Cordelia

(König Lear)

In diesem Stücke liegen Fußangel und Selbstschüsse für den Leser, sagt ein englischer Schriftsteller. Ein anderer bemerkt, diese Tragödie sei ein Labyrinth, worin sich der Kommentator verirren und am Ende Gefahr laufen könne, von dem Minotaur, der dort haust, erwürgt zu werden; er möge hier das kritische Messer nur zur Selbstverteidigung gebrauchen. Und in der Tat ist es jedenfalls eine mißliche Sache, den Shakespeare zu kritisieren, ihn, aus dessen Worten uns beständig die schärfste Kritik unserer eignen Gedanken und Handlungen entgegenlacht: so ist es fast unmöglich, ihn in dieser Tragödie zu beurteilen, wo sein Genius bis zur schwindligsten Höhe sich emporschwang.

Ich wage mich nur bis an die Pforte dieses Wunderbaus, nur bis zur Exposition, die schon gleich unser Erstaunen erregt. Die Expositionen sind überhaupt in Shakespeares Tragödien bewunderungswürdig. Durch diese ersten Eingangsszenen werden wir schon gleich aus unseren Werkeltagsgefühlen und Zunftgedanken herausgerissen und in die Mitte jener ungeheuern Begebenheiten versetzt, womit der Dichter unsere Seelen erschüttern und reinigen will. So eröffnet sich die Tragödie des »Macbeth« mit der Begegnung der Hexen, und der weissagende Spruch derselben unterjocht nicht bloß das Herz des schottischen Feldherrn, den wir siegestrunken auftreten sehen, sondern auch unser eignes Zuschauerherz, das jetzt nicht mehr los kann, bis alles erfüllt und beendigt ist. Wie in »Macbeth« das wüste, sinnebetäubende Grauen der blutigen Zauberwelt schon im Beginn uns erfaßt, so überfröstelt uns der Schauer des bleichen Geisterreichs bereits in den ersten Szenen des »Hamlet«, und wir können uns hier nicht loswinden von den gespenstischen Nachtgefühlen, von dem Alpdrücken der unheimlichsten Ängste, bis alles vollbracht, bis Dänemarks Luft, die von Menschenfäulnis geschwängert war, wieder ganz gereinigt ist.

In den ersten Szenen des »Lear« werden wir auf gleicher Weise unmittelbar hineingezogen in die fremden Schicksale, die sich vor unseren Augen ankündigen, entfalten und abschließen. Der Dichter gewährt uns hier ein Schauspiel, das noch entsetzlicher ist als alle Schrecknisse der Zauberwelt und des Geisterreichs: er zeigt uns nämlich die menschliche Leidenschaft, die alle Vernunftdämme durchbricht und in der furchtbaren Majestät eines königlichen Wahnsinns hinaustobt, wetteifernd mit der empörten Natur in ihrem wildesten Aufruhr. Aber ich glaube, hier endet die außerordentliche Obmacht, die spielende Willkür, womit Shakespeare seinen Stoff immer bewältigen konnte; hier beherrscht ihn sein Genius weit mehr als in den erwähnten Tragödien, in »Macbeth« und »Hamlet«, wo er, mit künstlerischer Gelassenheit, neben den dunkelsten Schatten der Gemütsnacht die rosigsten Lichter des Witzes, neben den wildesten Handlungen das heiterste Stilleben hinmalen konnte. Ja, in der Tragödie »Macbeth« lächelt uns eine sanfte, befriedete Natur entgegen: an den Fensterfliesen des Schlosses, wo die blutigste Untat verübt wird, kleben stille Schwalbennester; ein freundlicher schottischer Sommer, nicht zu warm, nicht zu kühl, weht durch das ganze Stück; überall schöne Bäume und grünes Laubwerk, und am Ende gar kommt ein ganzer Wald einhermarschiert, Birnamwald kommt nach Dunsinane. Auch in »Hamlet« kontrastiert die liebliche Natur mit der Schwüle der Handlung; bleibt es auch Nacht in der Brust des Helden, so geht doch die Sonne darum nicht minder morgenrötlich auf, und Polonius ist ein amüsanter Narr, und es wird ruhig Komödie gespielt, und unter grünen Bäumen sitzt die arme Ophelia, und mit bunten, blühenden Blumen windet sie ihre Kränze. Aber in »Lear« herrschen keine solche Kontraste zwischen der Handlung und der Natur, und die entzügelten Elemente heulen und stürmen um die Wette mit dem wahnsinnigen König. Wirkt ein sittliches Ereignis ganz außerordentlicher Art auch auf die sogenannte leblose Natur? Befindet sich zwischen dieser und dem Menschengemüt ein äußerlich sichtbares Wahlverhältnis? Hat unser Dichter dergleichen erkannt und darstellen wollen?

Mit der ersten Szene dieser Tragödie werden wir, wie gesagt, schon in die Mitte der Ereignisse geführt, und wie klar auch der Himmel ist, ein scharfes Auge kann das künftige Gewitter schon voraussehen. Da ist ein Wölkchen im Verstande Lears, welches sich später zur schwärzesten Geistesnacht verdichten wird. Wer in dieser Weise alles verschenkt, der ist schon verrückt. Wie das Gemüt des Helden, so lernen wir auch den Charakter der Töchter schon in der Expositionsszene kennen, und namentlich rührt uns schon gleich die schweigsame Zärtlichkeit Cordelias, der modernen Antigone, die an Innigkeit die antike Schwester noch übertrifft. Ja, sie ist ein reiner Geist, wie es der König erst im Wahnsinn einsieht. Ganz rein? Ich glaube, sie ist ein bißchen eigensinnig, und dieses Fleckchen ist ein Vatermal. Aber wahre Liebe ist sehr verschämt und haßt allen Wortkram; sie kann nur weinen und verbluten. Die wehmütige Bitterkeit, womit Cordelia auf die Heuchelei der Schwestern anspielt, ist von der zartesten Art und trägt ganz den Charakter jener Ironie, deren sich der Meister aller Liebe, der Held des Evangeliums, zuweilen bediente. Ihre Seele entladet sich des gerechtesten Unwillens und offenbart zugleich ihren ganzen Adel in den Worten:

Fürwahr, nie heurat ich, wie meine Schwestern, um bloß

meinen Vater zu lieben.

Julie

(Romeo und Julie)

In der Tat, jedes Shakespearesche Stück hat sein besonderes Klima, seine bestimmte Jahreszeit und seine lokalen Eigentümlichkeiten. Wie die Personen in jedem dieser Dramen, so hat auch der Boden und der Himmel, der darin sichtbar wird, eine besondere Physiognomie. Hier, in »Romeo und Julie«, sind wir über die Alpen gestiegen und befinden uns plötzlich in dem schönen Garten, welcher Italien heißt…

Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn,

Im dunkeln Laub die Goldorangen glühn? –

Es ist das sonnige Verona, welches Shakespeare zum Schauplatze gewählt hat für die Großtaten der Liebe, die er in »Romeo und Julie« verherrlichen wollte. Ja, nicht das benannte Menschenpaar, sondern die Liebe selbst ist der Held in diesem Drama. Wir sehen hier die Liebe jugendlich übermütig auftreten, allen feindlichen Verhältnissen Trotz bietend und alles besiegend… Denn sie fürchtet sich nicht, in dem großen Kampfe zu dem schrecklichsten, aber sichersten Bundesgenossen, dem Tode, ihre Zuflucht zu nehmen. Liebe im Bündnisse mit dem Tode ist unüberwindlich. Liebe! Sie ist die höchste und siegreichste aller Leidenschaften. Ihre weltbezwingende Stärke besteht aber in ihrer schrankenlosen Großmut, in ihrer fast übersinnlichen Uneigennützigkeit, in ihrer aufopferungssüchtigen Lebensverachtung. Für sie gibt es kein Gestern, und sie denkt an kein Morgen… Sie begehrt nur des heutigen Tages, aber diesen verlangt sie ganz, unverkürzt, unverkümmert… Sie will nichts davon aufsparen für die Zukunft und verschmäht die aufgewärmten Reste der Vergangenheit… »Vor mir Nacht, hinter mir Nacht«… Sie ist eine wandelnde Flamme zwischen zwei Finsternissen… Woher entsteht sie?… Aus unbegreiflich winzigen Fünkchen!… Wie endet sie?… Sie erlöscht spurlos, ebenso unbegreiflich… Je wilder sie brennt, desto früher erlöscht sie… Aber das hindert sie nicht, sich ihren lodernden Trieben ganz hinzugeben, als dauerte ewig dieses Feuer…

Ach, wenn man zum zweitenmal im Leben von der großen Glut erfaßt wird, so fehlt leider dieser Glaube an ihrer Unsterblichkeit, und die schmerzlichste Erinnerung sagt uns, daß sie sich am Ende selber aufzehrt… Daher die Verschiedenheit der Melancholie bei der ersten Liebe und bei der zweiten… Bei der ersten denken wir, daß unsere Leidenschaft nur mit tragischem Tode enden müsse, und in der Tat, wenn nicht anders die entgegendrohenden Schwierigkeiten zu überwinden sind, entschließen wir uns leicht, mit der Geliebten ins Grab zu steigen… Hingegen bei der zweiten Liebe liegt uns der Gedanke im Sinne, daß unsere wildesten und herrlichsten Gefühle sich mit der Zeit in eine zahme Lauheit verwandeln, daß wir die Augen, die Lippen, die Hüften, die uns jetzt so schauerlich begeistern, einst mit Gleichgültigkeit betrachten werden… Ach! dieser Gedanke ist melancholischer als jede Todesahnung!… Das ist ein trostloses Gefühl, wenn wir im heißesten Rausche an künftige Nüchternheit und Kühle denken und aus Erfahrung wissen, daß die hochpoetischen heroischen Leidenschaften ein so kläglich prosaisches Ende nehmen!…

Diese hochpoetischen heroischen Leidenschaften! Wie die Theaterprinzessinnen gebärden sie sich und sind hochrot geschminkt, prachtvoll kostümiert, mit funkelndem Geschmeide beladen und wandeln stolz einher und deklamieren in gemessenen Jamben… Wenn aber der Vorhang fällt, zieht die arme Prinzessin ihre Werkeltagskleider wieder an, wischt sich die Schminke von den Wangen, sie muß den Schmuck dem Garderobemeister überliefern, und schlotternd hängt sie sich an den Arm des ersten besten Stadtgerichtsreferendarii, spricht schlechtes Berliner Deutsch, steigt mit ihm in eine Mansarde und gähnt und legt sich schnarchend aufs Ohr und hört nicht mehr die süßen Beteurungen: »Sie spielten jettlich, auf Ehre«…

Ich wage es nicht, Shakespeare im mindesten zu tadeln, und nur meine Verwunderung möchte ich darüber aussprechen, daß er den Romeo erst eine Leidenschaft für Rosalinde empfinden läßt, ehe er ihn Julien zuführt. Trotzdem, daß er sich der zweiten Liebe ganz hingibt, nistet doch in seiner Seele eine gewisse Skepsis, die sich in ironischen Redensarten kundgibt und nicht selten an Hamlet erinnert. Oder ist die zweite Liebe bei dem Manne die stärkere, eben weil sie alsdann mit klarem Selbstbewußtsein gepaart ist? Bei dem Weibe gibt es keine zweite Liebe, seine Natur ist zu zart, als daß sie zweimal das furchtbarste Erdbeben des Gemütes überstehen könnte. Betrachtet Julie. Wäre sie imstande, zum zweiten Male die überschwenglichen Seligkeiten und Schrecknisse zu ertragen, zum zweiten Male, aller Angst Trotz bietend, den schauderhaften Kelch zu leeren? Ich glaube, sie hat genug am ersten Male, diese arme Glückliche, dieses reine Opfer der großen Passion.

Julie liebt zum ersten Male und liebt mit voller Gesundheit des Leibes und der Seele. Sie ist vierzehn Jahre alt, was in Italien soviel gilt wie siebzehn Jahre nordischer Währung. Sie ist eine Rosenknospe, die eben, vor unseren Augen, von Romeos Lippen aufgeküßt ward und sich in jugendlicher Pracht entfaltet. Sie hat weder aus weltlichen noch aus geistlichen Büchern gelernt, was Liebe ist; die Sonne hat es ihr gesagt, und der Mond hat es ihr wiederholt, und wie ein Echo hat es ihr Herz nachgesprochen, als sie sich nächtlich unbelauscht glaubte. Aber Romeo stand unter dem Balkone und hat ihre Reden gehört und nimmt sie beim Wort. Der Charakter ihrer Liebe ist Wahrheit und Gesundheit. Das Mädchen atmet Gesundheit und Wahrheit, und es ist rührend anzuhören, wenn sie sagt:

Du weißt, die Nacht verschleiert mein Gesicht,

Sonst färbte Mädchenröte meine Wangen

Um das, was du vorhin mich sagen hörtest.

Gern hielt’ ich streng auf Sitte, möchte gern

Verleugnen, was ich sprach: doch weg mit Förmlichkeit!

Sag, liebst du mich? Ich weiß, du wirst’s bejahn,

Und will dem Worte traun; doch wenn du schwörst,

So kannst du treulos werden; wie sie sagen,

Lacht Jupiter des Meineids der Verliebten.

O holder Romeo! Wenn du mich liebst:

Sag’s ohne Falsch! Doch dächtest du, ich sei

Zu schnell besiegt, so will ich finster blicken,

Will widerspenstig sein und nein dir sagen,

So du dann werben willst: sonst nicht um alles.

Gewiß, mein Montague, ich bin zu herzlich;

Du könntest denken, ich sei leichten Sinns.

Doch glaube, Mann, ich werde treuer sein

Als sie, die fremd zu tun geschickter sind.

Auch ich, bekenn ich, hätte fremd getan,

Wär ich von dir, eh’ ich’s gewahrte, nicht

Belauscht in Liebesklagen. Drum vergib!

