Lyrischer Nachlaß
Bimini
Ende 1852.
Prolog
Wunderglaube, blaue Blume,
Die verschollen jetzt, wie prachtvoll
Blühte sie im Menschenherzen
Zu der Zeit von der wir singen.
Wunderglaubenszeit! Ein Wunder
War sie selbst. So viele Wunder
Gab es damals, daß der Mensch
Sich nicht mehr darob verwundert
Wie im kühlsten Werkeltagslicht
Der Gewohnheit sah der Mensch
Manchmal Dinge, Wunderdinge
Welche überflügeln konnten
In der Tollheit selbst die tollsten
Fabeleyen in Legenden
Frommer hirnverbrannter Mönche
Und in alten Ritterbüchern.
Eines Morgens, bräutlich blühend,
Tauchte aus des Oceanes
Blauen Fluthen ein Meerwunder,
Eine ganze neue Welt –
Eine neue Welt mit neuen
Menschensorten, neuen Bestien,
Neuen Bäumen, Blumen, Vögeln
Und mit neuen Weltkrankheiten!
Unterdessen unsre alte
Unsre eigne alte Welt
Umgestaltet ganz verwandelt
Wunderbarlich wurde sie
Durch Erfindnisse des Geistes
Des modernen Zaubergeistes
Durch die Schwarzkunst Berthold Schwarzes
Und die noch viel schlimmre Schwarzkunst
Eines Mainzer Teufelbaners
So wie auch durch die Magie
Welche waltet in den Büchern
Die von bärtgen Hexenmeistern
Aus Byzanz und aus Egypten
Uns gebracht und hübsch verdollmetscht –
Buch der Schönheit heißt das Eine,
Buch der Wahrheit heißt das andre.
Beide aber hat Gott selber
Abgefaßt in zwey verschiednen
Himmelsprachen und er schrieb sie
Wie wir glauben, eigenhändig
Durch die kleine Zitternadel
Die des Semans Wünschelruthe
Fand derselbe damals auch
Einen Weg nach India,
Nach der langgesuchten Heimath
Der Gewürze, wo sie sprießen
Schier in liederlicher Fülle
Manchmal gar am Boden ranken
Die phantastischen Gewächse
Kräuter, Blumen, Stauden, Bäume,
Die des Pflanzenreiches Adel
Oder Kronjuvelen sind,
Jene seltnen Spezereyen,
Mit geheimnißvollen Kräften,
Die den Menschen oft genesen
Oefter auch erkranken machen –
Jenachdem sie mischt die Hand
Eines klugen Apothekers
Oder eines dummen Ungars
Aus dem … Banath
Als sich nun die Gartenpforte
Indias erschloß – balsamisch
Wogend jetzt ein Meer von Weihrauch
Eine Sündfluth von wollustig
Ungeheuerlichen Düften,
Sinnberauschend, sinnbetäubend
Strömte plötzlich in das Herz
In das Herz der alten Welt.
Wie gepeitscht von Feuerbränden
Flammenruthen, in der Menschen
Adern raste jetzt das Blut,
Lechzend nach Genuß und Gold –
Doch das Gold allein blieb Losung,
Denn durch Gold, den gelben Kuppler
Kann sich jeder leicht verschaffen
Alle irdischen Genüsse.
Gold war jetzt das erste Wort
Das der Spanier sprach, beim Eintritt
In des Indianers Hütte –
Erst nachher frug er nach Wasser.
Mexiko und Peru sahen
Dieses Golddursts Orgia,
Cortez und Pizarro wälzten
Goldbesoffen sich im Golde
Bey dem Tempelsturm von Quito
Lopez Vacca stahl die Sonne,
Die zwölf Zentner Goldes wog;
Doch dieselbe Nacht verlor er
Sie im Würfelspiele wieder,
Und im Volke blieb das Sprichwort:
Das ist Lopez, der die Sonne
Hat verspielt vor Sonnenaufgang.
