücklichen Götter mehr, der Olymp wurde ein Lazarett, wo geschundene, gebratene und gespießte Götter langweilig umherschlichen und ihre Wunden verbanden und triste Lieder sangen. Die Religion gewährte keine Freude mehr, sondern Trost; es war eine trübselige, blutrünstige Delinquentenreligion.

War sie vielleicht nötig für die erkrankte und zertretene Menschheit? Wer seinen Gott leiden sieht, trägt leichter die eignen Schmerzen. Die vorigen heiteren Götter, die selbst keine Schmerzen fühlten, wußten auch nicht, wie armen gequälten Menschen zumute ist, und ein armer gequälter Mensch könnte auch, in seiner Not, kein rechtes Herz zu ihnen fassen. Es waren Festtagsgötter, um die man lustig herumtanzte und denen man nur danken konnte. Sie wurden deshalb auch nie so ganz von ganzem Herzen geliebt. Um so ganz von ganzem Herzen geliebt zu werden – muß man leidend sein. Das Mitleid ist die letzte Weihe der Liebe, vielleicht die Liebe selbst. Von allen Göttern, die jemals gelebt haben, ist daher Christus derjenige Gott, der am meisten geliebt worden. Besonders von den Frauen – –

Dem Menschengewühl entfliehend, habe ich mich in eine einsame Kirche verloren, und was du, lieber Leser, eben gelesen hast, sind nicht so sehr meine eignen Gedanken als vielmehr einige unwillkürliche Worte, die in mir laut geworden, während ich, dahingestreckt auf einer der alten Betbänke, die Töne einer Orgel durch meine Brust ziehen ließ. Da liege ich, mit phantasierender Seele, der seltsamen Musik noch seltsamere Texte unterdichtend; dann und wann schweifen meine Blicke durch die dämmernden Bogengänge und suchen die dunkeln Klangfiguren, die zu jenen Orgelmelodien gehören. Wer ist die Verschleierte, die dort kniet vor dem Bilde einer Madonna? Die Ampel, die davor hängt, beleuchtet grauenhaft süß die schöne Schmerzenmutter einer gekreuzigten Liebe, die Venus dolorosa; doch kupplerisch geheimnisvolle Lichter fallen zuweilen wie verstohlen auf die schönen Formen der verschleierten Beterin. Diese liegt zwar regungslos auf den steinernen Altarstufen, doch in der wechselnden Beleuchtung bewegt sich ihr Schatten, läuft manchmal zu mir heran, zieht sich wieder hastig zurück, wie ein stummer Mohr, der ängstliche Liebesbote in einem Harem – und ich verstehe ihn. Er verkündet mir die Gegenwart seiner Herrin, der Sultanin meines Herzens.

Es wird aber allmählich immer dunkler im leeren Hause, hie und da huscht eine unbestimmte Gestalt den Pfeilern entlang, dann und wann steigt leises Murmeln aus einer Seitenkapelle, und ihre langen, langgezogenen Töne stöhnt die Orgel wie ein seufzendes Riesenherz –

Es war aber, als ob jene Orgeltöne niemals aufhören, als ob jene Sterbelaute, jener lebende Tod ewig dauern wollte, ich fühlte so unsägliche Beklommenheit, so namenlose Angst, als wäre ich scheintot begraben worden, ja als wäre ich, ein Längstverstorbener, aus dem Grabe gestiegen und sei, mit unheimlichen Nachtgesellen, in die Gespensterkirche gegangen, um die Totengebete zu hören und Leichensünden zu beichten. Manchmal war mir, als sähe ich sie wirklich neben mir sitzen, in geisterhaftem Dämmerlichte, die abgeschiedene Gemeinde, in verschollen altflorentinischen Trachten, mit langen, blassen Gesichtern, goldbeschlagene Gebetbücher in dünnen Händen, heimlich wispernd und melancholisch einander zunickend. Der wimmernde Ton eines fernen Sterbeglöckchens mahnte mich wieder an den kranken Priester, den ich bei der Prozession gesehen, und ich sprach zu mir selber: »Der ist jetzt auch gestorben und kommt hierher, um die erste Nachtmesse zu lesen, und da beginnt erst recht der traurige Spuk.« Plötzlich aber erhob sich, von den Stufen des Altars, die holde Gestalt der verschleierten Beterin –

Ja, sie war es, schon ihr lebendiger Schatten verscheuchte die weißen Gespenster, ich sah jetzt nur sie, ich folgte ihr rasch zur Kirche hinaus, und als sie vor der Türe den Schleier zurückschlug, sah ich in Franscheskas beträntes Antlitz. Es glich einer sehnsüchtig weißen Rose, angeperlt vom Tau der Nacht und beglänzt vom Strahl des Mondes. »Franscheska, liebst du mich?« Ich frug viel, und sie antwortete wenig. Ich begleitete sie nach dem Hotel Croce di Malta, wo sie und Mathilde logierten. Die Straßen waren leer geworden, die Häuser schliefen mit geschlossenen Fensteraugen, nur hie und da, durch die hölzernen Wimpern, blinzelte ein Lichtchen. Oben am Himmel aber trat ein breiter hellgrüner Raum aus den Wolken hervor, und darin schwamm der Halbmond, wie eine silberne Gondel in einem Meer von Smaragden. Vergebens bat ich Franscheska, nur ein einziges Mal hinaufzusehen zu unserem alten, lieben Vertrauten; sie hielt aber das Köpfchen träumend gesenkt. Ihr Gang, der sonst so heiter dahinschwebend, war jetzt wie kirchlich gemessen, ihr Schritt war düster katholisch, sie bewegte sich wie nach dem Takte einer feierlichen Orgel, und wie in früheren Nächten die Sünde, so war ihr jetzt die Religion in die Beine gefahren. Unterwegs vor jedem Heiligenbilde bekreuzte sie sich Haupt und Busen; vergebens versuchte ich, ihr dabei zu helfen. Als wir aber auf dem Markte der Kirche San Michele vorbeikamen, wo die marmorne Schmerzensmutter mit den vergoldeten Schwertern im Herzen und mit der Lämpchenkrone auf dem Haupte aus der dunkeln Nische hervorleuchtete, da schlang Franscheska ihren Arm um meinen Hals, küßte mich und flüsterte: »Cecco, Cecco, caro Cecco!«

Ich nahm diese Küsse ruhig in Empfang, obgleich ich wohl wußte, daß sie im Grunde einem bolognesischen Abate, einem Diener der römisch-katholischen Kirche, zugedacht waren. Als Protestant machte ich mir kein Gewissen daraus, mir die Güter der katholischen Geistlichkeit zuzueignen, und auf der Stelle säkularisierte ich die frommen Küsse Franscheskas. Ich weiß, die Pfaffen werden hierüber wütend sein, sie schreien gewiß über Kirchenraub und würden gern das französische Sakrilegiengesetz auf mich anwenden. Leider muß ich gestehen, daß besagte Küsse das einzige waren, was ich in jener Nacht erbeuten konnte. Franscheska hatte beschlossen, diese Nacht nur zum Heile ihrer Seele, kniend und betend, zu benutzen. Vergebens erbot ich mich, ihre Andachtsübungen zu teilen; – als sie ihr Zimmer erreichte, schloß sie mir die Türe vor der Nase zu. Vergebens stand ich draußen noch eine ganze Stunde und bat um Einlaß und seufzte alle möglichen Seufzer und heuchelte fromme Tränen und schwor die heiligsten Eide – versteht sich, mit geistlichem Vorbehalte, ich fühlte, wie ich allmählich ein Jesuit wurde, ich wurde ganz schlecht und erbot mich endlich sogar, katholisch zu werden für diese einzige Nacht –

»Franscheska!« rief ich, »Stern meiner Gedanken! Gedanke meiner Seele! vita della mia vita! meine schöne, oftgeküßte, schlanke, katholische Franscheska! für diese einzige Nacht, die du mir noch gewährst, will ich selbst katholisch werden – aber auch nur für diese einzige Nacht! Oh, die schöne, selige, katholische Nacht! Ich liege in deinen Armen, strengkatholisch glaube ich an den Himmel deiner Liebe, von den Lippen küssen wir uns das holde Bekenntnis, das Wort wird Fleisch, der Glaube wird versinnlicht, in Form und Gestalt, welche Religion! Ihr Pfaffen! jubelt unterdessen eu’r Kyrie eleison, klingelt, räuchert, läutet die Glocken, laßt die Orgel brausen, laßt die Messe von Palestrina erklingen. ›Das ist der Leib!‹ – ich glaube, ich bin selig, ich schlafe ein – aber sobald ich des anderen Morgens erwache, reibe ich mir den Schlaf und den Katholizismus aus den Augen und sehe wieder klar in die Sonne und in die Bibel und bin wieder protestantisch vernünftig und nüchtern, nach wie vor.«

Kapitel VII

Als am anderen Tage die Sonne wieder herzlich vom Himmel herablachte, erloschen gänzlich die trübseligen Gedanken und Gefühle, die von der Prozession des vorhergehenden Abends in mir erregt worden und mir das Leben wie eine Krankheit und die Welt wie ein Lazarett ansehen ließen.

Die ganze Stadt wimmelte von heiterem Volk. Geputzt bunte Menschen, dazwischen hüpfte hie und da ein schwarz Pfäfflein. Das brauste und lachte und schwatzte, man hörte fast nicht das Glockengebimmel, das zu einer großen Messe einlud, in die Kathedrale. Diese ist eine schöne, einfache Kirche, deren buntmarmorne Fassade mit jenen kurzen, übereinandergebauten Säulchen geziert ist, die uns so witzig trübe ansehen. Inwendig waren Pfeiler und Wände mit rotem Tuche überkleidet, und heitere Musik ergoß sich über die wogende Menschenmenge. Ich führte Signora Franscheska am Arm, und als ich ihr beim Eintritt das Weihwasser reichte und durch die süßfeuchte Fingerberührung unsere Seelen elektrisiert wurden, bekam ich auch zu gleicher Zeit einen elektrischen Schlag ans Bein, daß ich vor Schreck fast hinpurzelte über die knienden Bäuerinnen, die, ganz weiß gekleidet und mit langen 0hrringen und Halsketten von gelbem Golde belastet, in dichten Haufen den Boden bedeckten. Als ich mich umsah, erblickte ich ein ebenfalls kniendes Frauenzimmer, das sich fächerte, und hinter dem Fächer erspähte ich Myladys kichernde Augen. Ich beugte mich zu ihr hinab, und sie hauchte mir schmachtend ins Ohr: »Delightful!«

»Um Gottes willen!« flüsterte ich ihr zu, »bleiben Sie ernsthaft, lachen Sie nicht; sonst werden wir wahrhaftig hinausgeschmissen!«

Aber da half kein Bitten und Flehen. Zum Glück verstand man unsre Sprache nicht. Denn als Mylady aufstand und uns durch das Gedränge zum Hauptaltar folgte, überließ sie sich ihren tollen Launen, ohne die mindeste Rücksicht, als stünden wir allein auf den Apenninen. Sie mokierte sich über alles, sogar die armen gemalten Bilder an den Wänden waren vor ihren Pfeilen nicht sicher.