Schilt diese Hingebung nicht Flatterliebe,

Die so die stille Nacht verraten hat.

Desdemona

(Othello)

Ich habe oben beiläufig angedeutet, daß der Charakter des Romeo etwas Hamletisches enthalte. In der Tat, ein nordischer Ernst wirft seine Streifschatten über dieses glühende Gemüt. Vergleicht man Julie mit Desdemona, so wird ebenfalls in jener ein nordisches Element bemerkbar; bei aller Gewalt ihrer Leidenschaft bleibt sie doch immer ihrer selbst bewußt und im klarsten Selbstbewußtsein Herrin ihrer Tat. Julie liebt und denkt und handelt. Desdemona liebt und fühlt und gehorcht, nicht dem eignen Willen, sondern dem stärkern Antrieb. Ihre Vortrefflichkeit besteht darin, daß das Schlechte auf ihre edle Natur keine solche Zwangsmacht ausüben kann wie das Gute. Sie wäre gewiß immer im Palazzo ihres Vaters geblieben, ein schüchternes Kind, den häuslichen Geschäften obliegend; aber die Stimme des Mohren drang in ihr Ohr, und obgleich sie die Augen niederschlug, sah sie doch sein Antlitz in seinen Worten, in seinen Erzählungen oder, wie sie sagt: »in seiner Seele«… und dieses leidende, großmütige, schöne, weiße Seelenantlitz übte auf ihr Herz den unwiderstehlich hinreißenden Zauber. Ja, er hat recht, ihr Vater, Seine Wohlweisheit der Herr Senator Brabantio: eine mächtige Magie war schuld daran, daß sich das bange, zarte Kind zu dem Mohren hingezogen fühlte und jene häßlich schwarze Larve nicht fürchtete, welche der große Haufe für das wirkliche Gesicht Othellos hielt…

Julias Liebe ist tätig, Desdemonas Liebe ist leidend. Sie ist die Sonnenblume, die selber nicht weiß, daß sie immer dem hohen Tagesgestirn ihr Haupt zuwendet. Sie ist die wahre Tochter des Südens, zart, empfindsam, geduldig, wie jene schlanken, großäugigen Frauenlichter, die aus sanskritischen Dichtungen so lieblich, so sanft, so träumerisch hervorstrahlen. Sie mahnt mich immer an die »Sakontala« des Kalidasa, des indischen Shakespeares.

Der englische Kupferstecher, dem wir das vorstehende Bildnis der Desdemona verdanken, hat ihren großen Augen vielleicht einen zu starken Ausdruck von Leidenschaft verliehen. Aber ich glaube bereits angedeutet zu haben, daß der Kontrast des Gesichtes und des Charakters immer einen interessanten Reiz ausübt. Jedenfalls aber ist dieses Gesicht sehr schön, und namentlich dem Schreiber dieser Blätter muß es sehr gefallen, da es ihn an jene hohe Schöne erinnert, die gottlob an seinem eignen Antlitz nie sonderlich gemäkelt hat und dasselbe bis jetzt nur in seiner Seele sah…

Ihr Vater liebte mich, lud oft mich ein.

Er fragte die Geschichte meines Lebens

Von Jahr zu Jahr; Belagerungen, Schlachten

Und jedes Schicksal, das ich überstand.

Ich lief sie durch, von meinem Knabenalter

Bis zu dem Augenblick, wo er gebot,

Sie zu erzählen. Sprechen mußt ich da

Von höchst unglücklichen Ereignissen,

Von rührendem Geschick zu See und Land,

Wie in der Bresche ich gewissem Tod

Kaum um die Breite eines Haars entwischte;

Wie mich ein trotz’iger Feind gefangennahm,

Der Sklaverei verkaufte; wie ich mich

Daraus gelöst, und die Geschichte dessen,

Wie ich auf meinen Reisen mich benahm.

Von öden Höhlen, unfruchtbaren Wüsten,

Von rauhen Gruben, Felsen, Hügeln, die

Mit ihren Häuptern an den Himmel rühren,

Hatt ich sodann zu sprechen Anlaß, auch

Von Kannibalen, die einander fressen,

Anthropophagen, und dem Volke, dem

Die Köpfe wachsen unter ihren Schultern.

Von solchen Dingen zu vernehmen, zeigte

Bei Desdemona sich sehr große Neigung;

Doch riefen Hausgeschäfte stets sie ab,

Die sie beseitigte mit schnellster Hast;

Kam sie zurück, mit gier’gem Ohr verschlang sie,

Was ich erzählte. Dies bemerkend, nahm

Ich eine weiche Stunde wahr und fand

Gelegne Mittel, ihr aus ernster Brust

Die Bitte zu entwinden: daß ausführlich

Ich schildre ihr die ganze Pilgerschaft,

Von der sie stückweis’ etwas wohl gehört,

Doch nicht zusammenhängend. Ich gewährt es,

Und oft hab ich um Tränen sie gebracht,

Wenn ich von harten, traur’gen Schlägen sprach,

Die meine Jugend trafen! Auserzählt,

Lohnt eine Welt voll Seufzer meine Müh’.

Sie schwor: In Wahrheit! seltsam, mehr als seltsam!

Und kläglich sei es, kläglich wundersam!

Sie wünschte, daß sie nichts davon gehört,

Und wünschte doch, daß sie der Himmel auch

Zu solchem Mann gemacht. Sie dankte mir

Und bat, wofern ein Freund von mir sie liebe,

Ihn nur zu lehren, wie er die Geschichte

Von meinem Leben müss’ erzählen.

Dann werb’ er sie. Ich sprach auf diesen Wink:

Sie liebe mich, weil ich Gefahr bestand,

Und weil sie mich bedaure, lieb’ ich sie.

Dieses Trauerspiel soll eine der letzten Arbeiten Shakespeares gewesen sein, wie »Titus Andronicus« für sein Erstlingswerk erklärt wird. Dort wie hier ist die Leidenschaft einer schönen Frau zu einem häßlichen Mohren mit Vorliebe behandelt. Der reife Mann kehrte wieder zurück zu einem Problem, das einst seine Jugend beschäftigte. Hat er jetzt wirklich die Lösung gefunden? Ist diese Lösung ebenso wahr als schön? Eine düstre Trauer erfaßt mich manchmal, wenn ich dem Gedanken Raum gebe, daß vielleicht der ehrliche Jago, mit seinen bösen Glossen über die Liebe Desdemonas zu dem Mohren, nicht ganz unrecht haben mag. Am allerwiderwärtigsten aber berühren mich Othellos Bemerkungen über die feuchten Hände seiner Gattin.

Ein ebenso abenteuerliches und bedeutsames Beispiel der Liebe zu einem Mohren, wie wir in »Titus Andronicus« und »Othello« sehen, findet man in »Tausendundeine Nacht«, wo eine schöne Fürstin, die zugleich eine Zauberin ist, ihren Gemahl in einer statuenähnlichen Starrheit gefesselt hält und ihn täglich mit Ruten schlägt, weil er ihren Geliebten, einen häßlichen Neger, getötet hat. Herzzerreißend sind die Klagetöne der Fürstin am Lager der schwarzen Leiche, die sie durch ihre Zauberkunst in einer Art von Scheinleben zu erhalten weiß und mit verzweiflungsvollen Küssen bedeckt und durch einen noch großem Zauber, durch die Liebe, aus dem dämmernden Halbtode zu voller Lebenswahrheit erwecken möchte. Schon als Knabe frappierte mich in den arabischen Märchen dieses Bild leidenschaftlicher und unbegreiflicher Liebe.

Jessica

(Kaufmann von Venedig)

Als ich dieses Stück in Drurylane aufführen sah, stand hinter mir, in der Loge, eine schöne blasse Britin, welche am Ende des vierten Aktes heftig weinte und mehrmals ausrief: »The poor man is wronged!« (Dem armen Mann geschieht Unrecht!) Es war ein Gesicht vom edelsten griechischen Schnitt, und die Augen waren groß und schwarz. Ich habe sie nie vergessen können, diese großen und schwarzen Augen, welche um Shylock geweint haben!

Wenn ich aber an jene Tränen denke, so muß ich den »Kaufmann von Venedig« zu den Tragödien rechnen, obgleich der Rahmen des Stückes von den heitersten Masken, Satyrbildern und Amoretten verziert ist und auch der Dichter eigentlich ein Lustspiel geben wollte. Shakespeare hegte vielleicht die Absicht, zur Ergötzung des großen Haufens einen gedrillten Werwolf darzustellen, ein verhaßtes Fabelgeschöpf, das nach Blut lechzt und dabei seine Tochter und seine Dukaten einbüßt und obendrein verspottet wird. Aber der Genius des Dichters, der Weltgeist, der in ihm waltet, steht immer höher als sein Privatwille, und so geschah es, daß er in Shylock, trotz der grellen Fratzenhaftigkeit, die Justifikation einer unglücklichen Sekte aussprach, welche von der Vorsehung, aus geheimnisvollen Gründen, mit dem Haß des niedern und vornehmen Pöbels belastet worden und diesen Haß nicht immer mit Liebe vergelten wollte.

Aber was sag ich? Der Genius des Shakespeare erhebt sich noch über den Kleinhader zweier Glaubensparteien, und sein Drama zeigt uns eigentlich weder Juden noch Christen, sondern Unterdrücker und Unterdrückte und das wahnsinnig schmerzliche Aufjauchzen dieser letztern, wenn sie ihren übermutigen Quälern die zugefügten Kränkungen mit Zinsen zurückzahlen können. Von Religionsverschiedenheit ist in diesem Stücke nicht die geringste Spur, und Shakespeare zeigt in Shylock nur einen Menschen, dem die Natur gebietet, seinen Feind zu hassen, wie er in Antonio und dessen Freunden keineswegs die Jünger jener göttlichen Lehre schildert, die uns befiehlt, unsere Feinde zu lieben. Wenn Shylock dem Manne, der von ihm Geld borgen will, folgende Worte sagt:

Signor Antonio, viel und oftermals

Habt Ihr auf dem Rialto mich geschmäht

Um meine Gelder und um meine Zinsen;

Stets trug ich’s mit geduld’gem Achselzucken,

Denn Dulden ist das Erbteil unsers Stamms,

Ihr scheltet mich abtrünnig, einen Bluthund,

Und speit auf meinen jüdischen Rockelor,

Und alles, weil ich nutz, was mir gehört.

Gut denn, nun zeigt sichs, Ihr braucht meine Hülfe:

Ei freilich ja, Ihr kommt zu mir, Ihr sprecht:

»Shylock, wir wünschten Gelder.« So sprecht Ihr,

Der mir den Auswurf auf den Bart geleert

Und mich getreten, wie Ihr von der Schwelle

Den fremden Hund stoßt; Geld ist Eu’r Begehren.

Wie sollt ich sprechen nun? Sollt ich nicht sprechen:

»Hat ein Hund Geld? Ist’s möglich, daß ein Spitz

Dreitausend Dukaten leihn kann?« Oder soll ich

Mich bücken und in eines Schuldners Ton,

Demütig wispernd, mit verhaltnem Odem,

So sprechen: »Schöner Herr, am letzten Mittwoch

Spiet Ihr mich an, Ihr tratet mich den Tag;

Ein andermal hießt Ihr mich einen Hund:

Für diese Höflichkeiten will ich Euch

Die und die Gelder leihn.«

Da antwortet Antonio:

Ich könnte leichtlich wieder dich so nennen,

Dich wieder anspein, ja mit Füßen treten. –

Wo steckt da die christliche Liebe! Wahrlich, Shakespeare würde eine Satire auf das Christentum gemacht haben, wenn er es von jenen Personen repräsentieren ließe, die dem Shylock feindlich gegenüberstehen, aber dennoch kaum wert sind, demselben die Schuhriemen zu lösen. Der bankrotte Antonio ist ein weichliches Gemüt ohne Energie, ohne Stärke des Hasses und also auch ohne Stärke der Liebe, ein trübes Wurmherz, dessen Fleisch wirklich zu nichts Besserm taugt, als »Fische damit zu angeln«. Die abgeborgten dreitausend Dukaten stattet er übrigens dem geprellten Juden keineswegs zurück. Auch Bassanio gibt ihm das Geld nicht wieder, und dieser ist ein echter fortune-hunter, nach dem Ausdruck eines englischen Kritikers; er borgt Geld, um sich etwas prächtig herauszustaffieren und eine reiche Heirat, einen fetten Brautschatz zu erbeuten; denn, sagt er zu seinem Freunde:

Euch ist nicht unbekannt, Antonio,

Wie sehr ich meinen Glücksstand hab erschöpft,

Indem ich glänzender mich eingerichtet,

Als meine schwachen Mittel tragen konnten.

