Verschiedene

Entstehung ab 1831.
Veröffentlichungen ab 1833.

Seraphine

1.

Wandl’ ich in dem Wald des Abends,

In dem träumerischen Wald,

Immer wandelt mir zur Seite

Deine zärtliche Gestalt.

Ist es nicht dein weißer Schleier?

Nicht dein sanftes Angesicht?

Oder ist es nur der Mondschein,

Der durch Tannendunkel bricht?

Sind es meine eignen Tränen,

Die ich leise rinnen hör?

Oder gehst du, Liebste, wirklich

Weinend neben mir einher?

2.

An dem stillen Meeresstrande

Ist die Nacht heraufgezogen,

Und der Mond bricht aus den Wolken,

Und es flüstert aus den Wogen:

»Jener Mensch dort, ist er närrisch,

Oder ist er gar verliebet,

Denn er schaut so trüb und heiter,

Heiter und zugleich betrübet?«

Doch der Mond, der lacht herunter,

Und mit heller Stimme spricht er:

»Jener ist verliebt und närrisch,

Und noch obendrein ein Dichter.«

3.

Das ist eine weiße Möwe,

Die ich dort flattern seh

Wohl über die dunklen Fluten;

Der Mond steht hoch in der Höh’.

Der Haifisch und der Roche,

Die schnappen hervor aus der See,

Es hebt sich, es senkt sich die Möwe;

Der Mond steht hoch in der Höh’.

Oh, liebe, flüchtige Seele,

Dir ist so bang und weh!

Zu nah ist dir das Wasser,

Der Mond steht hoch in der Höh’.

4.

Daß du mich liebst, das wußt ich,

Ich hatt es längst entdeckt;

Doch als du mir’s gestanden,

Hat es mich tief erschreckt.

Ich stieg wohl auf die Berge

Und jubelte und sang;

Ich ging ans Meer und weinte

Beim Sonnenuntergang.

Mein Herz ist wie die Sonne

So flammend anzusehn,

Und in ein Meer von Liebe

Versinkt es groß und schön.

5.

Wie neubegierig die Möwe

Nach uns herüberblickt,

Weil ich an deine Lippen

So fest mein Ohr gedrückt!

Sie möchte gerne wissen,

Was deinem Mund entquillt,

Ob du mein Ohr mit Küssen

Oder mit Worten gefüllt?

Wenn ich nur selber wüßte,

Was mir in die Seele zischt!

Die Worte und die Küsse

Sind wunderbar vermischt.

6.

Sie floh vor mir wie’n Reh so scheu,

Und wie ein Reh geschwinde!

Sie kletterte von Klipp’ zu Klipp’,

Ihr Haar, das flog im Winde.

Wo sich zum Meer der Felsen senkt,

Da hab ich sie erreichet,

Da hab ich sanft mit sanftem Wort

Ihr sprödes Herz erweichet.

Hier saßen wir so himmelhoch,

Und auch so himmelselig;

Tief unter uns, ins dunkle Meer,

Die Sonne sank allmählich.

Tief unter uns, ins dunkle Meer,

Versank die schöne Sonne;

Die Wogen rauschten drüber hin,

Mit ungestümer Wonne.

O weine nicht, die Sonne liegt

Nicht tot in jenen Fluten;

Sie hat sich in mein Herz versteckt

Mit allen ihren Gluten.

7.

Auf diesem Felsen bauen wir

Die Kirche von dem dritten,

Dem dritten neuen Testament;

Das Leid ist ausgelitten.

Vernichtet ist das Zweierlei,

Das uns so lang betöret;

Die dumme Leiberquälerei

Hat endlich aufgehöret.

Hörst du den Gott im finstern Meer?

Mit tausend Stimmen spricht er.

Und siehst du über unserm Haupt

Die tausend Gotteslichter?

Der heil’ge Gott, der ist im Licht

Wie in den Finsternissen;

Und Gott ist alles, was da ist;

Er ist in unsern Küssen.

8.