»Sieh da!« rief sie, »auch Lady Eva, geborne von Rippe, wie sie mit der Schlange diskuriert! Es ist ein guter Einfall des Malers, daß er der Schlange einen menschlichen Kopf mit einem menschlichen Gesichte gab; es wäre jedoch noch weit sinnreicher gewesen, wenn er dieses Verführungsgesicht mit einem militärischen Schnurrbart verziert hätte. Sehen Sie, Doktor, dort den Engel, welcher der hochgebenedeiten Jungfrau ihren gesegneten Zustand verkündigt und dabei so ironisch lächelt? Ich weiß, was dieser Ruffiano denkt! Und diese Maria, zu deren Füßen die heilige Allianz des Morgenlandes, mit Gold- und Weihrauchgaben, niederkniet, sieht sie nicht aus wie die Catalani?«

Signora Franscheska, welche von diesem Geschwätz, wegen ihrer Unkenntnis des Englischen, nichts verstand als das Wort Catalani, bemerkte hastig, daß die Dame, wovon unsre Freundin spreche, jetzt wirklich den größten Teil ihrer Renommee verloren habe. Unsre Freundin aber ließ sich nicht stören und kommentierte auch die Passionsbilder, bis zur Kreuzigung, einem überaus schönen Gemälde, worauf unter anderen drei dumme untätige Gesichter abgebildet waren, die dem Gottesmärtyrtum gemächlich zusahen und von denen Mylady durchaus behauptete, es seien die bevollmächtigten Kommissarien von Östreich, Rußland und Frankreich.

Indessen die alten Freskos, die zwischen den roten Decken der Wände zum Vorschein kamen, vermochten einigermaßen mit ihrem inwohnenden Ernste die britische Spottlust abzuwehren. Es waren darauf Gesichter aus jener heldenmütigen Zeit Luccas, wovon in den Geschichtsbüchern Machiavells, des romantischen Sallusts, soviel die Rede ist und deren Geist uns aus den Gesängen Dantes, des katholischen Homers, so feurig entgegenweht. Wohl sprechen aus jenen Mienen die strengen Gefühle und barbarischen Gedanken des Mittelalters; wenn auch auf manchem stummen Jünglingsmunde das lächelnde Bekenntnis schwebt, daß damals nicht alle Rosen so ganz steinern und umflort gewesen sind, und wenn auch durch die fromm gesenkten Augenwimpern mancher Madonna aus jener Zeit ein so schalkhafter Liebeswink blinzelt, als ob sie uns gern noch ein zweites Christkindlein schenken möchte. Jedenfalls ist es aber ein hoher Geist, der uns aus jenen altflorentinischen Gemälden anspricht, es ist das eigentlich Heroische, das wir auch in den marmornen Götterbildern der Alten erkennen und das nicht, wie unsre Ästhetiker meinen, in einer ewigen Ruhe ohne Leidenschaft, sondern in einer ewigen Leidenschaft ohne Unruhe besteht. Auch durch einige spätere Ölbilder, die im Dome von Lucca hängen, zieht sich, vielleicht als traditioneller Nachhall, jener altflorentinische Sinn. Besonders fiel mir auf eine Hochzeit zu Kana, von einem Schüler des Andrea del Sarto, etwas hart gemalt und schroff gestaltet. Der Heiland sitzt zwischen der weichen schönen Braut und einem Pharisäer, dessen steinernes Gesetztafelgesicht sich wundert über den genialen Propheten, der sich heiter mischt in die Reihen der Heiteren und die Gesellschaft mit Wundern regaliert, die noch größer sind als die Wunder des Moses; denn dieser konnte, wenn er noch so stark gegen den Felsen schlug, nur Wasser hervorbringen, jener aber brauchte nur ein Wort zu sprechen, und die Krüge füllten sich mit dem besten Wein. Viel weicher, fast venezianisch koloriert, ist das Gemälde von einem Unbekannten, das daneben hängt und worin der freundlichste Farbenschmelz von einem durchbebenden Schmerze gar seltsam gedämpft wird. Es stellt dar, wie Maria ein Pfund Salbe nahm, von ungefälschter köstlicher Narde, und damit die Füße Jesu salbte und sie mit ihren Haaren trocknete. Christus sitzt da, im Kreise seiner Jünger, ein schöner, geistreicher Gott, menschlich wehmütig fühlt er eine schaurige Pietät gegen seinen eignen Leib, der bald soviel dulden wird und dem die salbende Ehre, die man den Gestorbenen erweist, schon jetzt gebührt und schon jetzt widerfährt; er lächelt gerührt hinab auf das kniende Weib, das, getrieben von ahnender Liebesangst, jene barmherzige Tat verrichtet, eine Tat, die nie vergessen wird, solange es leidende Menschen gibt, und die zur Erquickung aller leidenden Menschen durch die Jahrtausende duftet. Außer dem Jünger, der am Herzen Christi lag und der auch diese Tat verzeichnet hat, scheint keiner von den Aposteln ihre Bedeutung zu fühlen, und der mit dem roten Barte scheint sogar, wie in der Schrift steht, die verdrießliche Bemerkung zu machen: »Warum ist diese Salbe nicht verkauft um dreihundert Groschen und den Armen gegeben?« Dieser ökonomische Apostel ist eben derjenige, der den Beutel führt, die Gewohnheit der Geldgeschäfte hat ihn abgestumpft gegen alle uneigennützigen Nardendüfte der Liebe, er möchte Groschen dafür einwechseln zu einem nützlichen Zweck, und eben er, der Groschenwechsler, er war es, der den Heiland verriet – um dreißig Silberlinge. So hat das Evangelium auch symbolisch, in der Geschichte des Bankiers unter den Aposteln, die unheimliche Verführungsmacht, die im Geldsacke lauert, offenbart und vor der Treulosigkeit der Geldgeschäftsleute gewarnt. Jeder Reiche ist ein Judas Ischariot.

»Sie schneiden ja ein verbissen gläubiges Gesicht, teurer Doktor«, flüsterte Mylady, »ich habe Sie eben beobachtet, und verzeihen Sie mir, wenn ich Sie etwa beleidige, Sie sahen aus wie ein guter Christ.«

»Unter uns gesagt, das bin ich; ja, Christus –«

»Glauben Sie vielleicht ebenfalls, daß er ein Gott sei?«

»Das versteht sich, meine gute Mathilde. Es ist der Gott, den ich am meisten liebe – nicht weil er so ein legitimer Gott ist, dessen Vater schon Gott war und seit undenklicher Zeit die Welt beherrschte, sondern weil er, obgleich ein geborener Dauphin des Himmels, dennoch, demokratisch gesinnt, keinen höfischen Zeremonialprunk liebt, weil er kein Gott einer Aristokratie von geschorenen Schriftgelehrten und galonierten Lanzenknechten und weil er ein bescheidener Gott des Volks ist, ein Bürgergott, un bon dieu citoyen. Wahrlich, wenn Christus noch kein Gott wäre, so würde ich ihn dazu wählen, und viel lieber als einem aufgezwungenen absoluten Gott würde ich ihm gehorchen, ihm, dem Wahlgotte, dem Gotte meiner Wahl.«

Kapitel VIII

Der Erzbischof, ein ernster Greis, las selber die Messe, und ehrlich gestanden, nicht bloß ich, sondern einigermaßen auch Mylady, wir wurden heimlich berührt von dem Geiste, der in dieser heiligen Handlung wohnt, und von der Weihe des alten Mannes, der sie vollzog; – ist ja doch jeder alte Mann an und für sich ein Priester, und die Zeremonien der katholischen Messe, sind sie doch so uralt, daß sie vielleicht das einzige sind, was sich aus dem Kindesalter der Welt erhalten hat und als Erinnerung an die ersten Vorfahren aller Menschen unsere Pietät in Anspruch nimmt. »Sehen Sie, Mylady«, sagte ich, »jede Bewegung, die Sie hier erblicken, die Art des Zusammenlegens der Hände und des Ausbreitens der Arme, dieses Knicksen, dieses Händewaschen, dieses Beräuchertwerden, dieser Kelch, ja die ganze Kleidung des Mannes, von der Mitra bis zum Saume der Stola, alles dieses ist altägyptisch und Überbleibsel eines Priestertums, von dessen wundersamem Wesen nur die ältesten Urkunden etwas weniges berichten, eines frühesten Priestertums, das die erste Weisheit erforschte, die ersten Götter erfand, die ersten Symbole bestimmte und die junge Menschheit –«

»Zuerst betrog«, setzte Mylady bitteren Tones hinzu, »und ich glaube, Doktor, aus dem frühesten Weltalter ist uns nichts übriggeblieben als einige triste Formeln des Betrugs. Und sie sind noch immer wirksam. Denn sehen Sie dort die stockfinsteren Gesichter? Und gar jenen Kerl, der dort auf seinen dummen Knien liegt und mit seinem aufgesperrten Maule so ultradumm aussieht?«

»Um des lieben Himmels willen!« begütigte ich leise, »was ist daran gelegen, daß dieser Kopf so wenig von der Vernunft erleuchtet ist? Was geht das uns an? Was irritiert Sie dabei? Sehen Sie doch täglich Ochsen, Kühe, Hunde, Esel, die ebenso dumm sind, ohne daß Sie durch solchen Anblick aus Ihrem Gleichmut aufgestört und zu unmutigen Äußerungen angeregt werden?«

»Ach, das ist was anderes«, fiel mir Mylady in die Rede, »diese Bestien tragen hinten Schwänze, und ich ärgre mich eben, daß ein Kerl, der ebenso bestialisch dumm ist, dennoch hinten keinen Schwanz hat.«

»Ja, das ist was andres, Mylady.«

Kapitel IX

Nach der Messe gab’s noch allerlei zu schauen und zu hören, besonders die Predigt eines großen, vierstämmigen Mönchs, dessen befehlend kühnes, altrömisches Gesicht gegen die grobe Bettelkutte gar wundersam abstach, so daß der Mann aussah wie ein Imperator der Armut. Er predigte von Himmel und Hölle und geriet zuweilen in die wütendste Begeisterung. Seine Schilderung des Himmels war ein bißchen barbarisch überladen, und es gab da viel Gold, Silber, Edelsteine, köstliche Speisen und Weine von den besten Jahrgängen; dabei machte er ein so verklärt schlürfendes Gesicht, und er schob sich vor Wonne in der Kutte hin und her, wenn er unter den Englein mit weißen Flüglein sich selber dachte als ein Englein mit weißen Flüglein. Minder ergötzlich, ja sogar sehr praktisch ernsthaft war seine Schilderung der Hölle. Hier war der Mann weit mehr in seinem Elemente. Er eiferte besonders über die Sünder, die nicht mehr so recht christlich ans alte Feuer der Hölle glauben und sogar wähnen, sie habe sich in neuerer Zeit etwas abgekühlt und werde nächstens ganz und gar erlöschen. »Und wäre auch«, rief er, »die Hölle am Erlöschen, so würde ich, ich mit meinem Atem, die letzten glimmenden Kohlen wieder anfachen, daß sie wieder auflodern sollten zu ihrer alten Flammenglut.« Hörte man nun die Stimme, die gleich dem Nordwind diese Worte hervorheulte, sah man dabei das brennende Gesicht, den roten, büffelstarken Hals und die gewaltigen Fäuste des Mannes, so hielt man jene höllische Drohung für keine Hyperbel.

»I like this man«, sagte Mylady.