Hei! das waren große Spieler,
Große Diebe, Meuchelmörder,
(Ganz vollkommen ist kein Mensch.)
Doch sie thaten Wunderthaten,
In der Zeit des Wunderglaubens
Thaten auch die Menschen Wunder;
Wer Unmögliches geglaubt,
Konnt’ Unmögliches verrichten.
Nur der Thor war damals Zweifler,
Die verständ’gen Leute glaubten;
Vor den Tageswundern beugte
Gläubig tief sein Haupt der Weise.
Seltsam! Aus des Wunderglaubens
Wunderzeit klingt mir im Sinne
Heut beständig die Geschichte
Von Don Juan Ponce de Leon
Der in fabelhafter Irrfahrt
Jahrelang in allen Meeren
Aufgesucht die theure Insel
Seiner Sehnsucht: Bimini!
Bimini bey deines Namens
Holdem Laut in meiner Brust
Bebt das Herz und die verstorbnen
Jugendträume sie erwachen –
Welke Kränze auf den Häuptern
Schauen sie mich an wehmüthig –
Ihr seyd todt und ich bin todt –
Ward vergiftet – böses Fieber!
Und ich schaudre wild zusammen
Und ich schüttle mich vor Zorn
Also heftig daß die Näthe
Meiner Narrenjacke platzen –
Doch am Ende muß ich lachen,
Denn mich dünket Papageyen
Kreischten drollig und zugleich
Melancholisch: Bimini!
Muse, edle Nekromantin,
Durch die Hexerey der Dichtkunst,
Schaffe mir ein Zauberschiff
Das mich bringt nach Bimini
Dichterwünschen folgt Erfüllung
Und vom Werfte des Gedankens
Wird zu mir herabbuxirt
Pfeilschnell das begehrte Schiff.
I.
Männer wie Columbus, Cortes,
Und Pizarro und Bilbao,
Habt Ihr in der Schul’ auswendig
Schon gelernt. Ihr kennt sie gut.
Wenig oder gar nicht kennt Ihr
Ihren Zeit- und Zunftgenossen
Jenen Wasserabentheurer
Namens Juan Ponce de Leon
Welcher Florida entdeckte
Aber jahrelang vergebens
Aufgesucht die Wunderinsel
Seiner Sehnsucht, Bimini.
Bimini! bey deines Namens
Holdem Klag, in meiner Brust
Pochen die scheintodten Wünsche
Die dort eingesargt zu frühe –
Auch entschlafne Jugendträume
Schlagen die bestäubten Wimpern
Wieder auf und schaun mich an
Fast befremdet, fast mitleidig –
Während aus der Wahnsinntiefe
Der Erinnerung herauftönt
Wie ein Jauchzen und ein Schluchsen
Von todtwunden Nachtigallen, –
Und dazwischen klingen Flöten
Und Schallmeyen, Tanzmusik,
Nachhall längstverschollner Lenze,
Melancholisch überlustig.
Bimini – mich selbst erfaßt
Tolles Sehnen und ich schüttle
Mich so stürmisch, daß die Näthe
Meiner Narrenjacke platzen.
Hilf mir Muse, kluge Bergfee
Des Parnasses, Gottestochter,
Steh mir bey jetzt und bewähre
Die Magie der edlen Dichtkunst –
Zeige daß du hexen kannst
Und verwandle fluxs mein Lied
In ein Schiff, ein Zauberschiff
Das mich bringt nach Bimini.
Kaum hab ich das Wort gesprochen
Geht mein Wunsch schon in Erfüllung,
Und vom Stapel des Gedankens
Läuft herab das Zauberschiff.
Wer will mit nach Bimini?
Steiget ein, Ihr Herrn und Damen
Wind und Wetter dienend bringet
Euch mein Schiff nach Bimini.
Leidet Ihr am Zipperlein?
Edle Herren? Schöne Damen
Habt Ihr auf der weißen Stirn
Schon ein Rünzelchen entdecket?
