Anhang

Kommunismus, Philosophie und Klerisei

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Paris, 15. Juni 1843

Hätte ich zur Zeit des Kaisers Nero in Rom privatisiert und etwa für die Oberpostamtszeitung von Böotien oder für die unoffizielle Staatszeitung von Abdera die Korrespondenz besorgt, so würden meine Kollegen nicht selten darüber gescherzt haben, daß ich z.B. von den Staatsintrigen der Kaiserin-Mutter gar nichts zu berichten wisse, daß ich nicht einmal von den glänzenden Diners rede, womit der judäische König Agrippa das diplomatische Korps zu Rom jeden Samstag regaliere, und daß ich hingegen beständig von jenen Galiläern spräche, von jenem obskuren Häuflein, das, meistens aus Sklaven und alten Weibern bestehend, in Kämpfen und Visionen sein blödsinniges Leben verträume und sogar von den Juden desavouiert werde. Meine wohlunterrichteten Kollegen hätten gewiß ganz besonders ironisch über mich gelächelt, wenn ich vielleicht von dem Hoffeste des Cäsars, wobei Se. Majestät höchstselbst die Gitarre spielte, nichts Wichtigeres zu berichten wußte, als daß einige jener Galiläer mit Pech bestrichen und angezündet wurden und solchergestalt die Gärten des goldenen Palastes erleuchteten. Es war in der Tat eine sehr bedeutsame Illumination, und es war ein grausamer, echt römischer Witz, daß die sogenannten Obskuranten als Lichter dienen mußten bei der Feier der antiken Lebenslust. Aber dieser Witz ist zuschanden geworden, jene Menschenfackeln streuten Funken umher, wodurch die alte Römerwelt mit all ihrer morschen Herrlichkeit in Flammen aufging: die Zahl jenes obskuren Häufleins ward Legion, im Kampfe mit ihr mußten die Legionen Cäsars die Waffen strecken, und das ganze Reich, die Herrschaft zu Wasser und zu Lande, gehört jetzt den Galiläern.

Es ist durchaus nicht meine Absicht, hier in homiletische Betrachtungen überzugehen, ich habe nur durch ein Beispiel zeigen wollen, in welcher siegreichen Weise eine spätere Zukunft jene Vorneigung rechtfertigen dürfte, womit ich in meinen Berichten sehr oft von einer kleinen Gemeinde gesprochen, die, der Ecclesia pressa des ersten Jahrhunderts sehr ähnlich, in der Gegenwart verachtet und verfolgt wird und doch eine Propaganda auf den Beinen hat, deren Glaubenseifer und düsterer Zerstörungswille ebenfalls an galiläische Anfänge erinnert. Ich spreche wieder von den Kommunisten, der einzigen Partei in Frankreich, die eine entschlossene Beachtung verdient. Ich würde für die Trümmer des Saint-Simonismus, dessen Bekenner, unter seltsamen Aushängeschildern, noch immer am Leben sind, sowie auch für die Fourieristen, die noch frisch und rührig wirken, dieselbe Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen; aber diese ehrenwerten Männer bewegt doch nur das Wort, die soziale Frage als Frage, der überlieferte Begriff, und sie werden nicht getrieben von dämonischer Notwendigkeit, sie sind nicht die prädestinierten Knechte, womit der höchste Weltwille seine ungeheuren Beschlüsse durchsetzt. Früh oder spät wird die zerstreute Familie Saint-Simons und der ganze Generalstab der Fourieristen zu dem wachsenden Heere des Kommunismus übergehen und, dem rohen Bedürfnisse das gestaltende Wort leihend, gleichsam die Rolle der Kirchenväter übernehmen.

Eine solche Rolle spielt bereits Pierre Leroux, den wir vor elf Jahren in der Salle Taitbout als einen der Bischöfe des Saint-Simonismus kennenlernten. Ein vortrefflicher Mann, der nur den Fehler hatte, für seinen damaligen Stand viel zu trübsinnig zu sein. Auch hat ihm Enfantin das sarkastische Lob erteilt: »Das ist der tugendhafteste Mensch nach den Begriffen der Vergangenheit.« Seine Tugend hat allerdings etwas vom alten Sauerteig der Entsagungsperiode, etwas verschollen Stoisches, das in unsrer Zeit ein fast befremdlicher Anachronismus ist und gar, den heitern Richtungen einer pantheistischen Genußreligion gegenüber, als eine honorable Lächerlichkeit erscheinen mußte. Auch ward es diesem traurigen Vogel am Ende sehr unbehaglich in dem glänzenden Gitterkorb, worin so viele Goldfasanen und Adler, aber noch mehr Sperlinge flatterten, und Pierre Leroux war der erste, der gegen die Doktrin von der neuen Sittlichkeit protestierte und sich mit einem fanatischen Anathema von der fröhlich bunten Genossenschaft zurückzog. Hierauf unternahm er, in Gemeinschaft mit Hippolyte Carnot, die neuere »Revue encyclopédique«, und die Artikel, die er darin schrieb, sowie auch sein Buch »De l’humanité« bilden den Übergang zu den Doktrinen, die er jetzt, seit einem Jahre, in der »Revue indépendante« niederlegte. Wie es jetzt mit der großen »Enzyklopädie« aussieht, woran Leroux und der vortreffliche Reynaud am tätigsten wirken, darüber kann ich nichts Bestimmtes sagen. Soviel darf ich behaupten, daß dieses Werk eine würdige Fortsetzung seines Vorgängers ist, jenes kolossalen Pamphlets in dreißig Quartbänden, worin Diderot das Wissen seines Jahrhunderts resümierte. In einem besondern Abdruck erschienen die Artikel, welche Leroux in seiner »Enzyklopädie« gegen den Cousinschen Eklektizismus oder Eklektismus, wie die Franzosen das Unding nennen, geschrieben hat. Cousin ist überhaupt das schwarze Tier, der Sündenbock, gegen welchen Pierre Leroux seit undenklicher Zeit polemisiert, und diese Polemik ist bei ihm zur Monomanie geworden. In den Dezemberheften der »Revue indépendante« erreicht sie ihren rasend gefährlichsten und skandalosesten Gipfel. Cousin wird hier nicht bloß wegen seiner eigenen Denkweise angegriffen, sondern auch bösartiger Handlungen beschuldigt. Diesmal läßt sich die Tugend vom Winde der Leidenschaft am weitesten fortreißen und gerät aufs hohe Meer der Verleumdung. Nein, wir wissen es aus guter Quelle, daß Cousin zufälligerweise ganz unschuldig ist an den unverzeihlichen Modifizierungen, welche die postume Schrift seines Schülers Jouffroy erlitten; wir wissen es nämlich nicht aus dem Munde seiner Anhänger, sondern seiner Gegner, die sich darüber beklagen, daß Cousin aus ängstlicher Schonung der Universitätsinteressen die Publikation der Jouffroyschen Schrift widerraten und verdrießlich seine Beihülfe verweigert habe. Sonderbare Wiedergeburt derselben Erscheinungen, wie wir sie bereits vor zwanzig Jahren in Berlin erlebt! Diesmal begreifen wir sie besser, und wenn auch unsre persönlichen Sympathien nicht für Cousin sind, so wollen wir doch unparteiisch gestehen, daß ihn die radikale Partei mit demselben Unrecht und mit derselben Beschränktheit verlästerte, die wir uns selbst einst in bezug auf den großen Hegel zuschulden kommen ließen. Auch dieser wollte gern, daß seine Philosophie im schützenden Schatten der Staatsgewalt ruhig gedeihe und mit dem Glauben der Kirche in keinen Kampf geriete, ehe sie hinlänglich ausgewachsen und stark – und der Mann, dessen Geist am klarsten und dessen Doktrin am liberalsten war, sprach sie dennoch in so trüb scholastischer, verklausulierter Form aus, daß nicht bloß die religiöse, sondern auch die politische Partei der Vergangenheit in ihm einen Verbündeten zu besitzen glaubte. Nur die Eingeweihten lächelten ob solchem Irrtum, und erst heute verstehen wir dieses Lächeln; damals waren wir jung und töricht und ungeduldig, und wir eiferten gegen Hegel, wie jüngst die äußerste Linke in Frankreich gegen Cousin eiferte. Nur daß bei diesem die äußerste Rechte sich nicht täuschen läßt durch die Vorsichtsmaßregeln des Ausdrucks; die römisch-katholisch-apostolische Klerisei zeigt sich hier weit scharfsichtiger als die königlich-preußisch-protestantische; sie weiß ganz bestimmt, daß die Philosophie ihr schlimmster Feind ist, sie weiß, daß dieser Feind sie aus der Sorbonne verdrängt hat, und um diese Festung wiederzuerobern, unternahm sie gegen Cousin einen Vertilgungskrieg, und sie führt ihn mit jener geweihten Taktik, wo der Zweck die Mittel heiligt. So wird Cousin von zwei entgegengesetzten Seiten angegriffen, und während die ganze Glaubensarmee mit fliegenden Kreuzfahnen, unter Anführung des Erzbischofs von Chartres, gegen ihn vorrückt, stürmen auf ihn los auch die Sansculotten des Gedanken, brave Herzen, schwache Köpfe, mit Pierre Leroux an ihrer Spitze. In diesem Kampfe sind alle unsre Siegeswünsche für Cousin; denn wenn auch die Bevorrechtung der Universität ihre Übelstände hat, so verhindert sie doch, daß der ganze Unterricht in die Hände jener Leute fällt, die immer mit unerbittlicher Grausamkeit die Männer der Wissenschaft und des Fortschrittes verfolgten, und solange Cousin in der Sorbonne wohnt, wird wenigstens dort nicht wie ehemals der Scheiterhaufen als letztes Argument, als ultima ratio, in der Tagespolemik angewendet werden. Ja, er wohnt dort als Gonfaloniere der Gedankenfreiheit, und das Banner derselben weht über dem sonst so verrufenen Obskurantenneste der Sorbonne. Was uns für Cousin noch besonders stimmt, ist die liebreiche Perfidie, womit man die Beschuldigungen des Pierre Leroux auszubeuten wußte. Die Arglist hatte sich diesmal hinter die Tugend versteckt, und Cousin wird wegen einer Handlung angeklagt, für die, hätte er sie wirklich begangen, ihm nur Lob, volles orthodoxes Lob von der klerikalen Partei gespendet werden müßte: Jansenisten ebensowohl wie Jesuiten predigten ja immer den Grundsatz, daß man um jeden Preis das öffentliche Ärgernis zu verhindern suche. Nur das öffentliche Ärgernis sei die Sünde, und nur diese solle man vermeiden, sagte gar salbungsvoll der fromme Mann, den Molière kanonisiert hat. Aber nein, Cousin darf sich keiner so erbaulichen Tat rühmen, wie man sie ihm zuschreibt; dergleichen liegt vielmehr im Charakter seiner Gegner, die von jeher, um den Skandal zu hintertreiben oder schwache Seelen vor Zweifel zu bewahren, es nicht verschmähten, Bücher zu verstümmeln oder ganz umzuändern oder zu vernichten oder ganz neue Schriften unter erborgten Namen zu schmieden, so daß die kostbarsten Denkmale und Urkunden der Vorzeit teils gänzlich untergegangen, teils verfälscht sind. Nein, der heilige Eifer des Bücherkastrierens und gar der fromme Betrug der Interpolationen gehört nicht zu den Gewohnheiten der Philosophen.

Und Victor Cousin ist ein Philosoph, in der ganzen deutschen Bedeutung des Wortes. Pierre Leroux ist es nur im Sinne der Franzosen, die unter Philosophie vielmehr allgemeine Untersuchungen über gesellschaftliche Fragen verstehen. In der Tat, Victor Cousin ist ein deutscher Philosoph, der sich mehr mit dem menschlichen Geiste als mit den Bedürfnissen der Menschheit beschäftigt und durch das Nachdenken über das große Ego in einen gewissen Egoismus geraten. Die Liebhaberei für den Gedanken an und für sich absorbierte bei ihm alle Seelenkräfte, aber der Gedanke selbst interessierte ihn zunächst wegen der schönen Form, und in der Metaphysik ergötzte ihn am Ende nur die Dialektik: von dem Übersetzer des Plato könnte man, das banale Wort umkehrend, gewissermaßen behaupten, er liebe den Plato mehr als die Wahrheit. Hier unterscheidet sich Cousin von den deutschen Philosophen: wie den letzteren ist auch ihm das Denken letzter Zweck des Denkens, aber zu solcher philosophischer Absichtslosigkeit gesellt sich bei ihm auch ein gewisser artistischer Indifferentismus. Wie sehr muß nun dieser Mann einem Pierre Leroux verhaßt sein, der weit mehr ein Freund der Menschen als der Gedanken ist, dessen Gedanken alle einen Hintergedanken haben, nämlich das Interesse der Menschheit, und der als geborener Ikonoklast keinen Sinn hat für künstlerische Freude an der Form! In solcher geistigen Verschiedenheit liegen genug Gründe des Grolls, und man hätte nicht nötig gehabt, die Feindschaft des Leroux gegen Cousin aus persönlichen Motiven, aus geringfügigen Vorfallenheiten des Tageslebens zu erklären. Ein bißchen unschuldige Privatmalice mag mit unterlaufen; denn die Tugend, wie erhaben sie auch das Haupt in den Wolken trägt und nur in Himmelsbetrachtungen verloren scheint, so bewahrt sie doch im getreusamsten Gedächtnisse jeden kleinen Nadelstich, den man ihr jemals versetzt hat.

Nein, der leidenschaftliche Grimm, die Berserkerwut des Pierre Leroux gegen Victor Cousin ist ein Ergebnis der Geistesdifferenz dieser beiden Männer. Es sind Naturen, die sich notwendigerweise abstoßen. Nur in der Ohnmacht kommen sie einander wieder nahe, und die gleiche Schwäche der Fundamente verleiht den entgegengesetzten Doktrinen eine gewisse Ähnlichkeit. Der Eklektizismus von Cousin ist eine feindrähtige Hängebrücke zwischen dem schottisch plumpen Empirismus und der deutsch abstrakten Idealität, eine Brücke, die höchstens dem leichtfüßigen Bedürfnisse einiger Spaziergänger genügen mag, aber kläglich einbrechen würde, wollte die Menschheit mit ihrem schweren Herzensgepäcke und ihren trampelnden Schlachtrossen darüber hinmarschieren. Leroux ist ein Pontifex maximus in einem höhern, aber noch weit unpraktischern Stile, er will eine kolossale Brücke bauen, die, aus einem einzigen Bogen bestehend, auf zwei Pfeilern ruhen soll, wovon der eine aus dem materialistischen Granit des vorigen Jahrhunderts, der andere aus dem geträumten Mondschein der Zukunft verfertigt worden, und diesem zweiten Pfeiler gibt er zur Basis irgendeinen noch unentdeckten Stern in der Milchstraße. Sobald dieses Riesenwerk fertig sein wird, wollen wir darüber referieren. Bis jetzt läßt sich von dem eigentlichen System des Leroux nichts Bestimmtes sagen, er gibt bis jetzt nur Materialien, zerstreute Bausteine. Auch fehlt es ihm durchaus an Methode, ein Mangel, der den Franzosen eigentümlich ist, mit wenigen Ausnahmen, worunter besonders Charles de Rémusat genannt werden muß, der in seinen »Essais de philosophie« (ein kostbares Meisterbuch!) die Bedeutung der Methode begriffen und für ihre Anwendung ein großes Talent offenbart hat. Leroux ist gewiß ein größerer Produzent im Denken, aber es fehlt ihm hier, wie gesagt, die Methode. Er hat bloß die Ideen, und in dieser Hinsicht ist ihm eine gewisse Ähnlichkeit mit Joseph Schelling nicht abzusprechen, nur daß alle seine Ideen das befreiende Heil der Menschheit betreffen und er, weit entfernt, die alte Religion mit der Philosophie zu flicken, vielmehr die Philosophie mit dem Gewande einer neuen Religion beschenkt. Unter den deutschen Philosophen ist es Krause, mit dem Leroux die meiste Verwandtschaft hat. Sein Gott ist ebenfalls nicht außerweltlich, sondern er ist ein Insasse dieser Welt, behält aber dennoch eine gewisse Persönlichkeit, die ihn sehr gut kleidet. An der immortalité de l’âme kaut Leroux beständig, ohne davon satt zu werden; es ist dies nichts als ein perfektioniertes Wiederkäuen der ältern Perfektibilitätslehre. Weil er sich gut aufgeführt in diesem Leben, hofft Leroux, daß er in einer spätern Existenz zu noch größerer Vollkommenheit gedeihen werde; Gott stehe alsdann dem Cousin bei, wenn derselbe nicht unterdessen ebenfalls Fortschritte gemacht hat!