Auch jammr’ ich jetzt nicht, daß die große Art

Mir untersagt ist; meine Sorg’ ist bloß,

Mit Ehren von den Schulden loszukommen,

Worin mein Leben, etwas zu verschwendrisch,

Mich hat verstrickt. – –

Was gar den Lorenzo betrifft, so ist er der Mitschuldige eines der infamsten Hausdiebstahle, und nach dem preußischen Landrecht würde er zu fünfzehn Jahre Zuchthaus verurteilt und gebrandmarkt und an den Pranger gestellt werden; obgleich er nicht bloß für gestohlene Dukaten und Juwelen, sondern auch für Naturschönheiten, Landschaften im Mondlicht und für Musik sehr empfänglich ist. Was die andern edlen Venezianer betrifft, die wir als Gefährten des Antonio auftreten sehen, so scheinen sie ebenfalls das Geld nicht sehr zu hassen, und für ihren armen Freund, wenn er ins Unglück geraten, haben sie nichts als Worte, gemünzte Luft. Unser guter Pietist Franz Horn macht hierüber folgende sehr wäßrige, aber ganz richtige Bemerkung: »Hier ist nun billig die Frage aufzuwerfen: Wie war es möglich, daß es mit Antonios Unglück soweit kam? Ganz Venedig kannte und schätzte ihn, seine guten Bekannten wußten genau um die furchtbare Verschreibung und daß der Jude auch nicht einen Punkt derselben würde auslöschen lassen. Dennoch lassen sie einen Tag nach dem andern verstreichen, bis endlich die drei Monate vorüber sind und mit denselben jede Hoffnung auf Rettung. Es würde jenen guten Freunden, deren der königliche Kaufmann ja ganze Scharen um sich zu haben scheint, doch wohl ziemlich leicht geworden sein, die Summe von dreitausend Dukaten zusammenzubringen, um ein Menschenleben – und welch eines! – zu retten; aber dergleichen ist denn doch immer ein wenig unbequem, und so tun die lieben guten Freunde, eben weil es nur sogenannte Freunde oder, wenn man will, halbe oder dreiviertel Freunde sind – nichts und wieder nichts und gar nichts. Sie bedauern den vortrefflichen Kaufmann, der ihnen früher so schöne Feste veranstaltet hat, ungemein, aber mit gehöriger Bequemlichkeit, schelten, was nur das Herz und die Zunge vermag, auf Shylock, was gleichfalls ohne alle Gefahr geschehen kann, und meinen dann vermutlich alle, ihre Freundschaftspflicht erfüllt zu haben. Sosehr wir Shylock hassen müssen, so würden wir doch selbst ihm nicht verdenken können, wenn er diese Leute ein wenig verachtete, was er denn auch wohl tun mag. Ja, er scheint zuletzt auch den Graziano, den Abwesenheit entschuldiget, mit jenen zu verwechseln und in eine Klasse zu werfen, wenn er die frühere Tatlosigkeit und jetzige Wortfülle mit der schneidenden Antwort abfertigt:

Bis du von meinem Schein das Siegel wegschiltst,

Tust du mit Schrein nur deiner Lunge weh.

Stell deinen Witz her, guter junger Mensch,

Sonst fällt er rettungslos in Trümmern dir.

Ich stehe hier um Recht.«

Oder sollte etwa gar Lanzelot Gobbo als Repräsentant des Christentums gelten? Sonderbar genug, hat sich Shakespeare über letzteres nirgends so bestimmt geäußert wie in einem Gespräche, das dieser Schalk mit seiner Gebieterin führt. Auf Jessicas Äußerung:

Ich werde durch meinen Mann selig werden, er hat mich zu einer Christin gemacht,

antwortet Lanzelot Gobbo:

Wahrhaftig, da ist er sehr zu tadeln. Es gab unser vorher schon Christen genug, grade so viele, als nebeneinander gut bestehen konnten. Dies Christenmachen wird den Preis der Schweine steigern; wenn wir alle Schweinefleischesser werden, so ist in kurzem kein Schnittchen Speck in der Pfanne für Geld mehr zu haben.

Wahrlich, mit Ausnahme Porzias ist Shylock die respektabelste Person im ganzen Stück. Er liebt das Geld, er verschweigt nicht diese Liebe, er schreit sie aus, auf öffentlichem Markte… Aber es gibt etwas, was er dennoch höher schätzt als Geld, nämlich die Genugtuung für sein beleidigtes Herz, die gerechte Wiedervergeltung unsäglicher Schmähungen; und obgleich man ihm die erborgte Summe zehnfach anbietet, er schlägt sie aus, und die dreitausend, die zehnmal dreitausend Dukaten gereuen ihn nicht, wenn er ein Pfund Herzfleisch seines Feindes damit erkaufen kann. »Was willst du mit diesem Fleische?« fragte ihn Salario. Und er antwortet:

Fisch’ mit zu angeln. Sättigt es sonst niemanden, so sättigt es doch meine Rache. Er hat mich beschimpft, mir eine halbe Million gehindert, meinen Verlust belacht, meinen Gewinn bespottet, mein Volk geschmäht, meinen Handel gekreuzt, meine Freunde verleitet, meine Feinde gehetzt. Und was hat er für Grund? Ich bin ein Jude. Hat nicht ein Jude Augen? Hat nicht ein Jude Hände, Gliedmaßen, Werkzeuge, Sinne, Neigungen, Leidenschaften? Mit derselben Speise genährt, mit denselben Waffen verletzt, denselben Krankheiten unterworfen, mit denselben Mitteln geheilt, gewärmt und gekältet von ebendem Winter und Sommer, als ein Christ? Wenn ihr uns stecht, bluten wir nicht? Wenn ihr uns kitzelt, lachen wir nicht? Wenn ihr uns vergiftet, sterben wir nicht? Und wenn ihr uns beleidigt, sollen wir uns nicht rächen? Sind wir euch in allen Dingen ähnlich, so wollen wir’s euch auch darin gleichtun. Wenn ein Jude einen Christen beleidigt, was ist seine Demut? Rache. Wenn ein Christ einen Juden beleidigt, was muß seine Geduld sein nach christlichem Vorbild? Nu, Rache. Die Bosheit, die ihr mich lehrt, die will ich ausüben, und es muß schlimm hergehn, oder ich will es meinen Meistern zuvortun.

Nein, Shylock liebt zwar das Geld, aber es gibt Dinge, die er noch weit mehr liebt, unter andern auch seine Tochter, »Jessica, mein Kind«. Obgleich er in der höchsten Leidenschaft des Zorns sie verwünscht und tot zu seinen Füßen liegen sehen möchte, mit den Juwelen in den Ohren, mit den Dukaten im Sarg, so liebt er sie doch mehr als alle Dukaten und Juwelen. Aus dem öffentlichen Leben, aus der christlichen Sozietät zurückgedrängt in die enge Umfriedung häuslichen Glückes, blieben ja dem armen Juden nur die Familiengefühle, und diese treten bei ihm hervor mit der rührendsten Innigkeit. Den Türkis, den Ring, den ihm einst seine Gattin, seine Lea, geschenkt, er hätte ihn nicht »für einen Wald von Affen« hingegeben. Wenn in der Gerichtsszene Bassanio folgende Worte zum Antonio spricht:

Ich hab ein Weib zur Ehe, und sie ist

So lieb mir als mein Leben selbst, doch gilt

Sie höher als dein Leben nicht bei mir.

Ich gäbe alles hin, ja opfert’ alles,

Das Leben selbst, mein Weib und alle Welt,

Dem Teufel da, um dich nur zu befrein.

Wenn Graziano ebenfalls hinzusetzt:

Ich hab ein Weib, die ich, auf Ehre, liebe;

Doch wünscht ich sie im Himmel, könnt sie Mächte

Dort flehn, den hünd’schen Juden zu erweichen,

dann regt sich in Shylock die Angst ob dem Schicksal seiner Tochter, die unter Menschen, welche ihre Weiber aufopfern könnten für ihre Freunde, sich verheuratet hat, und nicht laut, sondern »beiseite« sagt er zu sich selber:

So sind die Christenmänner: ich hab ’ne Tochter,

Wär irgendwer vom Stamm des Barrabas

Ihr Mann geworden, lieber als ein Christ! –

Diese Stelle, dieses leise Wort, begründet das Verdammungsurteil, welches wir über die schöne Jessica aussprechen müssen. Es war kein liebloser Vater, den sie verließ, den sie beraubte, den sie verriet… Schändlicher Verrat! Sie macht sogar gemeinschaftliche Sache mit den Feinden Shylocks, und wenn diese zu Belmont allerlei Mißreden über ihn führen, schlägt Jessica nicht die Augen nieder, erbleichen nicht die Lippen Jessicas, sondern Jessica spricht von ihrem Vater das Schlimmste… Entsetzlicher Frevel! Sie hat kein Gemüt, sondern abenteuerlichen Sinn. Sie langweilte sich in dem streng verschlossenen »ehrbaren« Hause des bittermütigen Juden, das ihr endlich eine Hölle dünkte. Das leichtfertige Herz ward allzusehr angezogen von den heiteren Tönen der Trommel und der quergehalsten Pfeife. Hat Shakespeare hier eine Jüdin schildern wollen? Wahrlich nein; er schildert nur eine Tochter Evas, einen jener schönen Vögel, die, wenn sie flügge geworden, aus dem väterlichen Neste fortflattern zu den geliebten Männchen. So folgte Desdemona dem Mohren, so Imogen dem Posthumus. Das ist weibliche Sitte. Bei Jessica ist besonders bemerkbar eine gewisse zagende Scham, die sie nicht überwinden kann, wenn sie Knabentracht anlegen soll. Vielleicht in diesem Zuge möchte man jene sonderbare Keuschheit erkennen, die ihrem Stamme eigen ist und den Töchtern desselben einen so wunderbaren Liebreiz verleiht. Die Keuschheit der Juden ist vielleicht die Folge einer Opposition, die sie von jeher gegen jenen orientalischen Sinnen- und Sinnlichkeitsdienst bildeten, der einst bei ihren Nachbaren, den Ägyptern, Phöniziern, Assyrern und Babyloniern, in üppigster Blüte stand und sich, in beständiger Transformation, bis auf heutigen Tag erhalten hat. Die Juden sind ein keusches, enthaltsames, ich möchte fast sagen abstraktes Volk, und in der Sittenreinheit stehen sie am nächsten den germanischen Stämmen. Die Züchtigkeit der Frauen bei Juden und Germanen ist vielleicht von keinem absoluten Werte, aber in ihrer Erscheinung macht sie den lieblichsten, anmutigsten und rührendsten Eindruck. Rührend bis zum Weinen ist es, wenn z.B. nach der Niederlage der Zimbern und Teutonen die Frauen derselben den Marius anflehen, sie nicht seinen Soldaten, sondern den Priesterinnen der Vesta als Sklavinnen zu übergeben.

Es ist in der Tat auffallend, welche innige Wahlverwandtschaft zwischen den beiden Völkern der Sittlichkeit, den Juden und Germanen, herrscht. Diese Wahlverwandtschaft entstand nicht auf historischem Wege, weil etwa die große Familienchronik der Juden, die Bibel, der ganzen germanischen Welt als Erziehungsbuch diente, auch nicht, weil Juden und Germanen von früh an die unerbittlichsten Feinde der Römer und also natürliche Bundesgenossen waren: sie hat einen tiefern Grund, und beide Völker sind sich ursprünglich so ähnlich, daß man das ehemalige Palästina für ein orientalisches Deutschland ansehen könnte, wie man das heutige Deutschland für die Heimat des heiligen Wortes, für den Mutterboden des Prophetentums, für die Burg der reinen Geistheit halten sollte.

Aber nicht bloß Deutschland trägt die Physiognomie Palästinas, sondern auch das übrige Europa erhebt sich zu den Juden. Ich sage erhebt sich, denn die Juden trugen schon im Beginne das moderne Prinzip in sich, welches sich heute erst bei den europäischen Völkern sichtbar entfaltet.

Griechen und Römer hingen begeistert an dem Boden, an dem Vaterlande. Die spätern nordischen Einwanderer in die Römer- und Griechenwelt hingen an der Person ihrer Häuptlinge, und an die Stelle des antiken Patriotismus trat im Mittelalter die Vasallentreue, die Anhänglichkeit an die Fürsten. Die Juden aber, von jeher, hingen nur an dem Gesetz, an dem abstrakten Gedanken, wie unsere neueren kosmopolitischen Republikaner, die weder das Geburtsland noch die Person des Fürsten, sondern die Gesetze als das Höchste achten. Ja, der Kosmopolitismus ist ganz eigentlich dem Boden Judäas entsprossen, und Christus, der, trotz dem Mißmute des früher erwähnten Hamburger Spezereihändlers, ein wirklicher Jude war, hat ganz eigentlich eine Propaganda des Weltbürgertums gestiftet. Was den Republikanismus der Juden betrifft, so erinnere ich mich, im Josephus gelesen zu haben, daß es zu Jerusalem Republikaner gab, die sich den königlich gesinnten Herodianern entgegensetzten, am mutigsten fochten, niemanden den Namen »Herr« gaben und den römischen Absolutismus aufs ingrimmigste haßten; Freiheit und Gleichheit war ihre Religion. Welcher Wahn!