Graue Nacht liegt auf dem Meere,

Und die kleinen Sterne glimmen.

Manchmal tönen in dem Wasser

Lange hingezogne Stimmen.

Dorten spielt der alte Nordwind

Mit den blanken Meereswellen,

Die wie Orgelpfeifen hüpfen,

Die wie Orgelpfeifen schwellen.

Heidnisch halb und halb auch kirchlich

Klingen diese Melodeien,

Steigen mutig in die Höhe,

Daß sich drob die Sterne freuen.

Und die Sterne, immer größer,

Glühen auf mit Lustgewimmel,

Und am Ende groß wie Sonnen

Schweifen sie umher am Himmel.

Zur Musik, die unten tönet,

Wirbeln sie die tollsten Weisen;

Sonnennachtigallen sind es,

Die dort oben strahlend kreisen.

Und das braust und schmettert mächtig,

Meer und Himmel hör ich singen,

Und ich fühle Riesenwollust

Stürmisch in mein Herze dringen.

9.

Schattenküsse, Schattenliebe,

Schattenleben, wunderbar!

Glaubst du, Närrin, alles bliebe

Unverändert, ewig wahr?

Was wir lieblich fest besessen,

Schwindet hin, wie Träumerein,

Und die Herzen, die vergessen,

Und die Augen schlafen ein.

10.

Das Fräulein stand am Meere

Und seufzte lang und bang,

Es rührte sie so sehre

Der Sonnenuntergang.

»Mein Fräulein! sein Sie munter,

Das ist ein altes Stück;

Hier vorne geht sie unter

Und kehrt von hinten zurück.«

11.

Mit schwarzen Segeln segelt mein Schiff

Wohl über das wilde Meer;

Du weißt, wie sehr ich traurig bin,

Und kränkst mich doch so schwer.

Dein Herz ist treulos wie der Wind

Und flattert hin und her;

Mit schwarzen Segeln segelt mein Schiff

Wohl über das wilde Meer.

12.

Wie schändlich du gehandelt,

Ich hab es den Menschen verhehlet,

Und bin hinausgefahren aufs Meer,

Und hab es den Fischen erzählet.

Ich laß dir den guten Namen

Nur auf dem festen Lande;

Aber im ganzen Ozean

Weiß man von deiner Schande.

13.

Es ziehen die brausenden Wellen

Wohl nach dem Strand;

Sie schwellen und zerschellen

Wohl auf dem Sand.

Sie kommen groß und kräftig,

Ohn’ Unterlaß;

Sie werden endlich heftig –

Was hilft uns das ?

14.

Es ragt ins Meer der Runenstein,

Da sitz ich mit meinen Träumen.

Es pfeift der Wind, die Möwen schrein,

Die Wellen, die wandern und schäumen.

Ich habe geliebt manch schönes Kind

Und manchen guten Gesellen –

Wo sind sie hin? Es pfeift der Wind,

Es schäumen und wandern die Wellen.

15.

Das Meer erstrahlt im Sonnenschein,

Als ob es golden wär.

Ihr Brüder, wenn ich sterbe,

Versenkt mich in das Meer.

Hab immer das Meer so liebgehabt,

Es hat mit sanfter Flut

So oft mein Herz gekühlet;

Wir waren einander gut.

Angelique

1.

Nun der Gott mir günstig nicket,

Soll ich schweigen wie ein Stummer,

Ich, der, als ich unbeglücket,

Soviel sang von meinem Kummer,

Daß mir tausend arme Jungen

Gar verzweifelt nachgedichtet,

Und das Leid, das ich besungen,

Noch viel Schlimmres angerichtet!

Oh, ihr Nachtigallenchöre,

Die ich trage in der Seele,

Daß man eure Wonne höre,

Jubelt auf mit voller Kehle!

2.

Wie rasch du auch vorüberschrittest,

Noch einmal schautest du zurück,

Der Mund, wie fragend, kühngeöffnet,

Stürmischer Hochmut in dem Blick.