»Da haben Sie recht«, antwortete ich, »auch mir gefällt er besser als mancher unserer sanften, homöopathischen Seelenärzte, die 1/10000 Vernunft in einem Eimer Moralwasser schütten und uns damit des Sonntags zur Ruhe predigen.«

»Ja, Doktor, für seine Hölle habe ich Respekt; aber zu seinem Himmel hab ich kein rechtes Vertrauen. Wie ich mich denn überhaupt in Ansehung des Himmels schon sehr früh in geheimen Zweifel verfing. Als ich noch klein war, in Dublin, lag ich oft auf dem Rücken im Gras und sah in den Himmel und dachte nach, ob wohl der Himmel wirklich so viele Herrlichkeiten enthalten mag, wie man davon rühmt. Aber, dacht ich, wie kommt’s, daß von diesen Herrlichkeiten niemals etwas herunterfällt, etwa ein brillantener Ohrring oder eine Schnur Perlen oder wenigstens ein Stückchen Ananaskuchen, und daß immer nur Hagel oder Schnee oder gewöhnlicher Regen uns von oben herabbeschert wird? Das ist nicht ganz richtig, dacht ich –«

»Warum sagen Sie das, Mylady? Warum diese Zweifel nicht lieber verschweigen? Ungläubige, die keinen Himmel glauben, sollten nicht Proselyten machen; minder tadelnswert, sogar lobenswert ist die Proselytenmacherei derjenigen Leute, die einen süperben Himmel haben und dessen Herrlichkeiten nicht selbstsüchtig allein genießen wollen und deshalb ihre Nebenmenschen einladen, dran teilzunehmen, und sich nicht eher zufriedengeben, bis diese ihre gütige Einladung angenommen.«

»Ich habe mich aber immer gewundert, Doktor, daß manche reiche Leute dieser Gattung, die wir, als Präsidenten, Vizepräsidenten oder Sekretäre von Bekehrungsgesellschaften, eifrigst bemüht sehen, etwa einen alten verschimmelten Betteljuden himmelfähig zu machen und seine einstige Genossenschaft im Himmelreich zu erwerben, dennoch nie dran denken, ihn schon jetzt auf Erden an ihren Genüssen teilnehmen zu lassen, und ihn z.B. nie des Sommers auf ihre Landhäuser einladen, wo es gewiß Leckerbissen gibt, die dem armen Schelm ebensogut schmecken würden, als genösse er sie im Himmel selbst.«

»Das ist erklärlich, Mylady, die himmlischen Genüsse kosten sie nichts, und es ist ein doppeltes Vergnügen, wenn wir so wohlfeilerweise unsre Nebenmenschen beglücken können. Zu welchen Genüssen aber kann der Ungläubige jemanden einladen?«

»Zu nichts, Doktor, als zu einem langen, ruhigen Schlafe, der aber zuweilen für einen Unglücklichen sehr wünschenswert sein kann, besonders wenn er vorher mit zudringlichen Himmelseinladungen gar zu sehr geplagt worden.«

Dieses sprach das schöne Weib mit stechend bitteren Akzenten, und nicht ganz ohne Ernst antwortete ich ihr: »Liebe Mathilde, bei meinen Handlungen auf dieser Welt kümmert mich nicht einmal die Existenz von Himmel und Hölle, ich bin zu groß und zu stolz, als daß der Geiz nach himmlischen Belohnungen oder die Furcht vor höllischen Strafen mich leiten sollten. Ich strebe nach dem Guten, weil es schön ist und mich unwiderstehlich anzieht, und ich verabscheue das Schlechte, weil es häßlich und mir zuwider ist. Schon als Knabe, wenn ich den Plutarch las – und ich lese ihn noch jetzt alle Abend im Bette und möchte dabei manchmal aufspringen und gleich Extrapost nehmen und ein großer Mann werden –, schon damals gefiel mir die Erzählung von dem Weibe, das durch die Straßen Alexandriens schritt, in der einen Hand einen Wasserschlauch, in der andern eine brennende Fackel tragend, und den Menschen zurief, daß sie mit dem Wasser die Hölle auslöschen und mit der Fackel den Himmel in Brand stecken wolle, damit das Schlechte nicht mehr aus Furcht vor Strafe unterlassen und das Gute nicht mehr aus Begierde nach Belohnung ausgeübt werde. Alle unsre Handlungen sollen aus dem Quell einer uneigennützigen Liebe hervorsprudeln, gleichviel, ob es eine Fortdauer nach dem Tode gibt oder nicht.«

»Sie glauben also auch nicht an Unsterblichkeit.«

»Oh, Sie sind schlau, Mylady! Ich daran zweifeln? Ich, dessen Herz in die entferntesten Jahrtausende der Vergangenheit und der Zukunft immer tiefer und tiefer Wurzel schlägt, ich, der ich selbst einer der ewigsten Menschen bin, jeder Atemzug ein ewiges Leben, jeder Gedanke ein ewiger Stern – ich sollte nicht an Unsterblichkeit glauben?«

»Ich denke, Doktor, es gehört eine beträchtliche Portion Eitelkeit und Anmaßung dazu, nachdem wir schon soviel Gutes und Schönes auf dieser Erde genossen, noch obendrein vom lieben Gott die Unsterblichkeit zu verlangen! Der Mensch, der Aristokrat unter den Tieren, der sich besser dünkt als alle seine Mitgeschöpfe, möchte sich auch dieses Ewigkeitsvorrecht, am Throne des Weltkönigs, durch höfische Lob- und Preisgesänge und kniendes Bitten auswirken. – Oh, ich weiß, was dieses Zucken mit den Lippen bedeutet, unsterblicher Herr!«

Kapitel X

Signora bat uns, mit ihr nach dem Kloster zu gehn, worin das wundertätige Kreuz, das Merkwürdigste in ganz Toskana, bewahrt wird. Und es war gut, daß wir den Dom verließen, denn Myladys Tollheiten würden uns doch zuletzt in Verlegenheiten gestürzt haben. Sie sprudelte von witziger Laune; lauter lieblich närrische Gedanken, so übermütig wie junge Kätzchen, die in der Maisonne herumspringen. Am Ausgang des Doms tunkte sie den Zeigefinger dreimal ins Weihwasser, besprengte mich jedesmal und murmelte: »Dem Zefardeyim Kinnim«, welches nach ihrer Behauptung die arabische Formel ist, womit die Zauberinnen einen Menschen in einen Esel verwandeln.

Auf der Piazza vor dem Dome manövrierte eine Menge Militär, beinah ganz östreichisch uniformiert und nach deutschem Kommando. Wenigstens hörte ich die deutschen Worte: »Präsentiert’s Gewehr! Fuß Gewehr! Schultert’s Gewehr! Rechtsum! Halt!« Ich glaube, bei allen Italienern, wie noch bei einigen andern europäischen Völkern, wird auf deutsch kommandiert. Sollen wir Deutschen uns etwas darauf zugute tun? Haben wir in der Welt so viel zu befehlen, daß das Deutsche sogar die Sprache des Befehlens geworden? Oder wird uns so viel befohlen, daß der Gehorsam am besten die deutsche Sprache versteht?

Mylady scheint von Paraden und Revuen keine Freundin zu sein. Sie zog uns mit ironischer Furchtsamkeit von dannen. »Ich liebe nicht«, sprach sie, »die Nähe von solchen Menschen mit Säbeln und Flinten, besonders wenn sie in großer Anzahl, wie bei außerordentlichen Manövern, in Reih und Glied aufmarschieren. Wenn nun einer von diesen Tausenden plötzlich verrückt wird und mit der Waffe, die er schon in der Hand hat, mich auf der Stelle niedersticht? Oder wenn er gar plötzlich vernünftig wird und nachdenkt: ›Was hast du zu riskieren? zu verlieren? selbst wenn sie dir das Leben nehmen? Mag auch jene andre Welt, die uns nach dem Tode versprochen wird, nicht so ganz brillant sein, wie man sie rühmt, mag sie noch so schlecht sein, weniger, als man dir jetzt gibt, weniger als sechs Kreuzer per Tag, kann man dir auch dort nicht geben – drum mach dir den Spaß und erstich jene kleine Engländerin mit der impertinenten Nase!‹ Bin ich da nicht in der größten Lebensgefahr? Wenn ich König wäre, so würde ich meine Soldaten in zwei Klassen teilen. Die einen ließe ich an Unsterblichkeit glauben, um in der Schlacht Mut zu haben und den Tod nicht zu fürchten, und ich würde sie bloß im Kriege gebrauchen. Die andern aber würde ich zu Paraden und Revuen bestimmen, und damit es ihnen nie in den Sinn komme, daß sie nichts riskieren, wenn sie des Spaßes wegen jemanden umbrächten, so würde ich ihnen bei Todesstrafe verbieten, an Unsterblichkeit zu glauben, ja, ich würde ihnen sogar noch etwas Butter zu ihrem Kommißbrot geben, damit sie das Leben recht liebgewinnen. Erstern hingegen, jenen unsterblichen Helden, würde ich das Leben sehr sauer machen, damit sie es recht verachten lernen und die Mündung der Kanonen für einen Eingang in eine bessere Welt ansehen.«

»Mylady«, sprach ich, »Sie wären ein schlechter Regent. Sie wissen wenig vom Regieren, und von der Politik verstehen Sie gar nichts. Hätten Sie die ›Politischen Annalen‹ gelesen –«

»Ich verstehe dergleichen vielleicht besser als Sie, teurer Doktor. Schon früh suchte ich mich darüber zu unterrichten. Als ich noch klein war, in Dublin –«

»Und auf dem Rücken lag, im Gras – und nachdachte oder auch nicht, wie in Ramsgate –«

Ein Blick, wie leiser Vorwurf der Undankbarkeit, fiel aus Myladys Augen, dann aber lachte sie wieder und fuhr fort: »Als ich noch klein war, in Dublin, und auf einem Eckchen von dem Schemel sitzen konnte, worauf Mutters Füße ruhten, da hatte ich immer allerlei zu fragen, was die Schneider, die Schuster, die Bäcker, kurz, was die Leute in der Welt zu tun haben. Und die Mutter erklärte dann: ›Die Schneider machen Kleider, die Schuster machen Schuhe, die Bäcker backen Brot‹ – Und als ich nun frug: ›Was tun denn die Könige?‹, da gab die Mutter zur Antwort: ›Die regieren.‹ – ›Weißt du wohl, liebe Mutter‹, sagte ich da, ›wenn ich König wäre, so würde ich mal einen ganzen Tag gar nicht regieren, bloß um zu sehen, wie es dann in der Welt aussieht.‹ – ›Liebes Kind‹, antwortete die Mutter, ›das tun auch manche Könige, und es sieht auch dann danach aus.‹«

»Wahrhaftig, Mylady, Ihre Mutter hatte recht. Besonders hier in Italien gibt es solche Könige, und man merkt es wohl in Piemont und Neapel –«

»Aber, lieber Doktor, es ist so einem italienischen König nicht zu verargen, wenn er manchen Tag gar nicht regiert, wegen der allzu großen Hitze. Es ist nur zu befürchten, daß die Karbonari so einen Tag benutzen möchten; denn in der neuesten Zeit ist es mir besonders aufgefallen, daß die Revolutionen immer an solchen Tagen ausgebrochen sind, wo nicht regiert wurde. Irrten sich einmal die Karbonari und glaubten sie, es wäre so ein unregierter Tag, und gegen alle Erwartung wurde dennoch regiert, so verloren sie die Köpfe. Die Karbonari können daher nie vorsichtig genug sein und müssen sich genau die rechte Zeit merken. Dagegen aber ist es die höchste Politik der Könige, daß sie es ganz geheimhalten, an welchen Tagen sie nicht regieren, daß sie sich an solchen Tagen wenigstens einigemal auf den Regierstuhl setzen und etwa Federn schneiden oder Briefkuverts versiegeln oder weiße Blätter liniieren, alles zum Schein, damit das Volk draußen, das neugierig in die Fenster des Palais hineinguckt, ganz sicher glaube, es werde regiert.«

Während solche Bemerkungen aus Myladys feinem Mündchen hervorgaukelten, schwamm eine lächelnde Zufriedenheit um die vollen Rosenlippen Franscheskas. Sie sprach wenig. Ihr Gang war jedoch nicht mehr so seufzend entsagungsselig wie am verflossenen Abend, sie trat vielmehr siegreich einher, jeder Schritt ein Trompetenton; es war indessen mehr ein geistlicher Sieg als ein weltlicher, der sich in ihren Bewegungen kundgab, sie war fast das Bild einer triumphierenden Kirche, und um ihr Haupt schwebte eine unsichtbare Glorie. Die Augen aber, wie aus Tränen hervorlachend, waren wieder ganz weltkindlich, und in dem bunten Menschenstrom, der uns vorbeiflutete, ist auch kein einziges Kleidungsstück ihrem Forscherblick entgangen. »Ecco!« war dann ihr Ausruf, »welcher Schal! der Marchese soll mir ebensolchen Kaschmir zu einem Turbane kaufen, wenn ich die Roxelane tanze. Ach! er hat mir auch ein Kreuz mit Diamanten versprochen!«

Armer Gumpelino! zu dem Turbane wirst du dich leicht verstehen, jedoch das Kreuz wird dir noch manche saure Stunde machen; aber Signora wird dich so lange quälen und auf die Folter spannen, bis du dich endlich dazu bequemst.