Pierre Leroux mag wohl jetzt funfzig Jahr alt sein, wenigstens sieht er darnach aus; vielleicht ist er jünger. Körperlich ist er nicht von der Natur allzu verschwenderisch begünstigt worden. Eine untersetzte, stämmige, vierschrötige Gestalt, die keineswegs durch die Traditionen der vornehmen Welt einige Grazie gewonnen. Leroux ist ein Kind des Volks, war in seiner Jugend Buchdrucker, und er trägt noch heute in seiner äußern Erscheinung die Spuren des Proletariats. Wahrscheinlich mit Absicht hat er den gewöhnlichen Firnis verschmäht, und wenn er irgendeiner Koketterie fähig ist, so besteht diese vielleicht in dem hartnäckigen Beharren bei der rohen Ursprünglichkeit. Es gibt Menschen, welche nie Handschuhe tragen, weil sie kleine, weiße Hände haben, woran man die höhere Rasse erkennt; Pierre Leroux trägt ebenfalls keine Handschuhe, aber sicherlich aus ganz andern Gründen. Er ist ein asketischer Entsagungsmensch, dem Luxus und jedem Sinnenreiz abhold, und die Natur hat ihm die Tugend erleichtert. Wir wollen aber den Adel seiner Gesinnung, den Eifer, womit er dem Gedanken alle niederen Interessen opferte, überhaupt seine hohe Uneigennützigkeit als nicht minder verdienstlich anerkennen! und noch weniger wollen wir den rohen Diamanten deswegen herabsetzen, weil er keine glänzende Geschliffenheit besitzt und sogar in trübes Blei gefaßt ist. – Pierre Leroux ist ein Mann, und mit der Männlichkeit des Charakters verbindet er, was selten ist, einen Geist, der sich zu den höchsten Spekulationen emporschwingt, und ein Herz, welches sich versenken kann in die Abgründe des Volksschmerzes. Er ist nicht bloß ein denkender, sondern auch ein fühlender Philosoph, und sein ganzes Leben und Streben ist der Verbesserung des moralischen und materiellen Zustandes der untern Klassen gewidmet. Er, der gestählte Ringer, der die härtesten Schläge des Schicksals ertrüge, ohne zu zwinkern, und der wie Saint-Simon und Fourier zuweilen in der bittersten Not und Entbehrung darbte, ohne sich sonderlich zu beklagen: er ist nicht imstande, die Kümmernisse seiner Mitmenschen ruhig zu ertragen, seine harte Augenwimper feuchtet sich beim Anblick fremden Elends, und die Ausbrüche seines Mitleids sind alsdann stürmisch, rasend, nicht selten ungerecht.

Ich habe mich eben einer indiskreten Hinweisung auf Armut schuldig gemacht. Aber ich konnte doch nicht umhin, dergleichen zu erwähnen; diese Armut ist charakteristisch und zeigt uns, wie der vortreffliche Mann die Leiden des Volks nicht bloß mit dem Verstande erfaßt, sondern auch leiblich mitgelitten hat und wie seine Gedanken in der schrecklichsten Realität wurzeln. Das gibt seinen Worten ein pulsierendes Lebensblut und einen Zauber, der stärker als die Macht des Talentes. – Ja, Pierre Leroux ist arm, wie Saint-Simon und Fourier es waren, und die providentielle Armut dieser großen Sozialisten war es, wodurch die Welt bereichert wurde, bereichert mit einem Schatze von Gedanken, die uns neue Welten des Genusses und des Glückes eröffnen. In welcher gräßlichen Armut Saint-Simon seine letzten Jahre verbrachte, ist allgemein bekannt; während er sich mit der leidenden Menschheit, dem großen Patienten, beschäftigte und Heilmittel ersann für dessen achtzehnhundertjähriges Gebreste, erkrankte er selbst zuweilen vor misère, und er fristete sein Dasein nur durch Betteln. Auch Fourier mußte zu den Almosen der Freunde seine Zuflucht nehmen, und wie oft sah ich ihn, in seinem grauen, abgeschabten Rocke, längs den Pfeilern des Palais Royal hastig dahinschreiten, die beiden Rocktaschen schwer belastet, so daß aus der einen der Hals einer Flasche und aus der andern ein langes Brot hervorguckten. Einer meiner Freunde, der ihn mir zuerst zeigte, machte mich aufmerksam auf die Dürftigkeit des Mannes, der seine Getränke beim Weinschank und sein Brot beim Bäcker selber holen mußte. »Wie kommt es«, frug ich, »daß solche Männer, solche Wohltäter des Menschengeschlechts, in Frankreich darben müssen?« – »Freilich«, erwiderte mein Freund, sarkastisch lächelnd, »das macht dem gepriesenen Lande der Intelligenz keine sonderliche Ehre, und das würde gewiß nicht bei uns in Deutschland passieren: die Regierung würde bei uns die Leute von solchen Grundsätzen gleich unter ihre besondere Obhut nehmen und ihnen lebenslänglich freie Kost und Wohnung geben.«

Ja, Armut ist das Los der großen Menschheitshelfer, der heilenden Denker in Frankreich, aber diese Armut ist bei ihnen nicht bloß ein Antrieb zu tieferer Forschung und ein stärkendes Stahlbad der Geisteskräfte, sondern sie ist auch eine empfehlende Annonce für ihre Lehre und in dieser Beziehung gleichfalls von providentieller Bedeutsamkeit. In Deutschland wird der Mangel an irdischen Gütern sehr gemütlich entschuldigt, und besonders das Genie darf bei uns darben und verhungern, ohne eben verachtet zu werden. In England ist man schon minder tolerant, das Verdienst eines Mannes wird dort nur nach seinem Einkommen abgeschätzt, und »How much is he worth?« heißt buchstäblich: »Wieviel Geld besitzt er, wieviel verdient er?« Ich habe mit eigenen Ohren angehört, wie in Florenz ein dicker Engländer ganz ernsthaft einen Franziskanermönch fragte, wieviel es ihm jährlich einbringe, daß er so barfüßig und mit einem dicken Strick um den Leib herumgehe. In Frankreich ist es anders, und wie gewaltig auch die Gewinnsucht des Industrialismus um sich greift, so ist doch die Armut bei ausgezeichneten Personen ein wahrer Ehrentitel, und ich möchte schier behaupten daß der Reichtum, einen unehrlichen Verdacht begründend, gewissermaßen mit einem geheimen Makel, mit einer levis nota, die sonst vortrefflichsten Leute behafte. Das mag wohl daher entstehen, weil man bei so vielen die unsaubern Quellen kennt, woraus die großen Reichtümer geflossen. Ein Dichter sagte, daß der erste König ein glücklicher Soldat war! – in betreff der Stifter unsrer heutigen Finanzdynastien dürfen wir vielleicht das prosaische Wort aussprechen, daß der erste Bankier ein glücklicher Spitzbube gewesen. Der Kultus des Reichtums ist zwar in Frankreich so allgemein wie in andern Ländern, aber es ist ein Kultus ohne heiligen Respekt: die Franzosen tanzen ebenfalls um das Goldene Kalb, aber ihr Tanzen ist zugleich Spott, Persiflage, Selbstverhöhnung, eine Art Cancan. Es ist dieses eine merkwürdige Erscheinung, erklärbar teils aus der generösen Natur der Franzosen, teils auch aus ihrer Geschichte. Unter dem alten Regime galt nur die Geburt, nur die Ahnenzahl gab Ansehen, und die Ehre war eine Frucht des Stammbaums. Unter der Republik gelangte die Tugend zur Herrschaft, die Armut ward eine Würde, und wie vor Angst, so auch vor Scham, verkroch sich das Geld. Aus jener Periode stammen die vielen dicken Soustücke, die ernsthaften Kupfermünzen mit den Symbolen der Freiheit, sowie auch die Traditionen von pekuniärer Uneigennützigkeit, die wir noch heutigentages bei den höchsten Staatsverwaltern Frankreichs antreffen. Zur Zeit des Kaisertums florierte nur der militärische Ruhm, eine neue Ehre ward gestiftet, die der Ehrenlegion, deren Großmeister, der siegreiche Imperator, mit Verachtung herabschaute auf die rechnende Krämergilde, auf die Lieferanten, die Schmuggler, die Stockjobbers, die glücklichen Spitzbuben. Während der Restauration intrigierte der Reichtum gegen die Gespenster des alten Regimes, die wieder ans Ruder gekommen und deren Insolenz täglich wuchs: das beleidigte, ehrgeizige Geld wurde Demagoge, liebäugelte herablassend mit den Kurzjacken, und als die Juliussonne die Gemüter erhitzte, ward der Adelkönig Karl X. vom Throne herabgeschmissen. Der Bürgerkönig Ludwig Philipp stieg hinauf, er, der Repräsentant des Geldes, das jetzt herrscht, aber in der öffentlichen Meinung zu gleicher Zeit von der besiegten Partei der Vergangenheit und der getäuschten Partei der Zukunft frondiert wird. Ja, das adeltümliche Faubourg Saint-Germain und die proletarischen Faubourgs Saint-Antoine und Saint-Marceau überbieten sich in der Verhöhnung der geldstolzen Emporkömmlinge, und, wie sich von selbst versteht, die alten Republikaner mit ihrem Tugendpathos und die Bonapartisten mit pathetischen Heldentiraden stimmen ein in diesen herabwürdigenden Ton. Erwägt man diese zusammenwirkenden Grölle, so wird es begreiflich, warum dem Reichen jetzt in der öffentlichen Meinung eine fast übertriebene Geringschätzung zuteil wird, während jeder nach Reichtum lechzt.

Ich möchte, auf das Thema zurückkommend, womit ich diesen Artikel begonnen, hier ganz besonders andeuten, wie es für den Kommunismus ein unberechenbar günstiger Umstand ist, daß der Feind, den er bekämpft, bei all seiner Macht dennoch in sich selber keinen moralischen Halt besitzt. Die heutige Gesellschaft verteidigt sich nur aus platter Notwendigkeit, ohne Glauben an ihr Recht, ja ohne Selbstachtung, ganz wie jene ältere Gesellschaft, deren morsches Gebälke zusammenstürzte, als der Sohn des Zimmermanns kam.

II

Paris, 8. Juli 1843

In China sind sogar die Kutscher höflich. Wenn sie in einer engen Straße mit ihren Fuhrwerken etwas hart aneinanderstoßen und Deichseln und Räder sich verwickeln, erheben sie keineswegs ein Schimpfen und Fluchen wie die Kutscher bei uns zulande, sondern sie steigen ruhig von ihrem Sitz herunter, machen eine Anzahl Knickse und Bücklinge, sagen sich diverse Schmeicheleien, bemühen sich hernach, gemeinschaftlich ihre Wagen in das gehörige Geleise zu bringen, und wenn alles wieder in Ordnung ist, machen sie nochmals verschiedene Bücklinge und Knickse, sagen sich ein respektives Lebewohl und fahren von dannen. Aber nicht bloß unsre Kutscher, sondern auch unsre Gelehrten sollten sich hieran ein Beispiel nehmen. Wenn diese Herren miteinander in Kollision geraten, machen sie sehr wenig Komplimente und suchen sich keineswegs hülfreich zu verständigen, sondern sie fluchen und schimpfen alsdann wie die Kutscher des Okzidents. Und dieses klägliche Schauspiel gewähren uns zumeist Theologen und Philosophen, obgleich erstere auf das Dogma der Demut und Barmherzigkeit besonders angewiesen sind und letztere in der Schule der Vernunft zunächst Geduld und Gelassenheit erlernt haben sollten. Die Fehde zwischen der Universität und den Ultramontanen hat diesen Frühling bereits mit einer Flora von Grobheiten und Schmähreden bereichert, die selbst auf unsern deutschen Mistbeeten nicht kostbarer gedeihen könnte. Das wuchert, das sproßt, das blüht in unerhörter Pracht. Wir haben weder Lust noch Beruf, hier zu botanisieren. Der Duft mancher Giftblumen könnte uns betäubend zu Kopf steigen und uns verhindern, mit kühler Unparteilichkeit den Wert beider Parteien und die politische Bedeutung und Bedeutsamkeit des Kampfes zu würdigen. Sobald die Leidenschaften ein bißchen verduftet sind, wollen wir solche Würdigung versuchen. Soviel können wir schon heute sagen: das Recht ist auf beiden Seiten, und die Personen werden getrieben von der fatalsten Notwendigkeit. Der größte Teil der Katholischen, weise und gemäßigt, verdammt zwar das unzeitige Schilderheben ihrer Parteigenossen, aber diese gehorchen dem Befehl ihres Gewissens, ihrem höchsten Glaubensgesetz, dem compelle intrare, sie tun ihre Schuldigkeit, und sie verdienen aus diesem Grunde unsre Achtung. Wir kennen sie nicht, wir haben kein Urteil über ihre Person, und wir sind nicht berechtigt, an ihrer Ehrlichkeit zu zweifeln…

Diese Leute sind nicht eben meine Lieblinge, aber, aufrichtig gestanden, trotz ihrem düstern, blutrünstigen Zelotismus sind sie mir lieber als die toleranten Amphibien des Glaubens und des Wissens, als jene Kunstgläubigen, die ihre erschlafften Seelen durch fromme Musik und Heiligenbilder kitzeln lassen, und gar als jene Religionsdilettanten, die für die Kirche schwärmen, ohne ihren Dogmen einen strengen Gehorsam zu widmen, die mit den heiligen Symbolen nur liebäugeln, aber keine ernsthafte Ehe eingehen wollen und die man hier catholiques marrons nennt. Letztere füllen jetzt unsre fashionablen Kirchen, z.B. Sainte-Madeleine oder Notre-Dame de Lorette, jene heiligen Boudoirs, wo der süßlichste Rokokogeschmack herrscht, ein Weihkessel, der nach Lavendel düftet, reichgepolsterte Betstühle, rosige Beleuchtung und schmachtende Gesänge, überall Blumen und tändelnde Engel, kokette Andacht, die sich fächert mit éventails von Boncher und Watteau – Pompadourchristentum.

Ebenso unrecht wie unrichtig ist die Benennung Jesuiten, womit man hier die Gegner der Universität zu bezeichnen pflegt. Erstens gibt es gar keine Jesuiten mehr in dem Sinne, den man mit jenem Namen verknüpft. Aber wie es oben in der Diplomatie Leute gibt, die jedesmal, wenn die Flutzeit der Revolution eintritt, das gleichzeitige Heranbranden so vieler brausenden Wellen für das Werk eines Comité directeur in Paris erklären, so gibt es Tribunen hier unten, die, wenn die Ebbe beginnt, wenn die revolutionären Springfluten sich wieder verlaufen, diese Erscheinung den Intrigen der Jesuiten zuschreiben und sich ernsthaft einbilden, es residiere ein Jesuitengeneral in Rom, welcher durch seine vermummten Schergen die Reaktion der ganzen Welt leite. Nein, es existiert kein solcher Jesuitengeneral in Rom, wie auch in Paris kein Comité directeur existiert; das sind Märchen für große Kinder, hohle Schreckpopanze, moderner Aberglaube. Oder ist es eine bloße Kriegslist, daß man die Gegner der Universität für Jesuiten erklärt? Es gibt in der Tat hierzulande keinen Namen, der weniger populär wäre. Man hat im vorigen Jahrhundert gegen diesen Orden so gründlich polemisiert, daß noch eine geraume Zeit vergehen dürfte, ehe man ein mildes, unparteiisches Urteil über ihn fällen wird. Es will mich bedünken, als habe man die Jesuiten nicht selten ein bißchen jesuitisch behandelt und als seien die Verleumdungen, die sie sich zuschulden kommen ließen, ihnen manchmal mit zu großen Zinsen zurückgezahlt worden. Man könnte auf die Väter der Gesellschaft Jesu das Wort anwenden, welches Napoleon über Robespierre aussprach: sie sind hingerichtet worden, nicht gerichtet. Aber der Tag wird kommen, wo man auch ihnen Gerechtigkeit widerfahren lassen und ihre Verdienste anerkennen wird. Schon jetzt müssen wir eingestehen, daß sie durch ihre Missionsanstalten die Gesittung der Welt, die Zivilisation unberechenbar gefördert, daß sie ein heilsames Gegengift gewesen gegen die lebenverpestenden Miasmen von Port-Royal, daß sogar ihre vielgescholtene Akkommodationslehre noch das einzige Mittel war, wodurch die Kirche über die moderne, freiheitslustige und genußsüchtige Menschheit ihre Oberherrschaft bewahren konnte. »Mangez un bœuf et soyez chrétien«, sagten die Jesuiten zu dem Beichtkinde, dem in der Karwoche nach einem Stückchen Rindfleisch gelüstete; aber ihre Nachgiebigkeit lag nur in der Not des Momentes, und sie hätten später, sobald ihre Macht befestigt, die fleischfressenden Völker wieder zu den magersten Fastenspeisen zurückgelenkt. Laxe Doktrinen für die empörte Gegenwart, eiserne Ketten für die unterjochte Zukunft. Sie waren so klug!