Was ist aber der letzte Grund jenes Hasses, den wir in Europa zwischen den Anhängern der mosaischen Gesetze und der Lehre Christi bis auf heutigen Tag gewahren und wovon uns der Dichter, indem er das Allgemeine im Besondern veranschaulichte, im »Kaufmann von Venedig« ein schauerliches Bild geliefert hat? Ist es der ursprüngliche Bruderhaß, den wir schon gleich nach Erschaffung der Welt, ob der Verschiedenheit des Gottesdienstes, zwischen Kain und Abel entlodern sehen? Oder ist die Religion überhaupt nur Vorwand, und die Menschen hassen sich, um sich zu hassen, wie sie sich lieben, um sich zu lieben? Auf welcher Seite ist die Schuld bei diesem Groll? Ich kann nicht umhin, zur Beantwortung dieser Frage eine Stelle aus einem Privatbriefe mitzuteilen, die auch die Gegner Shylocks justifiziert:

»Ich verdamme nicht den Haß, womit das gemeine Volk die Juden verfolgt; ich verdamme nur die unglückseligen Irrtümer, die jenen Haß erzeugten. Das Volk hat immer recht in der Sache, seinem Hasse wie seiner Liebe liegt immer ein ganz richtiger Instinkt zugrunde, nur weiß es nicht seine Empfindungen richtig zu formulieren, und statt der Sache trifft sein Groll gewöhnlich die Person, den unschuldigen Sündenbock zeitlicher und örtlicher Mißverhältnisse. Das Volk leidet Mangel, es fehlen ihm die Mittel zum Lebensgenuß, und obgleich ihm die Priester der Staatsreligion versichern,’daß man auf Erden sei, um zu entbehren und trotz Hunger und Durst der Obrigkeit zu gehorchen’ – so hat doch das Volk eine geheime Sehnsucht nach den Mitteln des Genusses, und es haßt diejenigen, in deren Kisten und Kasten dergleichen aufgespeichert liegt; es haßt die Reichen und ist froh, wenn ihm die Religion erlaubt, sich diesem Hasse mit vollem Gemüte hinzugeben. Das gemeine Volk haßte in den Juden immer nur die Geldbesitzer, es war immer das aufgehäufte Metall, welches die Blitze seines Zornes auf die Juden herabzog. Der jedesweilige Zeitgeist lieh nun immer jenem Hasse seine Parole. Im Mittelalter trug diese Parole die düstre Farbe der katholischen Kirche, und man schlug die Juden tot und plünderte ihre Häuser: ›weil sie Christus gekreuzigt‹ – ganz mit derselben Logik, wie auf St. Domingo einige schwarze Christen, zur Zeit der Massacre, mit einem Bilde des gekreuzigten Heilands herumliefen und fanatisch schrien: ›Les blancs l’ont tué, tuons tous les blancs.‹

Mein Freund, Sie lachen über die armen Neger; ich versichere Sie, die westindischen Pflanzer lachten damals nicht und wurden niedergemetzelt, zur Sühne Christi, wie einige Jahrhunderte früher die europäischen Juden. Aber die schwarzen Christen auf St. Domingo hatten in der Sache ebenfalls recht! die Weißen lebten müßig in der Fülle aller Genüsse, während der Neger im Schweiße seines schwarzen Angesichts für sie arbeiten mußte und zum Lohne nur ein bißchen Reismehl und sehr viele Peitschenhiebe erhielt; die Schwarzen waren das gemeine Volk. –

Wir leben nicht mehr im Mittelalter, auch das gemeine Volk wird aufgeklärter, schlägt die Juden nicht mehr auf einmal tot und beschönigt seinen Haß nicht mehr mit der Religion; unsere Zeit ist nicht mehr so naiv glaubensheiß, der traditionelle Groll kleidet sich in modernen Redensarten, und der Pöbel in den Bierstuben wie in den Deputiertenkammern deklamiert wider die Juden mit merkantilischen, industriellen, wissenschaftlichen oder gar philosophischen Argumenten. Nur abgefeimte Heuchler geben noch heute ihrem Haß eine religiöse Färbung und verfolgen die Juden um Christi willen; die große Menge gesteht offenherzig, daß hier materielle Interessen zugrunde liegen, und sie will den Juden durch alle möglichen Mittel die Ausübung ihrer industriellen Fähigkeiten erschweren. Hier in Frankfurt z.B. dürfen jährlich nur vierundzwanzig Bekenner des mosaischen Glaubens heuraten, damit ihre Population nicht zunimmt und für die christlichen Handelsleute keine allzu starke Konkurrenz erzeugt wird. Hier tritt der wirkliche Grund des Judenhasses mit seinem wahren Gesichte hervor, und dieses Gesicht trägt keine düster fanatische Mönchsmiene, sondern die schlaffen, aufgeklärten Züge eines Krämers, der sich ängstigt, im Handel und Wandel von dem israelitischen Geschäftsgeist überflügelt zu werden.

Aber ist es die Schuld der Juden, daß sich dieser Geschäftsgeist bei ihnen so bedrohlich entwickelt hat? Die Schuld liegt ganz an jenem Wahnsinn, womit man im Mittelalter die Bedeutung der Industrie verkannte, den Handel als etwas Unedles und gar die Geldgeschäfte als etwas Schimpfliches betrachtete und deshalb den einträglichsten Teil solcher Industriezweige, namentlich die Geldgeschäfte, in die Hände der Juden gab; so daß diese, ausgeschlossen von allen anderen Gewerben, notwendigerweise die raffiniertesten Kaufleute und Bankiers werden mußten. Man zwang sie, reich zu werden, und haßte sie dann wegen ihres Reichtums; und obgleich jetzt die Christenheit ihre Vorurteile gegen die Industrie aufgegeben hat und die Christen in Handel und Gewerb’ ebenso große Spitzbuben und ebenso reich wie die Juden geworden sind, so ist dennoch an diesen letztern der traditionelle Volkshaß haftengeblieben, das Volk sieht in ihnen noch immer die Repräsentanten des Geldbesitzes und haßt sie. Sehen Sie, in der Weltgeschichte hat jeder recht, sowohl der Hammer als der Amboß.«

Porzia

(Kaufmann von Venedig)

»Wahrscheinlich wurden alle Kunstrichter von Shylocks erstaunlichem Charakter so geblendet und gefangen, daß sie ihrerseits Porzia ihr Recht nicht widerfahren ließen, da doch ausgemacht Shylocks Charakter in seiner Art nicht kunstreicher noch vollendeter ist als Porzias in der ihrigen. Die zwei glänzenden Figuren sind beide ehrenwert: wert, zusammen in dem reichen Bann bezaubernder Dichtung und prachtvoller, anmutiger Formen zu stehen. Neben dem schrecklichen, unerbittlichen Juden, gegen seine gewaltigen Schatten durch ihre Glanzlichter abstechend, hängt sie wie ein prächtiger, schönheitatmender Tizian neben einem herrlichen Rembrandt.

Porzia hat ihr gehöriges Teil von den angenehmen Eigenschäften, die Shakespeare über viele seiner weiblichen Charaktere ausgegossen, neben der Würde aber, der Süßigkeit und Zärtlichkeit, welche ihr Geschlecht überhaupt auszeichnen, auch noch ganz eigentümliche, besondere Gaben: hohe geistige Kraft, begeisterte Stimmung, entschiedene Festigkeit und allem obschwebende Munterkeit. Diese sind angeboren; sie hat aber noch andere ausgezeichnete äußerlichere Eigenschaften, die aus ihrer Stellung und ihren Bezügen hervorgehen. So ist sie Erbin eines fürstlichen Namens und unberechenbaren Reichtums; ein Gefolg’ dienstwilliger Lustbarkeiten hat sie stets umgeben; von Kindheit an hat sie eine mit Wohlgerüchen und Schmeicheldüften durchwürzte Luft geatmet. Daher eine gebieterische Anmut, eine vornehme, hehre Zierlichkeit, ein Geist der Pracht in allem, was sie tut und sagt, als die von Geburt an mit dem Glänze Vertraute. Sie wandelt einher wie in Marmorpalästen, unter goldverzierten Decken, auf Fußböden von Zeder und Mosaiken von Jaspis und Porphyr, in Gärten mit Standbildern, Blumen und Quellen und geisterartig flüsternder Musik. Sie ist voll eindringender Weisheit, unverfälschter Zärtlichkeit und lebhaften Witzes. Da sie aber nie Mangel, Gram, Furcht oder Mißerfolg gekannt, so hat ihre Weisheit keinen Zug von Düsterheit oder Trübheit; all ihre Regungen sind mit Glauben, Hoffnung, Freude versetzt, und ihr Witz ist nicht im mindesten böswillig oder beißend.«

Obige Worte entlehne ich einem Werke der Frau Jameson, welches »Moralische, poetische und historische Frauencharaktere« betitelt. Es ist in diesem Buche nur von Shakespeareschen Weibern die Rede, und die angeführte Stelle zeugt von dem Geiste der Verfasserin, die wahrscheinlich von Geburt eine Schottin ist. Was sie über Porzia im Gegensatz zu Shylock sagt, ist nicht bloß schön, sondern auch wahr. Wollen wir letzteren, in üblicher Auffassung, als den Repräsentanten des starren, ernsten, kunstfeindlichen Judäas betrachten, so erscheint uns dagegen Porzia als die Repräsentantin jener Nachblüte des griechischen Geistes, welche von Italien aus, im sechzehnten Jahrhundert, ihren holden Duft über die Welt verbreitete und welche wir noch heute unter dem Namen »die Renaissance« lieben und schätzen. Porzia ist zugleich die Repräsentantin des heitern Glückes im Gegensatze zu dem düstern Mißgeschick, welches Shylock repräsentiert. Wie blühend, wie rosig, wie reinklingend ist all ihr Denken und Sprechen, wie freudewarm sind ihre Worte, wie schön alle ihre Bilder, die meistens der Mythologie entlehnt sind! Wie trübe, kneifend und häßlich sind dagegen die Gedanken und Reden des Shylock, der im Gegenteil nur alttestamentalische Gleichnisse gebraucht! Sein Witz ist krampfhaft und ätzend, seine Metaphern sucht er unter den widerwärtigsten Gegenständen, und sogar seine Worte sind zusammengequetschte Mißlaute, schrill, zischend und quirrend. Wie die Personen, so ihre Wohnungen. Wenn wir sehen, wie der Diener Jehovas, der weder ein Abbild Gottes noch des Menschen, des erschaffenen Konterfei Gottes, in seinem »ehrbaren Hause« duldet und sogar die Ohren desselben, die Fenster, verstopft, damit die Töne des heidnischen Mummenschanz nicht hineindringen in sein »ehrbares Haus«… so sehen wir im Gegenteil das kostbarste und geschmackvollste Villeggiaturaleben in dem schönen Palazzo zu Belmont, wo lauter Licht und Musik, wo unter Gemälden, marmornen Statuen und hohen Lorbeerbäumen die geschmückten Freier lustwandeln und über Liebesrätsel sinnen und inmitten aller Herrlichkeit Signora Porzia, gleich einer Göttin, hervorglänzt,

Das sonnige Haar die Schläf’ umwallend.

Durch solchen Kontrast werden die beiden Hauptpersonen des Dramas so individualisiert, daß man darauf schwören möchte, es seien nicht Phantasiebilder eines Dichters, sondern wirkliche, weibgeborene Menschen. Ja, sie erscheinen uns noch lebendiger als die gewöhnlichen Naturgeschöpfe, da weder Zeit noch Tod ihnen etwas anhaben kann und in ihren Adern das unsterblichste Blut, die ewige Poesie, pulsiert. Wenn du nach Venedig kommst und den Dogenpalast durchwandelst, so weißt du sehr gut, daß du weder im Saal der Senatoren noch auf der Riesentreppe dem Marino Falieri begegnen wirst; – an den alten Dandolo wirst du im Arsenale zwar erinnert, aber auf keiner der goldenen Galeeren wirst du den blinden Helden suchen; – siehst du an einer Ecke der Straße Santa eine Schlange in Stein gehauen und an der andern Ecke den geflügelten Löwen, welcher das Haupt der Schlange in der Tatze hält, so kömmt dir vielleicht der stolze Carmagnole in den Sinn, doch nur auf einen Augenblick! – Aber weit mehr als an alle solche historische Personen denkst du zu Venedig an Shakespeares Shylock, der immer noch lebt, während jene im Grabe längst vermodert sind – und wenn du über den Rialto steigst, so sucht ihn dein Auge überall, und du meinst, er müsse dort hinter irgendeinem Pfeiler zu finden sein, mit seinem jüdischen Rockelor, mit seinem mißtrauisch berechnenden Gesicht, und du glaubst manchmal sogar seine kreischende Stimme zu hören: »Dreitausend Dukaten – gut.«

*

Ich wenigstens, wandelnder Traumjäger, wie ich bin, ich sah mich auf dem Rialto überall um, ob ich ihn irgend fände, den Shylock. Ich hätte ihm etwas mitzuteilen gehabt, was ihm Vergnügen machen konnte, daß z.B. sein Vetter, Herr von Shylock zu Paris, der mächtigste Baron der Christenheit geworden und von Ihrer Katholischen Majestät jenen Isabellenorden erhalten hat, welcher einst gestiftet ward, um die Vertreibung der Juden und Mauren aus Spanien zu verherrlichen. Aber ich bemerkte ihn nirgends auf dem Rialto, und ich entschloß mich daher, den alten Bekannten in der Synagoge zu suchen. Die Juden feierten hier eben ihren heiligen Versöhnungstag und standen eingewickelt in ihren weißen Schaufädentalaren, mit unheimlichen Kopfbewegungen, fast aussehend wie eine Versammlung von Gespenstern. Die armen Juden, sie standen dort, fastend und betend, von frühestem Morgen, hatten seit dem Vorabend weder Speise noch Trank zu sich genommen und hatten auch vorher alle ihre Bekannten um Verzeihung gebeten für etwanige Beleidigungen, die sie ihnen im Laufe des Jahres zugefügt, damit ihnen Gott ebenfalls ihre Sünden verzeihe – ein schöner Gebrauch, welcher sich sonderbarerweise bei diesen Leuten findet, denen doch die Lehre Christi ganz fremd geblieben ist!

Indem ich, nach dem alten Shylock umherspähend, all die blassen, leidenden Judengesichter aufmerksam musterte, machte ich eine Entdeckung, die ich leider nicht verschweigen kann. Ich hatte nämlich denselben Tag das Irrenhaus San Carlo besucht, und jetzt, in der Synagoge, fiel es mir auf, daß in dem Blick der Juden derselbe fatale, halb stiere, halb unstete, halb pfiffige, halb blöde Glanz flimmerte, welchen ich kurz vorher in den Augen der Wahnsinnigen zu San Carlo bemerkt hatte. Dieser unbeschreibliche, rätselhafte Blick zeugte nicht eigentlich von Geistesabwesenheit als vielmehr von der Oberherrschaft einer fixen Idee. Ist etwa der Glaube an jenen außerweltlichen Donnergott, den Moses aussprach, zur fixen Idee eines ganzen Volks geworden, das, trotzdem daß man es seit zwei Jahrtausenden in die Zwangsjacke steckte und ihm die Douche gab, dennoch nicht davon ablassen will – gleich jenem verrückten Advokaten, den ich in San Carlo sah und der sich ebenfalls nicht ausreden ließ, daß die Sonne ein englischer Käse sei, daß die Strahlen derselben aus lauter roten Würmern bestünden und daß ihm ein solcher herabgeschossener Wurmstrahl das Hirn zerfresse?