Oh, daß ich nie zu fassen suchte

Das weiße flüchtige Gewand!

Die holde Spur der kleinen Füße,

Oh, daß ich nie sie wiederfand!

Verschwunden ist ja deine Wildheit,

Bist wie die andern zahm und klar,

Und sanft und unerträglich gütig,

Und ach! nun liebst du mich sogar!

3.

Nimmer glaub ich, junge Schöne,

Was die spröde Lippe spricht;

Solche große schwarze Augen,

Solche hat die Tugend nicht.

Diese braungestreifte Lüge,

Streif sie ab; ich liebe dich.

Laß dein weißes Herz mich küssen –

Weißes Herz, verstehst du mich?

4.

Ich halte ihr die Augen zu

Und küß sie auf den Mund;

Nun läßt sie mich nicht mehr in Ruh’,

Sie fragt mich um den Grund.

Von Abend spät bis morgens fruh,

Sie fragt zu jeder Stund’:

»Was hältst du mir die Augen zu,

Wenn du mir küßt den Mund?«

Ich sag ihr nicht, weshalb ich’s tu,

Weiß selber nicht den Grund –

Ich halte ihr die Augen zu

Und küß sie auf den Mund.

5.

Wenn ich, beseligt von schönen Küssen,

In deinen Armen mich wohl befinde,

Dann mußt du mir nie von Deutschland reden; –

Ich kann’s nicht vertragen – es hat seine Gründe.

Ich bitte dich, laß mich mit Deutschland in Frieden!

Du mußt mich nicht plagen mit ewigen Fragen

Nach Heimat, Sippschaft und Lebensverhältnis; –

Es hat seine Gründe – ich kann’s nicht vertragen.

Die Eichen sind grün, und blau sind die Augen

Der deutschen Frauen, sie schmachten gelinde

Und seufzen von Liebe, Hoffnung und Glauben; –

Ich kann’s nicht vertragen – es hat seine Gründe.

6.

Während ich nach andrer Leute,

Andrer Leute Schätze spähe,

Und vor fremden Liebestüren

Schmachtend auf und nieder gehe:

Treibt’s vielleicht die andren Leute

Hin und her an andrem Platze,

Und vor meinen eignen Fenstern

Äugeln sie mit meinem Schatze.

Das ist menschlich! Gott im Himmel

Schütze uns auf allen Wegen!

Gott im Himmel geb’ uns allen,

Geb’ uns allen Glück und Segen!

7.

Ja freilich, du bist mein Ideal,

Hab’s dir ja oft bekräftigt

Mit Küssen und Eiden sonder Zahl;

Doch heute bin ich beschäftigt.

Komm morgen zwischen zwei und drei,

Dann sollen neue Flammen

Bewähren meine Schwärmerei;

Wir essen nachher zusammen.

Wenn ich Billette bekommen kann,

Bin ich sogar kapabel,

Dich in die Oper zu führen alsdann:

Man gibt »Robert le Diable«.

Es ist ein großes Zauberstück

Voll Teufelslust und Liebe;

Von Meyerbeer ist die Musik,

Der schlechte Text von Scribe.

8.

Schaff mich nicht ab, wenn auch den Durst

Gelöscht der holde Trunk;

Behalt mich noch ein Vierteljahr,

Dann hab auch ich genung.

Kannst du nicht mehr Geliebte sein,

Sei Freundin mir sodann;

Hat man die Liebe durchgeliebt,

Fängt man die Freundschaft an.

9.

Dieser Liebe toller Fasching,

Dieser Taumel unsrer Herzen,

Geht zu Ende, und ernüchtert

Gähnen wir einander an!

Ausgetrunken ist der Kelch,

Der mir Sinnenrausch gefüllt war,

Schäumend, lodernd, bis am Rande;

Ausgetrunken ist der Kelch.

Es verstummen auch die Geigen,

Die zum Tanze mächtig spielten,

Zu dem Tanz der Leidenschaft;

Auch die Geigen, sie verstummen.