Kapitel XI

Die Kirche, worin das wundertätige Kreuz von Lucca zu sehen ist, gehört zu einem Kloster, dessen Namen mir diesen Augenblick nicht im Gedächtnisse.

Bei unserem Eintritt in die Kirche lagen vor dem Hauptaltare ein Dutzend Mönche auf den Knien, in schweigendem Gebet. Nur dann und wann, wie im Chor, sprachen sie einige abgebrochene Worte, die in den einsamen Säulengängen etwas schauerlich widerhallten. Die Kirche war dunkel, nur durch kleine gemalte Fenster fiel ein buntes Licht auf die kahlen Häupter und braunen Kutten. Glanzlose Kupferlampen beleuchteten spärlich die geschwärzten Freskos und Altarbilder, aus den Wänden traten hölzerne Heiligenköpfe, grell bemalt und bei dem zweifelhaften Lichte wie lebendig grinsend – Mylady schrie laut auf und zeigte zu unseren Füßen einen Grabstein, worauf in Relief das starre Bild eines Bischofs mit Mitra und Hirtenstab, gefalteten Händen und abgetretener Nase. »Ach!« flüsterte sie, »ich selbst trat ihm unsanft auf die steinerne Nase, und nun wird er mir diese Nacht im Traume erscheinen, und da gibt’s eine Nase.«

Der Sakristan, ein bleicher, junger Mönch, zeigte uns das wundertätige Kreuz und erzählte dabei die Mirakel, die es verrichtet. Launisch, wie ich bin, habe ich vielleicht kein ungläubiges Gesicht dazu gemacht; ich habe dann und wann Anfälle von Wunderglauben, besonders wo, wie hier, Ort und Stunde denselben begünstigt. Ich glaube dann, daß alles in der Welt ein Wunder sei und die ganze Weltgeschichte eine Legende. War ich angesteckt von dem Wunderglauben Franscheskas, die das Kreuz mit wilder Begeisterung küßte? Verdrießlich wurde mir die ebenso wilde Spottlust der witzigen Britin. Vielleicht verletzte mich solche um so mehr, da ich mich selbst nicht davon frei fühlte und sie keineswegs als etwas Lobenswertes er achtete. Es ist nun mal nicht zu leugnen, daß die Spottlust, die Freude am Widerspruch der Dinge, etwas Bösartiges in sich trägt, statt daß der Ernst mehr mit den besseren Gefühlen verwandt ist – die Tugend, der Freiheitssinn und die Liebe selbst sind sehr ernsthaft. Indessen, es gibt Herzen, worin Scherz und Ernst, Böses und Heiliges, Glut und Kälte sich so abenteuerlich verbinden, daß es schwer wird, darüber zu urteilen. Ein solches Herz schwamm in der Brust Mathildens; manchmal war es eine frierende Eisinsel, aus deren glattem Spiegelboden die sehnsüchtig glühendsten Palmenwälder hervorblühten, manchmal war es wieder ein enthusiastisch flammender Vulkan, der plötzlich von einer lachenden Schneelawine überschüttet wird. Sie war durchaus nicht schlecht bei all ihrer Ausgelassenheit, nicht einmal sinnlich; ja, ich glaube, von der Sinnlichkeit hatte sie nur die witzige Seite aufgefaßt und ergötzte sich daran wie an einem närrischen Puppenspiele. Es war ein humoristisches Gelüste, eine süße Neugier, wie sich der oder jener bunte Kauz in verliebten Zuständen gebärden würde. Wie ganz anders war Franscheska! In ihren Gedanken, Gefühlen war eine katholische Einheit. Am Tage war sie ein schmachtend blasser Mond, des Nachts war sie eine glühende Sonne – Mond meiner Tage! Sonne meiner Nächte! ich werde dich niemals wiedersehen!

»Sie haben recht«, sagte Mylady, »ich glaube auch an die Wundertätigkeit eines Kreuzes. Ich bin überzeugt, wenn der Marchese an den Brillanten des versprochenen Kreuzes nicht zu sehr knickert, so bewirkt es gewiß bei Signoren ein brillantes Wunder; sie wird am Ende noch so sehr davon geblendet werden, daß sie sich in seine Nase verliebt. Auch habe ich oft gehört von der Wundertätigkeit einiger Ordenskreuze, die einen ehrlichen Mann zum Schufte machen konnten.«

So spöttelte die hübsche Frau über alles, sie kokettierte mit dem armen Sakristan, machte dem Bischof mit der abgetretenen Nase noch drollige Exküsen, wobei sie sich seinen etwaigen Gegenbesuch höflichst verbat, und als wir an den Weihkessel gelangten, wollte sie mich durchaus wieder in einen Esel verwandeln.

War es nun wirkliche Stimmung, die der Ort einflößte, oder wollte ich diesen Spaß, der mich im Grunde verdroß, so scharf als möglich ablehnen, genug, ich warf mich in das gehörige Pathos und sprach:

»Mylady, ich liebe keine Religionsverächterinnen. Schöne Frauen, die keine Religion haben, sind wie Blumen ohne Duft; sie gleichen jenen kalten, nüchternen Tulpen, die uns aus ihren chinesischen Porzellantöpfen so porzellanhaft ansehen und, wenn sie sprechen könnten, uns gewiß auseinandersetzen würden, wie sie ganz natürlich aus einer Zwiebel entstanden sind, wie es hinreichend sei, wenn man hienieden nur nicht übel riecht, und wie übrigens, was den Duft betrifft, eine vernünftige Blume gar keines Duftes bedarf.«

Schon bei dem Wort Tulpe geriet Mylady in die heftigsten Bewegungen, und während ich sprach, wirkte ihre Idiosynkrasie gegen diese Blume so stark, daß sie sich verzweiflungsvoll die Ohren zuhielt. Zur Hälfte war es wohl Komödie, zur Hälfte aber auch wohl pikierter Ernst, daß sie mich mit bitterem Blicke ansah und aus Herzensgrund spottscharf mich frug: »Und Sie, teure Blume, welche von den vorhandenen Religionen haben Sie?«

»Ich, Mylady, ich habe sie alle, der Duft meiner Seele steigt in den Himmel und betäubt selbst die ewigen Götter!«

Kapitel XII

Indem Signora unser Gespräch, das wir größtenteils auf englisch führten, nicht verstehen konnte, geriet sie, Gott weiß wie! auf den Gedanken, wir stritten über die Vorzüglichkeit unserer respektiven Landsleute. Sie lobte nun die Engländer ebenso wie die Deutschen, obgleich sie im Herzen die ersteren für nicht klug und die letzteren für dumm hielt. Sehr schlecht dachte sie von den Preußen, deren Land, nach ihrer Geographie, noch weit über England und Deutschland hinausliegt, besonders schlecht dachte sie vom Könige von Preußen, dem großen Federigo, den ihre Feindin, Signora Seraphina, in ihrem Benefizballette vorig Jahr getanzt hatte; wie denn, sonderbar genug, dieser König, nämlich Friedrich der Große, auf den italienischen Theatern und im Gedächtnisse des italienischen Volks noch immer lebt.

»Nein«, sagte Mylady, ohne auf Signoras süßes Gekose hinzuhören, »nein, diesen Menschen braucht man nicht erst in einen Esel zu verwandeln; nicht nur, daß er jede zehn Schritte seine Gesinnung wechselt und sich beständig widerspricht, wird er jetzt sogar ein Bekehrer, und ich glaube gar, er ist ein verkappter Jesuit. Ich muß, meiner Sicherheit wegen, jetzt devote Gesichter schneiden, sonst gibt er mich an bei seinen Mitheuchlern in Christo, bei den heiligen Inquisitionsdilettanten, die mich in effigie verbrennen, da ihnen die Polizei noch nicht erlaubt, die Personen selbst ins Feuer zu werfen. Ach, ehrwürdiger Herr! glauben Sie nur nicht, daß ich so klug sei, wie ich aussehe, es fehlt mir durchaus nicht an Religion, ich bin keine Tulpe, beileibe keine Tulpe, nur um des Himmels willen keine Tulpe, ich will lieber alles glauben! Ich glaube jetzt schon das Hauptsächlichste, was in der Bibel steht, ich glaube, daß Abraham den Isaak und Isaak den Jakob und Jakob wieder den Juda gezeugt hat, sowie auch, daß dieser wieder seine Schnur Tamar auf der Landstraße erkannt hat. Ich glaube auch, daß Lot mit seinen Töchtern zuviel getrunken. Ich glaube, daß die Frau des Potiphar den Rock des frommen Josephs in Händen behalten. Ich glaube, daß die beiden Alten, die Susannen im Bade überraschten, sehr alt gewesen sind. Außerdem glaub ich noch, daß der Erzvater Jakob erst seinen Bruder und dann seinen Schwiegervater betrogen, daß König David dem Uria eine gute Anstellung bei der Armee gegeben, daß Salomo sich tausend Weiber angeschafft und nachher gejammert, es sei alles eitel. Auch an die Zehn Gebote glaube ich und halte sogar die meisten; ich laß mich nicht gelüsten meines Nächsten Ochsen noch seiner Magd, noch seiner Kuh, noch seines Esels. Ich arbeite nicht am Sabbat, dem siebenten Tage, wo Gott geruht; ja, aus Vorsicht, da man nicht mehr genau weiß, welcher dieser siebente Ruhetag war, tue ich oft die ganze Woche nichts. Was aber gar die Gebote Christi betrifft, so übte ich immer das wichtigste, nämlich daß man sogar seine Feinde lieben soll – denn ach! diejenigen Menschen, die ich am meisten geliebt habe, waren immer, ohne daß ich es wußte, meine schlimmsten Feinde.«