Ich will hiermit keineswegs den Wert jener fixen Idee bestreiten, sondern ich will nur sagen, daß die Träger derselben zu schwach sind, um sie zu beherrschen, und davon niedergedrückt und inkurabel werden. Welches Martyrium haben sie schon um dieser Idee willen erduldet! welches größere Martyrtum steht ihnen noch bevor! Ich schaudre bei diesem Gedanken, und ein unendliches Mitleid rieselt mir durchs Herz. Während des ganzen Mittelalters bis zum heutigen Tag stand die herrschende Weltanschauung nicht in direktem Widerspruch mit jener Idee, die Moses den Juden aufgebürdet, ihnen mit heiligen Riemen angeschnallt, ihnen ins Fleisch eingeschnitten hatte; ja, von Christen und Mahometanern unterschieden sie sich nicht wesentlich, unterschieden sie sich nicht durch eine entgegengesetzte Synthese, sondern nur durch Auslegung und Schibboleth. Aber siegt einst Satan, der sündhafte Pantheismus, vor welchem uns sowohl alle Heiligen des Alten und des Neuen Testaments als auch des Korans bewahren mögen, so zieht sich über die Häupter der armen Juden ein Verfolgungsgewitter, das ihre früheren Erduldungen noch weit überbieten wird…

Trotzdem daß ich in der Synagoge von Venedig nach allen Seiten umherspähete, konnte ich das Antlitz des Shylocks nirgends erblicken. Und doch war es mir, als halte er sich dort verborgen, unter irgendeinem jener weißen Talare, inbrünstiger betend als seine übrigen Glaubensgenossen, mit stürmischer Wildheit, ja mit Raserei hinaufbetend zum Throne Jehovas, des harten Gottkönigs! Ich sah ihn nicht. Aber gegen Abend, wo, nach dem Glauben der Juden, die Pforten des Himmels geschlossen werden und kein Gebet mehr Einlaß erhält, hörte ich eine Stimme, worin Tränen rieselten, wie sie nie mit den Augen geweint werden… Es war ein Schluchzen, das einen Stein in Mitleid zu rühren vermochte… Es waren Schmerzlaute, wie sie nur aus einer Brust kommen konnten, die all das Martyrtum, welches ein ganzes gequältes Volk seit achtzehn Jahrhunderten ertragen hat, in sich verschlossen hielt… Es war das Röcheln einer Seele, welche todmüde niedersinkt vor den Himmelspforten… Und diese Stimme schien mir wohlbekannt, und mir war, als hätte ich sie einst gehört, wie sie ebenso verzweiflungsvoll jammerte: »Jessica, mein Kind!«

Komödien

Miranda

FERDINAND

Warum weint Ihr?

MIRANDA.

Um meinen Unwert; daß ich nicht darf bieten,

Was ich zu geben wünschte; noch viel minder,

Wonach ich tot mich sehnen werde, nehmen.

Doch das heißt tändeln, und je mehr es sucht

Sich zu verbergen, um so mehr erscheint’s

In seiner ganzen Macht. Fort, blöde Schlauheit!

Führ du das Wort mir, schlichte, heil’ge Unschuld!

Ich bin Eu’r Weib, wenn Ihr mich haben wollt,

Sonst sterb ich Eure Magd; Ihr könnt mir’s weigern,

Gefährtin Euch zu sein, doch Dienerin

Will ich Euch sein. Ihr wollet oder nicht.

FERDINAND.

Geliebte, Herrin, und auf immer ich

So untertänig!

MIRANDA.

Mein Gatte denn?

FERDINAND.

Ja, mit so will’gem Herzen,

Als Dienstbarkeit sich je zur Freiheit wandte.

Hier habt Ihr meine Hand.

Der Sturm (Akt III, Szene I)

Titania

Titania kommt mit ihrem Gefolge.

TITANIA.

Kommt! einen Ringel-, einen Feensang!

Dann auf das Drittel ’ner Minute fort!

Ihr, tötet Raupen in den Rosenknospen!

Ihr andern führt mit Fledermäusen Krieg,

Bringt ihrer Flügel Balg als Beute heim,

Den kleinen Elfen Röcke draus zu machen!

Ihr endlich sollt den Kauz, der nächtlich kreischt

Und über unsre schmucken Geister staunt,

Von uns verscheuchen! Singt mich nun in Schlaf;

An eure Dienste dann, und laßt mich ruhn!

Ein Sommernachtstraum (Akt II, Szene II)

Perdita

PERDITA.

– – Nehmt die Blumen!

Mich dünkt, ich spiel ein Spiel, wie ich’s um Pfingsten

Von Hirten sah; fürwahr, dies Prachtgewand

Verwandelt meine Stimmung.

FLORIZEL.

Was Ihr tut,

Veredelt all Eu’r Tun. Sprecht Ihr, so wünscht’ ich,

Ihr sprächet immer; singt Ihr, möcht ich, daß Ihr

So singend kauftet und verkauftet und

Almosen gäbt und betetet und alles

So tätet, was Ihr tut; und wenn Ihr tanzet,

Wollt’ ich, Ihr wäret Welle, stets zu tanzen,

Euch stets nur so, nicht anders zu bewegen,

Als Ihr Euch regt; denn jedes Euer Tun

Ist so in allen Teilen einzig, daß,

Was Ihr auch tut, jedwede Handlung sich

Als Königin bewährt.

Wintermärchen (Akt IV, Szene III)

Imogen

IMOGEN.

Ihr Götter!

In euren Schutz empfehl ich mich! Beschützt

Vor Feen mich und nächtlichen Versuchern!

Sie schläft ein, Jachimo steigt aus der Kiste.

JACHIMO.

Die Grille singt, des Menschen müde Sinne

Erholen sich im Schlaf. So drückt’ Tarquin

Die Binsen sanft, eh’ er die Keuschheit weckte,

Die er verletzte! – Cytherea! wie

Du hold dein Lager schmückst. Du frische Lilie!

Und weißer als dein Bettgewand! O könnt

Ich dich berühren, küssen, einmal küssen!

Rubinen sondergleichen, o wie hold

Muß euer Kuß sein! Ist’s ihr Atem doch,

Der dieses Zimmer so erfüllt mit Duft.

Des Lichtes Flamme neigt sich gegen sie

Und guckte gern ihr unters Augenlid,

Das dort verschloßne Licht zu schaun – –

Cymbeline (Akt II, Szene II)

Julie

JULIE.

Ob viele Fraun wohl brächten solche Botschaft?

Ach, armer Proteus! einen Fuchs hast du

Zum Hirten deiner Lämmer angenommen.

Ach! arme Törin! Du bedauerst ihn,

Der so von ganzem Herzen dich verachtet!

Weil er sie liebt, so schätzt er mich gering;

Weil ich ihn liebe, muß ich ihn bedauern.

Bei unserm Abschied gab ich ihm den Ring,

Zu fesseln die Erinnrung meiner Liebe.

Nun werd ich – Unglücksbote! – hingesandt,

Das zu erflehn, was ich nicht wünschen kann;

Zu fordern, was ich gern verweigert sähe;

Die Treu’ zu preisen, die ich tadeln muß!

Ich bin die treue Liebe meines Herrn,

Doch kann ich treu nicht dienen meinem Herrn,

Will ich mir selber kein Verräter sein.

Zwar will ich für ihn werben, doch so kalt,

Als, weiß es Gott, es hätte keine Eil’.

Die beiden Veroneser (Akt IV, Szene IV)

Silvia

SILVIA.

– – – Jüngling! da du so

Dein Fräulein liebst, verehr ich dir dies Geld,

Gehab dich wohl.

Sie geht ab.

JULIE.

Wenn du sie je erkennst, sagt sie dir Dank.

Ein tugendhaftes Mädchen, mild und schön.

Ich hoffe, kalt empfängt sie meinen Herrn,

Da meines Fräuleins Liebe sie so ehrt.

Wie Liebe mit sich selber tändelt! – Ach!

Hier ist ihr Bild. Ich will doch sehn. Mich dünkt,

Mein Antlitz wäre – hätt ich solchen Schmuck –

Gewiß so reizend als ihr Angesicht.

Und doch der Maler schmeichelt ihr ein wenig,

Wenn ich mir selbst zuviel nicht schmeicheln mag:

Ihr Haar ist braun, mein Haar vollkommen gelb.

Ist dieses seines Leichtsinns einz’ger Grund,

So schmück ich mich mit falschem, braunem Haar.

Ihr Aug’ ist grau wie Glas; so ist auch meins.

Ja! doch die Stirn ist niedrig, meine hoch.

Was kann’s nur sein, was er an ihr so schätzt,

An mir ich ihn nicht schätzend machen kann?

Die beiden Veroneser (Akt IV, Szene IV)

Hero

MÖNCH.

Herrin, wer ist’s, mit dem man Euch beschuldigt?

HERO.

Die mich beschuld’gen, wissen’s – ich weiß nichts,

Denn weiß ich mehr von irgendeinem Mann,

Als Keuschheit reiner Jungfrau es gestattet,

So fehl all meinen Sünden Gnade. Vater!

Beweist sich’s, daß zu unanständ’gen Stunden

Mit mir ein Mann sprach oder daß ich gestern

Zu Nacht mit irgendeinem Wort gewechselt,

So haßt – verstoßt mich – martert mich zu Tode.

Viel Lärm um nichts (Akt IV, Szene I)

Beatrice

HERO.

Doch schuf Natur noch nie ein weiblich Herz

Von spröderm Stoff als das der Beatrice.

Hohn und Verachtung sprüht ihr funkelnd Auge

Und schmäht, worauf sie blickt; so hoch im Preise

Stellt sie den eignen Witz, daß alles andre

Ihr nur gering erscheint; sie kann nicht lieben,

Noch Liebe fassen und in sich entwerfen,

So eigenliebig ist sie.

URSULA.

Gewiß, solch Mäkeln ist nicht zu empfehlen.

HERO.

O nein, so schroff, so außer aller Form,

Wie Beatrice, ist nicht lobenswert.

Wer aber darf’s ihr sagen? Wollt ich reden,

Zerstäubte sie mit Spott mich, lachte mich

Aus mir heraus, erdrückte mich mit Witz.

Mag Benedikt drum, wie verdecktes Feuer,

Zergehn in Seufzern, innerlich hinschmelzen,

Ein beßrer Tod wär’s immer, als an Spott,

Was eben ist, wie totgekitzelt werden.

Viel Lärm um nichts (Akt III, Szene I)

Helena

HELENA.

So bekenn ich

Hier auf den Knien vor Euch und Gott dem Herrn,

Daß ich vor Euch und nächst dem Herrn des Himmels

Lieb Euren Sohn.

Mein Stamm war arm, doch ehrsam; so mein Lieben.

Zürnt nicht darüber! tut’s ihm doch kein Leid,

Daß er von mir geliebt wird. Ich verfolg ihn

Mit keinem Zeichen dringlicher Bewerbung;

Noch möcht ich ihn, bis ich mir ihn verdient;

Weiß aber nicht, wie mir das werden sollte.

Ich weiß, ich lieb umsonst und wider Hoffnung;

Und doch in dies unhaltbar weite Sieb

Gieß ich beständig meiner Liebe Flut,

Die nimmer doch erschöpft wird; gleich dem Inder

Wahngläubig fromm, andächtig bet ich an

Die Sonne, die da schauet auf den Beter,

Doch mehr von ihm nicht weiß. O teure Herrin,

Laßt Euren Haß nicht meine Liebe treffen,

Weil sie dasselbe liebt wie Ihr! – – –

Ende gut, alles gut (Akt I, Szene III)

Celia

ROSALINDE.

Das will ich von nun an, Mühmchen, und auf Späße denken. Laß sehen, was hältst du vom Verlieben?

CELIA.

Ei ja, tu’s, um Spaß damit zu treiben. Aber liebe keinen Mann in wahrem Ernst, auch zum Spaß nicht weiter, als daß du mit einem unschuldigen Erröten in Ehren wieder davonkommen kannst.

ROSALINDE.

Was wollen wir denn für Spaß haben?

CELIA.

Laß uns sitzen und die ehrliche Hausmutter Fortuna von ihrem Rade weglästern, damit ihre Gaben künftig gleicher ausgeteilt werden mögen.

ROSALINDE.

Ich wollte, wir könnten das: denn ihre Wohltaten sind oft gewaltig übel angebracht, und am meisten versieht sich die freigebige blinde Frau mit ihren Geschenken an Frauen.

CELIA.

Das ist wahr; denn die, welche sie schön macht, macht sie selten ehrbar, und die, welche sie ehrbar macht, macht sie sehr häßlich.

So wie es euch gefällt (Akt I, Szene II)

Rosalinde

CELIA.

Hast du diese Verse gehört?

ROSALINDE.

O ja, ich hörte sie alle und noch was drüber; denn einige hatten mehr Füße, als die Verse tragen konnten.

CELIA.

Das tut nichts, die Füße konnten die Verse tragen.

ROSALINDE.

Ja, aber die Füße waren lahm und konnten sich nicht außerhalb des Verses bewegen, und darum standen sie so lahm im Verse.

CELIA.

Aber hast du gehört, ohne dich zu wundern, daß dein Name an den Bäumen hängt und eingeschnitten ist?

ROSALINDE.

Ich war schon sieben Tage in der Woche über alles Wundern hinaus, ehe du kamst; denn sieh nur, was ich an einem Palmbaum fand. Ich bin nicht so bereimt worden seit Pythagoras’ Zeiten, wo ich eine Ratte war, die sie mit schlechten Versen vergifteten, dessen ich mich kaum noch erinnern kann.

So wie es euch gefällt (Akt III, Szene II)

Olivia

VIOLA.

Liebes Fräulein, laßt mich Euer Gesicht sehn.

OLIVIA.

Habt Ihr irgendeinen Auftrag von Eurem Herrn, mit meinem Gesicht zu verhandeln? Jetzt seid Ihr aus Eurem Text gekommen. Doch will ich den Vorhang wegziehn und Euch das Gemälde weisen. Sie entschleiert sich. Seht, Herr, so sah ich in diesem Augenblick aus. Ist die Arbeit nicht gut?