Aber alle Klugheit hilft nichts gegen den Tod. Sie liegen längst im Grabe. Es gibt freilich Leute in schwarzen Mänteln und mit ungeheuern, dreieckig aufgekrempten Filzhüten, aber das sind keine echten Jesuiten. Wie manchmal ein zahmes Schaf sich in ein Wolfsfell des Radikalismus vermummt, aus Eitelkeit oder Eigennutz oder Schabernack, so steckt im Fuchspelz des Jesuitismus manchmal nur ein beschränktes Grauchen. – Ja, sie sind tot. Die Väter der Gesellschaft Jesu haben in den Sakristeien nur ihre Garderobe zurückgelassen, nicht ihren Geist. Dieser spukt an andern Orten, und manche Champions der Universität, die ihn so eifrig exorzieren, sind vielleicht davon besessen, ohne es zu merken. Ich sage dieses nicht in bezug auf die Herren Michelet und Quinet, die ehrlichsten und wahrhaftigsten Seelen, sondern ich habe hier im Auge zunächst den wohlbestallten Minister des öffentlichen Unterrichts, den Rektor der Universität, den Herrn Villemain. Seiner Magnifizenz zweideutiges Treiben berührt mich immer widerwärtig. Ich kann leider nur dem Esprit und dem Stile dieses Mannes meine Achtung zollen. Nebenbei gesagt, wir sehen hier, daß der berühmte Ausspruch von Buffon: »Le style, c’est l’homme«, grundfalsch ist. Der Stil des Herrn Villemain ist schön, edel, wohlgewachsen und reinlich. – Auch Victor Cousin kann ich nicht ganz verschonen mit dem Vorwurf des Jesuitismus. Der Himmel weiß, daß ich geneigt bin, Herrn Cousins Vorzügen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, daß ich den Glanz seines Geistes gern anerkenne; aber die Worte, womit er jüngst in der Akademie die Übersetzung Spinozas ankündigte, zeugen weder von Mut noch von Wahrheitsliebe. Cousin hat gewiß die Interessen der Philosophie unendlich gefördert, indem er den Spinoza dem denkenden Frankreich zugänglich machte, aber er hätte zugleich ehrlich gestehen sollen, daß er dadurch der Kirche keinen großen Dienst geleistet. Im Gegenteil sagte er, der Spinoza sei von einem seiner Schüler, einem Zögling der École normale, übersetzt worden, um ihn mit einer Widerlegung zu begleiten, und während die Priesterpartei die Universität so heftig angreife, sei es doch eben diese arme, unschuldige, verketzerte Universität, welche den Spinoza widerlege, den gefährlichen Spinoza, jenen Erbfeind des Glaubens, der mit einer Feder aus den schwarzen Flügeln Satans seine deiziden Bücher geschrieben! »Wen betrügt man hier?« ruft Figaro. Es war in der Académie des sciences morales et politiques, wo Cousin in solcher Weise die französische Übersetzung des Spinoza ankündigte; sie ist außerordentlich gelungen, während die gerühmte Widerlegung so schwach und dürftig ist, daß sie in Deutschland für ein Werk der Ironie gelten würde.

III

Paris, 20. Juli 1843

Jedes Volk hat seinen Nationalfehler, und wir Deutschen haben den unsrigen, nämlich jene berühmte Langsamkeit, wir wissen es sehr gut, wir haben Blei in den Stiefeln, sogar in den Pantoffeln. Aber was nützt den Franzosen alle Geschwindigkeit, all ihr flinkes, anstelliges Wesen, wenn sie ebenso schnell vergessen, was sie getan? Sie haben kein Gedächtnis, und das ist ihr größtes Unglück. Die Frucht jeder Tat und jeder Untat geht hier verloren durch Vergeßlichkeit. Jeden Tag müssen sie den Kreislauf ihrer Geschichte wieder durchlaufen, ihr Leben wieder von vorne anfangen, ihre Kämpfe aufs neue durchkämpfen, und morgen hat der Sieger vergessen, daß er gesiegt hatte, und der Überwundene hat ebenso leichtsinnig seine Niederlage und ihre heilsamen Lehren vergessen. Wer hat im Julius 1830 die große Schlacht gewonnen? Wer hat sie verloren? Wenigstens in dem großen Hospital, wo, um mich eines Ausdrucks von Mignet zu bedienen, jede gestürzte Macht ihre Blessierten untergebracht hat, hätte man sich dessen erinnern sollen! Diese einzige Bemerkung erlauben wir uns in Beziehung auf die Debatten, die in der Pairskammer über den Sekundärunterricht stattgefunden und wo die klerikale Partei nur scheinbar unterlag. In der Tat triumphierte sie, und es war schon ein hinlänglicher Triumph, daß sie als organisierte Partei ans Tageslicht trat. Wir sind weit entfernt, dieses kühne Auftreten zu tadeln, und es mißfällt uns weit weniger als jene schlottrige Halbheit, welche die Gegner sich zuschulden kommen ließen. Wie kläglich zeigte sich hier Herr Villemain, der kleine Rhetor, der windige Bel-Esprit, dieser abgestandene Voltairianer, der sich ein bißchen an den Kirchenvätern gerieben, um einen gewissen ernsthaften Anstrich zu gewinnen, und der von einer Unwissenheit beseelt war, die ans Erhabene grenzte! Es ist mir unbegreiflich, daß ihm Herr Guizot nicht auf der Stelle den Laufpaß gegeben, denn diesem großen Gelehrten mußte jene schülerhafte Verlegenheit, jener Mangel an den dürftigsten Vorkenntnissen, jene wissenschaftliche Nullität noch weit empfindlicher mißfallen als irgendein politischer Fehler! Um die Schwäche und Inhaltlosigkeit seines Kollegen einigermaßen zu decken, mußte Guizot mehrmals das Wort ergreifen; aber alles, was er sagte, war matt, farblos und unerquicklich. Er würde gewiß bessere Dinge vorgebracht haben, wenn er nicht Minister der auswärtigen Angelegenheiten, sondern Minister des Unterrichts gewesen wäre und für die besondern Interessen dieses Departements eine Lanze gebrochen hätte. Ja, er würde sich für die Gegenpartei noch weit gefährlicher erwiesen haben, wenn er ganz ohne weltliche Macht, nur mit seiner geistlichen Macht bewaffnet, wenn er als bloßer Professor für die Befugnisse der Philosophie in die Schranken getreten wäre! In einer solchen günstigern Lage war Victor Cousin, und ihm gebührt vorzugsweise die Ehre des Tages. Cousin ist nicht, wie jüngst ziemlich griesgrämig behauptet worden, ein philosophischer Dilettant, sondern er ist vielmehr ein großer Philosoph, er ist hier Haussohn der Philosophie, und als diese angegriffen wurde von ihren unversöhnlichsten Feinden, mußte unser Victor Cousin seine oratio pro domo halten. Und er sprach gut, ja vortrefflich, mit Überzeugung. Es ist für uns immer ein kostbares Schauspiel, wenn die friedliebendsten Männer, die durchaus von keiner Streitlust beseelt sind, durch die innern Bedingungen ihrer Existenz, durch die Macht der Ereignisse, durch ihre Geschichte, ihre Stellung, ihre Natur, kurz, durch eine unabweisliche Fatalität, gezwungen werden, zu kämpfen. Ein solcher Kämpfer, ein solcher Gladiator der Notwendigkeit war Cousin, als ein unphilosophischer Minister des Unterrichts die Interessen der Philosophie nicht zu verteidigen vermochte. Keiner wußte besser als Victor Cousin, daß es sich hier um keine neue Sache handelte, daß sein Wort wenig beitragen würde zur Schlichtung des alten Streits und daß da kein definitiver Sieg zu erwarten sei. Ein solches Bewußtsein übt immer einen dämpfenden Einfluß, und alles Brillantfeuer des Geistes konnte auch hier die innere Trauer über die Fruchtlosigkeit aller Anstrengungen keineswegs verbergen. Selbst bei den Gegnern haben Cousins Reden einen ehrenden Eindruck hervorgebracht, und die Feindschaft, die sie ihm widmen, ist ebenfalls eine Anerkennung. Den Villemain verachten sie, den Cousin aber fürchten sie. Sie fürchten ihn nicht wegen seiner Gesinnung, nicht wegen seines Charakters, nicht wegen seiner individuellen Vorzüge oder Fehler, sondern sie fürchten in ihm die deutsche Philosophie. Du lieber Himmel! man erzeigt hier unserer deutschen Philosophie und unserm Cousin allzu große Ehre. Obgleich letzterer ein geborner Dialektiker ist, obgleich er zugleich für Form die größte Begabnis besitzt, obgleich er bei seiner philosophischen Spezialität auch noch von großem Kunstsinn unterstützt wird, so ist er doch noch sehr weit davon entfernt, die deutsche Philosophie so gründlich tief in ihrem Wesen zu erfassen, daß er ihre Systeme in einer klaren, allgemein verständlichen Sprache formulieren könnte, wie es nötig wäre für Franzosen, die nicht wie wir die Geduld besitzen, ein abstraktes Idiom zu studieren. Was sich aber nicht in gutem Französisch sagen läßt, ist nicht gefährlich für Frankreich. Die Sektion der sciences morales et politiques der französischen Akademie hat bekanntlich eine Darstellung der deutschen Philosophie seit Kant zu einer Preisfrage gewählt, und Cousin, der hier als Hauptdirigent zu betrachten ist, suchte vielleicht fremde Kräfte, wo seine eignen nicht ausreichten. Aber auch andere haben die Aufgabe nicht gelöst, und in der jüngsten feierlichen Sitzung der Akademie ward uns angekündigt, daß auch dies Jahr keine Preisschrift über die deutsche Philosophie gekrönt werden könne.

Gefängnisreform und Strafgesetzgebung

Paris, Juli 1843

Nachdem der Gesetzvorschlag über die Gefängnisreform während vier Wochen in der Deputiertenkammer debattiert worden, ist derselbe endlich mit sehr unwesentlichen Abänderungen und durch eine bedeutende Majorität angenommen worden. Damit wir es gleich von vornherein sagen, nur der Minister des Innern, der eigentliche Schöpfer jenes Gesetzvorschlags, war der einzige, der mit festen Füßen auf der Höhe der Frage stand, der bestimmt wußte, was er wollte, und einen Triumph der Überlegenheit feierte. Dem Rapporteur, Herrn von Tocqueville, gebührt das Lob, daß er mit Festigkeit seine Gedanken durchfocht; er ist ein Mann von Kopf, der wenig Herz hat und bis zum Gefrierpunkt die Argumente seiner Logik verfolgt; auch haben seine Reden einen gewissen frostigen Glanz, wie geschnittenes Eis. Was Herrn Tocqueville jedoch an Gemüt fehlt, das hat sein Freund, M. de Beaumont, in liebreichster Fülle, und diese beiden Unzertrennlichen, die wir immer gepaart sehen, auf ihren Reisen, in ihren Publikationen, in der Deputiertenkammer, ergänzen sich aufs beste. Der eine, der scharfe Denker, und der andere, der milde Gemütsmensch, gehören beisammen, wie das Essigfläschchen und das Ölfläschchen. – – Aber die Opposition, wie vage, wie gehaltlos, wie schwach, wie ohnmächtig zeigte sie sich bei dieser Gelegenheit! Sie wußte nicht, was sie wollte, sie mußte das Bedürfnis der Reform eingestehen, konnte nichts Positives vorschlagen, war beständig im Widerspruch mit sich selber und opponierte hier, wie gewöhnlich, aus blöder Gewohnheit des Oppositionsmetiers. Und dennoch würde sie, um letzterm zu genügen, leichtes Spiel gehabt haben, wenn sie sich auf das hohe Pferd der Idee gesetzt hätte, auf irgendeine generöse Rosinante der Theorienwelt, statt auf ebener Erde den zufälligen Lücken und Schwächen des ministeriellen Systems nachzukriechen und im Detail zu schikanieren, ohne das Ganze erschüttern zu können. Nicht einmal unser unvergleichlicher Don Alphonso de la Martine, der ingeniose Junker, zeigte sich hier in seiner idealen Ritterlichkeit. Und doch war die Gelegenheit günstig, und er hätte hier die höchsten und wichtigsten Menschheitsfragen besprechen können, mit olymperschütternden Worten; er konnte hier feuerspeiende Berge reden und mit einem Ozean von Weltuntergangspoesie die Kammer überschwemmen. Aber nein, der edle Hidalgo war hier ganz entblößt von seinem schönen Wahnsinn und sprach so vernünftig wie die nüchternsten seiner Kollegen.

Ja, nur auf dem Felde der Idee hätte die Opposition, wo nicht sich behaupten, doch wenigstens glänzen können. Bei solcher Gelegenheit hätte eine deutsche Opposition ihre gelehrtesten Lorbeeren erfochten. Denn die Gefängnisfrage ist ja enthalten in jener allgemeinen Frage über die Bedeutung der Strafe überhaupt, und hier treten uns die großen Theorien entgegen, die wir heute nur in flüchtigster Kürze erwähnen wollen, um für die Würdigung des neuen Gefängnisgesetzes einen deutschen Standpunkt zu gewinnen.

Wir sehen hier zunächst die sogenannte Vergeltungstheorie, das alte harte Gesetz der Urzeit, jenes jus talionis, das wir noch bei dem alttestamentalischen Moses in schauerlichster Naivetät vorfinden: Leben um Leben, Auge um Auge, Zahn um Zahn. Mit dem Martyrtode des großen Versöhners fand auch diese Idee der Sühne ihren Abschluß, und wir können behaupten, der milde Christus habe dem antiken Gesetze auch hier persönlich Genüge getan und dasselbe auch für die übrige Menschheit aufgehoben. Sonderbar! während hier die Religion im Fortschritt erscheint, ist es die Philosophie, welche stationär geblieben, und die Strafrechtstheorie unserer Philosophen von Kant bis auf Hegel ist trotz aller Verschiedenheit des Ausdrucks noch immer das alte jus talionis. Selbst unser Hegel wußte nichts Besseres anzugeben, und er vermochte nur die rohe Anschauungsweise einigermaßen zu spiritualisieren, ja bis zur Poesie zu erheben. Bei ihm ist die Strafe das Recht des Verbrechers; nämlich indem dieser das Verbrechen begeht, gewinnt er ein unveräußerliches Recht auf die adäquate Bestrafung; letztere ist gleichsam das objektive Verbrechen. Das Prinzip der Sühne ist hier bei Hegel ganz dasselbe wie bei Moses, nur daß dieser den antiken Begriff der Fatalität in der Brust trug, Hegel aber immer von dem modernen Begriff der Freiheit bewegt wird: sein Verbrecher ist ein freier Mensch, das Verbrechen selbst ist ein Akt der Freiheit, und es muß ihm dafür sein Recht geschehen. Hierüber nur ein Wort. Wir sind dem altsazerdotalen Standpunkt entwachsen, und es widerstrebt uns, zu glauben, daß, wenn der einzelne eine Untat begangen, die Gesellschaft in corpore gezwungen sei, dieselbe Untat zu begehen, sie feierlich zu wiederholen. Für den modernen Standpunkt, wie wir ihn bei Hegel finden, ist jedoch unser sozialer Zustand noch zu niedrig; denn Hegel setzt immer eine absolute Freiheit voraus, von der wir noch sehr entfernt sind und vielleicht noch eine gute Weile entfernt bleiben werden.