»Um Gottes willen, Mathilde, weinen Sie nicht!« rief ich als wieder ein Ton der schmerzhaftesten Bitterkeit aus der heitersten Neckerei, wie eine Schlange aus einem Blumenbeete, hervorschoß. Ich kannte ja diesen Ton, wobei das witzige Kristallherz der wunderbaren Frau zwar immer gewaltig, aber nicht lange erzitterte, und ich wußte, daß er ebenso leicht, wie er entsteht, auch wieder verscheucht wird, durch die erste beste lachende Bemerkung, die man ihr mitteilte oder die ihr selbst durch den Sinn flog. Während sie, gelehnt an das Portal des Klosterhofes, die glühende Wange an die kalten Steine preßte und sich mit ihren langen Haaren die Tränenspur aus den Augen wischte, suchte ich ihre gute Laune wieder zu erwecken, indem ich, in ihrer eignen Spottweise, die arme Franscheska zu mystifizieren suchte und ihr die wichtigsten Nachrichten mitteilte über den Siebenjährigen Krieg, der sie so sehr zu interessieren schien und den sie noch immer unbeendigt glaubte. Ich erzählte ihr viel Interessantes von dem großen Federigo, dem witzigen Kamaschengott von Sanssouci, der die preußische Monarchie erfunden und in seiner Jugend recht hübsch die Flöte blies und auch französische Verse gemacht hat. Franscheska frug mich, ob die Preußen oder die Deutschen siegen werden. Denn, wie schon oben bemerkt, sie hielt erstere für ein ganz anderes Volk, und es ist auch gewöhnlich, daß in Italien unter dem Namen Deutsche nur die Östreicher verstanden werden. Signora wunderte sich nicht wenig, als ich ihr sagte, daß ich selbst lange Zeit in der Capitale della Prussia gelebt habe, nämlich in Berelino, einer Stadt, die ganz oben in der Geographie liegt, unfern vom Eispol. Sie schauderte, als ich ihr die Gefahren schilderte, denen man dort zuweilen ausgesetzt ist, wenn einem die Eisbären auf der Straße begegnen. »Denn, liebe Franscheska«, erklärte ich ihr, »in Spitzbergen liegen gar zu viele Bären in Garnison, und diese kommen zuweilen auf einen Tag nach Berlin, um etwa aus Patriotismus den ›Bär und den Bassa‹ zu sehen oder einmal bei Beyerman, im ›Cafe Royal‹, gut zu essen und Champagner zu trinken, was ihnen oft mehr Geld kostet, als sie mitgebracht; in welchem Falle einer von den Bären so lange dort angebunden wird, bis seine Kameraden zurückkehren und bezahlen, woher auch der Ausdruck ›einen Bären anbinden‹ entstanden ist. Viele Bären wohnen in der Stadt selbst, ja man sagt, Berlin verdanke seine Entstehung den Bären und hieße eigentlich Bärlin. Die Stadtbären sind aber übrigens sehr zahm und einige darunter so gebildet, daß sie die schönsten Tragödien schreiben und die herrlichste Musik komponieren. Die Wölfe sind dort ebenfalls häufig, und da sie, der Kälte wegen, Warschauer Schafpelze tragen, sind sie nicht so leicht zu erkennen. Schneegänse flattern dort umher und singen Bravourarien, und Renntiere rennen da herum als Kunstkenner. Übrigens leben die Berliner sehr mäßig und fleißig, und die meisten sitzen bis am Nabel im Schnee und schreiben Dogmatiken, Erbauungsbücher, Religionsgeschichten für Töchter gebildeter Stände, Katechismen, Predigten für alle Tage im Jahr, Elohagedichte und sind dabei sehr moralisch, denn sie sitzen bis am Nabel im Schnee.«

»Sind die Berliner denn Christen?« rief Signora voller Verwundrung.

»Es hat eine eigne Bewandtnis mit ihrem Christentum. Dieses fehlt ihnen im Grunde ganz und gar, und sie sind auch viel zu vernünftig, um es ernstlich auszuüben. Aber da sie wissen, daß das Christentum im Staate nötig ist, damit die Untertanen hübsch demütig gehorchen und auch außerdem nicht zuviel gestohlen und gemordet wird, so suchen sie mit großer Beredsamkeit wenigstens ihre Nebenmenschen zum Christentume zu bekehren, sie suchen gleichsam Remplaçants in einer Religion, deren Aufrechthaltung sie wünschen und deren strenge Ausübung ihnen selbst zu mühsam wird. In dieser Verlegenheit benutzen sie den Diensteifer der armen Juden, diese müssen jetzt für sie Christen werden, und da dieses Volk für Geld und gute Worte alles aus sich machen läßt, so haben sich die Juden schon so ins Christentum hineinexerziert, daß sie ordentlich schon über Unglauben schreien, auf Tod und Leben die Dreieinigkeit verfechten, in den Hundstagen sogar daran glauben, gegen die Rationalisten wüten, als Missionäre und Glaubensspione im Lande herumschleichen und erbauliche Traktätchen verbreiten, in den Kirchen am besten die Augen verdrehen, die scheinheiligsten Gesichter schneiden und mit so viel hohem Beifalle frömmeln, daß sich schon hie und da der Gewerbsneid regt und die älteren Meister des Handwerks schon heimlich klagen, das Christentum sei jetzt ganz in den Händen der Juden.«

Kapitel XIII

Wenn mich Signora nicht verstand, so wirst du, lieber Leser, mich gewiß besser verstehen. Auch Mylady verstand mich, und dies Verständnis weckte wieder ihre gute Laune. Doch als ich – ich weiß nicht mehr, ob mit ernsthaftem Gesichte – der Meinung beipflichten wollte, daß das Volk einer bestimmten Religion bedürfe, konnte sie wieder nicht umhin, mir in ihrer Weise entgegenzustreiten.

»Das Volk muß eine Religion haben!« rief sie. »Eifrig höre ich diesen Satz predigen von tausend dummen und aber tausend scheinheiligen Lippen –«

»Und dennoch ist es wahr, Mylady. Wie die Mutter nicht alle Fragen des Kindes mit der Wahrheit beantworten kann, weil seine Fassungskraft es nicht erlaubt, so muß auch eine positive Religion, eine Kirche vorhanden sein, die alle übersinnlichen Fragen des Volks, seiner Fassungskraft gemäß, recht sinnlich bestimmt beantworten kann.«

»O weh! Doktor, eben Ihr Gleichnis bringt mir eine Geschichte ins Gedächtnis, die am Ende nicht günstig für Ihre Meinung sprechen würde. Als ich noch klein war, in Dublin –«

»Und auf dem Rücken lag –«

»Aber, Doktor, man kann doch mit Ihnen kein vernünftig Wort sprechen. Lächeln Sie nicht so unverschämt und hören Sie: Als ich noch klein war, in Dublin, und zu Mutters Füßen saß, frug ich sie einst, was man mit den alten Vollmonden anfange ›Liebes Kind‹, sagte die Mutter, ›die alten Vollmonde schlägt der liebe Gott mit dem Zuckerhammer in Stücke und macht daraus die kleinen Sterne.‹ Man kann der Mutter diese offenbar falsche Erklärung nicht verdenken, denn mit den besten astronomischen Kenntnissen hätte sie doch nicht vermocht, mir das ganze Sonne-, Mond- und Sternesystem auseinanderzusetzen, und die übersinnlichen Fragen beantwortete sie sinnlich bestimmt. Es wäre aber doch besser gewesen, sie hätte die Erklärung für ein reiferes Alter verschoben oder wenigstens keine Lüge ausgedacht. Denn als ich mit der kleinen Lucie zusammenkam und der Vollmond am Himmel stand und ich ihr erklärte, wie man bald kleine Sterne draus machen werde, lachte sie mich aus und sagte, daß ihre Großmutter, die alte O’Meara, ihr erzählt habe, die Vollmonde würden in der Hölle als Feuermelonen verzehrt, und da man dort keinen Zucker habe, müsse man Pfeffer und Salz draufstreuen. Hatte Lucie vorher über meine Meinung, die etwas naiv evangelisch war, mich ausgelacht, so lachte ich noch mehr über ihre düster katholische Ansicht, vom Auslachen kam es zu ernstem Streit, wir pufften uns, wir kratzten uns blutig, wir bespuckten uns polemisch, bis der kleine O’Donnel aus der Schule kam und uns auseinanderriß. Dieser Knabe hatte dort besseren Unterricht in der Himmelskunde genossen, verstand sich auf Mathematik und belehrte uns ruhig über unsere beiderseitigen Irrtümer und die Torheit unseres Streits. Und was geschah? Wir beiden Mädchen unterdrückten vorderhand unseren Meinungsstreit und vereinigten uns gleich, um den kleinen, ruhigen Mathematikus durchzuprügeln.«

»Mylady, ich bin verdrießlich, denn Sie haben recht. Aber es ist nicht zu ändern, die Menschen werden immer streiten über die Vorzüglichkeit derjenigen Religionsbegriffe, die man ihnen früh beigebracht, und der Vernünftige wird immer doppelt zu leiden haben. Einst war es freilich anders, da ließ sich keiner einfallen, die Lehre und die Feier seiner Religion besonders anzupreisen oder gar sie jemanden aufzudringen Die Religion war eine liebe Tradition, heilige Geschichten, Erinnerungsfeier und Mysterien, überliefert von den Vorfahren gleichsam Familiensakra des Volks, und einem Griechen wäre es ein Greuel gewesen, wenn ein Fremder, der nicht von seinem Geschlechte, eine Religionsgenossenschaft mit ihm verlangt hätte; noch mehr würde er es für eine Unmenschlichkeit gehalten haben, irgend jemand, durch Zwang oder List, dahin zu bringen, seine angeborene Religion aufzugeben und eine fremde dafür anzunehmen. Da kam aber ein Volk aus Ägypten, dem Vaterland der Krokodile und des Priestertums, und außer den Hautkrankheiten und den gestohlenen Gold- und Silbergeschirren brachte es auch eine sogenannte positive Religion mit, eine sogenannte Kirche, ein Gerüste von Dogmen, an die man glauben, und heiliger Zeremonien, die man feiern mußte, ein Vorbild der späteren Staatsreligionen. Nun entstand ›die Menschenmäkelei‹, das Proselytenmachen, der Glaubenszwang und all jene heiligen Greuel, die dem Menschengeschlechte soviel Blut und Tränen gekostet.«

»Goddam! dieses Urübelvolk!«

»Oh, Mathilde, es ist längst verdammt und schleppt seine Verdammnisqualen durch die Jahrtausende. Oh, dieses Ägypten! seine Fabrikate trotzen der Zeit, seine Pyramiden stehen noch immer unerschütterlich, seine Mumien sind noch so unzerstörbar wie sonst, und ebenso unverwüstlich ist jene Volkmumie, die über die Erde wandelt, eingewickelt in ihren uralten Buchstabenwindeln, ein verhärtet Stück Weltgeschichte, ein Gespenst, das zu seinem Unterhalte mit Wechseln und alten Hosen handelt – Sehen Sie, Mylady, dort jenen alten Mann, mit dem weißen Barte, dessen Spitze sich wieder zu schwärzen scheint, und mit den geisterhaften Augen –«

»Sind dort nicht die Ruinen der alten Römergräber?«

»Ja, ebenda sitzt der alte Mann, und vielleicht, Mathilde, verrichtet er eben sein Gebet, ein schauriges Gebet, worin er seine Leiden bejammert und Völker anklagt, die längst von der Erde verschwunden sind und nur noch in Ammenmärchen leben – er aber, in seinem Schmerze, bemerkt kaum, daß er auf den Gräbern derjenigen Feinde sitzt, deren Untergang er vom Himmel erfleht.«