VIOLA.

Vortrefflich, wenn sie Gott allein gemacht hat.

OLIVIA.

Es ist echte Farbe, Herr; es hält Wind und Wetter aus.

VIOLA.

’s ist reine Schönheit, deren Rot und Weiß

Natur mit zarter, schlauer Hand verschmelzte.

Fräulein, Ihr seid die Grausamste, die lebt,

Wenn Ihr zum Grabe diese Reize tragt,

Und laßt der Welt kein Abbild.

Heilige-Drei-Königs-Abend (Akt I, Szene V)

Viola

VIOLA.

Mein Vater hatt eine Tochter, welche liebte,

Wie ich vielleicht, wär ich ein Weib, mein Fürst,

Euch lieben würde.

HERZOG.

Was war ihr Lebenslauf?

VIOLA.

Ein leeres Blatt,

Mein Fürst. Sie sagte ihre Liebe nie

Und ließ Verheimlichung, wie in der Knospe

Den Wurm, an ihrer Purpurwange nagen.

Sich härmend und in bleicher welker Schwermut

Saß sie wie die Geduld auf einer Gruft,

Dem Grame lächelnd. Sagt, war das nicht Liebe?

Wir Männer mögen leicht mehr sprechen, schwören,

Doch der Verheißung steht der Wille nach.

Wir sind in Schwüren stark, doch in der Liebe schwach.

HERZOG.

Starb deine Schwester denn an ihrer Liebe?

VIOLA.

Ich bin, was aus des Vaters Haus von Töchtern

Und auch von Brüdern blieb – – –

Heilige-Drei-Königs-Abend (Akt II, Szene IV)

Maria

JUNKER ANDREAS.

– – – Schönes Frauenzimmer, denkt Ihr, Ihr hättet Narren am Seile?

MARIA.

Nein, ich habe Euch nicht am Seile.

JUNKER ANDREAS.

Ihr sollt mich aber am Seile haben: hier ist meine Hand.

MARIA.

Nun, Herr, Gedanken sind zollfrei; aber mich deucht, Ihr könntet sie immer ein bißchen in den Keller tragen und ihr zu trinken geben.

JUNKER ANDREAS.

Wozu, mein Engelchen? Was soll die verblümte Redensart?

MARIA.

Sie ist trocken, Herr.

Heilige-Drei-Königs-Abend (Akt I, Szene III)

Isabella

ANGELO.

Nehmt an, kein Mittel wär, ihn zu befrein –

(Zwar gelten laß ich’s nicht, noch eines sonst,

Doch so zum Beispiel nur) daß Ihr, die Schwester,

Geliebt Euch fändet von solch einem Mann,

Des hoher Rang, des Einfluß auf den Richter

Euch wohl den Bruder könnt entfesseln vom

Allbindenden Gesetz, und übrig wär

Ihm gar kein Rettungsmittel, als entweder

Ihr übergäbt das Kleinod Eures Leibs

Dem Mann da oder ließt den Bruder leiden;

Was tätet Ihr?

ISABELLA.

Das für den armen Bruder, was für mich.

Das heißt: wär über mich erkannt der Tod;

Der Geißel Striemen trüg ich als Rubinen,

Enthüllte mich zum Tode, wie zum Bett,

Das ich verlangt’ in Sehnsucht, eh’ ich gäbe

Den Leib der Schmach.

Maß für Maß (Akt II, Szene IV)

Prinzessin von Frankreich

SCHÄDEL.

Gottes schönster Gruß Euch! Sagt, wer ist die Hauptdame?

PRINZESSIN.

Du wirst sie erkennen, Freund, an den übrigen, die ohne Haupt sind.

SCHÄDEL.

Wer ist die größte Dame, die höchste?

PRINZESSIN.

Die dickste und die längste.

SCHÄDEL.

Die dickst’ und die längste! So ist’s; wahr ist wahr.

War Euch schmächtig der Leib, wie der Witz mir, o Frau,

Ein Gürtel der Jungfrau da paßt’ Euch genau.

Seid Ihr nicht die Hauptfrau? die dickste seid Ihr.

Der Liebe Mühe umsonst (Akt III, Szene I)

Die Äbtissin

ÄBTISSIN.

Daher kam’s eben, daß er rasend ward.

Der gift’ge Lärm der eifersücht’gen Frau

Vergiftet mehr als toller Hunde Zahn.

Du hindertest durch Schelten seinen Schlaf,

Und davon hat sich sein Gehirn entzündet.

Mit deinem Tadel würztest du sein Mahl;

Gestörte Mahlzeit hindert das Verdaun,

Und daher rührt des Fiebers Raserei.

Denn was ist Fieber als ein Wahnsinnshauch?

Du störtest stets mit Schelten sein Ergötzen;

Erholung, die so süße! was wird draus,

Versperrt man ihr die Tür? Melancholie,

Die Blutsfreundin untröstlicher Verzweiflung,

Und hinter ihr ein ungeheures Heer

Von bleichen Kränklichkeiten, Lebensfeinden!

Beim Mahl, im Scherz, bei lebensnähr’nder Ruh’

Gestöret stets, muß Mensch und Tier verrücken,

Und daraus folgt: vor deiner Eifersucht

Ergriff der Witz des Gatten hier die Flucht.

Die Irrungen (Akt V, Szene I)

Frau Page

JUNGFER QUICKLY.

Nun, das wäre wahrhaftig ein schöner Spaß! Für so einfältig halt ich sie nicht. Das wäre ein Streich! Meiner Seele! Frau Page aber läßt Euch um aller Liebe willen bitten, ihr Euren kleinen Jungen zu schicken, ihr Mann hat eine unbeschreibliche Zuneigung zu dem kleinen Jungen; und Herr Page ist wahrhaftig ein sehr rechtschaffener Mann. Kein Weib in ganz Windsor führt ein besseres Leben als sie. Sie tut, was sie will; sie sagt, was sie will; sie nimmt alles, bezahlt alles, geht zu Bette, wenn sie Lust hat, steht auf, wenn sie Lust hat, und alles, wie sie will. Und sie verdient es, wahrhaftig! denn wenn es in Windsor nur irgend eine gutmütige Frau gibt, so ist sie’s. Es hilft nichts, Ihr müßt ihr Euren Knaben schicken.

Die lustigen Weiber von Windsor (Akt II, Szene II)

Frau Ford

FALSTAFF.

Jetzt keine Possen, Pistol! Freilich geht mein Wanst zwei Ellen hinaus; aber jetzt will ich nicht auf unnützen Aufwand, sondern auf gute Wirtschaft hinaus. Kurz, ich beabsichtige einen Liebeshandel mit Fords Frau. Ich spüre Unterhaltung bei ihr. Sie schwatzt, sie schneidet vor, und ihre Blicke sind einladend. Ich kann mir den Inhalt ihrer vertraulichen Gespräche erklären, und der ungünstigste Ausdruck ihres Betragens ist in deutlichen Worten: Ich bin Sir John Falstaffs.

Die lustigen Weiber von Windsor (Akt I, Szene III)

Anna Page

ANNA.

Nun? Ist’s Euch nicht auch gefällig hereinzukommen, hochgeehrter Herr?

SLENDER.

Nein! Ich danke Euch! Wahrhaftig! Von ganzem Herzen! Ich befinde mich hier recht wohl!

ANNA.

Man wartet mit dem Essen auf Euch, lieber Herr!

SLENDER.

Ich bin gar nicht so hungrig! Ich danke Euch, wahrhaftig! Zu Simpel: Geh, Bursche! und wenn du gleich mein Diener bist, so warte dennoch meinem Herrn Vetter Shallow auf. Ein Friedensrichter kann manchmal seinem Freunde um eines Dieners willen verpflichtet werden. Bis zum Tode meiner Mutter halte ich mir nur noch drei Leute und einen Burschen. Wenn das aber auch ist, so leb ich doch immer noch so gut als ein armer Junker.

ANNA.

Ohne Euer Gestrengen darf ich nicht hineinkommen. Man wird sich nicht eher setzen, als bis Ihr kommt.

Die lustigen Weiber von Windsor (Akt I, Szene I)

Katharina

PETRUCHIO.

Nimm an, sie schmält; nun, ruhig sag ich ihr,

Sie singe lieblich wie die Nachtigall.

Nimm an, sie mault; ich sag, ihr Blick sei klar

Wie Morgenrosen, frisch getränkt vom Tau.

Nimm an, sie muckt und redet nicht ein Wort;

Dann preis ich ihre Zungenfertigkeit

Und ihres Vertrags zaubrische Gewalt.

Ruft sie mir: »Packt Euch fort!«, ich sag ihr Dank,

Als ob sie sagte: »Bleib die Woche hier!«

Schlägt sie die Heirat ab; »wann«, frag ich, »soll

Das Aufgebot sein, wann der Hochzeittag?« –

Doch seht, sie kommt; nun sprich, Petruchio.

Guten Morgen, Käth’; ich hör’, Eu’r Nam’ ist das.

KATHARINA.

Ihr hörtet recht, obgleich halbtaubes Ohrs,

Man sagt Kathrina, redet man von mir.

PETRUCHIO.

Ihr lügt fürwahr; bloß Käthe nennt man Euch,

Und rasche Käth’, auch wohl erzböse Käth’.

Die gezähmte Keiferin (Akt II, Szene I)

[Schluß]

In den einleitenden Blättern dieses Bildersaals habe ich berichtet, auf welchen Wegen sich die Popularität Shakespeares in England und Deutschland verbreitete und wie hier und dort ein Verständnis seiner Werke befördert ward. Leider konnte ich in bezug auf romanische Länder keine so erfreuliche Nachrichten mitteilen: in Spanien ist der Name unseres Dichters bis auf heutigen Tag ganz unbekannt geblieben; Italien ignoriert ihn vielleicht absichtlich, um den Ruhm seiner großen Poeten vor transalpinischer Nebenbuhlerschaft zu beschützen; und Frankreich, die Heimat des herkömmlichen Geschmacks und des gebildeten Tons, glaubte lange Zeit den großen Briten hinlänglich zu ehren, wenn es ihn einen genialen Barbaren nannte und über seine Roheit sowenig als möglich spöttelte. Indessen die politische Revolution, welche dieses Land erlebte, hat auch eine literarische hervorgebracht, die vielleicht an Terrorismus die erstere überbietet, und Shakespeare ward bei dieser Gelegenheit aufs Schild gehoben. Freilich, wie in ihren politischen Umwälzungsversuchen, sind die Franzosen selten ganz ehrlich in ihren literarischen Revolutionen; wie dort, so auch hier, preisen und feiern sie irgendeinen Helden, nicht ob seinem wahren inwohnenden Werte, sondern wegen des momentanen Vorteils, den ihre Sache durch solche Anpreisung und Feier gewinnen kann; und so geschieht es, daß sie heute emporrühmen, was sie morgen wieder herabwürdigen müssen, und umgekehrt. Shakespeare ist seit zehn Jahren in Frankreich, für die Partei, welche die literarische Revolution durchkämpft, ein Gegenstand der blindesten Anbetung. Aber ob er bei diesen Männern der Bewegung eine wirkliche gewissenhafte Anerkennung oder gar ein richtiges Verständnis gefunden hat, ist die große Frage. Die Franzosen sind zu sehr die Kinder ihrer Mütter, sie haben zu sehr die gesellschaftliche Lüge mit der Ammenmilch eingesogen, als daß sie dem Dichter, der die Wahrheit der Natur in jedem Worte atmet, sehr viel Geschmack abgewinnen oder gar ihn verstehen könnten. Es herrscht freilich bei ihren Schriftstellern seit einiger Zeit ein unbändiges Streben nach solcher Natürlichkeit; sie reißen sich gleichsam verzweiflungsvoll die konventionellen Gewänder vom Leibe und zeigen sich in der schrecklichsten Nacktheit… Aber irgendein modischer Fetzen, welcher ihnen dennoch immer anhängen bleibt, gibt Kunde von der überlieferten Unnatur und entlockt dem deutschen Zuschauer ein ironisches Lächeln. Diese Schriftsteller mahnen mich immer an die Kupferstiche gewisser Romane, wo die unsittlichen Liebschaften des achtzehnten Jahrhunderts abkonterfeit sind und, trotz dem paradiesischen Naturkostüme der Herren und Damen, jene ihre Zopfperücken, diese ihre Turmfrisuren und ihre Schuhe mit hohen Absätzen beibehalten haben.