Unsere zweite große Straftheorie ist die der Abschreckung. Diese ist weder religiös noch philosophisch, sie ist rein absurd. Hier wird einem Menschen, der ein Verbrechen beging, Pein angetan, damit ein Dritter dadurch abgeschreckt werde, ein ähnliches Verbrechen zu begehen. Es ist das höchste Unrecht, daß jemand leiden soll zum Heile eines andern, und diese Theorie mahnte mich immer an die armen souffre-douleurs, die ehemals mit den kleinen Prinzen erzogen wurden und jedesmal durchgepeitscht wurden, wenn ihr erlauchter Kamerad irgendeinen Fehler begangen. Diese nüchterne und frivole Abschreckungstheorie borgt von der sazerdotalen Theorie gleichsam ihre pompes funèbres, auch sie errichtet auf öffentlichem Markt ein castrum doloris, um die Zuschauer anzulocken und zu verblüffen. Der Staat ist hier ein Scharlatan, nur mit dem Unterschied, daß der gewöhnliche Scharlatan dir versichert, er reiße die Zähne aus, ohne Schmerzen zu verursachen, während jener im Gegenteil durch seine schauerlichen Apparate mit weit größern Schmerzen droht, als vielleicht der arme Patient wirklich zu ertragen hat. Diese blutige Scharlatanerie hat mich immer angewidert.

Soll ich hier die sogenannte Theorie vom physischen Zwang, die zu meiner Zeit in Göttingen und in der umliegenden Gegend zum Vorschein gekommen, als eine besondere Theorie erwähnen? Nein, sie ist nichts als der alte Abschreckungssauerteig, neu umgeknetet. Ich habe mal einen ganzen Winter hindurch den Lykurg Hannovers, den traurigen Hofrat Bauer, darüber schwätzen gehört, in seiner seichtesten Prosa. Diese Tortur erduldete ich ebenfalls aus physischem Zwang, denn der Schwätzer war Examinator meiner Fakultät, und ich wollte damals Doctor juris werden.

Die dritte große Straftheorie ist die, wobei die moralische Verbesserung des Verbrechers in Betracht kommt. Die wahre Heimat dieser Theorie ist China, wo alle Autorität von der väterlichen Gewalt abgeleitet wird. Jeder Verbrecher ist dort ein ungezogenes Kind, das der Vater zu bessern sucht, und zwar durch den Bambus. Diese patriarchalische, gemütliche Ansicht hat in neuerer Zeit ganz besonders in Preußen ihre Verehrer gefunden, die sie auch in die Gesetzgebung einzuführen suchten. Bei solcher chinesischen Bambustheorie drängt sich uns zunächst das Bedenken auf, daß alle Verbesserung nichts helfen dürfte, wenn nicht vorher die Verbesserer gebessert würden. In China scheint das Staatsoberhaupt dergleichen Einrede dunkel zu fühlen, und wenn im Reiche der Mitte irgendein ungeheures Verbrechen begangen wird, legt sich der Kaiser, der Himmelssohn, selber eine harte Buße auf, wähnend, daß er selber durch irgendeine Sünde ein solches Landesunglück verschuldet haben müsse. Wir würden es mit großem Vergnügen sehen, wenn unser heimischer Pietismus auf solche fromme Irrtümer geriete und sich zum Heil des Staats weidlich kasteien wollte. In China gehört es zur Konsequenz der patriarchalischen Ansicht, daß es neben den Bestrafungen auch gesetzliche Belohnungen gibt, daß man für gute Handlungen irgendeinen Ehrenknopf mit oder ohne Schleife bekömmt, wie man für schlechte Handlungen die gehörige Tracht Schläge empfängt, so daß, um mich philosophisch auszudrücken, der Bambus die Belohnung des Lasters und der Orden die Strafe der Tugend ist. Die Partisane der körperlichen Züchtigung haben jüngst in den Rheinprovinzen einen Widerstand gefunden, der aus einer Empfindungsweise her, vorgegangen, die nicht sehr original ist und leider als ein Überbleibsel der französischen Fremdherrschaft betrachtet werden dürfte.

Wir haben noch eine vierte große Straftheorie, die wir kaum noch eine solche nennen können, da der Begriff »Strafe« hier ganz verschwindet. Man nennt sie die Präventionstheorie, weil hier die Verhütung der Verbrechen das leitende Prinzip ist. Die eifrigsten Vertreter dieser Ansicht sind zunächst die Radikalen aller sozialistischen Schulen. Als der Entschiedenste muß hier der Engländer Owen genannt werden, der kein Recht der Bestrafung anerkennt, solange die Ursache der Verbrechen, die sozialen Übel, nicht fortgeräumt worden. So denken auch die Kommunisten, die materialistischen ebensowohl wie die spiritualistischen, welche letztern ihre Abneigung gegen das herkömmliche Kriminalrecht, das sie das alttestamentalische Rachegesetz nennen, durch evangelische Texte beschönigen. Die Fourieristen dürfen ebenfalls konsequenterweise kein Strafrecht anerkennen, da nach ihrer Lehre die Verbrechen nur durch ausgeartete Leidenschaften entstehen und ihr Staat sich eben die Aufgabe gestellt hat, durch eine neue Organisation der menschlichen Leidenschaften ihre Ausartung zu verhüten. Die Saint-Simonisten hatten freilich weit höhere Begriffe von der Unendlichkeit des menschlichen Gemütes, als daß sie sich auf einen geregelten und numerierten Schematismus der Leidenschaften, wie wir ihn bei Fourier finden, eingelassen hätten. Jedoch auch sie hielten das Verbrechen nicht bloß für ein Resultat gesellschaftlicher Mißstände, sondern auch einer fehlerhaften Erziehung, und von den besser geleiteten, wohlerzogenen Leidenschaften erwarteten sie eine vollständige Regeneration, das Weltreich der Liebe, wo alle Traditionen der Sünde in Vergessenheit geraten und die Idee eines Strafrechts als eine Blasphemie erscheinen würde.

Minder schwärmerische und sogar sehr praktische Naturen haben sich ebenfalls für die Präventionstheorie entschieden, insofern sie von der Volkserziehung die Abnahme der Verbrechen erwarteten. Sie haben noch ganz besondere staatsökonomische Vorschläge gemacht, die dahin zielen, den Verbrecher vor seinen eigenen bösen Anfechtungen zu schützen, in derselben Weise, wie die Gesellschaft vor der Untat selbst hinreichend bewahrt wird. Hier stehen wir auf dem positiven Boden der Präventionslehre. Der Staat wird hier gleichsam eine große Polizeianstalt, im edelsten und würdigsten Sinne, wo dem bösen Gelüste jeder Antrieb entzogen wird, wo man nicht durch Ausstellungen von Leckerbissen und Putzwaren einen armen Schlucker zum Diebstahl und die arme Gefallsucht zur Prostitution reizt, wo keine diebischen Emporkömmlinge, keine Robert Macaires der hohen Finanz, keine Menschenfleischhändler, keine glücklichen Halunken ihren unverschämten Luxus öffentlich zur Schau geben dürfen, kurz, wo das demoralisierende böse Beispiel unterdrückt wird. Kommen trotz aller Vorkehrungsmaßregeln dennoch Verbrechen zum Vorschein, so sucht man die Verbrecher unschädlich zu machen, und sie werden entweder eingesperrt oder, wenn sie der Ruhe der Gesellschaft gar zu gefährlich sind, ein bißchen hingerichtet. Die Regierung, als Mandatarin der Gesellschaft, verhängt hier keine Pein als Strafe, sondern als Notwehr, und der höhere oder geringere Grad dieser Pein wird nur von dem Grade des Bedürfnisses der sozialen Selbstverteidigung bestimmt. Nur von diesem Gesichtspunkte aus sind wir für die Todesstrafe oder vielmehr für die Tötung großer Bösewichter, welche die Polizei aus dem Wege schaffen muß, wie sie tolle Hunde totschlägt.

Wenn man aufmerksam das exposé des motifs liest, womit der französische Minister des Innern seinen Gesetzentwurf in betreff der Gefängnisreform einleitete, so ist es augenscheinlich, wie hier die zuletzt bezeichnete Ansicht den Grundgedanken bildet und wie das sogenannte Repressivprinzip der Franzosen im Grunde nur die Praxis unserer Präventivtheorie ist.

Im Prinzip sind also unsere Ansichten ganz übereinstimmend mit denen der französischen Regierung. Aber unsere Gefühle sträuben sich gegen die Mittel, wodurch die gute Absicht erreicht werden soll. Auch halten wir sie für Frankreich ganz ungeeignet. In diesem Lande der Soziabilität wäre die Absperrung in Zellen, die pennsylvanische Methode, eine unerhörte Grausamkeit, und das französische Volk ist zu großmütig, als daß es je um solchen Preis seine gesellschaftliche Ruhe erkaufen möchte. Ich bin daher überzeugt, selbst nachdem die Kammern eingewilligt, kommt das entsetzliche, unmenschliche, ja unnatürliche Zellulargefängniswesen nicht in Ausführung, und die vielen Millionen, welche die nötigen Bauten kosten, sind gottlob verlorenes Geld. Diese Burgverliese des neuen Bürgerrittertums wird das Volk ebenso unwillig niederreißen, wie es einst die adelige Bastille zerstörte. So furchtbar und düster dieselbe von außen gewesen sein mochte, so war sie doch gewiß nur ein heiteres Kiosk, ein sonniges Gartenhaus, im Vergleich mit jenen kleinen, schweigenden amerikanischen Höllen, die nur ein blödsinniger Pietist ersinnen und nur ein herzloser Krämer, der für sein Eigentum zittert, billigen konnte. Der gute fromme Bürger soll hinfüro ruhiger schlafen können – das will die Regierung mit löblichem Eifer bewirken. Aber warum sollen sie nicht etwas weniger schlafen? – Bessere Leute müssen jetzt wachend die Nächte verbringen. Und dann, haben sie nicht den lieben Gott, um sie zu schützen, sie, die Frommen? – Oder zweifeln sie an diesem Schutz, sie, die Frommen?

Aus den Pyrenäen

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I

II

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I

Barèges, 26. Juli 1846

Seit Menschengedenken gab es kein solches Zuströmen nach den Heilquellen von Barèges wie dieses Jahr. Das kleine Dorf, das aus etwa sechzig Häusern und einigen Dutzend Notbaracken besteht, kann die kranke Menge nicht mehr fassen; Spätkömmlinge fanden kaum ein kümmerliches Obdach für eine Nacht und mußten leidend umkehren. Die meisten Gäste sind französische Militärs, die in Afrika sehr viele Lorbeeren, Lanzenstiche und Rheumatismen eingeerntet haben. Einige alte Offiziere aus der Kaiserzeit keuchen hier ebenfalls umher und suchen in der Badewanne die glorreichen Erinnerungen zu vergessen, die sie bei jedem Witterungswechsel so verdrießlich jucken. Auch ein deutscher Dichter befindet sich hier, der manches auszubaden haben mag, aber bis jetzt keineswegs seines Verstandes verlustig und noch viel weniger in ein Irrenhaus eingesperrt worden ist, wie ein Berliner Korrespondent in der hochlöblichen »Leipziger Allgemeinen Zeitung« berichtet hat. Freilich, wir können uns irren, Heinrich Heine ist vielleicht verrückter, als er selbst weiß; aber mit Gewißheit dürfen wir versichern, daß man ihn hier, in dem anarchischen Frankreich, noch immer auf freien Füßen herumgehen läßt, was ihm wahrscheinlich zu Berlin, wo die geistige Sanitätspolizei strenger gehandhabt wird, nicht gestattet werden möchte. Wie dem auch sei, fromme Gemüter an der Spree mögen sich trösten, wenn auch nicht der Geist, so ist doch der Leib des Dichters hinlänglich belastet von lähmenden Gebresten, und auf der Reise von Paris hierher ward sein Siechtum so unleidlich, daß er unfern von Bagnères-de-Bigorre den Wagen verlassen und sich auf einem Lehnsessel über das Gebirge tragen lassen mußte. Er hatte bei dieser erhabenen Fahrt manche erfreuliche Lichtblicke, nie hat ihn Sonnenglanz und Waldgrün inniger bezaubert, und die großen Felsenkoppen, wie steinerne Riesenhäupter, sahen ihn an mit fabelhaftem Mitleid. Die Hautes Pyrénées sind wunderbar schön. Besonders seelenerquickend ist die Musik der Bergwasser, die wie ein volles Orchester in den rauschenden Talfluß, den sogenannten Gave, hinabstürzen. Gar lieblich ist dabei das Geklingel der Lämmerherden, zumal wenn sie in großer Anzahl wie jauchzend von den Bergeshalden heruntergesprungen kommen, voran die langwolligen Mutterschafe und dorisch gehörnten Widder, welche große Glocken an den Hälsen tragen, und nebenherlaufend der junge Hirt, der sie nach dem Taldorfe zur Schur führt und bei dieser Gelegenheit auch die Liebste besuchen will. Einige Tage später ist das Geklingel minder heiter, denn es hat unterdessen gewittert, aschgraue Nebelwolken hängen tief herab, und mit seinen geschornen, fröstelnd nackten Lämmern steigt der junge Hirt melancholisch wieder hinauf in seine Alpeneinsamkeit; er ist ganz eingewickelt in seinen braunen, reichgeflickten Baskesenmantel, und das Scheiden von ihr war vielleicht bitter.

Ein solcher Anblick mahnt mich aufs lebhafteste an das Meisterwerk von Decamps, welches der diesjährige Salon besaß und das von so vielen, ja von dem kunstverständigsten Franzosen, Théophile Gautier, mit hartem Unrecht getadelt ward. Der Hirt auf jenem Gemälde, der in seiner zerlumpten Majestät wie ein wahrer Bettelkönig aussieht und an seiner Brust, unter den Fetzen des Mantels, ein armes Schäfchen vor dem Regenguß zu schützen sucht, die stumpfsinnig trüben Wetterwolken mit ihren feuchten Grimassen, der zottighäßliche Schäferhund – alles ist auf jenem Bilde so naturwahr, so pyrenäengetreu gemalt, so ganz ohne sentimentalen Anstrich und ohne süßliche Veridealisierung, daß einem hier das Talent des Decamps fast erschreckend, in seiner naivsten Nacktheit, offenbar wird.

Die Pyrenäen werden jetzt von vielen französischen Malern mit großem Glück ausgebeutet, besonders wegen der hiesigen pittoresken Volkstrachten, und die Leistungen von Leleux, die unser feintreffender Pfeilkollege immer so schön gewürdigt, verdienen das gespendete Lob; auch bei diesem Maler ist Wahrheit der Natur, aber ohne ihre Bescheidenheit, sie tritt schier allzu keck hervor, und sie artet aus in Virtuosität. Die Kleidung der Bergbewohner, der Bearnaisen, der Basken und der Grenzspanier, ist in der Tat so eigentümlich und staffeleifähig, wie es ein junger Enthusiast von der Pinselgilde, der den banalen Frack verabscheut, nur irgend verlangen kann; besonders pittoresk ist die Kopfbedeckung der Weiber, die scharlachrote, bis an die Hüften über den schwarzen Leibrock herabhängende Kapuze. Einen überaus köstlichen Anblick gewähren derartig kostümierte Ziegenhirtinnen, wenn sie, auf hochgesattelten Maultieren sitzend, den altertümlichen Spinnstock unterm Arm, mit ihren gehörnten schwarzen Zöglingen über die äußersten Spitzen der Berge einherreiten und der abenteuerliche Zug sich in den reinsten Konturen abzeichnet an dem sonnigblauen Himmelsgrund.