Kapitel XIV

Ich sprach im vorigen Kapitel von den positiven Religionen nur, insofern sie als Kirchen, unter den Namen Staatsreligionen, noch besonders vom Staate privilegiert werden. Es gibt aber eine fromme Dialektik, lieber Leser, die dir aufs bündigste beweisen wird, daß ein Gegner des Kirchtums einer solchen Staatsreligion auch ein Feind der Religion und des Staats sei, ein Feind Gottes und des Königs oder, wie die gewöhnliche Formel lautet, ein Feind des Throns und des Altars. Ich aber sage dir, das ist eine Lüge, ich ehre die innere Heiligkeit jeder Religion und unterwerfe mich den Interessen des Staates. Wenn ich auch dem Anthropomorphismus nicht sonderlich huldige, so glaube ich doch an die Herrlichkeit Gottes, und wenn auch die Könige so töricht sind, dem Geiste des Volks zu widerstreben, oder gar so unedel sind, die Organe desselben durch Zurücksetzungen und Verfolgungen zu kränken, so bleibe ich doch, meiner tiefsten Überzeugung nach, ein Anhänger des Königtums, des monarchischen Prinzips. Ich hasse nicht den Thron, sondern nur das windige Adelgeziefer, das sich in die Ritzen der alten Throne eingenistet und dessen Charakter uns Montesquieu so genau schildert mit den Worten: »Ehrgeiz im Bunde mit dem Müßiggange, die Gemeinheit im Bunde mit dem Hochmute, die Begierde, sich zu bereichern ohne Arbeit, die Abneigung gegen die Wahrheit, die Schmeichelei, der Verrat, die Treulosigkeit, der Wortbruch, die Verachtung der Bürgerpflichten, die Furcht vor Fürstentugend und das Interesse an Fürstenlaster!« Ich hasse nicht den Altar, sondern ich hasse die Schlangen, die unter dem Gerülle der alten Altäre lauern; die argklugen Schlangen, die unschuldig wie Blumen zu lächeln wissen, während sie heimlich ihr Gift spritzen in den Kelch des Lebens und Verleumdung zischen in das Ohr des frommen Beters, die gleisenden Würmer mit weichen Worten –

Mel in ore, verba lactis,

Fel in corde, fraus in factis.

Eben weil ich ein Freund des Staats und der Religion bin, hasse ich jene Mißgeburt, die man Staatsreligion nennt, jenes Spottgeschöpf, das aus der Buhlschaft der weltlichen und der geistlichen Macht entstanden, jenes Maultier, das der Schimmel des Antichrists mit der Eselin Christi gezeugt hat. Gäbe es keine solche Staatsreligion, keine Bevorrechtung eines Dogmas und eines Kultus, so wäre Deutschland einig und stark, und seine Söhne wären herrlich und frei. So aber ist unser armes Vaterland zerrissen durch Glaubenszwiespalt, das Volk ist getrennt in feindliche Religionsparteien, protestantische Untertanen hadern mit ihren katholischen Fürsten oder umgekehrt, überall Mißtrauen ob Kryptokatholizismus oder Kryptoprotestantismus, überall Verketzerung, Gesinnungsspionage, Pietismus, Mystizismus, Kirchenzeitungsschnüffeleien, Sektenhaß, Bekehrungssucht, und während wir über den Himmel streiten, gehen wir auf Erden zugrunde. Ein Indifferentismus in religiösen Dingen wäre vielleicht allein imstande, uns zu retten, und durch Schwächerwerden im Glauben könnte Deutschland politisch erstarken.

Für die Religion selber, für ihr heiliges Wesen, ist es ebenso verderblich, wenn sie mit Privilegien bekleidet ist, wenn ihre Diener vom Staate vorzugsweise dotiert werden und zur Erhaltung dieser Dotationen ihrerseits verpflichtet sind, den Staat zu vertreten, und solchermaßen eine Hand die andere wäscht, die geistliche die weltliche und umgekehrt, und ein Wischwasch entsteht, der dem lieben Gott eine Torheit und den Menschen ein Greul ist. Hat nun der Staat Gegner, so werden diese auch Feinde der Religion, die der Staat bevorrechtet und die deshalb seine Alliierte ist; und selbst der harmlose Gläubige wird mißtrauisch, wenn er in der Religion auch politische Absicht wittert. Am widerwärtigsten aber ist der Hochmut der Priester, wenn sie für die Dienste, die sie dem Staate zu leisten glauben, auch auf dessen Unterstützung rechnen dürfen, wenn sie für die geistige Fessel, die sie ihm, um die Völker zu binden, geliehen haben, auch über seine Bajonette verfügen können. Die Religion kann nie schlimmer sinken, als wenn sie solchermaßen zur Staatsreligion erhoben wird; es geht dann gleichsam ihre innere Unschuld verloren, und sie wird so öffentlich stolz wie eine deklarierte Mätresse. Freilich werden ihr dann mehr Huldigungen und Ehrfurchtsversicherungen dargebracht, sie feiert täglich neue Siege, in glänzenden Prozessionen, bei solchen Triumphen tragen sogar bonapartistische Generale ihr die Kerzen vor, die stolzesten Geister schwören zu ihrer Fahne, täglich werden Ungläubige bekehrt und getauft – aber dies viele Wasseraufgießen macht die Suppe nicht fetter, und die neuen Rekruten der Staatsreligion gleichen den Soldaten, die Falstaff geworben – sie füllen die Kirche. Von Aufopfrung ist gar nicht mehr die Rede, wie Kaufmannsdiener mit ihren Musterkarten, so reisen die Missionäre mit ihren Traktätchen und Bekehrungsbüchlein, es ist keine Gefahr mehr bei diesem Geschäfte, und es bewegt sich ganz in merkantilisch ökonomischen Formen.

Nur solange die Religionen mit anderen zu rivalisieren haben und weit mehr verfolgt werden als selbst verfolgen, sind sie herrlich und ehrenwert, nur da gibt’s Begeisterung, Aufopferung, Märtyrer und Palmen. Wie schön, wie heilig lieblich, wie heimlich süß war das Christentum der ersten Jahrhunderte, als es selbst noch seinem göttlichen Stifter glich im Heldentum des Leidens. Da war’s noch die schöne Legende von einem heimlichen Gotte, der in sanfter Junglingsgestalt unter den Palmen Palästinas wandelte und Menschenliebe predigte und jene Freiheit- und Gleichheitslehre offenbarte, die auch später die Vernunft der größten Denker als wahr erkannt hat und die, als französisches Evangelium, unsere Zeit begeistert. Mit jener Religion Christi vergleiche man die verschiedenen Christentümer, die in den verschiedenen Ländern als Staatsreligionen konstituiert worden, z.B. die römisch-apostolisch-katholische Kirche oder gar jenen Katholizismus ohne Poesie, den wir als High Church of England herrschen sehen, jenes kläglich morsche Glaubensskelett, worin alles blühende Leben erloschen ist! Wie den Gewerben ist auch den Religionen das Monopolsystem schädlich, durch freie Konkurrenz bleiben sie kräftig, und sie werden erst dann zu ihrer ursprünglichen Herrlichkeit wieder erblühen, sobald die politische Gleichheit der Gottesdienste, sozusagen die Gewerbefreiheit der Götter eingeführt wird.

Die edelsten Menschen in Europa haben es längst ausgesprochen, daß dieses das einzige Mittel ist, die Religion vor gänzlichem Untergang zu bewahren; doch die Diener derselben werden eher den Altar selbst aufopfern, als daß sie von dem, was darauf geopfert wird, das mindeste verlieren möchten; ebenso wie der Adel eher den Thron selbst und Hochdenjenigen, der hochdarauf sitzt, dem sichersten Verderben überlassen würde, als daß er mit ernstlichem Willen die ungerechteste seiner Gerechtsame aufgäbe. Ist doch das affektierte Interesse für Thron und Altar nur ein Possenspiel, das dem Volke vorgegaukelt wird! Wer das Zunftgeheimnis belauert hat, weiß, daß die Pfaffen viel weniger als die Laien den Gott respektieren, den sie zu ihrem eignen Nutzen, nach Willkür, aus Brot und Wort zu kneten wissen, und daß die Adligen viel weniger, als es ein Roturier vermöchte, den König respektieren und sogar eben das Königtum, dem sie öffentlich so viele Ehrfurcht zeigen und dem sie soviel Ehrfurcht bei anderen zu erwerben suchen, in ihrem Herzen verhöhnen und verachten: – wahrlich, sie gleichen jenen Leuten, die dem gaffenden Publikum in den Marktbuden irgendeinen Herkules oder Riesen oder Zwerg oder Wilden oder Feuerfresser oder sonstig merkwürdigen Mann für Geld zeigen und dessen Stärke, Erhabenheit, Kühnheit, Unverletzlichkeit oder, wenn er ein Zwerg ist, dessen Weisheit mit der übertriebensten Ruhmredigkeit auspreisen und dabei in die Trompete stoßen und eine bunte Jacke tragen, während sie darunter, im Herzen, die Leichtgläubigkeit des staunenden Volkes verlachen und den armen Hochgepriesenen verspotten, der ihnen aus Gewohnheit des täglichen Anblicks sehr uninteressant geworden und dessen Schwächen und nur andressierte Künste sie allzu genau kennen.

Ob der liebe Gott es noch lange dulden wird, daß die Pfaffen einen leidigen Popanz für ihn ausgeben und damit Geld verdienen, das weiß ich nicht; – wenigstens würde ich mich nicht wundern, wenn ich mal im »Hamb. Unpart. Korrespondenten« läse, daß der alte Jehova jedermann warne, keinem Menschen, es sei, wer es wolle, nicht einmal seinem Sohne, auf seinen Namen Glauben zu schenken. Überzeugt bin ich aber, wir werden’s mit der Zeit erleben, daß die Könige sich nicht mehr hergeben wollen zu einer Schaupuppe ihrer adligen Verächter, daß sie die Etiketten brechen, ihren marmornen Buden entspringen und unwillig von sich werfen den glänzenden Plunder, der dem Volke imponieren sollte, den roten Mantel, der scharfrichterlich abschreckte, den diamantenen Reif, den man ihnen über die Ohren gezogen, um sie den Volksstimmen zu versperren, den goldnen Stock, den man ihnen als Scheinzeichen der Herrschaft in die Hand gegeben – und die befreiten Könige werden frei sein wie andre Menschen und frei unter ihnen wandeln und frei fühlen und frei heuraten und frei ihre Meinung bekennen, und das ist die Emanzipation der Könige.

Kapitel XV

Was bleibt aber den Aristokraten übrig, wenn sie der gekrönten Mittel ihrer Subsistenz beraubt werden, wenn die Könige ein Eigentum des Volks sind und ein ehrliches und sicheres Regiment führen, durch den Willen des Volks, der alleinigen Quelle aller Macht? Was werden die Pfaffen beginnen, wenn die Könige einsehen, daß ein bißchen Salböl keinen menschlichen Kopf guillotinenfest machen kann, ebenso wie das Volk täglich mehr und mehr einsieht, daß man von Oblaten nicht satt wird? Nun freilich, da bleibt der Aristokratie und der Klerisei nichts übrig, als sich zu verbünden und gegen die neue Weltordnung zu kabalieren und zu intrigieren.