Nicht durch direkte Kritik, sondern indirekt, durch dramatische Schöpfungen, die dem Shakespeare mehr oder minder nachgebildet sind, gelangen die Franzosen zu einigem Verständnis des großen Dichters. Als ein Vermittler in dieser Weise ist Victor Hugo ganz besonders zu rühmen. Ich will ihn hiermit keineswegs als bloßen Nachahmer des Briten im gewöhnlichen Sinne betrachtet wissen. Victor Hugo ist ein Genius von erster Größe, und bewunderungswürdig ist sein Flug und seine Schöpferkraft; er hat das Bild und hat das Wort; er ist der größte Dichter Frankreichs; aber sein Pegasus hegt eine krankhafte Scheu vor den brausenden Strömen der Gegenwart und geht nicht gern zur Tränke, wo das Tageslicht in den frischen Fluten sich abspiegelt… vielmehr unter den Ruinen der Vergangenheit sucht er, zu seiner Erlabung, jene verschollenen Quellen, wo einst das hohe Flügelroß des Shakespeare seinen unsterblichen Durst gelöscht hat. Ist es nun, weil jene alten Quellen, halbverschüttet und übermoort, keinen reinen Trunk mehr bieten: genug, Victor Hugos dramatische Gedichte enthalten mehr den trüben Moder als den belebenden Geist der altenglischen Hippokrene, es fehlt ihnen die heitere Klarheit und die harmonische Gesundheit… und ich muß gestehen, zuweilen erfaßt mich der schauerliche Gedanke, dieser Victor Hugo sei das Gespenst eines englischen Poeten, aus der Blütezeit der Elisabeth, ein toter Dichter, der verdrießlich dem Grabe entstiegen, um in einem anderen Lande und in einer anderen Periode, wo er vor der Konkurrenz des großen Williams gesichert, einige postume Werke zu schreiben. In der Tat, Victor Hugo mahnt mich an Leute wie Marlowe, Decker, Heywood usw., die in Sprache und Manier ihrem großen Zeitgenossen so ähnlich waren und nur seinen Tiefblick und Schönheitssinn, seine furchtbare und lächelnde Grazie, seine offenbarende Natursendung entbehrten… Und ach! zu den Mängeln eines Marlowes, Deckers und Heywoods gesellt sich bei Victor Hugo noch das schlimmste Entbehrnis: es fehlt ihm das Leben. Jene litten an kochender Überfülle, an wildester Vollblütigkeit, und ihr poetisches Schaffen war geschriebenes Atmen, Jauchzen und Schluchzen; aber Victor Hugo, bei aller Verehrung, die ich ihm zolle, ich muß es gestehen, hat etwas Verstorbenes, Unheimliches, Spukhaftes, etwas grabentstiegen Vampirisches… Er weckt nicht die Begeisterung in unsern Herzen, sondern er saugt sie heraus… Er versöhnt nicht unsere Gefühle durch poetische Verklärung, sondern er erschreckt sie durch widerwärtiges Zerrbild… Er leidet an Tod und Häßlichkeit.

Eine junge Dame, die mir sehr nahesteht, äußerte sich jüngst über diese Häßlichkeitssucht der Hugoschen Muse mit sehr treffenden Worten. Sie sagte nämlich: »Die Muse des Victor Hugo mahnt mich an das Märchen von der wunderlichen Prinzessin, die nur den häßlichsten Mann heuraten wollte und in dieser Absicht im ganzen Lande das Aufgebot ergehen ließ, daß sich alle Junggesellen von ausgezeichneter Mißbildung an einem gewissen Tage vor ihrem Schlosse, als Ehekandidaten, versammeln sollten… Da gab’s nun freilich eine gute Auswahl von Krüppeln und Fratzen, und man glaubte das Personal eines Hugoschen Werkes vor sich zu sehen… Aber Quasimodo führte die Braut nach Hause.«

Nach Victor Hugo muß ich wieder des Alexander Dumas erwähnen; auch dieser hat dem Verständnis des Shakespeare in Frankreich mittelbar vorgearbeitet. Wenn jener durch Extravaganz im Häßlichen die Franzosen daran gewöhnte, im Drama nicht bloß die schöne Drapierung der Leidenschaft zu suchen, so bewirkte Dumas, daß seine Landsleute an dem natürlichen Ausdruck der Leidenschaft großes Gefallen gewannen. Aber ihm galt die Leidenschaft als das Höchste, und in seinen Dichtungen usurpierte sie den Platz der Poesie. Dadurch freilich wirkte er desto mehr auf der Bühne. Er gewöhnte das Publikum in dieser Sphäre, in der Darstellung der Leidenschaften, an die größten Kühnheiten des Shakespeare; und wer einmal an »Heinrich III.« und »Richard Darlington« Gefallen fand, klagte nicht mehr über Geschmacklosigkeit im »Othello« und »Richard III.« Der Vorwurf des Plagiats, den man ihm einst anheften wollte, war ebenso töricht wie ungerecht. Dumas hat freilich in seinen leidenschaftlichen Szenen hie und da etwas dem Shakespeare entlehnt, aber unser Schiller tat dieses mit noch weit kühnerem Zugriff, ohne dadurch irgendeinem Tadel zu verfallen. Und gar Shakespeare selber, wieviel entlehnte er nicht seinen Vorgängern! Auch diesem Dichter begegnete es, daß ein sauertöpfischer Pamphletist mit der Behauptung gegen ihn auftrat, das Beste seiner Dramen sei den ältern Schriftstellern entwendet. Shakespeare wird bei dieser lächerlichen Gelegenheit ein Rabe genannt, welcher sich mit dem fremden Gefieder des Pfauen geschmückt habe. Der Schwan von Avon schwieg und dachte vielleicht in seinem göttlichen Sinn: ›Ich bin weder Rabe noch Pfau!‹ und wiegte sich sorglos auf den blauen Fluten der Poesie, manchmal hinauflächelnd zu den Sternen, den goldenen Gedanken des Himmels.

Des Grafen Alfred de Vigny muß hier ebenfalls Erwähnung geschehen. Dieser Schriftsteller, des englischen Idioms kundig, beschäftigte sich am gründlichsten mit den Werken des Shakespeare, übersetzte einige derselben mit großem Geschick, und dieses Studium übte auch auf seine Originalarbeiten den günstigsten Einfluß. Bei dem feinhörigen und scharfäugigen Kunstsinn, den man dem Grafen de Vigny zuerkennen muß, darf man annehmen, daß er den Geist Shakespeares tiefer behorcht und beobachtet habe als die meisten seiner Landsleute. Aber das Talent dieses Mannes, wie auch seine Denk- und Gefühlart, ist auf das Zierliche und Miniaturmäßige gerichtet, und seine Werke sind besonders kostbar durch ihre ausgearbeitete Feinheit. Ich kann mir’s daher wohl denken, daß er manchmal wie verblüfft stehenblieb vor jenen ungeheuren Schönheiten, die Shakespeare gleichsam aus den gewaltigsten Granitblöcken der Poesie ausgehauen hat… Er betrachtete sie gewiß mit ängstlicher Bewunderung, gleich einem Geldschmied, der in Florenz jene kolossalen Pforten des Baptisterii anstarrt, die, einem einzigen Metallguß entsprungen, dennoch zierlich und lieblich, wie ziseliert, ja wie die feinste Bijouteriearbeit aussehen.

Wird es den Franzosen schon schwer genug, die Tragödien Shakespeares zu verstehen, so ist ihnen das Verständnis seiner Komödien fast ganz versagt. Die Poesie der Leidenschaft ist ihnen zugänglich; auch die Wahrheit der Charakteristik können sie bis auf einen gewissen Grad begreifen: denn ihre Herzen haben brennen gelernt, das Passionierte ist so recht ihr Fach, und mit ihrem analytischen Verstande wissen sie jeden gegebenen Charakter in seine feinsten Bestandteile zu zerlegen und die Phasen zu berechnen, worin er jedesmal geraten wird, wenn er mit bestimmten Weltrealitäten zusammenstößt. Aber im Zaubergarten der Shakespeareschen Komödie ist ihnen all dieses Erfahrungswissen von wenig Hülfe. Schon an der Pforte bleibt ihnen der Verstand stehen, und ihr Herz weiß kein Bescheid, und es fehlt ihnen die geheimnisvolle Wünschelrute, deren bloße Berührung das Schloß sprengt. Da schauen sie mit verwunderten Augen durch das goldene Gitter und sehen, wie Ritter und Edelfrauen, Schäfer und Schäferinnen, Narren und Weise unter den hohen Bäumen einherwandeln; wie der Liebende und seine Geliebte im kühlen Schatten lagern und zärtliche Reden tauschen; wie dann und wann ein Fabeltier, etwa ein Hirsch mit silbernem Geweih, vorüberjagt oder gar ein keusches Einhorn aus dem Busche springt und der schönen Jungfrau sein Haupt in den Schoß legt… Und sie sehen, wie aus den Bächen die Wasserfrauen, mit grünem Haar und glänzenden Schleiern, hervortauchen und wie plötzlich der Mond aufgeht… Und sie hören dann, wie die Nachtigall schlägt… Und sie schütteln ihre klugen Köpflein über all das unbegreiflich närrische Zeug! Ja, die Sonne können die Franzosen allenfalls begreifen, aber nicht den Mond, und am allerwenigsten das selige Schluchzen und melancholisch entzückte Trillern der Nachtigallen…

Ja, weder ihre empirische Bekanntschaft mit den menschlichen Passionen noch ihre positive Weltkenntnis ist den Franzosen von einigem Nutzen, wenn sie die Erscheinungen und Töne enträtseln wollen, die ihnen aus dem Zaubergarten der Shakespeareschen Komödie entgegenglänzen und -klingen… Sie glauben manchmal ein Menschengesicht zu sehen, und bei näherem Hinblick ist es eine Landschaft, und was sie für Augenbraunen hielten, war ein Haselbusch, und die Nase war ein Felsen und der Mund eine kleine Quelle, wie wir dergleichen auf den bekannten Vexierbildern schauen… Und umgekehrt, was die armen Franzosen für einen bizarr gewachsenen Baum oder wunderlichen Stein ansahen, das präsentiert sich bei genauerer Betrachtung als ein wirkliches Menschengesicht von ungeheuerem Ausdruck. Gelingt es ihnen etwa, mit höchster Anstrengung des Ohres irgendein Wechselgespräch der Liebenden, die im Schatten der Bäume lagern, zu belauschen, so geraten sie in noch größere Verlegenheit… Sie hören bekannte Worte, aber diese haben einen ganz anderen Sinn; und sie behaupten dann, diese Leute verstünden nichts von der flammenden Leidenschaft, von der großen Passion, das sei witziges Eis, was sie einander zur Erfrischung böten, nicht lodernder Liebestrunk… Und sie merkten nicht, daß diese Leute nur verkleidete Vögel sind und in einer Koteriesprache konversieren, die man nur im Traume oder in der frühesten Kindheit erlernen kann… Aber am schlimmsten geht es den Franzosen da draußen an den Gitterpforten der Shakespeareschen Komödie, wenn manchmal ein heiterer Westwind über ein Blumenbeet jenes Zaubergartens dahinstreicht und ihnen die unerhörtesten Wohlgerüche in die Nase weht… »Was ist das?«

Die Gerechtigkeit verlangt, daß ich hier eines französischen Schriftstellers erwähne, welcher mit einigem Geschick die Shakespeareschen Komödien nachahmte und schon durch die Wahl seiner Muster eine seltene Empfänglichkeit für wahre Dichtkunst beurkundete. Dieser ist Herr Alfred de Musset. Er hat vor etwa fünf Jahren einige kleine Dramen geschrieben, die, was den Bau und die Weise betrifft, ganz den Komödien des Shakespeare nachgebildet sind. Besonders hat er sich die Kaprice (nicht den Humor), die in denselben herrscht, mit französischer Leichtigkeit zu eigen gemacht. Auch an einiger zwar sehr dünndrähtiger, aber doch probehaltiger Poesie fehlte es nicht in diesen hübschen Kleinigkeiten. Nur war zu bedauern, daß der damals jugendliche Verfasser außer der französischen Übersetzung des Shakespeare auch die des Byron gelesen hatte und dadurch verleitet ward, im Kostüme des spleenigen Lords jene Übersättigung und Lebenssattheit zu affektieren, die in jener Periode unter den jungen Leuten zu Paris Mode war. Die rosigsten Knäbchen, die gesundesten Gelbschnäbel behaupteten damals, ihre Genußfähigkeit sei erschöpft, sie erheuchelten eine greisenhafte Erkältung des Gemütes und gaben sich ein zerstörtes und gähnendes Aussehen.

Seitdem freilich ist unser armer Monsieur Musset von seinem Irrtume zurückgekommen, und er spielt nicht mehr den Blasé in seinen Dichtungen – aber ach! seine Dichtungen enthalten jetzt, statt der simulierten Zerstörnis, die weit trostloseren Spuren eines wirklichen Verfalls seiner Leibes- und Seelenkräfte… Ach! dieser Schriftsteller erinnert mich an jene künstlichen Ruinen, die man in den Schloßgärten des achtzehnten Jahrhunderts zu erbauen pflegte, an jene Spielereien einer kindischen Laune, die aber im Laufe der Zeit unser wehmütigstes Mitleid in Anspruch nehmen, wenn sie in allem Ernste verwittern und vermodern und in wahrhafte Ruinen sich verwandeln.

Die Franzosen sind, wie gesagt, wenig geeignet, den Geist der Shakespeareschen Komödien aufzufassen, und unter ihren Kritikern habe ich, mit Ausnahme eines einzigen, niemand gefunden, der auch nur eine Ahnung von diesem seltsamen Geiste besäße. Wer ist das? Wer ist jene Ausnahme? Gutzkow sagt, der Elefant sei der Doktrinär unter den Tieren. Und ein solcher verständiger und sehr schwerfälliger Elefant hat das Wesen der Shakespeareschen Komödie am scharfsinnigsten aufgefaßt. Ja, man sollte es kaum glauben, es ist Herr Guizot, welcher über jene graziösen und mutwilligsten Luftgebilde der modernen Muse das Beste geschrieben hat, und zur Verwunderung und Belehrung des Lesers übersetze ich hier eine Stelle aus einer Schrift, die im Jahr 1822 bei Ladvocat in Paris erschienen und »De Shakespeare et de la poésie dramatique, par F. Guizot« betitelt ist.