Das Gebäude, worin sich die Badeanstalt von Barèges befindet, bildet einen schauderhaften Kontrast mit den umgebenden Naturschönheiten, und sein mürrisches Äußere entspricht vollkommen den innern Räumen: unheimlich finstere Zellen, gleich Grabgewölben, mit gar zu schmalen steinernen Badewannen, einer Art provisorischer Särge, worin man alle Tage eine Stunde lang sich üben kann im Stilleliegen mit ausgestreckten Beinen und gekreuzten Armen, eine nützliche Vorübung für Lebensabiturienten. Das beklagenswerteste Gebrechen zu Barèges ist der Wassermangel; die Heilquellen strömen nämlich nicht in hinlänglicher Fülle. Eine traurige Abhülfe in dieser Beziehung gewähren die sogenannten Piszinen, ziemlich enge Wasserbehälter, worin sich ein Dutzend, auch wohl anderthalb Dutzend Menschen gleichzeitig baden, in aufrechter Stellung. Hier gibt es Berührungen, die selten angenehm sind, und bei dieser Gelegenheit begreift man in ihrem ganzen Tiefsinn die Worte des toleranten Ungars, der sich den Schnurrbart strich und zu seinem Kameraden sagte: »Mir ist ganz gleich, was der Mensch ist, ob er Christ oder Jude, republikanisch oder kaiserlich, Türke oder Preuße, wenn nur der Mensch gesund ist.«

II

Barèges, 7. August 1846

Über die therapeutische Bedeutung der hiesigen Bäder wage ich nicht, mich mit Bestimmtheit auszusprechen. Es läßt sich vielleicht überhaupt nichts Bestimmtes darüber sagen. Man kann das Wasser einer Quelle chemisch zersetzen und genau angeben, wieviel Schwefel, Salz oder Butter darin enthalten ist, aber niemand wird es wagen, selbst in bestimmten Fällen, die Wirkung dieses Wassers für ein ganz probates, untrügliches Heilmittel zu erklären; denn diese Wirkung ist ganz abhängig von der individuellen Leibesbeschaffenheit des Kranken, und das Bad, das bei gleichen Krankheitsymptomen dem einen fruchtet, übt auf den andern nicht den mindesten, wo nicht gar den schädlichsten Einfluß. In der Weise, wie z.B. der Magnetismus, enthalten auch die Heilquellen eine Kraft, die hinlänglich konstatiert, aber keineswegs determiniert ist, deren Grenzen und auch geheimste Natur den Forschern bis jetzt unbekannt geblieben, so daß der Arzt dieselben nur versuchsweise, wo alle andern Mittel fehlschlagen, als Medikament anzuwenden pflegt. Wenn der Sohn Äskulaps gar nicht mehr weiß, was er mit dem Patienten anfangen soll, dann schickt er uns ins Bad mit einem langen Konsultationszettel, der nichts anderes ist als ein offener Empfehlungsbrief an den Zufall!

Die Lebensmittel sind hier sehr schlecht, aber desto teurer. Frühstück und Mittagessen werden den Gästen in hohen Körben und von ziemlich klebrigen Mägden aufs Zimmer getragen, ganz wie in Göttingen. Hätten wir nur hier ebenfalls den jugendlich-akademischen Appetit, womit wir einst die gelehrt-trockensten Kalbsbraten Georgia Augustas zermalmten! Das Leben selbst ist hier so langweilig wie an den blumigen Ufern der Leine. Doch kann ich nicht umhin zu erwähnen, daß wir zwei sehr hübsche Bälle genossen, wo die Tänzer alle ohne Krücken erschienen. Es fehlte dabei nicht an einigen Töchtern Albions, die sich durch Schönheit und linkisches Wesen auszeichneten; sie tanzten, als ritten sie auf Eseln. Unter den Französinnen glänzte die Tochter des berühmten Cellarius, die – welche Ehre für das kleine Barèges – hier eigenfüßig die Polka tanzte. Auch mehre junge Tanznixen der Pariser Großen Oper, welche man Ratten nennt, unter andern die silberfüßige Mademoiselle Lelhomme, wirbelten hier ihre Entrechats, und ich dachte bei diesem Anblick wieder lebhaft an mein liebes Paris, wo ich es vor lauter Tanz und Musik am Ende nicht mehr aushalten konnte und wohin das Herz sich jetzt dennoch wieder zurücksehnt. Wunderbar närrischer Zauber! Vor lauter Pläsier und Belustigung wird Paris zuletzt so ermüdend, so erdrückend, so überlästig, alle Freuden sind dort mit so erschöpfender Anstrengung verbunden, daß man jauchzend froh ist, wenn man dieser Galeere des Vergnügens einmal entspringen kann – und kaum ist man einige Monate von dort entfernt, so kann eine einzige Walzermelodie oder der bloße Schatten eines Tänzerinnenbeins in unserm Gemüte das sehnsüchtigste Heimweh nach Paris erwecken! Das geschieht aber nur den bemoosten Häuptern dieses süßen Bagnos, nicht den jungen Burschen unsrer Landsmannschaft, die nach einem kurzen Semesteraufenthalt in Paris gar kläglich bejammern, daß es dort nicht so gemütlich still sei wie jenseits des Rheins, wo das Zellensystem des einsamen Nachdenkens eingeführt ist, daß man sich dort nicht ruhig sammeln könne wie etwa zu Magdeburg oder Spandau, daß das sittliche Bewußtsein sich dort verliere im Geräusch der Genußwellen, die sich überstürzen, daß die Zerstreuung dort zu groß sei – ja, sie ist wirklich zu groß in Paris, denn während wir uns dort zerstreuen, zerstreut sich auch unser Geld!

Ach, das Geld! Es weiß sich sogar hier in Barèges zu zerstreuen, so langweilig auch dieses Heilnest. Es übersteigt alle Begriffe, wie teuer der hiesige Aufenthalt; er kostet mehr als das Doppelte, was man in andern Badeörtern der Pyrenäen ausgibt. Und welche Habsucht bei diesen Gebirgsbewohnern, die man als eine Art Naturkinder, als die Reste einer Unschuldsrasse zu preisen pflegt! Sie huldigen dem Geld mit einer Inbrunst, die an Fanatismus grenzt, und das ist ihr eigentlicher Nationalkultus. Aber ist das Geld jetzt nicht der Gott der ganzen Welt, ein allmächtiger Gott, den selbst der verstockteste Atheist keine drei Tage lang verleugnen könnte, denn ohne seine göttliche Hülfe würde ihm der Bäcker nicht den kleinsten Semmel verabfolgen lassen.

Dieser Tage, bei der großen Hitze, kamen ganze Schwärme von Engländern nach Barèges; rotgesunde, beefsteakgemästete Gesichter, die mit der bleichen Gemeinde der Badegäste schier beleidigend kontrastierten. Der bedeutendste dieser Ankömmlinge ist ein enorm reiches und leidlich bekanntes Parlamentsglied von der torystischen Clique. Dieser Gentleman scheint die Franzosen nicht zu lieben, aber hingegen uns Deutsche mit der größten Zuneigung zu beehren. Er rühmte besonders unsre Redlichkeit und Treue. Auch wolle er zu Paris, wo er den Winter zu verbringen gedenke, sich keine französischen Bedienten, sondern nur deutsche anschaffen. Ich dankte ihm für das Zutrauen, das er uns schenke, und empfahl ihm einige Landsleute von der Historischen Schule.

Zu den hiesigen Badegästen rechnen wir auch, wie männiglich bekannt ist, den Prinzen von Nemours, der einige Stunden von hier, zu Luz, mit seiner Familie wohnt, aber täglich hierher fährt, um sein Bad zu nehmen. Als er das erstemal in dieser Absicht nach Barèges kam, saß er in einer offenen Kalesche, obgleich das miserabelste Nebelwetter an jenem Tage herrschte; ich schloß daraus, daß er sehr gesund sein müsse und jedenfalls keinen Schnupfen scheue. Sein erster Besuch galt dem hiesigen Militärhospital, wo er leutselig mit den kranken Soldaten sprach, sich nach ihren Blessuren erkundigte, auch nach ihrer Dienstzeit usw. Eine solche Demonstration, obgleich sie nur ein altes Trompeterstückchen ist, womit schon so viele erlauchte Personen ihre Virtuosität beurkundet haben, verfehlt doch nie ihre Wirkung, und als der Fürst bei der Badeanstalt anlangte, wo das neugierige Publikum ihn erwartete, war er bereits ziemlich populär. Nichtsdestoweniger ist der Herzog von Nemours nicht so beliebt wie sein verstorbener Bruder, dessen Eigenschaften sich mit mehr Offenheit kundgaben. Dieser herrliche Mensch oder, besser gesagt, dieses herrliche Menschengedicht, welches Ferdinand Orleans hieß, war gleichsam in einem populären, allgemein faßlichen Stil gedichtet, während der Nemours in einer für die große Menge minder leicht zugänglichen Kunstform sich zurückzieht. Beide Prinzen bildeten immer einen merkwürdigen Gegensatz in ihrer äußern Erscheinung. Die des Orleans war nonchalant ritterlich; der andere hat vielmehr etwas von feiner Patrizierart. Ersterer war ganz ein junger französischer Offizier, übersprudelnd von leichtsinnigster Bravour, ganz die Sorte, die gegen Festungsmauern und Frauenherzen mit gleicher Lust Sturm läuft. Es heißt, der Nemours sei ein guter Soldat, vom kaltblütigsten Mute, aber nicht sehr kriegerisch. Er wird daher, wenn er zur Regentschaft gelangt, sich nicht so leicht von der Trompete Bellonas verlocken lassen, wie sein Bruder dessen fähig war; was uns sehr lieb ist, da wir wohl ahnen, welches teure Land der Kriegsschauplatz sein würde und welches naive Volk am Ende die Kriegskosten bezahlen müßte. Nur eins möchte ich gern wissen, ob nämlich der Herzog von Nemours auch soviel Geduld besitzt wie sein glorreicher Vater, der durch diese Eigenschaft, die allen seinen französischen Gegnern fehlt, unermüdlich gesiegt und dem schönen Frankreich und der Welt den Frieden erhalten hat.

III

Barèges, 20. August 1846

Der Herzog von Nemours hat auch Geduld. Daß er diese Kardinaltugend besitzt, bemerkte ich an der Gelassenheit, womit er jede Verzögerung erträgt, wenn sein Bad bereitet wird. Er erinnert keineswegs an seinen Großoheim und dessen »J’ai failli attendre!« Der Herzog von Nemours versteht zu warten, und als eine ebenfalls gute Eigenschaft bemerkte ich an ihm, daß er andere nicht lange warten läßt. Ich bin sein Nachfolger (nämlich in der Badewanne) und muß ihm das Lob erteilen, daß er dieselbe so pünktlich verläßt wie ein gewöhnlicher Sterblicher, dem hier seine Stunde bis auf die Minute zugemessen ist. Er kommt alle Tage hieher, gewöhnlich in einem offenen Wagen, selber die Pferde lenkend, während neben ihm ein verdrießlich müßiges Kutschergesicht und hinter ihm sein korpulenter deutscher Kammerdiener sitzt. Sehr oft, wenn das Wetter schön, läuft der Fürst neben dem Wagen her, die ganze Strecke von Luz bis Barèges, wie er denn überhaupt Leibesübungen sehr zu lieben scheint. Er macht auch mit seiner Gemahlin, die eine der schönsten Frauen ist, sehr häufige Ausflüge nach merkwürdigen Gebirgsörtern. So kam er mit ihr jüngst hieher, um den Pic du Midi zu besteigen, und während die Fürstin mit ihrer Gesellschaftsdame in Palankinen den Berg hinaufgetragen ward, eilte der junge Fürst ihnen voraus, um auf der Koppe eine Weile einsam und ungestört jene kolossalen Naturschönheiten zu betrachten, die unsere Seele so idealisch emporheben aus der niedern Werkeltagswelt. Als jedoch der Prinz auf die Spitze des Berges gelangte, erblickte er dort steif aufgepflanzt – drei Gendarmen! Nun gibt es aber wahrlich nichts auf der Welt, was ernüchternder und abkühlender wirken mag als das positive Gesetztafelgesicht eines Gendarmen und das schauderhafte Zitronengelb seines Bandeliers. Alle schwärmerischen Gefühle werden uns da gleichsam in der Brust arretiert, au nom de la loi. Ich mußte wehmütig lachen, als man mir erzählte, wie dämisch verdrießlich der Nemours ausgesehen, als er bemerkte, welche Surprise der servile Diensteifer des Präfekten ihm auf dem Gipfel des Pic du Midi bereitet hatte.

Hier in Barèges wird es täglich langweiliger. Das Unleidliche ist eigentlich nicht der Mangel an gesellschaftlichen Zerstreuungen, sondern vielmehr, daß man auch die Vorteile der Einsamkeit entbehrt, indem hier beständig ein Schreien und Lärmen, das kein stilles Hinträumen erlaubt und uns jeden Augenblick aus unsern Gedanken aufschreckt. Ein grelles, nervenzerreißendes Knallen mit der Peitsche, die hiesige Nationalmusik, hört man vom frühesten Morgen bis spät in die Nacht. Wenn nun gar das schlechte Wetter eintritt und die Berge schlaftrunken ihre Nebelkappen über die Ohren ziehen, dann dehnen sich hier die Stunden zu ennuyanten Ewigkeiten. Die leibhaftige Göttin der Langeweile, das Haupt gehüllt in eine bleierne Kapuze und Klopstocks »Messiade« in der Hand, wandelt dann durch die Straße von Barèges, und wen sie angähnt, dem versickert im Herzen der letzte Tropfen Lebensmut! Es geht so weit, daß ich aus Verzweiflung die Gesellschaft unsers Gönners, des englischen Parlamentsgliedes, nicht mehr zu vermeiden suche. Er zollt noch immer die gerechteste Anerkennung unsern Haustugenden und sittlichen Vorzügen. Doch will es mich bedünken, als liebe er uns weniger enthusiastisch, seitdem ich in unsern Gesprächen die Äußerung fallenließ, daß die Deutschen jetzt ein großes Gelüste empfänden nach dem Besitz einer Marine, daß wir zu allen Schiffen unserer künftigen Flotte schon die Namen ersonnen, daß die Patrioten in den Zwangsprytaneen, statt der bisherigen Wolle, jetzt nur Linnen zu Segeltüchern spinnen wollen und daß die Eichen im Teutoburger Walde, die seit der Niederlage des Varus geschlafen, endlich erwacht seien und sich zu freiwilligen Mastbäumen erboten haben. Dem edlen Briten mißfiel sehr diese Mitteilung, und er meinte: wir Deutschen täten besser, wenn wir den Ausbau des Kölner Doms, des großen Glaubenswerks unsrer Väter, mit unzersplitterten Kräften betrieben.

Jedesmal, wenn ich mit Engländern über meine Heimat rede, bemerke ich mit tiefster Beschämung, daß der Haß, den sie gegen die Franzosen hegen, für dieses Volk weit ehrenvoller ist als die impertinente Liebe, die sie uns Deutschen angedeihen lassen und die wir immer irgendeiner Lakune unsrer weltlichen Macht oder unsrer Intelligenz verdanken: sie lieben uns wegen unsrer maritimen Unmacht, wobei keine Handelskonkurrenz zu besorgen steht; sie lieben uns wegen unsrer politischen Naivetät, die sie im Fall eines Krieges mit Frankreich in alter Weise auszubeuten hoffen. – –

Musikalische Saison von 1844

Erster Bericht

Paris, 25. April 1844

A tout seigneur tout honneur. Wir beginnen heute mit Berlioz, dessen erstes Konzert die musikalische Saison eröffnete und gleichsam als Ouvertüre derselben zu betrachten war. Die mehr oder minder neuen Stücke, die hier dem Publikum vorgetragen wurden, fanden den gebührenden Applaus, und selbst die trägsten Gemüter wurden fortgerissen von der Gewalt des Genius, der sich in allen Schöpfungen des großen Meisters bekundet. Hier ist ein Flügelschlag, der keinen gewöhnlichen Sangesvogel verrät, das ist eine kolossale Nachtigall, ein Sprosser von Adlersgröße, wie es deren in der Urwelt gegeben haben soll. Ja, die Berliozische Musik überhaupt hat für mich etwas Urweltliches, wo nicht gar Antediluvianisches, und sie mahnt mich an untergegangene Tiergattungen, an fabelhafte Königstümer und Sünden, an aufgetürmte Unmöglichkeiten, an Babylon, an die hängenden Gärten der Semiramis, an Ninive, an die Wunderwerke von Mizraim, wie wir dergleichen erblicken auf den Gemälden des Engländers Martin. In der Tat, wenn wir uns nach einer Analogie in der Malerkunst umsehen, so finden wir die wahlverwandteste Ähnlichkeit zwischen Berlioz und dem tollen Briten: derselbe Sinn für das Ungeheuerliche, für das Riesenhafte, für materielle Unermeßlichkeit. Bei dem einen die grellen Schatten- und Lichteffekte, bei dem andern kreischende Instrumentierung; bei dem einen wenig Melodie, bei dem andern wenig Farbe, bei beiden wenig Schönheit und gar kein Gemüt. Ihre Werke sind weder antik noch romantisch, sie erinnern weder an Griechenland noch an das katholische Mittelalter, sondern sie mahnen weit höher hinauf an die assyrisch-babylonisch-ägyptische Architekturperiode und an die massenhafte Passion, die sich darin aussprach.