Vergebliches Bemühen! Eine flammende Riesin, schreitet die Zeit ruhig weiter, unbekümmert um das Gekläffe bissiger Pfäffchen und Junkerlein da unten. Wie heulen sie jedesmal, wenn sie sich die Schnauze verbrannt an einem Fuße jener Riesin oder wenn diese ihnen mal unversehens auf die Köpfe trat, daß das obskure Gift herausspritzte! Ihr Grimm wendet sich dann um so tückischer gegen einzelne Kinder der Zeit, und ohnmächtig gegen die Masse, suchen sie an Individuen ihr feiges Mütchen zu kühlen.

Ach! wir müssen es gestehen, manch armes Kind der Zeit fühlt darum nicht minder die Stiche, die ihm lauernde Pfaffen und Junker im Dunkeln beizubringen wissen, und ach! wenn auch eine Glorie sich zieht um die Wunden des Siegers, so bluten sie dennoch und schmerzen dennoch! Es ist ein seltsames Martyrtum, das solche Sieger in unseren Tagen erdulden, es ist nicht abgetan mit einem kühnen Bekenntnisse wie in früheren Zeiten, wo die Blutzeugen ein rasches Schafott fanden oder den jubelnden Holzstoß. Das Wesen des Martyrtums, alles Irdische aufzuopfern für den himmlischen Spaß, ist noch immer dasselbe; aber es hat viel verloren von seiner innern Glaubensfreudigkeit, es wurde mehr ein resignierendes Ausdauern, ein beharrliches Überdulden, ein lebenslängliches Sterben, und da geschieht es sogar, daß in grauen, kalten Stunden auch die heiligsten Märtyrer vom Zweifel beschlichen werden. Es gibt nichts Entsetzlicheres als jene Stunden, wo ein Marcus Brutus zu zweifeln begann an der Wirklichkeit der Tugend, für die er alles geopfert! Und ach! jener war ein Römer und lebte in der Blütenzeit der Stoa; wir aber sind modern weicheren Stoffes, und dazu sehen wir noch das Gedeihen einer Philosophie, die aller Begeisterung nur eine relative Bedeutung zuspricht und sie somit in sich selbst vernichtet oder sie allenfalls zu einer selbstbewußten Donquichotterie neutralisiert!

Die kühlen und klugen Philosophen! Wie mitleidig lächeln sie herab auf die Selbstquälereien und Wahnsinnigkeiten eines armen Don Quixote, und in all ihrer Schulweisheit merken sie nicht, daß jene Donquichotterie dennoch das Preisenswerteste des Lebens, ja das Leben selbst ist und daß diese Donquichotterie die ganze Welt mit allem, was darauf philosophiert, musiziert, ackert und gähnt, zu kühnerem Schwunge beflügelt! Denn die große Volksmasse, mitsamt den Philosophen, ist, ohne es zu wissen, nichts anders als ein kolossaler Sancho Pansa, der, trotz all seiner nüchternen Prügelscheu und hausbackner Verständigkeit, dem wahnsinnigen Ritter in allen seinen gefährlichen Abenteuern folgt, gelockt von der versprochenen Belohnung, an die er glaubt, weil er sie wünscht, mehr aber noch getrieben von der mystischen Gewalt, die der Enthusiasmus immer ausübt auf den großen Haufen – wie wir es in allen politischen und religiösen Revolutionen und vielleicht täglich im kleinsten Ereignisse sehen können.

So z.B. du, lieber Leser, bist unwillkürlich der Sancho Pansa des verrückten Poeten, dem du, durch die Irrfahrten dieses Buches, zwar mit Kopfschütteln folgst, aber dennoch folgst.

Kapitel XVI

Seltsam! »Leben und Taten des scharfsinnigen Junkers Don Quixote von La Mancha, beschrieben von Miguel de Cervantes Saavedra« war das erste Buch, das ich gelesen habe, nachdem ich schon in ein verständiges Knabenalter getreten und des Buchstabenwesens einigermaßen kundig war. Ich erinnere mich noch ganz genau jener kleinen Zeit, wo ich mich eines frühen Morgens von Hause wegstahl und nach dem Hofgarten eilte, um dort ungestört den »Don Quixote« zu lesen. Es war ein schöner Maitag, lauschend im stillen Morgenlichte lag der blühende Frühling und ließ sich loben von der Nachtigall, seiner süßen Schmeichlerin, und diese sang ihr Loblied so karessierend weich, so schmelzend enthusiastisch, daß die verschämtesten Knospen aufsprangen und die lüsternen Gräser und die duftigen Sonnenstrahlen sich hastiger küßten und Bäume und Blumen schauerten, vor eitelem Entzücken. Ich aber setzte mich auf eine alte moosige Steinbank in der sogenannten Seufzerallee unfern des Wasserfalls und ergötzte mein kleines Herz an den großen Abenteuern des kühnen Ritters. In meiner kindischen Ehrlichkeit nahm ich alles für baren Ernst; so lächerlich auch dem armen Helden von dem Geschicke mitgespielt wurde, so meinte ich doch, das müsse so sein, das gehöre nun mal zum Heldentum, das Ausgelachtwerden ebensogut wie die Wunden des Leibes, und jenes verdroß mich ebensosehr, wie ich diese in meiner Seele mitfühlte. Ich war ein Kind und kannte nicht die Ironie, die Gott in die Welt hineingeschaffen und die der große Dichter in seiner gedruckten Kleinwelt nachgeahmt hatte – und ich konnte die bittersten Tränen vergießen, wenn der edle Ritter, für all seinen Edelmut, nur Undank und Prügel genoß; und da ich, noch ungeübt im Lesen, jedes Wort laut aussprach, so konnten Vögel und Bäume, Bach und Blumen alles mit anhören, und da solche unschuldige Naturwesen, ebenso wie die Kinder, von der Weltironie nichts wissen, so hielten sie gleichfalls alles für baren Ernst und weinten mit über die Leiden des armen Ritters, sogar eine alte ausgediente Eiche schluchzte, und der Wasserfall schüttelte heftiger seinen weißen Bart und schien zu schelten auf die Schlechtigkeit der Welt. Wir fühlten, daß der Heldensinn des Ritters darum nicht mindere Bewundrung verdient, wenn ihm der Löwe ohne Kampflust den Rücken kehrte, und daß seine Taten um so preisenswerter, je schwächer und ausgedorrter sein Leib, je morscher die Rüstung, die ihn schützte, und je armseliger der Klepper, der ihn trug. Wir verachteten den niedrigen Pöbel, der den armen Helden so prügelroh behandelte, noch mehr aber den hohen Pöbel, der, geschmückt mit buntseidnen Mänteln, vornehmen Redensarten und Herzogstiteln, einen Mann verhöhnte, der ihm an Geisteskraft und Edelsinn so weit überlegen war. Dulcineas Ritter stieg immer höher in meiner Achtung und gewann immer mehr meine Liebe, je länger ich in dem wundersamen Buche las, was in demselben Garten täglich geschah, so daß ich schon im Herbste das Ende der Geschichte erreichte – und nie werde ich den Tag vergessen, wo ich von dem kummervollen Zweikampfe las, worin der Ritter so schmählich unterliegen mußte!

Es war ein trüber Tag, häßliche Nebelwolken zogen dem grauen Himmel entlang, die gelben Blätter fielen schmerzlich von den Bäumen, schwere Tränentropfen hingen an den letzten Blumen, die gar traurig welk die sterbenden Köpfchen senkten, die Nachtigallen waren längst verschollen, von allen Seiten starrte mich an das Bild der Vergänglichkeit – und mein Herz wollte schier brechen, als ich las, wie der edle Ritter betäubt und zermalmt am Boden lag und, ohne das Visier zu erheben, als wenn er aus dem Grabe gesprochen hätte, mit schwacher kranker Stimme zu dem Sieger hinaufsprach: »Dulcinea ist das schönste Weib der Welt und ich der unglücklichste Ritter auf Erden, aber es ziemt sich nicht, daß meine Schwäche diese Wahrheit verleugne – stoßt zu mit der Lanze, Ritter!«

Ach! dieser leuchtende Ritter vom silbernen Monde, der den mutigsten und edelsten Mann der Welt besiegte, war ein verkappter Barbier!

Kapitel XVII

Das ist nun lange her. Viele neue Lenze sind unterdessen hervorgeblüht, doch mangelte ihnen immer ihr mächtigster Reiz, denn ach! ich glaube nicht mehr den süßen Lügen der Nachtigall, der Schmeichlerin des Frühlings, ich weiß, wie schnell seine Herrlichkeit verwelkt, und wenn ich die jüngste Rosenknospe erblicke, sehe ich sie im Geiste schmerzrot aufblühen, erbleichen und von den Winden verweht. Überall sehe ich einen verkappten Winter.

In meiner Brust aber blüht noch jene flammende Liebe, die sich sehnsüchtig über die Erde emporhebt, abenteuerlich herumschwärmt in den weiten, gähnenden Räumen des Himmels, dort zurückgestoßen wird von den kalten Sternen und wieder heimsinkt zur kleinen Erde und mit Seufzen und Jauchzen gestehen muß, daß es doch in der ganzen Schöpfung nichts Schöneres und Besseres gibt als das Herz der Menschen. Diese Liebe ist die Begeisterung, die immer göttlicher Art, gleichviel, ob sie törichte oder weise Handlungen verübt – Und so hat der kleine Knabe keineswegs unnütz seine Tränen verschwendet, die er über die Leiden des närrischen Ritters vergoß, ebensowenig wie späterhin der Jüngling, als er manche Nacht im Studierstübchen weinte über den Tod der heiligsten Freiheitshelden, über König Agis von Sparta, über Cajus und Tiberius Gracchus von Rom, über Jesus von Jerusalem und über Robespierre und Saint-Just von Paris. Jetzt, wo ich die Toga virilis angezogen und selbst ein Mann sein will, hat das Weinen ein Ende, und es gilt, zu handeln wie ein Mann, nachahmend die großen Vorgänger und, will’s Gott! künftig ebenfalls beweint von Knaben und Jünglingen. Ja, diese sind es, auf die man noch rechnen kann in unserer kalten Zeit, denn diese werden noch entzündet von dem glühenden Hauche, der ihnen aus den alten Büchern entgegenweht, und deshalb begreifen sie auch die Flammenherzen der Gegenwart. Die Jugend ist uneigennützig im Denken und Fühlen und denkt und fühlt deshalb die Wahrheit am tiefsten und geizt nicht, wo es gilt eine kühne Teilnahme an Bekenntnis und Tat. Die älteren Leute sind selbstsüchtig und kleinsinnig; sie denken mehr an die Interessen ihrer Kapitalien als an die Interessen der Menschheit; sie lassen ihr Schifflein ruhig fortschwimmen im Rinnstein des Lebens und kümmern sich wenig um den Seemann, der auf hohem Meere gegen die Wellen kämpft; oder sie erkriechen mit klebrichter Beharrlichkeit die Höhe des Bürgermeistertums oder der Präsidentschaft ihres Klubs und zucken die Achsel über die Heroenbilder, die der Sturm hinabwarf von der Säule des Ruhms, und dabei erzählen sie vielleicht, daß sie selbst in ihrer Jugend ebenfalls mit dem Kopf gegen die Wand gerennt seien, daß sie sich aber nachher mit der Wand wieder versöhnt hätten, denn die Wand sei das Absolute, das Gesetzte, das an und für sich Seiende, das, weil es ist, auch vernünftig ist, weshalb auch derjenige unvernünftig ist, welcher einen allerhöchst vernünftigen, unwidersprechbar seienden, festgesetzten Absolutismus nicht ertragen will. Ach! diese Verwerflichen, die uns in eine gelinde Knechtschaft hineinphilosophieren wollen, sind immer noch achtenswerter als jene Verworfenen, die bei der Verteidigung des Despotismus sich nicht einmal auf vernünftige Vernunftgründe einlassen, sondern ihn geschichtskundig als ein Gewohnheitsrecht verfechten, woran sich die Menschen im Laufe der Zeit allmählich gewöhnt hätten und das also rechtsgültig und gesetzkräftig unumstößlich sei.