»Jene Shakespeareschen Komödien gleichen weder der Komödie des Molière noch des Aristophanes oder der Römer. Bei den Griechen, und in der neuern Zeit bei den Franzosen, entstand die Komödie durch eine zwar freie, aber aufmerksame Beobachtung des wirklichen Weltlebens, und die Darstellung desselben auf der Bühne war ihre Aufgabe. Die Unterscheidung einer komischen und einer tragischen Gattung findet man schon im Beginn der Kunst, und mit der Ausbildung derselben hat sich die Trennung beider Gattungen immer bestimmter ausgesprochen. Sie trägt ihren Grund in den Dingen selbst. Die Bestimmung wie die Natur des Menschen, seine Leidenschäften und seine Geschäfte, der Charakter und die Ereignisse, alles in uns und um uns hat sowohl seine ernsthafte wie spaßhafte Seite und kann sowohl unter dem einen wie dem andern Gesichtspunkte betrachtet und dargestellt werden. Diese Zweiseitigkeit des Menschen und der Welt hat der dramatischen Poesie zwei natürlichermaßen verschiedene Bahnen angewiesen; aber während sie die eine oder die andere zu ihrem Tummelplatz erwählte, hat die Kunst sich dennoch nie von der Beobachtung und Darstellung der Wirklichkeit abgewendet. Mag Aristophanes mit unumschränkter Phantasiefreiheit die Laster und Torheiten der Athener geißeln; mag Molière die Gebrechen der Leichtgläubigkeit, des Geizes, der Eifersucht, der Pedanterei, der adligen Hoffart, der bürgerlichen Eitelkeit und der Tugend selbst durchhecheln; – was liegt daran, daß beide Dichter ganz verschiedene Gegenstände behandeln; – daß der eine das ganze Leben und das ganze Volk, der andere hingegen die Vorfälle des Privatlebens, das Innere der Familien und die Lächerlichkeiten des Individuums auf die Bühne gebracht hat: diese Verschiedenheit der komischen Stoffe ist eine Folge der Verschiedenheit der Zeit, des Ortes und der Zivilisation… Aber dem Aristophanes wie dem Molière dient die Realität, die wirkliche Welt, immer als Boden ihrer Darstellungen. Es sind die Sitten und die Ideen ihres Jahrhunderts, die Laster und Torheiten ihrer Mitbürger, überhaupt, es ist die Natur und das Leben der Menschen, was ihre poetische Laune entzündet und erhält. Die Komödie entspringt daher aus der Welt, welche den Poeten umgibt, und sie schmiegt sich, noch viel enger als die Tragödie, an die äußeren Tatsachen der Wirklichkeit…

Nicht so bei Shakespeare. Zu seiner Zeit hatte in England der Stoff der dramatischen Kunst, Natur und Menschengeschick, noch nicht von den Händen der Kunst jene Unterscheidung und Klassifikation empfangen. Wenn der Dichter diesen Stoff für die Bühne bearbeiten wollte, so nahm er ihn in seiner Ganzheit, mit allen seinen Beimischungen, mit allen Kontrasten, die sich darin begegneten, und der Geschmack des Publikums geriet keineswegs in Versuchung, sich über solches Verfahren zu beklagen. Das Komische, dieser Teil der menschlichen Wirklichkeit, durfte sich überall hinstellen, wo die Wahrheit seine Gegenwart verlangte oder duldete; und es war ganz im Charakter jener englischen Zivilisation, daß die Tragödie, indem man ihr solchermaßen das Komische beigesellte, keineswegs ihre Wahrheitswürde einbüßte. Bei solchem Zustand der Bühne und solcher Neigung des Publikums, was konnte sich da als die eigentliche Komödie darbieten? Wie konnte letztere als besondere Gattung gelten und ihren bestimmten Namen Komödie führen? Es gelang ihr, indem sie sich von jenen Realitäten lossagte, wo ja doch die Grenzen ihres natürlichen Gebietes weder geschützt noch anerkannt wurden. Diese Komödie beschränkte sich nicht mehr auf die Darstellung bestimmter Sitten und durchgeführter Charaktere; sie suchte nicht mehr die Dinge und die Menschen unter einer zwar lächerlichen, aber wahren Gestalt zu schildern, sondern sie ward ein phantastisches und romantisches Geisteswerk, ein Zufluchtsort für alle jene ergötzlichen Unwahrscheinlichkeiten, welche die Phantasie, aus Trägheit oder Laune, nur an einem dünnen Faden zusammenreiht, um daraus allerlei bunte Verknüpfungen zu bilden, die uns erheitern und interessieren, ohne eben dem Urteil der Vernunft standzuhalten. Anmutige Gemälde, Überraschungen, heitere Intrigen, gereizte Neugier, getäuschte Erwartungen, Verwechslungen, witzige Aufgaben, welche Verkleidungen herbeiführen, das ward der Stoff jener harmlosen, leicht zusammengewürfelten Spiele. Die Kontextur der spanischen Stücke, woran man in England Geschmack zu finden begann, lieferte diesen Spielen allerlei verschiedene Rahmen und Muster, die sich auch sehr gut anpassen ließen auf jene Chroniken und Balladen, auf jene französischen und italienischen Novellen, welche, nebst den Ritterromanen, eine Lieblingslektüre des Publikums waren. Es ist begreiflich, wie diese reiche Fundgrube und diese leichte Gattung die Aufmerksamkeit Shakespeares schon frühe auf sich zog! Man darf sich nicht wundern, daß seine junge und glänzende Einbildungskraft sich gern in jenen Stoffen wiegte, wo sie, des strengen Vernunftjoches bar, auf Kosten der Wahrscheinlichkeit alle möglichen ernste und starke Effekte bereiten konnte! Dieser Dichter, dessen Geist und Hand mit gleicher Rastlosigkeit sich bewegten, dessen Manuskripte fast keine Spur von Verbesserungen enthielten, er mußte sich gewiß mit besonderer Lust jenen ungezügelten und abenteuerlichen Spielen hingeben, worin er ohne Anstrengung alle seine verschiedenartigen Fähigkeiten entfalten durfte. Er konnte alles in seine Komödien hineinschütten, und in der Tat! er goß alles hinein, ausgenommen, was mit einem solchen Systeme ganz unverträglich war, nämlich jene logische Verknüpfung, welche jeden Teil des Stückes dem Zwecke des Ganzen unterordnet und in jeder Einzelheit die Tiefe, Größe und Einheit des Werks bekundet. In den Tragödien des Shakespeare findet man schwerlich irgendeine Konzeption, eine Situation, einen Akt der Leidenschaft, einen Grad des Lasters oder der Tugend, welchen man nicht ebenfalls in einer seiner Komödien wiederfände; aber was sich dort in die abgründlichste Tiefe erstreckt, was sich fruchtbar an erschütternden Folgerungen erweist, was sich streng in eine Reihe von Ursachen und Wirkungen einfügt, das ist hier kaum angedeutet, nur für einen Augenblick hingeworfen, um einen flüchtigen Effekt zu erzielen und sich ebenso schnell in einer neuen Verknüpfung zu verlieren.«

In der Tat, der Elefant hat recht: Das Wesen der Shakespeareschen Komödie besteht in der bunten Schmetterlingslaune, womit sie von Blume zu Blume dahingaukelt, selten den Boden der Wirklichkeit berührend. Nur im Gegensatz zu der realistischen Komödie der Alten und der Franzosen läßt sich von der Shakespeareschen Komödie etwas Bestimmtes aussagen.

Ich habe vorige Nacht lange darüber nachgegrübelt, ob ich nicht dennoch von dieser unendlichen und unbegrenzten Gattung, von der Komödie des Shakespeare, eine positive Erklärung geben könnte. Nach langem Hin- und Hersinnen schlief ich endlich ein, und mir träumte, es sei sternhelle Nacht, und ich schwämme in einem kleinen Kahn, auf einem weiten, weiten See, wo allerlei Barken, angefüllt mit Masken, Musikanten und Fackeln, tönend und glänzend, manchmal nah, manchmal ferne, an mir vorbeifuhren. Das waren Kostüme aus allen Zeiten und Landen: altgriechische Tuniken, mittelalterliche Rittermäntel, orientalische Turbane, Schäferhüte mit flatternden Bändern, wilde und zahme Tierlarven… Zuweilen nickte mir eine wohlbekannte Gestalt… Zuweilen grüßten vertraute Weisen… Aber das zog immer schnell vorüber, und lauschte ich eben den Tönen der freudigen Melodie, die mir aus einer dahingleitenden Barke entgegenjubelten, so verhallten sie bald, und anstatt der lustigen Fiedeln erseufzten neben mir die melancholischen Waldhörner einer anderen Barke… Manchmal trug der Nachtwind beides zu gleicher Zeit an mein Ohr, und da bildeten diese gemischten Töne eine selige Harmonie… Die Wasser erklangen von unerhörtem Wohllaut und brannten im magischen Widerschein der Fackeln, und die buntbewimpelten Lustschiffe, mit ihrer abenteuerlichen Maskenwelt, schwammen in Licht und Musik… Eine anmutige Frauengestalt, die am Steuer einer jener Barken stand, rief mir im Vorbeifahren: »Nicht wahr, mein Freund, du hättest gern eine Definition von der Shakespeareschen Komödie?« Ich weiß nicht, ob ich es bejahte, aber das schöne Weib hatte zu gleicher Zeit ihre Hand ins Wasser getaucht und mir die klingenden Funken ins Gesicht gespritzt, so daß ein allgemeines Gelächter erscholl und ich davon erwachte.

Wer war jene anmutige Frauengestalt, die mich solchermaßen im Traume neckte? Auf ihrem idealisch schönen Haupte saß eine buntscheckige gehörnte Schellenkappe, ein weißes Atlaskleid mit flatternden Bändern umschloß die fast allzu schlanken Glieder, und vor der Brust trug sie eine rotblühende Distel. Es war vielleicht die Göttin der Kaprice, jene sonderbare Muse, die bei der Geburt Rosalindens, Beatrices, Titanias, Violas, und wie sie sonst heißen, die lieblichen Kinder der Shakespeareschen Komödie, zugegen war und ihnen die Stirne küßte. Sie hat wohl alle ihre Launen und Grillen und Schrullen in die jungen Köpfchen hineingeküßt, und das wirkte auch auf die Herzen. Wie bei den Männern, so auch bei den Weibern in der Shakespeareschen Komödie ist die Leidenschaft ganz ohne jenen furchtbaren Ernst, ganz ohne jene fatalistische Notwendigkeit, womit sie sich in den Tragödien offenbart. Amor trägt dort zwar ebenfalls eine Binde und einen Köcher mit Pfeilen. Aber diese Pfeile sind dort weniger tödlich zugespitzt als buntbefiedert, und der kleine Gott schielt manchmal schalkhaft über die Binde hinweg. Auch die Flammen brennen dort weniger, als sie leuchten, aber Flammen sind es immer, und wie in den Tragödien des Shakespeare, so auch in seinen Komödien trägt die Liebe ganz den Charakter der Wahrheit. Ja, Wahrheit ist immer das Kennzeichen Shakespearescher Liebe, gleichviel, in welcher Gestalt sie erscheint, sie mag sich Miranda nennen oder Julia oder gar Cleopatra.

Indem ich diese Namen eher zufällig als absichtlich zusammen erwähne, bietet sich mir die Bemerkung, daß sie auch die drei bedeutungsvollsten Typen der Liebe bezeichnen. Miranda ist die Repräsentantin einer Liebe, welche, ohne historische Einflüsse, als Blume eines unbefleckten Bodens, den nur Geisterfüße betreten durften, ihre höchste Idealität entfalten konnte. Ariels Melodien haben ihr Herz gebildet, und die Sinnlichkeit erschien ihr nie anders als in der abschreckend häßlichen Gestalt eines Kaliban. Die Liebe, welche Ferdinand in ihr erregt, ist daher nicht eigentlich naiv, sondern von seliger Treuherzigkeit, von urweltlicher, fast schauerlicher Reinheit. Julias Liebe trägt, wie ihre Zeit und Umgebung, einen mehr romantisch mittelalterlichen, schon der Renaissance entgegenblühenden Charakter; sie ist farbenglänzend wie der Hof der Scalière und zugleich stark wie jene edlen Geschlechter der Lombardei, die mit germanischem Blute verjüngt worden und ebenso kräftig liebten, wie sie haßten. Julia repräsentiert die Liebe einer jugendlichen, noch etwas rohen, aber unverdorbenen, gesunden Periode. Sie ist ganz durchdrungen von der Sinnenglut und von der Glaubensstärke einer solchen Zeit, und selbst der kalte Moder der Totengruft kann weder ihr Vertrauen erschüttern noch ihre Flamme dämpfen. Unsere Cleopatra, ach! sie repräsentiert die Liebe einer schon erkrankten Zivilisation, einer Zeit, deren Schönheit schon abwelkt, deren Locken zwar mit allen Künsten gekräuselt, mit allen Wohldüften gesalbt, aber auch mit manchem grauen Haar durchflochten sind, einer Zeit, die den Kelch, der zur Neige geht, um so hastiger leeren will. Diese Liebe ist ohne Glaube und ohne Treue, aber darum nicht minder wild und glühend. Im ärgerlichen Bewußtsein, daß diese Glut nicht zu dämpfen ist, gießt das ungeduldige Weib noch Öl hinein und stürzt sich bacchantisch in die lodernden Flammen. Sie ist feige und dennoch getrieben von eigner Zerstörungslust. Die Liebe ist immer eine Art Wahnsinn, mehr oder minder schön; aber bei dieser ägyptischen Königin steigert sie sich zur greulichsten Tollheit… Diese Liebe ist ein rasender Komet, der mit seinem Flammenschweif, in den unerhörtesten Kreisläufen, am Himmel dahinstürmt, alle Sterne auf seinem Wege erschreckt, wo nicht gar beschädigt, und endlich, kläglich zusammenkrachend, wie eine Rakete in tausend Funken zerstiebt.

Ja, du glichest einem furchtbaren Komete, schöne Cleopatra, und du glühtest nicht bloß zu deinem eignen Verderben, sondern du bedeutetest auch Unglück für deine Zeitgenossen… Mit Antonius nimmt auch das alte heroische Römertum ein jämmerliches Ende.

Womit soll ich aber euch vergleichen, Julia und Miranda? Ich schaue wieder nach dem Himmel und suche dort euer Ebenbild. Es befindet sich vielleicht hinter den Sternen, wo mein Blick nicht hindringt. Vielleicht, wenn die glühende Sonne auch die Milde des Mondes besäße, ich könnte dich mit ihr vergleichen, Julia! Wäre der milde Mond zugleich begabt mit der Glut der Sonne, ich würde dich damit vergleichen, Miranda!

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