Es erlöschen auch die Lampen,

Die das wilde Licht ergossen

Auf den bunten Mummenschanz;

Auch die Lampen, sie erlöschen.

Morgen kommt der Aschenmittwoch,

Und ich zeichne deine Stirne

Mit dem Aschenkreuz und spreche:

»Weib, bedenke, daß du Staub bist.«

Diana

1.

Diese schönen Gliedermassen

Kolossaler Weiblichkeit

Sind jetzt, ohne Widerstreit,

Meinen Wünschen überlassen.

Wär ich, leidenschaftentzügelt,

Eigenkräftig ihr genaht,

Ich bereute solche Tat!

Ja, sie hätte mich geprügelt.

Welcher Busen, Hals und Kehle!

(Höher seh ich nicht genau.)

Eh’ ich ihr mich anvertrau,

Gott empfehl ich meine Seele.

2.

Am Golfe von Biskaya

Hat sie den Tag erblickt;

Sie hat schon in der Wiege

Zwei junge Katzen erdrückt.

Sie lief mit bloßen Füßen

Wohl über die Pyrenä’n;

Drauf ließ sie als junge Riesin

In Perpignan sich sehn.

Jetzt ist sie die größte Dame

Im Faubourg Saint-Denis;

Sie kostet dem kleinen Sir William

Schon dreizehntausend Louis.

3.

Manchmal, wenn ich bei Euch bin,

Großgeliebte, edle Doña,

Wie erinnernd schweift mein Sinn

Nach dem Marktplatz zu Bologna.

Dorten ist ein großer Brunn,

Fonte del Gigante heißt er,

Obendrauf steht ein Neptun

Von Johann, dem alten Meister.

Hortense

1.

Eh’mals glaubt ich, alle Küsse,

Die ein Weib uns gibt und nimmt,

Seien uns, durch Schicksalsschlüsse,

Schon urzeitlich vorbestimmt.

Küsse nahm ich, und ich küßte

So mit Ernst in jener Zeit,

Als ob ich erfüllen müßte

Taten der Notwendigkeit.

Jetzo weiß ich, überflüssig,

Wie so manches, ist der Kuß,

Und mit leichtern Sinnen küß ich,

Glaubenlos im Überfluß.

2.

Wir standen an der Straßeneck’

Wohl über eine Stunde;

Wir sprachen voller Zärtlichkeit

Von unsrem Seelenbunde.

Wir sagten uns vielhundertmal,

Daß wir einander lieben;

Wir standen an der Straßeneck’,

Und sind da stehngeblieben.

Die Göttin der Gelegenheit,

Wie’n Zöfchen, flink und heiter,

Kam sie vorbei und sah uns stehn,

Und lachend ging sie weiter.

3.

In meinen Tagesträumen,

In meinem nächtlichen Wachen,

Stets klingt mir in der Seele

Dein allerliebstes Lachen.

Denkst du noch Montmorencys,

Wie du auf dem Esel rittest,

Und von dem hohen Sattel

Hinab in die Disteln glittest?

Der Esel blieb ruhig stehen,

Fing an, die Disteln zu fressen –

Dein allerliebstes Lachen

Werde ich nie vergessen.

4.

Sie spricht:

Steht ein Baum im schönen Garten

Und ein Apfel hängt daran,

Und es ringelt sich am Aste

Eine Schlange, und ich kann

Von den süßen Schlangenaugen

Nimmer wenden meinen Blick,

Und das zischelt so verheißend,

Und das lockt wie holdes Glück!

Die andre spricht:

Dieses ist die Frucht des Lebens,

Koste ihre Süßigkeit,

Daß du nicht so ganz vergebens

Lebtest deine Lebenszeit!

Schönes Kindchen, fromme Taube,

Kost einmal und zittre nicht –

Folge meinem Rat und glaube,

Was die kluge Muhme spricht.

5.

Neue Melodien spiel ich

Auf der neugestimmten Zither.