Ach! ich will nicht wie Ham die Decke aufheben von der Scham des Vaterlandes, aber es ist entsetzlich, wie man’s bei uns verstanden hat, die Sklaverei sogar geschwätzig zu machen, und wie deutsche Philosophen und Historiker ihr Gehirn abmartern, um jeden Despotismus, und sei er noch so albern und tölpelhaft, als vernünftig oder als rechtsgültig zu verteidigen. »Schweigen ist die Ehre der Sklaven«, sagt Tacitus; jene Philosophen und Historiker behaupten das Gegenteil und zeigen auf die Ehrenbändchen in ihrem Knopfloch.

Vielleicht habt ihr doch recht, und ich bin nur ein Don Quixote, und das Lesen von allerlei wunderbaren Büchern hat mir den Kopf verwirrt, ebenso wie dem Junker von La Mancha, und Jean-Jacques Rousseau war mein Amadis von Gallien, Mirabeau war mein Roldan oder Agramant, und ich habe mich zu sehr hineinstudiert in die Heldentaten der französischen Paladine und der Tafelrunde des Nationalkonvents. Freilich, mein Wahnsinn und die fixen Ideen, die ich aus jenen Büchern geschöpft, sind von entgegengesetzter Art als der Wahnsinn und die fixen Ideen des Manchaners; dieser wollte die untergehende Ritterzeit wiederherstellen, ich hingegen will alles, was aus jener Zeit noch übriggeblieben ist, jetzt vollends vernichten, und da handeln wir also mit ganz verschiedenen Ansichten. Mein Kollege sah Windmühlen für Riesen an, ich hingegen kann in unseren heutigen Riesen nur prahlende Windmühlen sehen; jener sah lederne Weinschläuche für mächtige Zauberer an, ich aber sehe in unseren jetzigen Zauberern nur den ledernen Weinschlauch; jener hielt Bettlerherbergen für Kastelle, Eseltreiber für Kavaliere, Stalldirnen für Hofdamen, ich hingegen halte unsre Kastelle nur für Lumpenherbergen, unsre Kavaliere nur für Eseltreiber, unsere Hofdamen nur für gemeine Stalldirnen; wie jener eine Puppenkomödie für eine Staatsaktion hielt, so halte ich unsre Staatsaktionen für leidige Puppenkomödien – doch ebenso tapfer wie der tapfere Manchaner schlage ich drein in die hölzerne Wirtschaft. Ach! solche Heldentat bekömmt mir oft ebenso schlecht wie ihm, und ich muß, ebenso wie er, viel erdulden für die Ehre meiner Dame. Wollte ich sie verleugnen, aus eitel Furcht oder schnöder Gewinnsucht, so könnte ich behaglich leben in dieser seienden vernünftigen Welt, und ich würde eine schöne Maritorne zum Altare führen und mich einsegnen lassen von feisten Zauberern und mit edlen Eseltreibern bankettieren und gefahrlose Novellen und sonstige kleine Sklävchen zeugen! Statt dessen, geschmückt mit den drei Farben meiner Dame, muß ich beständig auf der Mensur liegen und mich durch unsägliches Drangsal durchschlagen, und ich erfechte keinen Sieg, der mich nicht auch etwas Herzblut kostet. Tag und Nacht bin ich in Nöten; denn jene Feinde sind so tückisch, daß manche, die ich zu Tode getroffen, sich noch immer ein Air gaben, als ob sie lebten, und, in alle Gestalten sich verwandelnd, mir Tag und Nacht verleiden konnten. Wieviel Schmerzen habe ich durch solchen fatalen Spuk schon erdulden müssen! Wo mir etwas Liebes blühte, da schlichen sie hin, die heimtückischen Gespenster, und knickten sogar die unschuldigsten Knospen. Überall, und wo ich es am wenigsten vermuten sollte, entdecke ich am Boden ihre silbrichte Schleimspur, und nehme ich mich nicht in acht, so kann ich verderblich ausgleiten, sogar im Hause der nächsten Lieben. Ihr mögt lächeln und solche Besorgnis für eitel Einbildungen, gleich denen des Don Quixote, halten. Aber eingebildete Schmerzen tun darum nicht minder weh, und bildet man sich ein, etwas Schierling genossen zu haben, so kann man die Auszehrung bekommen, auf keinen Fall wird man davon fett. Und daß ich fett geworden sei, ist eine Verleumdung, wenigstens habe ich noch keine fette Sinekur erhalten, und ich hätte doch die dazu gehörigen Talente. Auch ist von dem Fett der Vetterschaft nichts an mir zu verspüren. Ich bilde mir ein, man habe alles mögliche angewendet, um mich mager zu halten; als mich hungerte, da fütterte man mich mit Schlangen, als mich dürstete, da tränkte man mich mit Wermut, man goß mir die Hölle ins Herz, daß ich Gift weinte und Feuer seufzte, man kroch mir nach bis in die Träume meiner Nächte – und da sehe ich sie, die grauenhaften Larven, die noblen Lakaiengesichter mit fletschenden Zähnen, die drohenden Bankiernasen, die tödlichen Augen, die aus den Kapuzen hervorstechen, die bleichen Manschettenhände mit blanken Messern –

Auch die alte Frau, die neben mir wohnt, meine Wandnachbarin, hält mich für verrückt und behauptet, ich spräche im Schlafe das wahnsinnigste Zeug, und die vorige Nacht habe sie deutlich gehört, daß ich rief: »Dulcinea ist das schönste Weib der Welt und ich der unglücklichste Ritter auf Erden, aber es ziemt sich nicht, daß meine Schwäche diese Wahrheit verleugne – stoßt zu mit der Lanze, Ritter!«

Spätere Nachschrift

November 1830

Ich weiß nicht, welche sonderbare Pietät mich davon abhielt, einige Ausdrücke, die mir bei späterer Durchsicht der vorstehenden Blätter etwas allzu herbe erschienen, im mindesten zu ändern. Das Manuskript war schon so gelb verblichen wie ein Toter, und ich hatte Scheu, es zu verstümmeln. Alles verjährt Geschriebene hat solch inwohnendes Recht der Unverletzlichkeit, und gar diese Blätter, die gewissermaßen einer dunkeln Vergangenheit angehören. Denn sie sind fast ein Jahr vor der dritten bourbonischen Hedschira geschrieben, zu einer Zeit, die weit herber war als der herbste Ausdruck, zu einer Zeit, wo es den Anschein gewann, als könnte der Sieg der Freiheit noch um ein Jahrhundert verzögert werden. Es war wenigstens bedenklich, wenn man sah, wie unsere Ritter so sichere Gesichter bekamen, wie sie die verblaßten Wappen wieder frischbunt anstreichen ließen, wie sie mit Schild und Speer zu München und Potsdam turnierten, wie sie so stolz auf ihren hohen Rossen saßen, als wollten sie nach Quedlinburg reiten, um sich neu auflegen zu lassen bei Gottfried Bassen. Noch unerträglicher waren die triumphierend tückischen Äugelein unserer Pfäffelein, die ihre langen Ohren so schlau unter der Kapuze zu verbergen wußten, daß wir die verderblichsten Kniffe erwarteten. Man konnte gar nicht vorher wissen, daß die edlen Ritter ihre Pfeile so kläglich verschießen würden und meistens anonym oder wenigstens im Davonjagen, mit abgewendetem Gesichte, wie fliehende Baschkiren. Ebensowenig konnte man vorher wissen, daß die Schlangenlist unserer Pfäffelein so zuschanden werde – ach! es ist fast Mitleiden erregend, wenn man sieht, wie schlecht sie ihr bestes Gift zu brauchen wissen, da sie uns, aus Wut, in großen Stücken den Arsenik an den Kopf werfen, statt ihn lotweis und liebevoll in unsere Suppen zu schütten, wenn man sieht, wie sie aus der alten Kinderwäsche die verjährten Windeln ihrer Feinde hervorkramen, um Unrat zu erschnüffeln, wie sie sogar die Väter ihrer Feinde aus dem Grabe hervorwühlen, um nachzusehen, ob sie etwa beschnitten waren – O der Toren! die da meinen, entdeckt zu haben, der Löwe gehöre eigentlich zum Katzengeschlecht, und die mit dieser naturgeschichtlichen Entdeckung noch so lang herumzischen werden, bis die große Katze das ex ungue leonem an ihrem eignen Fleische bewährt! O der obskuren Wichte, die nicht eher erleuchtet werden, bis sie selbst an der Laterne hängen! Mit den Gedärmen eines Esels möchte ich meine Leier besaiten, um sie nach Würden zu besingen, die geschorenen Dummköpfe!

Eine gewaltige Lust ergreift mich! Während ich sitze und schreibe, erklingt Musik unter meinem Fenster, und an dem elegischen Grimm der langgezogenen Melodie erkenne ich jene Marseiller Hymne, womit der schöne Barbaroux und seine Gefährten die Stadt Paris begrüßten, jener Kuhreigen der Freiheit, bei dessen Tönen die Schweizer in den Tuilerien das Heimweh bekamen, jener triumphierende Todesgesang der Gironde, das alte, süße Wiegenlied –

Welch ein Lied! Es durchschauert mich mit Feuer und Freude und entzündet in mir die glühenden Sterne der Begeisterung und die Raketen des Spottes. Ja, diese sollen nicht fehlen, bei dem großen Feuerwerk der Zeit. Klingende Flammenströme des Gesanges sollen sich ergießen von der Höhe der Freiheitslust, in kühnen Kaskaden, wie sich der Ganges herabstürzt vom Himalaja! Und du, holde Satyra, Tochter der gerechten Themis und des bocksfüßigen Pan, leih mir deine Hülfe, du bist ja mütterlicher Seite dem Titanengeschlechte entsprossen und hassest gleich mir die Feinde deiner Sippschaft, die schwächlichen Usurpatoren des Olymps. Leih mir das Schwert deiner Mutter, damit ich sie richte, die verhafte Brut, und gib mir die Pickelflöte deines Vaters, damit ich sie zu Tode pfeife –

Schon hören sie das tödliche Pfeifen, und es ergreift sie der panische Schrecken, und sie entfliehen wieder, in Tiergestalten, wie damals, als wir den Pelion stülpten auf den Ossa –

Aux armes, citoyens!

Man tut uns armen Titanen sehr unrecht, als man die düstre Wildheit tadelte, womit wir, bei jenem Himmelssturm, herauftobten – ach, da unten im Tartaros, da war es grauenhaft und dunkel, und da hörten wir nur Zerberusgeheul und Kettengeklirr, und es ist verzeihlich, wenn wir etwas ungeschlacht erschienen, in Vergleichung mit jenen Göttern comme il faut, die fein und gesittet, in den heiteren Salons des Olymps, soviel lieblichen Nektar und süße Musenkonzerte genossen.

Ich kann nicht weiterschreiben, denn die Musik unter meinem Fenster berauscht mir den Kopf, und immer gewaltiger greift herauf der Refrain:

Aux armes, citoyens!

Sämtliche Werke
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