Folget mir nach Bimini –
Dorten werdet Ihr genesen
Von den schändlichen Gebresten;
Hydropathisch ist die Cur!
Fürchtet nichts, Ihr Herrn und Damen,
Sehr solide ist mein Schiff
Aus Trocheen stark wie Eichen
Sind gezimmert Kiel und Planken.
Fantasie sitzt an dem Steuer,
Gute Laune bläht die Segel
Schiffsjung ist der Witz, der flinke,
Ob Verstand an Bord? Ich weiß nicht!
Meine Raen sind Metaphern
Die Hyperbel ist mein Mastbaum
Schwarz roth gold ist meine Flagge,
Fabelfarben der Romantik –
Trikolore Barbarossas,
Wie ich weiland sie gesehen
Im Kyffhäuser und zu Frankfurt
In dem Dome von Sankt Paul.
In dem Meer der Mährchenwelt,
In dem blauen Mährchenweltmeer,
Zieht mein Schiff, mein Zauberschiff
Seine träumerischen Furchen –
Funkenstäubend, mir voran,
In dem wogenden Azur
Plätschert, tummelt sich ein Heer
Von großkopfigen Delphinen –
Und auf ihrem Rücken reiten
Meine Wasserpostilione,
Amoretten, die paußbäckig
Auf bizarren Muschelhörnern
Schallende Fanfaren blasen –
Aber horch! da unten klingt
Aus der Meerestiefe plötzlich
Ein Gekicher und Gelächter?
Ach, ich kenne diese Laute,
Diese süßmokanten Stimmen –
Das sind schnippische Undinen
Nixen, welche skeptisch spötteln
Ueber mich, mein Narrenschiff,
Meine Narrenpassagiere,
Ueber meine Narrenfahrt,
Nach der Insel Bimini.
II.
Einsam auf dem Strand von Cuba
Vor dem stillen Wasserspiegel,
Steht ein Mensch und er betrachtet
In der Fluth sein Conterfey.
Dieser Mensch ist alt, doch spanisch
Kerzensteif ist seine Haltung.
Halb seemänisch, halb soldatisch
Ist sein wunderlicher Anzug.
Weite Fischerhosen bauschen
Unter einem Rock von gelber
Elendshaut; von reichgesticktem
Goldstoff ist das Bandelier
Daran hängt die obligate
Lange Klinge von Toledo,
Und vom grauen Filzhut wehen
Blutroth kek die Hahnenfedern
Sie beschatten melancholisch
Ein verwittert Greisenantlitz
Welches Zeit und Zeitgenossen
Uebel zugerichtet haben.
Mit den Runzeln die das Alter
Und Strapazen eingegraben
Kreuzen sich fatale Narben
Schlechtgeflickter Säbelhiebe.
Eben nicht mit sonderlichem
Wohlgefallen scheint der Greis
In dem Wasser zu betrachten
Sein bekümmert Spiegelbildniß.
Wie abwehrend streckt er manchmal
Seine beiden Hände aus,
Schüttelt dann das Haupt, und seufzend
Spricht er endlich zu sich selber:
Ist das Juan Ponce de Leon,
Der als Page an dem Hofe
Von Don Gomez trug die stolze
Schleppe der Alkadentochter?
Schlank und luftig war der Fant,
Und die goldnen Locken spielten
Um das Haupt das voll von Leichtsinn
Und von rosigen Gedanken.
Alle Damen von Sevillia
Kannten seines Pferdes Hufschlag
Und sie flogen rasch ans Fenster
Wenn er durch die Straßen ritt.
Rief der Reiter seinen Hunden,
Mit der Zung am Gaumen schnalzend,
Dann durchdrang der Laut die Herzen
Hocherröthend schöner Frauen.
Ist das Juan Ponce de Leon
Der ein Schreck der Moren war
Und als wären’s Distelköpfe
Niederhieb die Turbanhäupter?