Welch ein ordentlicher moderner Mensch ist dagegen unser Felix Mendelssohn-Bartholdy, der hochgefeierte Landsmann, den wir heute zunächst wegen der Symphonie erwähnen, die im Konzertsaale des Conservatoires von ihm gegeben worden. Dem tätigen Eifer seiner hiesigen Freunde und Gönner verdanken wir diesen Genuß. Obgleich diese Symphonie Mendelssohns im Conservatoire sehr frostig aufgenommen wurde, verdient sie dennoch die Anerkennung aller wahrhaft Kunstverständigen. Sie ist von echter Schönheit und gehört zu Mendelssohns besten Arbeiten. Wie aber kommt es, daß dem so verdienten und hochbegabten Künstler, seit der Aufführung des »Paulus«, den man dem hiesigen Publikum auferlegte, dennoch kein Lorbeerkranz auf französischem Boden hervorblühen will? Wie kommt es, daß hier alle Bemühungen scheitern und daß das letzte Verzweiflungsmittel des Odéontheaters, die Aufführung der Chöre zur »Antigone«, ebenfalls nur ein klägliches Resultat hervorbrachte? Mendelssohn bietet uns immer Gelegenheit, über die höchsten Probleme der Ästhetik nachzudenken. Namentlich werden wir bei ihm immer an die große Frage erinnert: Was ist der Unterschied zwischen Kunst und Lüge? Wir bewundern bei diesem Meister zumeist sein großes Talent für Form, für Stilistik, seine Begabnis, sich das Außerordentlichste anzueignen, seine reizend schöne Faktur, sein feines Eidechsenohr, seine zarten Fühlhörner und seine ernsthafte, ich möchte fast sagen passionierte Indifferenz. Suchen wir in einer Schwesterkunst nach einer analogen Erscheinung, so finden wir sie diesmal in der Dichtkunst, und sie heißt Ludwig Tieck. Auch dieser Meister wußte immer das Vorzüglichste zu reproduzieren, sei es schreibend oder vorlesend, er verstand sogar das Naive zu machen, und er hat doch nie etwas geschaffen, was die Menge bezwang und lebendig blieb in ihrem Herzen. Dem begabteren Mendelssohn würde es schon eher gelingen, etwas ewig Bleibendes zu schaffen, aber nicht auf dem Boden, wo zunächst Wahrheit und Leidenschaft verlangt wird, nämlich auf der Bühne; auch Ludwig Tieck, trotz seinem hitzigsten Gelüste, konnte es nie zu einer dramatischen Leistung bringen.

Außer der Mendelssohnschen Symphonie hörten wir im Conservatoire mit großem Interesse eine Symphonie des seligen Mozart und eine nicht minder talentvolle Komposition von Händel. Sie wurden mit großem Beifall aufgenommen.

Unser vortrefflicher Landsmann Ferdinand Hiller genießt unter den wahrhaft Kunstverständigen ein zu großes Ansehen, als daß wir nicht, so groß auch die Namen sind, die wir eben genannt, den seinigen hier unter den Komponisten erwähnen dürften, deren Arbeiten im Conservatoire die verdiente Anerkennung fanden. Hiller ist mehr ein denkender als ein fühlender Musiker, und man wirft ihm noch obendrein eine zu große Gelehrsamkeit vor. Geist und Wissenschaft mögen wohl manchmal in den Kompositionen dieses Doktrinärs etwas kühlend wirken, jedenfalls aber sind sie immer anmutig, reizend und schön. Von schiefmäuliger Exzentrizität ist hier keine Spur, Hiller besitzt eine artistische Wahlverwandtschaft mit seinem Landsmann Wolfgang Goethe. Auch Hiller ward geboren zu Frankfurt, wo ich, bei meiner letzten Durchreise, sein väterliches Haus sah; es ist genannt »Zum grünen Frosch«, und das Abbild eines Frosches ist über der Haustüre zu sehen. Hillers Kompositionen erinnern aber nie an solch unmusikalische Bestie, sondern nur an Nachtigallen, Lerchen und sonstiges Frühlingsgevögel.

An konzertgebenden Pianisten hat es auch dieses Jahr nicht gefehlt. Namentlich die Iden des Märzen waren in dieser Beziehung sehr bedenkliche Tage. Das alles klimpert drauflos und will gehört sein, und sei es auch nur zum Schein, um jenseits der Barriere von Paris sich als große Zelebrität gebärden zu dürfen. Den erbettelten oder erschlichenen Fetzen Feuilletonlob wissen die Kunstjünger, zumal in Deutschland, gehörig auszubeuten, und in den dortigen Reklamen heißt es dann, das berühmte Genie, der große Rudolf W., sei angekommen, der Nebenbuhler von Liszt und Thalberg, der Klavierheros, der in Paris so großes Aufsehen erregt habe und sogar von dem Kritiker Jules Janin gelobt worden, Hosianna! Wer nun eine solche arme Fliege zufällig in Paris gesehen hat und überhaupt weiß, wie wenig hier von noch weit bedeutendern Personagen Notiz genommen wird, findet die Leichtgläubigkeit des Publikums sehr ergötzlich und die plumpe Unverschämtheit der Virtuosen sehr ekelhaft. Das Gebrechen aber liegt tiefer, nämlich in dem Zustand unsrer Tagespresse, und dieser ist wieder nur ein Ergebnis fatalerer Zustände. Ich muß immer darauf zurückkommen, daß es nur drei Pianisten gibt, die eine ernste Beachtung verdienen, nämlich: Chopin, der holdselige Tondichter, der aber leider auch diesen Winter sehr krank und wenig sichtbar war; dann Thalberg, der musikalische Gentleman, der am Ende gar nicht nötig hätte, Klavier zu spielen, um überall als eine schöne Erscheinung begrüßt zu werden, und der sein Talent auch wirklich nur als eine Apanage zu betrachten scheint; und dann unser Liszt, der trotz aller Verkehrtheiten und verletzenden Ecken dennoch unser teurer Liszt bleibt und in diesem Augenblick wieder die schöne Welt von Paris in Aufregung gesetzt. Ja, er ist hier, der große Agitator, unser Franz Liszt, der irrende Ritter aller möglichen Orden (mit Ausnahme der französischen Ehrenlegion, die Ludwig Philipp keinem Virtuosen geben will); er ist hier, der hohenzollern-hechingensche Hofrat, der Doktor der Philosophie und Wunderdoktor der Musik, der wiederauferstandene Rattenfänger von Hameln, der neue Faust, dem immer ein Pudel in der Gestalt Bellonis folgt, der geadelte und dennoch edle Franz Liszt! Er ist hier, der moderne Amphion, der mit den Tönen seines Saitenspiels beim Kölner Dombau die Steine in Bewegung setzte, daß sie sich zusammenfügten, wie einst die Mauern von Theben! Er ist hier, der moderne Homer, den Deutschland, Ungarn und Frankreich, die drei größten Länder, als Landeskind reklamieren, während der Sänger der »Ilias« nur von sieben kleinen Provinzialstädten in Anspruch genommen ward! Er ist hier, der Attila, die Geißel Gottes aller Érardschen Pianos, die schon bei der Nachricht seines Kommens erzitterten und die nun wieder unter seiner Hand zucken, bluten und wimmern, daß die Tierquälergesellschaft sich ihrer annehmen sollte! Er ist hier, das tolle, schöne, häßliche, rätselhafte, fatale und mitunter sehr kindische Kind seiner Zeit, der gigantische Zwerg, der rasende Roland mit dem ungarischen Ehrensäbel, der geniale Hans Narr, dessen Wahnsinn uns selber den Sinn verwirrt und dem wir in jedem Fall den loyalen Dienst erweisen, daß wir die große Furore, die er hier erregt, zur öffentlichen Kunde bringen. Wir konstatieren unumwunden die Tatsache des ungeheuern Sukzeß; wie wir diese Tatsache nach unserm Privatbedünken ausdeuten und ob wir überhaupt unsern Privatbeifall dem gefeierten Virtuosen zollen oder versagen, mag demselben gewiß gleichgültig sein, da unsre Stimme nur die eines einzelnen und unsre Autorität in der Tonkunst nicht von sonderlicher Bedeutung ist.

Wenn ich früherhin von dem Schwindel hörte, der in Deutschland und namentlich in Berlin ausbrach, als sich Liszt dort zeigte, zuckte ich mitleidig die Achsel und dachte: Das stille sabbatliche Deutschland will die Gelegenheit nicht versäumen, um sich ein bißchen erlaubte Bewegung zu machen, es will die schlaftrunkenen Glieder ein wenig rütteln, und meine Abderiten an der Spree kitzeln sich gern in einen gegebenen Enthusiasmus hinein, und einer deklamiert dem andern nach: »Amor, Beherrscher der Menschen und der Götter!« Es ist ihnen, dacht ich, bei dem Spektakel um den Spektakel selbst zu tun, um den Spektakel an sich, gleichviel, wie dessen Veranlassung heiße, Georg Herwegh, Franz Liszt oder Fanny Elßler; wird Herwegh verboten, so hält man sich an Liszt, der unverfänglich und unkompromittierend. So dachte ich, so erklärte ich mir die Lisztomanie, und ich nahm sie für ein Merkmal des politisch unfreien Zustandes jenseits des Rheines. Aber ich habe mich doch geirrt, und das merkte ich vorige Woche im italienischen Opernhaus, wo Liszt sein erstes Konzert gab, und zwar vor einer Versammlung, die man wohl die Blüte der hiesigen Gesellschaft nennen konnte. Jedenfalls waren es wachende Pariser, Menschen, die mit den höchsten Erscheinungen der Gegenwart vertraut, die mehr oder minder lange mitgelebt hatten das große Drama der Zeit, darunter so viele Invaliden aller Kunstgenüsse, die müdesten Männer der Tat, Frauen, die ebenfalls sehr müde, indem sie den ganzen Winter hindurch die Polka getanzt, eine Unzahl beschäftigter und blasierter Gemüter – das war wahrlich kein deutsch-sentimentales, berlinisch anempfindelndes Publikum, vor welchem Liszt spielte, ganz allein, oder vielmehr nur begleitet von seinem Genius. Und dennoch, wie gewaltig, wie erschütternd wirkte schon seine bloße Erscheinung! Wie ungestüm war der Beifall, der ihm entgegenklatschte! Auch Buketts wurden ihm zu Füßen geworfen! Es war ein erhabener Anblick, wie der Triumphator mit Seelenruhe die Blumensträuße auf sich regnen ließ und endlich, graziöse lächelnd, eine rote Kamelia, die er aus einem solchen Bukett hervorzog, an seine Brust steckte. Und dieses tat er in Gegenwart einiger jungen Soldaten, die eben aus Afrika gekommen, wo sie keine Blumen, sondern bleierne Kugeln auf sich regnen sahen und ihre Brust mit den roten Kamelias des eignen Heldenbluts geziert ward, ohne daß man hier oder dort davon besonders Notiz nahm! Sonderbar! dachte ich, diese Pariser, die den Napoleon gesehen, der eine Schlacht nach der andern liefern mußte, um ihre Aufmerksamkeit zu fesseln, diese jubeln jetzt unserm Franz Liszt! Und welcher Jubel! Eine wahre Verrücktheit, wie sie unerhört in den Annalen der Furore! Was ist aber der Grund dieser Erscheinung? Die Lösung der Frage gehört vielleicht eher in die Pathologie als in die Ästhetik. Ein Arzt, dessen Spezialität weibliche Krankheiten sind und den ich über den Zauber befragte, den unser Liszt auf sein Publikum ausübt, lächelte äußerst sonderbar und sprach dabei allerlei von Magnetismus, Galvanismus, Elektrizität, von der Kontagion in einem schwülen, mit unzähligen Wachskerzen und einigen hundert parfümierten und schwitzenden Menschen angefüllten Saale, von Histrionalepilepsis, von dem Phänomen des Kitzelns, von musikalischen Kanthariden und andern skabrosen Dingen, welche, glaub ich, Bezug haben auf die Mysterien der Bona Dea. Vielleicht aber liegt die Lösung der Frage nicht so abenteuerlich tief, sondern auf einer sehr prosaischen Oberfläche. Es will mich manchmal bedünken, die ganze Hexerei ließe sich dadurch erklären, daß niemand auf dieser Welt seine Sukzesse oder vielmehr die mise en scène derselben so gut zu organisieren weiß wie unser Franz Liszt. In dieser Kunst ist er ein Genie, ein Philadelphia, ein Bosco, ja ein Meyerbeer. Die vornehmsten Personen dienen ihm als Compères, und seine Mietenthusiasten sind musterhaft dressiert. Knallende Champagnerflaschen und der Ruf von verschwenderischer Freigebigkeit, ausposaunt durch die glaubwürdigsten Journale, lockt Rekruten in jeder Stadt. Nichtsdestoweniger mag es der Fall sein, daß unser Franz Liszt wirklich von Natur sehr spendabel und frei wäre von Geldgeiz, einem schäbigen Laster, das so vielen Virtuosen anklebt, namentlich den Italienern, und das wir sogar bei dem flötensüßen Rubini finden, von dessen Filz eine in jeder Beziehung sehr spaßhafte Anekdote erzählt wird. Der berühmte Sänger hatte nämlich in Verbindung mit Franz Liszt eine Kunstreise auf gemeinschaftliche Kosten unternommen, und der Profit der Konzerte, die man in verschiedenen Städten geben wollte, sollte geteilt werden. Der große Pianist, der überall den Generalintendanten seiner Berühmtheit, den schon erwähnten Signor Belloni, mit sich herumfahrt, übertrug demselben bei dieser Gelegenheit alles Geschäftliche. Als der Signor Belloni aber nach beendigter Geschäftsführung seine Rechnung eingab, bemerkte Rubini mit Entsetzen, daß unter den gemeinsamen Ausgaben auch eine bedeutende Summe für Lorbeerkränze, Blumenbuketts, Lobgedichte und sonstige Ovationskosten angesetzt war. Der naive Sänger hatte sich eingebildet, daß man ihm seiner schönen Stimme wegen solche Beifallszeichen zugeschmissen, er geriet jetzt in großen Zorn und wollte durchaus nicht die Buketts bezahlen, worin sich vielleicht die kostbarsten Kamelias befanden. Wär ich ein Musiker, dieser Zwist böte mir das beste Sujet einer komischen Oper.

Aber ach! laßt uns die Huldigungen, welche die berühmten Virtuosen einernten, nicht allzu genau untersuchen. Ist doch der Tag ihrer eitlen Berühmtheit sehr kurz, und die Stunde schlägt bald, wo der Titane der Tonkunst vielleicht zu einem Stadtmusikus von sehr untergesetzter Statur zusammenschrumpft, der in seinem Kaffeehause den Stammgästen erzählt und auf seine Ehre versichert, wie man ihm einst Blumenbuketts mit den schönsten Kamelias zugeschleudert und wie sogar einmal zwei ungarische Gräfinnen, um sein Schnupftuch zu erhaschen, sich selbst zur Erde geschmissen und blutig gerauft haben! Die Eintagsreputation der Virtuosen verdünstet und verhallt, öde, spurlos, wie der Wind eines Kameles in der Wüste.

Der Übergang vom Löwen zum Kaninchen ist etwas schroff. Dennoch darf ich hier jene zahmeren Klavierspieler nicht unbeachtet lassen, die in der diesjährigen Saison sich ausgezeichnet. Wir können nicht alle große Propheten sein, und es muß auch kleine Propheten geben, wovon zwölf auf ein Dutzend gehen. Als den größten unter den Kleinen nennen wir hier Theodor Döhler. Sein Spiel ist nett, hübsch, artig, empfindsam, und er hat eine ganz eigentümliche Manier, mit der waagerecht ausgestreckten Hand bloß durch die gebogenen Fingerspitzen die Tasten anzuschlagen. Nach Döhler verdient Halle unter den kleinen Propheten eine besondere Erwähnung; er ist ein Habakuk von ebenso bescheidenem wie wahrem Verdienst. Ich kann nicht umhin, hier auch des Herrn Schad zu erwähnen, der unter den Klavierspielern vielleicht denselben Rang einnimmt, den wir dem Jonas unter den Propheten einräumen; möge ihn nie ein Walfisch verschlucken!