Auf dem Blachfeld vor Granada
Und im Angesicht des ganzen
Christenheer’s hat Don Gonzalvo
Mir den Ritterschlag ertheilet.
An dem Abend jenes Tages,
In dem Zelte der Infantinn
Tanzte ich, beim Klang der Geigen
Mit des Hofes schönen Damen.
Aber weder Klang der Geigen
Noch Gekose schöner Damen
Habe ich gehört am Abend
Jenes Tages – Wie ein Füllen
Stampfte ich des Zeltes Boden
Und vernahm nur das Geklirre
Nur das liebliche Geklirre
Meiner ersten goldnen Sporen.
Mit den Jahren kam der Ernst
Und der Ehrgeitz und ich folgte
Dem Columbus auf der zweiten
Großen Weltentdeckungsreise.
Treusam blieb ich ihm ergeben
Diesem andern großen Christoph
Der das Licht des Heils getragen
Zu den Heiden durch das Wasser.
Ich vergesse nicht die Milde
Seines Blickes. Schweigsam litt er
Klagte nur des Nachts den Sternen
Und den Wellen seine Leiden.
Als der Admiral zurückging
Nach Hispanien, nahm ich Dienste
Bey Ojeda und ich schiffte
Mit ihm aus auf Abentheuer
Don Ojeda war ein Ritter
Von der Fußzeh bis zur Scheitel,
Keinen bessern zeigte weiland
König Arthus Tafelrunde
Fechten, fechten war die Wollust
Seiner Seele. Heiter lachend
Focht er gegen wilde Rotten
Die ihn zahllos oft umzingelt.
Als ihn traf ein giftger Wurfspieß
Nahm er stracks ein glühend rothes
Eisen, brannte damit aus
Seine Wunde, heiter lachend.
Einst bis an die Hüfte watend
Durch Möräste, deren Ausgang
Unbekannt, aufs Gradewohl
Ohne Speise, ohne Wasser
Hatten wir schon dreyzig Tage
Uns dahingeschleppt, von hundert
Zwanzig Mann, schon achtzig
Waren auf dem Marsch verschmachtet –
Und der Sumpf ward immer tiefer
Und wir jammerten verzweifelnd –
Doch Ojeda sprach uns Muth ein,
Unverzagt und heiter lachend.
Später ward ich Waffenbruder
Des Bilbao – dieser Held,
Der so muthig wie Ojeda
War kriegskund’ger in Entwürfen.
Alle Adler des Gedankens
Nisteten in seinem Haupte,
Und in seinem Herzen herrlich
Stralte Großmuth wie die Sonne.
Ihm verdankt die Krone Spaniens
Hundert Königthümer, größer
Als Europa und viel reicher
Als Venezia und Flandern.
Zur Belohnung für die hundert
Königthümer die viel größer
Als Europa und viel reicher
Als Venezia und Flandern –
Gab man ihm ein hänfen Halsband,
Einen Strick; gleich einem Sünder
Ward Bilbao auf dem Marktplaz
Sankt Sebastiens gehenkt.
Kein so ritterlicher Degen,
Auch von gringerm Heldensinn,
Doch ein Feldherr sonder gleichen
War der Cortez, Don Fernando.
In der winzigen Armada
Welche Mexiko erobert
Nahm ich Dienste – die Strapazen
Fehlten nicht bey diesem Feldzug.
Dort gewann ich sehr viel Gold
Aber auch das gelbe Fieber –
Ach! ein gutes Stück Gesundheit
Ließ ich bey den Mexikanern.
Mit dem Golde hab ich Schiffe
Ausgerüstet. Meinem eignen
Stern vertrauend hab ich endlich
Hier entdeckt die Insel Cuba
Die ich jetzo gubernire
Für Juanna von Castilien
Und Fernand von Arragon
Die mir aller höchst gewogen
Habe nun erlangt wonach
Stets die Menschen gierig laufen:
Fürstengunst und Ruhm und Würden,
Auch den Calatrava Orden.
Bin Statthalter, ich besitze
Wohl an hunderttausend Pesos,
gold in Barren, Edelsteine
Säcke voll der schönsten Perlen –
Ach beim Anblick dieser Perlen
Werd ich traurig, denn ich denke
Besser wärs ich hätte Zähne,
Zähne wie in meiner Jugend –
Jugendzähne! mit den Zähnen
Ging verlohren auch die Jugend –
Denk ich dran, schmachvoll ohnmächtig
Knirsch ich mit den morschen Stummeln.
Jugendzähne, nebst der Jugend,
Könnt ich Euch zurückerkaufen,
Gerne gäbe ich dafür
Alle meine Perlensäcke.
Alle meine Edelsteine,
All mein Gold, an hunderttausend
Pesos werth und obendrein
Meinen Calatrava-Orden –
Nehmt mir Reichthum, Ruhm und Würden,
Nennt mich nicht mehr Exzellenze,
Nennt mich lieber junger Maulaff
Junger Gimpel, Bengel Rotznas’!
Hochgebenedeite Jungfrau
Hab Erbarmen mit dem Thoren
Der sich schmahaft heimlich abzehrt
Und verbirgt sein eitles Elend.
Jungfrau! dir allein enthüll ich
Mein Gemüthe, dir gestehend
Was ich nimmermehr gestünde
Einem Heil’gen in dem Himmel –
Diese Heil’gen sind ja Männer,
Und, Caracho! auch im Himmel
Soll kein Mann mitleidig lächeln
Ueber Juan Ponce de Leon.
Du, O Jungfrau, bist ein Weib,
Und obgleich unwandelbar
Deine unbefleckte Schönheit,
Weiblich klugen Sinnes fühlst du
Was er leidet, der vergänglich
Arme Mensch wenn seines Leibes
Edle Kraft und Herrlichkeit
Dorrt und hinwelkt bis zum Zerrbild!
Ach, viel glücklicher als wir
Sind die Bäume, die gleichzeitig
Einer und derselbe Herbstwind
Ihres Blätterschmucks entkleidet –
Alle stehen kahl im Winter,
Und da giebts kein junges Bäumchen
Dessen grünes Laub verhöhnte
Die verwelkten Waldgenossen.
Ach! bey uns den Menschen, lebt
Jeder seine eigne Jahrzeit;
Während bey dem Einen Winter
Ist es Frühling bey dem Andern –
Und der Greis fühlt doppelt schmerzlich
Seine Ohnmacht bey dem Anblick
Jugendlicher Ueberkräfte –
Hochgebenedeite Jungfrau!
Rüttle ab von meinen Gliedern
Dieses winterliche Alter,
Das mit Schnee bedeckt mein Haupt
Und mein Blut gefrieren macht –
Sag der Sonne, daß sie wieder
Gluth in meine Adern gieße
Sag dem Lenze daß er wecke
In der Brust die Nachtigallen –
Ihre Rosen gieb sie wieder
Meinen Wangen, gieb das Goldhaar
Wieder meinem Haupt, O Jungfrau –
Gieb mir meine Jugend wieder.
Als Don Juan Ponce de Leon
Vor sich hinsprach solcherley
Plötzlich in die beiden Hände
Drückte er sein Antlitz schmerzhaft
Und er schluchste und er weinte
So gewaltig und so stürmisch
Daß die hellen Thränengüsse
Troffen durch die magern Finger.
III.
Auf dem Festland bleibt der Ritter
Treu den alten Seemansbräuchen
Und wie einst auf seinem Schiffe
Schläft er Nachts in einem Hamak.
Auch die Wellenschlagbewegung
Die so oft ihn eingeschläfert
Will der Ritter nicht entbehren
Und er läßt den Hamak schaukeln.
Dies Geschäft verrichtet Janka,
Alte Indianerin,
Die vom Ritter die Muskitos
Abwehrt mit dem Pfauenwedel.