Als gewissenhafter Berichterstatter, der nicht bloß von neuen Opern und Konzerten, sondern auch von allen andern Katastrophen der musikalischen Welt zu berichten hat, muß ich auch von den vielen Verheiratungen reden, die darin zum Ausbruch gekommen oder auszubrechen drohen. Ich rede von wirklichen, lebenslänglichen, höchst anständigen Heiraten, nicht von dem wilden Ehedilettantismus, der des Maires mit der dreifarbigen Schärpe und des Segens der Kirche entbehrt. Chacun sucht jetzt seine Chacune. Die Herrn Künstler tänzeln einher auf Freiersfüßen und trällern Hymenäen. Die Violine verschwägert sich mit der Flöte; die Hornmusik wird nicht ausbleiben. Einer der drei berühmtesten Pianisten vermählte sich unlängst mit der Tochter des in jeder Hinsicht größten Bassisten der Italienischen Oper; die Dame ist schön, anmutig und geistreich. Vor einigen Tagen erfuhren wir, daß noch ein anderer ausgezeichneter Pianist aus Warschau in den heiligen Ehestand trete, daß auch er sich hinauswage auf jenes hohe Meer, für welches noch kein Kompaß erfunden worden. Immerhin, kühner Segler, stoß ab vom Lande, und möge kein Sturm dein Ruder brechen! Jetzt heißt es sogar, daß der größte Violinist, den Breslau nach Paris geschickt, sich hier verheiratet, daß auch dieser Fiedelkundige seines ruhigen Junggesellentums überdrüssig geworden und das furchtbare, unbekannte Jenseits versuchen wolle. Wir leben in einer heldenmütigen Periode. Dieser Tage verlobte sich ein ebenfalls berühmter Virtuos. Er hat wie Theseus eine schöne Ariadne gefunden, die ihn durch das Labyrinth dieses Lebens leiten wird; an einem Garnknäuel fehlt es ihr nicht, denn sie ist eine Nähterin.

Die Violinisten sind in Amerika, und wir erhielten die ergötzlichsten Nachrichten über die Triumphzüge von Ole Bull, dem Lafayette des Puffs, dem Reklamenheld beider Welten. Der Entrepreneur seiner Sukzesse ließ ihn zu Philadelphia arretieren, um ihn zu zwingen, die in Rechnung gestellten Ovationskosten zu berichtigen. Der Gefeierte zahlte, und man kann jetzt nicht mehr sagen, daß der blonde Normanne, der geniale Geiger, seinen Ruhm jemandem schuldig sei. Hier in Paris hörten wir unterdessen den Sivori; Porzia würde sagen: »Da ihn der liebe Gott für einen Mann ausgibt, so will ich ihn dafür nehmen.« Ein andermal überwinde ich vielleicht mein Mißbehagen, um über dieses geigende Brechpulver zu referieren. Alexander Batta hat auch dieses Jahr ein schönes Konzert gegeben; er weint noch immer auf dem großen Violoncello seine kleinen Kindertränen. Bei dieser Gelegenheit könnte ich auch Herrn Semmelmann loben; er hat es nötig.

Ernst war hier. Der wollte aber aus Laune kein Konzert geben; er gefällt sich darin, bloß bei Freunden zu spielen. Dieser Künstler wird hier geliebt und geachtet. Er verdient es. Er ist der wahre Nachfolger Paganinis, er erbte die bezaubernde Geige, womit der Genueser die Steine, ja sogar die Klötze zu rühren wußte. Paganini, der uns mit leisem Bogenstrich jetzt zu den sonnigsten Höhen führte, jetzt in grauenvolle Tiefen blicken ließ, besaß freilich eine weit dämonischere Kraft; aber seine Schatten und Lichter waren mitunter zu grell, die Kontraste zu schneidend, und seine grandiosesten Naturlaute mußten oft als künstlerische Mißgriffe betrachtet werden. Ernst ist harmonischer, und die weichen Tinten sind bei ihm vorherrschend. Dennoch hat er eine Vorliebe für das Phantastische, auch für das Barocke, wo nicht gar für das Skurrile, und viele seiner Kompositionen erinnern mich immer an die Märchenkomödien des Gozzi, an die abenteuerlichsten Maskenspiele, an »Venezianischen Karneval«. Das Musikstück, das unter diesem Namen bekannt ist und unverschämterweise von Sivori gekapert ward, ist ein allerliebstes Capriccio von Ernst. Dieser Liebhaber des Phantastischen kann, wenn er will, auch rein poetisch sein, und ich habe jüngst eine Nocturne von ihm gehört, die wie aufgelöst war in Schönheit. Man glaubte sich entrückt in eine italienische Mondnacht, mit stillen Zypressenalleen, schimmernd weißen Statuen und träumerisch plätschernden Springbrunnen. Ernst hat, wie bekannt ist, in Hannover seine Entlassung genommen und ist nicht mehr königlich hannoverscher Konzertmeister. Das war auch kein passender Platz für ihn. Er wäre weit eher geeignet, am Hofe irgendeiner Feenkönigin, wie z.B. der Frau Morgane, die Kammermusik zu leiten; hier fände er ein Auditorium, das ihn am besten verstünde, und darunter manche hohe Herrschaften, die ebenso kunstsinnig wie fabelhaft, z.B. den König Artus, Dietrich von Bern, Ogier den Dänen u.a. Und welche Damen würden ihm hier applaudieren! Die blonden Hannoveranerinnen mögen gewiß hübsch sein, aber sie sind doch nur Heidschnucken in Vergleichung mit einer Fee Melior, mit der Dame Abonde, mit der Königin Genoveva, der schönen Melusine und andern berühmten Frauenspersonen, die sich am Hofe der Königin Morgane in Avalun aufhalten. An diesem Hofe (an keinem andern) hoffen wir einst dem vortrefflichen Künstler zu begegnen, denn auch uns hat man dort eine vorteilhafte Anstellung versprochen.

Zweiter Bericht

Paris, 1. Mai 1844

Die Académie royale de musique, die sogenannte Große Oper, befindet sich bekanntlich in der Rue Lepelletier, ungefähr in der Mitte, der Restauration von Paolo Broggi gerade gegenüber. Broggi ist der Name eines Italieners, der einst der Koch von Rossini war. Als letzterer voriges Jahr nach Paris kam, besuchte er auch die Trattoria seines ehemaligen Dieners, und nachdem er dort gespeist, blieb er vor der Türe lange Zeit stehen, in tiefem Nachdenken das Große-Opern-Gebäude betrachtend. Eine Träne trat in sein Auge, und als jemand ihn frug, weshalb er so wehmütig bewegt erscheine, gab der große Maestro zur Antwort: Paolo habe ihm sein Leibgericht, Ravioli mit Parmesankäse, zubereitet wie ehemals, aber er sei nicht imstande gewesen, die Hälfte der Portion zu verzehren, und auch diese drücke ihn jetzt; er, der ehemals den Magen eines Straußes besessen, könne heutzutage kaum soviel vertragen wie eine verliebte Turteltaube.

Wir lassen dahingestellt sein, inwieweit der alte Spottvogel seinen indiskreten Frager mystifiziert hat, und begnügen uns heute, jedem Musikfreunde zu raten, bei Broggi eine Portion Ravioli zu essen und nachher, ebenfalls einen Augenblick vor der Türe der Restauration verweilend, das Haus der Großen Oper zu betrachten. Es zeichnet sich nicht aus durch brillanten Luxus, es hat vielmehr das Äußere eines sehr anständigen Pferdestalles, und das Dach ist platt. Auf diesem Dach stehen acht große Statuen, welche Musen vorstellen. Eine neunte fehlt, und ach! das ist eben die Muse der Musik. Über die Abwesenheit dieser sehr achtungswerten Muse sind die sonderbarsten Auslegungen im Schwange. Prosaische Leute sagen, ein Sturmwind habe sie vom Dache heruntergeworfen. Poetischere Gemüter behaupten dagegen, die arme Polyhymnia habe sich selbst hinabgestürzt, in einem Anfall von Verzweiflung über das miserable Singen von Monsieur Duprez. Das ist immer möglich; die zerbrochene Glasstimme von Duprez ist so mißtönend geworden, daß es kein Mensch, viel weniger eine Muse, aushalten kann, dergleichen anzuhören. Wenn das noch länger dauert, werden auch die andern Töchter der Mnemosyne sich vom Dach stürzen, und es wird bald gefährlich sein, des Abends über die Rue Lepelletier zu gehen. Von der schlechten Musik, die hier in der Großen Oper seit einiger Zeit grassiert, will ich gar nicht reden. Donizetti ist in diesem Augenblick noch der Beste, der Achilles. Man kann sich also leicht eine Vorstellung machen von den geringern Heroen. Wie ich höre, hat auch jener Achilles sich in sein Zelt zurückgezogen; er boudiert, Gott weiß warum!, und er ließ der Direktion melden, daß er die versprochenen fünfundzwanzig Opern nicht liefern werde, da er gesonnen sei, sich auszuruhen. Welche Prahlerei! Wenn eine Windmühle dergleichen sagte, würden wir nicht weniger lachen. Entweder hat sie Wind und dreht sich, oder sie hat keinen Wind und steht still. Herr Donizetti hat aber hier einen rührigen Vetter, Signor Accursi, der beständig für ihn Wind macht.

Der jüngste Kunstgenuß, den uns die Académie de musique gegeben, ist »Der Lazzarone« von Halévy. Dieses Werk hat ein trauriges Schicksal gehabt; es fiel durch mit Pauken und Trompeten. Über den Wert enthalte ich mich jeder Äußerung; ich konstatiere bloß sein schreckliches Ende.

Jedesmal, wenn in der Académie de musique oder bei den Buffos eine Oper durchfällt oder sonst ein ausgezeichnetes Fiasko gemacht wird, bemerkt man dort eine unheimliche hagere Figur mit blassem Gesicht und kohlschwarzen Haaren, eine Art männlicher Ahnfrau, deren Erscheinung immer ein musikalisches Unglück bedeutet. Die Italiener, sobald sie derselben ansichtig, strecken hastig den Zeige- und Mittelfinger aus und sagen, das sei der Jettatore. Die leichtsinnigen Franzosen aber, die nicht einmal einen Aberglauben haben, zucken bloß die Achsel und nennen jene Gestalt Monsieur Spontini. Es ist in der Tat unser ehemaliger Generaldirektor der Berliner Großen Oper, der Komponist der »Vestalin« und des »Ferdinand Cortez«, zweier Prachtwerke, die noch lange fortblühen werden im Gedächtnisse der Menschen, die man noch lange bewundern wird, während der Verfasser selbst alle Bewunderung eingebüßt und nur noch ein welkes Gespenst ist, das neidisch umherspukt und sich ärgert über das Leben der Lebendigen. Er kann sich nicht darüber trösten, daß er längst tot ist und sein Herrscherstab übergegangen in die Hände Meyerbeers. Dieser, behauptet der Verstorbene, habe ihn verdrängt aus seinem Berlin, das er immer so sehr geliebt; und wer aus Mitleid für ehemalige Größe die Geduld hat, ihn anzuhören, kann haarklein erfahren, wie er schon unzählige Aktenstücke gesammelt, um die Meyerbeerschen Verschwörungsintrigen zu enthüllen.

Die fixe Idee des armen Mannes ist und bleibt Meyerbeer, und man erzählt die ergötzlichsten Geschichten, wie die Animosität sich immer durch eine zu große Beimischung von Eitelkeit unschädlich erweist. Klagt irgendein Schriftsteller über Meyerbeer, daß dieser z.B. die Gedichte, die er ihm schon seit Jahren zugeschickt, noch immer nicht komponiert habe, dann ergreift Spontini hastig die Hand des verletzten Poeten und ruft: »J’ai votre affaire, ich weiß das Mittel, wie Sie sich an Meyerbeer rächen können, es ist ein untrügliches Mittel, und es besteht darin, daß Sie über mich einen großen Artikel schreiben, und je höher Sie meine Verdienste würdigen, desto mehr ärgert sich Meyerbeer.« Ein andermal ist ein französischer Minister ungehalten über den Verfasser der »Hugenotten«, der trotz der Urbanität, womit man ihn hier behandelt hat, dennoch in Berlin eine servile Hofcharge übernommen, und unser Spontini springt freudig an den Minister hinan und ruft: »J’ai votre affaire, Sie können den Undankbaren aufs härteste bestrafen, Sie können ihm einen Dolchstich versetzen, und zwar, indem Sie mich zum Großoffizier der Ehrenlegion ernennen.« Jüngst findet Spontini den armen Léon Pillet, den unglücklichen Direktor der Großen Oper, in der wütendsten Aufregung gegen Meyerbeer, der ihm durch M. Gouin an zeigen ließ, daß er wegen des schlechten Singpersonals den »Propheten« noch nicht geben wolle. Wie funkelten da die Augen des Italieners! »J’ai votre affaire«, rief er entzückt, »ich will Ihnen einen göttlichen Rat geben, wie Sie den Ehrgeizling zu Tode demütigen: lassen Sie mich in Lebensgröße meißeln, setzen Sie meine Statue ins Foyer der Oper, und dieser Marmorblock wird dem Meyerbeer wie ein Alp das Herz zerdrücken.« Der Gemütszustand Spontinis beginnt nachgerade seine Angehörigen, namentlich die Familie des reichen Pianofabrikanten Érard, womit er durch seine Gattin verschwägert, in große Besorgnisse zu versetzen. Jüngst fand ihn jemand in den obern Sälen des Louvre, wo die ägyptischen Antiquitäten aufgestellt. Der Ritter Spontini stand wie eine Bildsäule mit verschlungenen Armen fast eine Stunde lang vor einer großen Mumie, deren prächtige Goldlarve einen König ankündigt, der kein Geringerer sein soll als jener Amenophes, unter dessen Regierung die Kinder Israel das Land Ägypten verlassen haben. Aber Spontini brach am Ende sein Schweigen und sprach folgendermaßen zu seiner erlauchten Mitmumie: »Unseliger Pharao! du bist an meinem Unglück schuld. Ließest du die Kinder Israel nicht aus dem Lande Ägypten fortziehen oder hättest du sie sämtlich im Nil ersäufen lassen, so wäre ich nicht durch Meyerbeer und Mendelssohn aus Berlin verdrängt worden, und ich dirigierte dort noch immer die Große Oper und die Hofkonzerte. Unseliger Pharao, schwacher Krokodilenkönig, durch deine halben Maßregeln geschah es, daß ich jetzt ein zugrunde gerichteter Mann bin – und Moses und Halévy und Mendelssohn und Meyerbeer haben gesiegt!« Solche Reden hält der unglückliche Mann, und wir können ihm unser Mitleid nicht versagen.

Was Meyerbeer betrifft, so wird, wie oben angedeutet, sein »Prophet« noch lange Zeit ausbleiben. Er selbst aber wird nicht, wie die Zeitungen jüngst meldeten, für immer in Berlin seinen Aufenthalt nehmen. Er wird wie bisher abwechselnd die eine Hälfte des Jahres hier in Paris und die andere in Berlin zubringen, wozu er sich förmlich verpflichtet hat. Seine Lage erinnert so ziemlich an Proserpina, nur daß der arme Maestro hier wie dort seine Hölle und seine Höllenqual findet. Wir erwarten ihn noch diesen Sommer hier, in der schönen Unterwelt, wo schon einige Schock musikalischer Teufel und Teufelinnen seiner harren, um ihm die Ohren vollzuheulen. Von morgens bis abends muß er Sänger und Sängerinnen anhören, die hier debütieren wollen, und in seinen Freistunden beschäftigen ihn die Albums reisender Engländerinnen.