Während sie die luftge Wiege
Mit dem greisen Kinde schaukelt
Lullt sie eine mährchenhafte
Alte Weise ihrer Heimat.
Liegt ein Zauber in dem Singsang?
Oder in des Weibes Stimme,
Die so flötend wie Gezwitscher
Eines Zeisigs und sie singt.
Kleiner Vogel Kolibri
Führe uns nach Bimini;
Fliege du voran wir folgen
In bewimpelten Pirogen.
Kleines Fischchen Brididi
Führe uns nach Bimini;
Schwimme du voran wir folgen
Rudernd mit bekränzten Stangen.
Auf der Insel Bimini
Blüht die ew’ge Frühlingswonne
Und die goldnen Lerchen jauchzen
Im Azur ihr Tirili.
Schlanke Blumen überwuchern
Wie Savannen dort den Boden,
Leidenschaftlich sind die Düfte
Und die Farben üppig brennend.
Große Palmenbäume ragen
Draus hervor, mit ihren Fächern
Wehen sie den Blumen unten
Schattenküsse, holde Kühle.
Auf der Insel Bimini
Quilt die allerliebste Quelle
Aus dem theuren Wunderborn
Fließt das Wasser der Verjüngung.
So man eine welke Blume
Netzet mit etwelchen Tropfen
Dieses Wassers, blüht sie auf
Und sie prangt in frischer Schöne.
So man ein verdortes Reis
Netzet mit etwelchen Tropfen
Dieses Wassers, treibt es wieder
Neue Knospen, lieblich grünend.
Trinkt ein Greis von jenem Wasser
Wird er wieder jung; das Alter
Wirft er von sich wie ein Käfer
Abstreift seine Raupenhülle.
Mancher Graukopf der zum blonden
Jüngling sich getrunken hatte
Schämte sich zurückzukehren
Als Gelbschnabel in die Heimath –
Manches Mütterchen insgleichen
Die sich wieder jung geschlückert
Wollte nicht nach Hause gehen
Als ein junges Ding von Dirnlein –
Und die guten Leutchen blieben
Immerdar in Bimini;
Glück und Lenz hielt sie gefesselt
In dem ewgen Jugendlande.
Nach dem ewgen Jugendlande
Nach dem Eiland Bimini
Geht mein Sehnen und Verlangen;
Lebet wohl, Ihr lieben Freunde!
Alte Katze Mimili
Alter Haushahn Kikriki
Lebet wohl, wir kehren nie,
Nie zurück von Bimini.
Also sang das Weib. Der Ritter
Horcht dem Liede schlummertrunken;
Manchmal nur, alswie im Traume
Lallt er kindisch: Bimini.
IV.
Heiter überstralt die Sonne
Golf und Strand der Insel Cuba;
In dem blauen Himmel hängen
Heute lauter Violinen.
Rothgeküßt vom kecken Lenze,
In dem Mieder von Smaragden,
Bunt geputzt, wie eine Braut
Blüht und glüht die schöne Insel.
Auf dem Strande farbenschillernd
Wimmelt Volk von jedem Stande,
Jedem Alter, doch die Herzen
Pochen wie vom selben Pulsschlag.
Denn derselbe Trostgedanke
Hat sie alle gleich ergriffen
Gleichbeseligt – Er bekundet
Sich im stillen Freudezittern
Einer alten Beguine,
Die sich an den Krücken hinschleppt
Und den Rosenkranz abkugelnd
Ihre Paternoster murmelt –
Es bekundet sich derselbe
Trostgedanken in dem Lächeln
Der Signora, die auf güldnem
Palankin getragen wird
Und im Munde eine Blume
Kokettirt mit dem Hidalgo,
Der die Schnurbartzipfel kräuselnd,
Fröhlich ihr zur Seite wandelt –
Wie auf dem Gesicht der steifen
Soldateske, zeigt die Freude
Sich im klerikalen Antlitz,
Das sich menschlich heut entrunzelt –
Wie vergnügt der dünne Schwarzrock
Sich die Hände reibt! Wie fröhlich!