An Debütanten war diesen Winter in der Großen Oper kein Mangel. Ein deutscher Landsmann debütierte als Marcel in den »Hugenotten«. Er war vielleicht in Deutschland nur ein Grobian mit einer brummigen Bierstimme und glaubte deshalb in Paris als Bassist auftreten zu können. Der Kerl schrie wie ein Waldesel. Auch eine Dame, die ich im Verdacht habe, eine Deutsche zu sein, produzierte sich auf den Brettern der Rue Lepelletier. Sie soll außerordentlich tugendhaft sein und singt sehr falsch. Man behauptet, nicht bloß der Gesang, sondern alles an ihr, die Haare, zwei Drittel ihrer Zähne, die Hüften, der Hinterteil, alles sei falsch, nur ihr Atem sei echt; die frivolen Franzosen werden dadurch gezwungen sein, sich ehrfurchtsvoll entfernt von ihr zu halten. Unsre Primadonna, Madame Stoltz, wird sich nicht länger behaupten können; der Boden ist unterminiert, und obgleich ihr als Weib alle Geschlechtslist zu Gebote steht, wird sie doch am Ende von dem großen Giacomo Machiavelli überwunden, der die Viardot-Garcia an ihrer Stelle engagiert sehen möchte, um die Hauptrolle in seinem »Propheten« zu singen. Madame Stoltz sieht ihr Schicksal voraus, sie ahnt, daß selbst die Affenliebe, die ihr der Direktor der Oper widmet, ihr nichts helfen kann, wenn der große Meister der Tonkunst seine Künste spielen läßt; und sie hat beschlossen, freiwillig Paris zu verlassen, nie wieder zurückzukehren und in fremden Landen ihr Leben zu beschließen. »Ingrata patria«, sagte sie jüngst, »ne ossa quidem mea habebis.« In der Tat, seit einiger Zeit besteht sie wirklich nur noch aus Haut und Knochen.

Bei den Italienern, in der Opera buffa, gab es vorigen Winter ebenso brillante Fiaskos wie in der Großen Oper. Auch über die Sänger wurde dort viel geklagt, mit dem Unterschied, daß die Italiener manchmal nicht singen wollten und die armen französischen Sangeshelden nicht singen konnten. Nur das kostbare Nachtigallenpaar, Signor Mario und Signora Grisi, waren immer pünktlich auf ihrem Posten in der Salle Ventadour und trillerten uns dort den blühendsten Frühling vor, während draußen Schnee und Wind und Fortepianokonzerte und Deputiertenkammerdebatten und Polkawahnsinn. Ja, das sind holdselige Nachtigallen, und die Italienische Oper ist der ewig blühende singende Wald, wohin ich oft flüchte, wenn winterlicher Trübsinn mich umnebelt oder der Lebensfrost unerträglich wird. Dort, im süßen Winkel einer etwas verdeckten Loge, wird man wieder angenehm erwärmt, und man verblutet wenigstens nicht in der Kälte. Der melodische Zauber verwandelt dort in Poesie, was eben noch täppische Wirklichkeit war, der Schmerz verliert sich in Blumenarabesken, und bald lacht wieder das Herz. Welche Wonne, wenn Mario singt und in den Augen der Grisi die Töne des geliebten Sprossers sich gleichsam abspiegeln wie ein sichtbares Echo! Welche Lust, wenn die Grisi singt und in ihrer Stimme der zärtliche Blick und das beglückte Lächeln des Mario melodisch widerhallt! Es ist ein liebliches Paar, und der persische Dichter, der die Nachtigall die Rose unter den Vögeln und die Rose wieder die Nachtigall unter den Blumen genannt hat, würde hier erst recht in ein Imbroglio geraten, denn jene beiden, Mario und Grisi, sind nicht bloß durch Gesang, sondern auch durch Schönheit ausgezeichnet.

Ungern, trotz jenem reizenden Paar, vermissen wir hier bei den Buffos Pauline Viardot oder, wie wir sie lieber nennen, die Garcia. Sie ist nicht ersetzt, und niemand kann sie ersetzen. Diese ist keine Nachtigall, die bloß ein Gattungstalent hat und das Frühlingsgenre vortrefflich schluchzt und trillert; – sie ist auch keine Rose, denn sie ist häßlich, aber von einer Art Häßlichkeit, die edel, ich möchte fast sagen schön ist und die den großen Löwenmaler Lacroix manchmal bis zur Begeisterung entzückte! In der Tat, die Garcia mahnt weniger an die zivilisierte Schönheit und zahme Grazie unsrer europäischen Heimat als vielmehr an die schauerliche Pracht einer exotischen Wildnis, und in manchen Momenten ihres passionierten Vortrags, zumal, wenn sie den großen Mund mit den blendend weißen Zähnen überweit öffnet und so grausam süß und anmutig fletschend lächelt: dann wird einem zumute, als müßten jetzt auch die ungeheuerlichen Vegetationen und Tiergattungen Hindostans oder Afrikas zum Vorschein kommen; – man meint, jetzt müßten auch Riesenpalmen, umrankt von tausendblumigen Lianen, emporschießen; – und man würde sich nicht wundern, wenn plötzlich ein Leoparde oder eine Giraffe oder sogar ein Rudel Elefantenkälber über die Szene liefen. Wir hören mit großem Vergnügen, daß diese Sängerin wieder auf dem Wege nach Paris ist.

Während die Académie de musique aufs jammervollste darniederlag und die Italiener sich ebenfalls betrübsam hinschleppten, erhob sich die dritte lyrische Szene, die Opéra comique, zu ihrer fröhlichsten Höhe. Hier überflügelte ein Erfolg den andern, und die Kasse hatte immer einen guten Klang. Ja, es wurde noch mehr Geld als Lorbeeren eingeerntet, was gewiß für die Direktion kein Unglück gewesen. Die Texte der neuen Opern, die sie gab, waren immer von Scribe, dem Manne, der einst das große Wort aussprach: »Das Gold ist eine Schimäre!« und der dennoch dieser Schimäre beständig nachläuft. Er ist der Mann des Geldes, des klingenden Realismus, der sich nie versteigt in die Romantik einer unfruchtbaren Wolkenwelt und sich festklammert an der irdischen Wirklichkeit der Vernunftheirat, des industriellen Bürgertums und der Tantieme. Einen ungeheuren Beifall findet Scribes neue Oper »Die Sirene«, wozu Auber die Musik geschrieben. Autor und Komponist passen ganz füreinander: sie haben den raffiniertesten Sinn für das Interessante, sie wissen uns angenehm zu unterhalten, sie entzücken und blenden uns sogar durch die glänzenden Facetten ihres Esprits, sie besitzen ein gewisses Filigrantalent der Verknüpfung allerliebster Kleinigkeiten, und man vergißt bei ihnen, daß es eine Poesie gibt. Sie sind eine Art Kunstloretten, welche alle Gespenstergeschichten der Vergangenheit aus unsrer Erinnerung fortlächeln und mit ihrem koketten Getändel wie mit Pfauenfächern die sumsenden Zukunftgedanken, die unsichtbaren Mücken, von uns abwedeln. Zu dieser harmlos buhlerischen Gattung gehört auch Adam, der mit seinem »Cagliostro« ebenfalls in der Opéra comique sehr leichtfertige Lorbeeren eingeerntet. Adam ist eine liebenswürdige, erfreuliche Erscheinung und ein Talent, welches noch großer Entwicklung fähig ist. Eine rühmliche Erwähnung verdient auch Thomas, dessen Operette »Mina« viel Glück gemacht.

Alle diese Triumphe übertraf jedoch die Vogue des »Deserteurs«, einer alten Oper von Monsigny, welche die Opéra comique aus den Kartons der Vergessenheit hervorzog. Hier ist echt französische Musik, die heiterste Grazie, eine harmlose Süße, eine Frische wie der Duft von Waldblumen, Naturwahrheit, sogar Poesie. Ja, letztere fehlt nicht, aber es ist eine Poesie ohne Schauer der Unendlichkeit, ohne geheimnisvollen Zauber, ohne Wehmut, ohne Ironie, ohne Morbidezza, ich möchte fast sagen eine elegant bäurische Poesie der Gesundheit. Die Oper von Monsigny mahnte mich unmittelbar an seinen Zeitgenossen, den Maler Greuze: ich sah hier wie leibhaftig die ländlichen Szenen, die dieser gemalt, und ich glaubte gleichsam die Musikstücke zu vernehmen, die dazu gehörten. Bei der Anhörung jener Oper ward es mir ganz deutlich, wie die bildenden und die rezitierenden Künste derselben Periode immer einen und denselben Geist atmen und ihre Meisterwerke die intimste Wahlverwandtschaft beurkunden.

Ich kann diesen Bericht nicht schließen, ohne zu bemerken, daß die musikalische Saison noch nicht zu Ende ist und dieses Jahr gegen alle Gewohnheit bis in den Mai fortklingt. Die bedeutendsten Bälle und Konzerte werden in diesem Augenblick gegeben, und die Polka wetteifert noch mit dem Piano. Ohren und Füße sind müde, aber können sich doch noch nicht zur Ruhe begeben. Der Lenz, der sich diesmal so früh eingestellt, macht Fiasko, man bemerkt kaum das grüne Laub und die Sonnenlichter. Die Ärzte, vielleicht ganz besonders die Irrenärzte, werden bald viel Beschäftigung gewinnen. In diesem bunten Taumel, in dieser Genußwut, in diesem singenden, springenden Strudel lauert Tod und Wahnsinn. Die Hämmer der Pianoforte wirken fürchterlich auf unsre Nerven, und die große Drehkrankheit, die Polka, gibt uns den Gnadenstoß.

Spätere Notiz

Den vorstehenden Mitteilungen füge ich aus melancholischer Grille die folgenden Blätter hinzu, die dem Sommer 1847 angehören und meine letzte musikalische Berichterstattung bilden. Für mich hat alle Musik seitdem aufgehört, und ich ahnte nicht, als ich das Leidensbild Donizettis krayonnierte, daß eine ähnliche und weit schmerzlichere Heimsuchung mir nahete. Die kurze Kunstnotiz lautet wie folgt:

Seit Gustav Adolf, glorreichen Andenkens, hat keine schwedische Reputation soviel Lärm in der Welt gemacht wie Jenny Lind. Die Nachrichten, die uns darüber aus England zukommen, grenzen ans Unglaubliche. In den Zeitungen klingen nur Posaunenstöße, Fanfaren des Triumphes; wir hören nur Pindarsche Lobgesänge. Ein Freund erzählte mir von einer englischen Stadt, wo alle Glocken geläutet wurden, als die schwedische Nachtigall dort ihren Einzug hielt; der dortige Bischof feierte dieses Ereignis durch eine merkwürdige Predigt. In seinem anglikanischen Episkopalkostüme, welches der Leichenbittertracht eines Chef des pompes funèbres nicht unähnlich, bestieg er die Kanzel der Hauptkirche und begrüßte die Neuangekommene als einen Heiland in Weibskleidern, als eine Frau Erlöserin, die vom Himmel herabgestiegen, um unsre Seelen durch ihren Gesang von der Sünde zu befreien, während die andern Cantatricen ebenso viele Teufelinnen seien, die uns hineintrillern in den Rachen des Satanas. Die Italienerinnen Grisi und Persiani müssen vor Neid und Ärger jetzt gelb werden wie Kanarienvögel, während unsre Jenny, die schwedische Nachtigall, von einem Triumph zum andern flattert. Ich sage unsre Jenny, denn im Grunde repräsentiert die schwedische Nachtigall nicht exklusive das kleine Schweden, sondern sie repräsentiert die ganze germanische Stammesgenossenschaft, die der Zimbern ebensosehr wie die der Teutonen, sie ist auch eine Deutsche, ebensogut wie ihre naturwüchsigen und pflanzenschläfrigen Schwestern an der Elbe und am Neckar, sie gehört Deutschland, wie, der Versicherung des Franz Horn gemäß, auch Shakespeare uns angehört und wie gleicherweise Spinoza, seinem innersten Wesen nach, nur ein Deutscher sein kann – und mit Stolz nennen wir Jenny Lind die Unsre! Juble, Uckermark, auch du hast teil an diesem Ruhme! Springe, Maßmann, deine vaterländisch freudigsten Sprünge, denn unsre Jenny spricht kein römisches Rotwelsch, sondern gotisch, skandinavisch, das deutscheste Deutsch, und du kannst sie als Landsmännin begrüßen; nur mußt du dich waschen, ehe du ihr deine deutsche Hand reichst. Ja, Jenny Lind ist eine Deutsche, schon der Name Lind mahnt an Linden, die grünen Muhmen der deutschen Eichen, sie hat keine schwarzen Haare wie die welschen Primadonnen, in ihren blauen Augen schwimmt nordisches Gemüt und Mondschein, und in ihrer Kehle tönt die reinste Jungfräulichkeit! Das ist es. »Maidenhood is in her voice« – das sagten alle old spinsters von London, alle prüden ladies und frommen gentlemen sprachen es augenverdrehend nach, die noch lebende mauvaise queue von Richardson stimmte ein, und ganz Großbritannien feierte in Jenny Lind das singende Magdtum, die gesungene Jungferschaft. Wir wollen es gestehen, dieses ist der Schlüssel der unbegreiflichen, rätselhaft großen Begeisterung, die Jenny in England gefunden und, unter uns gesagt, auch gut auszubeuten weiß. Sie singe nur, hieß es, um das weltliche Singen recht bald wieder aufgeben zu können und, versehen mit der nötigen Aussteuersumme, einen jungen protestantischen Geistlichen, den Pastör Swenske, zu heiraten, der unterdessen ihrer harre daheim in seinem idyllischen Pfarrhaus hinter Upsala, links um die Ecke. Seitdem freilich will verlauten, als ob der junge Pastör Swenske nur ein Mythos und der wirkliche Verlobte der hohen Jungfrau ein alter abgestandener Komödiant der Stockholmer Bühne sei – aber das ist gewiß Verleumdung. Der Keuschheitssinn dieser Primadonna immaculata offenbart sich am schönsten in ihrem Abscheu vor Paris, dem modernen Sodom, den sie bei jeder Gelegenheit ausspricht, zur höchsten Erbauung aller Dames patronesses der Sittlichkeit jenseits des Kanals. Jenny hat aufs bestimmteste gelobt, nie auf den Lasterbrettern der Rue Lepelletier ihre singende Jungferschaft dem französischen Publiko preiszugeben; sie hat alle Anträge, welche ihr Herr Léon Pillet durch seine Kunstruffiani machen ließ, streng abgelehnt. Diese rauhe Tugend macht mich stutzen – wurde der alte Paulet sagen. Ist etwa die Volkssage gegründet, daß die heutige Nachtigall in frühern Jahren schon einmal in Paris gewesen und im hiesigen sündhaften Conservatoire Musikunterricht genossen habe, wie andre Singvögel, welche seitdem sehr lockere Zeisige geworden sind? Oder fürchtet Jenny jene frivole Pariser Kritik, die bei einer Sängerin nicht die Sitten, sondern nur die Stimme kritisiert und Mangel an Schule für das größte Laster hält? Dem sei, wie ihm wolle, unsre Jenny kommt nicht hierher und wird die Franzosen nicht aus ihrem Sündenpfuhl heraussingen. Sie bleiben verfallen der ewigen Verdammnis.

Hier in der Pariser musikalischen Welt ist alles beim alten; in der Académie royale de musique ist noch immer grauer, feuchtkalter Winter, während draußen Maisonne und Veilchenduft. Im Vestibül steht noch immer wehmütig trauernd die Bildsäule des göttlichen Rossini; er schweigt. Es macht Herrn Léon Pillet Ehre, daß er diesem wahren Genius schon bei Lebzeiten eine Statue gesetzt. Nichts ist possierlicher, als die Grimasse zu sehen, womit Scheelsucht und Neid sie betrachten. Wenn Signor Spontini dort vorbeigeht, stößt er sich jedesmal an diesem Steine. Da ist unser großer Maestro Meyerbeer viel klüger, und wenn er des Abends in die Oper ging, wußte er jenem Marmor des Anstoßes immer vorsichtig auszuweichen, er suchte sogar den Anblick desselben zu vermeiden; in derselben Weise pflegen die Juden zu Rom, selbst auf ihren eiligsten Geschäftsgängen, immer einen großen Umweg zu machen, um nicht jenem fatalen Triumphbogen des Titus vorbeizukommen, der zum Gedächtnis des Untergangs von Jerusalem errichtet worden. Über Donizettis Zustand werden die Berichte täglich trauriger. Während seine Melodien freudegaukelnd die Welt erheitern, während man ihn überall singt und trillert, sitzt er selbst, ein entsetzliches Bild des Blödsinns, in einem Krankenhause bei Paris. Nur für seine Toilette hatte er vor einiger Zeit noch ein kindisches Bewußtsein bewahrt, und man mußte ihn täglich sorgfältig anziehen, in vollständiger Gala, der Frack geschmückt mit allen seinen Orden; so saß er bewegungslos, den Hut in der Hand, vom frühesten Morgen bis zum späten Abend. Aber das hat auch aufgehört, er erkennt niemand mehr; das ist Menschenschicksal.

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