Wie der feiste Kapuziner
Streichelt froh sein Doppelkinn!
Selbst der Bischof der gewöhnlich
Griesgram aussieht, wenn er Messe
Lesen soll, weil dann sein Frühstück
Eingen Aufschub leiden muß –
Selbst der Bischof schmunzelt freudig,
Freudig glänzen die Karbunkeln
Seiner Nase und im Festschmuck
Wackelt er einher vergnüglich
Unterm Purpurbaldachin,
Eingeräuchert von Chorknaben,
Und gefolgt von Clerizis
Die mit Goldbrokat bedeckt sind
Und goldgelbe Sonnenschirme
Ueber ihre Köpfe halten,
Kolossalen Champignons
Welche wandeln schier vergleichbar
Nach dem hohen Gottestische
Geht der Zug, nach dem Altare,
Welcher unter freyem Himmel
Hier am Meeresstrand errichtet.
Und verzieret ward mit Blumen,
Heilgenbildchen, Palmen, Bändern
Silbernem Geräth, Goldflittern,
Und Wachskerzen lustig funkelnd –
Seine Eminenz der Bischof
Hält das Hochamt hier am Meere,
Und mit Weihe und Gebeth
Will er hier den Segen sprechen
Ueber jene kleine Flotte,
Welche auf der Rhede schaukelnd
Im Begriff ist abzusegeln
Nach der Insel Bimini.
Ja die Schiffe dort sie sind es
Welche Juan Ponce de Leon
Ausgerüstet und bemannt
Um die Insel aufzusuchen
Wo das Wasser der Verjüngung
Lieblich sprudelt – von dem Ufer
Viele tausend Seegenswünsche
Folgen ihm, dem Menschheitsretter
Ihm dem edlen Weltwohlthäter –
Hofft doch jeder daß der Ritter
Bey der Rückkehr einst auf Cuba
Ihm ein Fläschchen Jugend mitbringt –
Mancher schlückert schon im Geiste
Solche Labung, und sie schaukeln
Sich vor Wonne, wie die Schiffe
Die dort ankern auf der Rede.
Es besteht aus fünf Fahrzeugen
Die Flotille – eine große
Caravelle, zwey Felucken
Und zwey kleine Brigantinen
Admiralschiff ist die große
Caravelle und die Flagge
Zeigt die Wappen von Castillien
Arragonien und Leon.
Einer Lauberhütte gleich
Ist sie ausgeschmückt mit Mayen,
Blumenkränzen und Guirlanden
Und mit flatternd bunten Wimpeln
Frau Speranze heißt das Schiff
Und am Hintertheil als Puppe
Steht der Donna Conterfey
Lebensgroß skulptirt aus Eichholz
Und bemalt mit ganz vorzüglich
Wohlgefirnißten Couleuren
Welche Wind und Wetter trozen,
Eine stattliche Figura.
Ziegelroth ist das Gesichte,
Ziegelroth ist Hals und Busen
Der aus grünem Mieder quillt;
Auch des Rockes Farb ist grün.
Grün ist auch des Hauptes Kranz
Pechschwarz ist das Haar, die Augen
Und die Brauen gleichfals pechschwarz.
In der Hand hält sie ein Anker.
Die Armada der Flottille
Sie besteht etwa aus hundert
Achtzig Mann, darunter sind
Nur sechs Weiber und sechs Priester.
Achtzig Mann und eine Dame
Sind am Bord der Caravelle
Welche Juan Ponce de Leon
Selbst befehligt. Caca heißt
Jene Dame – ja die alte
Caca ist jetzt eine Dame
Heißt Senora Juanita
Seit der Ritter sie erhoben
Zur Großfliegenwedelmeistrin,
Oberhamakschaukeldame,
Und Mundschenkinn künftger Jugend
Auf der Insel Bimini.
Als Symbol des Amtes hält sie
In der Hand ein Goldpokal,
Trägt auch eine hochgeschürzte
Tunika wie eine Hebe.
Kostbarliche brüßler Kanten,
Perlenschnüre, viele Dutzend
Decken spöttisch die verwelkten
Braunen Reitze der Senora
Rococo-anthropophagisch
Karaibisch Pompadour
Hebet sich der Haarwulstkopfputz,
Der gespickt ist mit unzähl’gen
Vögelein, die groß wie Käfer,
Durch des prächtigen Gefieders
Farbenschmelz wie Blumen aussehn
Die formirt aus Edelsteinen
Diese närrische Frisur
Von Gevögel paßt vortrefflich
Zu der Kaka wunderliches
Papagoyenvogelantlitz
Seitenstück zu dieser Fratze
Bildet Juan Ponce de Leon,
Welcher zuversichtlich glaubend
An die baldige Verjüngung
Sich im voraus schon geworfen
In’s Costum der lieben Jugend
Und sich bunt herausgeputzt
In der Geckentracht der Mode:
Schnabelschuhn mit Silberglöcklein
Wie’n Gelbschnabel und geschlitzte
Hosen wo das rechte Bein
Rosafarben während grün
Grüngestreift das linke Bein –
Wohlgepufte Atlasjacke
Kurzer Mantel, keck geachselt –
Ein Baret mit drey Straußfedern –
Also ausstaffirt, in Händen
Eine Laute haltend, tänzelt
Auf und ab der Admiral
Und ertheilt die Schiffsbefehle:
Er befielt daß man die Anker
Lichten soll’, im Augenblicke,
Wo des Hochamts Ende melden
Von dem Strande die Signale
Er befiehlt, daß bey der Abfart
Die Kanonen aller Schiffe
Mit drey Dutzend Ehrenschüssen
Cuba salutiren sollten –
Er befiehlt – und lacht und dreht sich
Auf dem Absatz wie ein Kreisel –
Bis zur Trunkenheit berauscht ihn
Süßer Hoffnung toller Traumtrank –
Und er kneift die armen Saiten
Seiner Laute daß sie wimmern
Und mit altgebrochner Stimme
Meckert er die Singsangworte
Kleiner Vogel Kolibri,
Kleines Fischchen Brididi,
Fliegt und schwimmt voraus und zeiget
Uns den Weg nach Bimini
V.
Juan Ponce de Leon wahrlich
War kein Thor, kein Faselante
Als er unternahm die Irrfahrt
Nach der Insel Bimini.
Ob der Existenz der Insel
Hegt er niemals einen Zweifel –
Seiner alten Kaka Singsang
War ihm Bürgschaft und Gewähr
Mehr als andre Menschenkinder
Wundergläubig ist der Seeman;
Hat er doch vor Augen stets
Flammendgroß die Himmelswunder
Während ihn umrauscht beständig
Die geheimnißvolle Meerflut,
Deren Schooß entstiegen weiland
Donna Venus Aphrodite
In den folgenden Trocheen
Werden wir getreu berichten,
Wie der Ritter viel Strapazen
Ungemach und Drangsal ausstand –
Ach anstatt von altem Siechthum
Zu genesen ward der Aermste
Heimgesucht von vielen neuen
Leibesübeln und Gebresten –
Während er die Jugend suchte
Ward er täglich noch viel älter
Und verrunzelt, abgemergelt
Kam er endlich in das Land
In das stille Land wo schaurig
Unter schattigen Zypressen
Fließt ein Flüßlein dessen Wasser
Gleichfalls wunderthätig heilsam –
Lethe heißt das gute Wasser!
Trink daraus und du vergißt
All dein Leiden – ja vergessen
Wirst du was du je gelitten –
Gutes Wasser! gutes Land!
Wer dort angelangt, verläßt es
Nimmermehr – denn dieses Land
Ist das wahre Bimini.