Alt ist der Text! Es sind die Worte

Salomos: Das Weib ist bitter.

Ungetreu ist sie dem Freunde,

Wie sie treulos dem Gemahle!

Wermut sind die letzten Tropfen

In der Liebe Goldpokale.

Also wahr ist jene Sage

Von dem dunklen Sündenfluche,

Den die Schlange dir bereitet,

Wie es steht im alten Buche?

Kriechend auf dem Bauch, die Schlange,

Lauscht sie noch in allen Büschen,

Kost mit dir noch jetzt wie weiland,

Und du hörst sie gerne zischen.

Ach, es wird so kalt und dunkel!

Um die Sonne flattern Raben,

Und sie krächzen. Lust und Liebe

Ist auf lange jetzt begraben.

6.

Nicht lange täuschte mich das Glück,

Das du mir zugelogen,

Dein Bild ist wie ein falscher Traum

Mir durch das Herz gezogen.

Der Morgen kam, die Sonne schien,

Der Nebel ist zerronnen;

Geendigt hatten wir schon längst,

Eh’ wir noch kaum begonnen.

Clarisse

1.

Meinen schönsten Liebesantrag

Suchst du ängstlich zu verneinen;

Frag ich dann: ob das ein Korb sei?

Fängst du plötzlich an zu weinen.

Selten bet ich, drum erhör mich,

Lieber Gott! Hilf dieser Dirne,

Trockne ihre süßen Tränen

Und erleuchte ihr Gehirne.

2.

Überall, wo du auch wandelst,

Schaust du mich zu allen Stunden,

Und je mehr du mich mißhandelst,

Treuer bleib ich dir verbunden.

Denn mich fesselt holde Bosheit,

Wie mich Güte stets vertrieben;

Willst du sicher meiner los sein,

Mußt du dich in mich verlieben.

3.

Hol’ der Teufel deine Mutter,

Hol’ der Teufel deinen Vater,

Die so grausam mich verhindert,

Dich zu schauen im Theater.

Denn sie saßen da und gaben,

Breitgeputzt, nur seltne Lücken,

Dich im Hintergrund der Loge,

Süßes Liebchen, zu erblicken.

Und sie saßen da und schauten

Zweier Liebenden Verderben,

Und sie klatschten großen Beifall,

Als sie beide sahen sterben.

4.

Geh nicht durch die böse Straße,

Wo die schönen Augen wohnen –

Ach! sie wollen allzugütig

Dich mit ihrem Blitz verschonen.

Grüßen allerliebst herunter

Aus dem hohen Fensterbogen,

Lächeln freundlich (Tod und Teufel!),

Sind dir schwesterlich gewogen.

Doch du bist schon auf dem Wege,

Und vergeblich ist dein Ringen;

Eine ganze Brust voll Elend

Wirst du mit nach Hause bringen.

5.

Es kommt zu spät, was du mir lächelst,

Was du mir seufzest, kommt zu spät!

Längst sind gestorben die Gefühle,

Die du so grausam einst verschmäht.

Zu spät kommt deine Gegenliebe!

Es fallen auf mein Herz herab

All deine heißen Liebesblicke,

Wie Sonnenstrahlen auf ein Grab.

Nur wissen möcht ich: wenn wir sterben,

Wohin dann unsre Seele geht?

Wo ist das Feuer, das erloschen?

Wo ist der Wind, der schon verweht?

Yolante und Marie

1.

Diese Damen, sie verstehen,

Wie man Dichter ehren muß:

Gaben mir ein Mittagessen,

Mir und meinem Genius.

Ach! die Suppe war vortrefflich,

Und der Wein hat mich erquickt,

Das Geflügel, das war göttlich,

Und der Hase war gespickt.

Sprachen, glaub ich, von der Dichtkunst,

Und ich wurde endlich satt;

Und ich dankte für die Ehre,

Die man mir erwiesen hat.

2.

In welche soll ich mich verlieben,

Da beide liebenswürdig sind?

Ein schönes Weib ist noch die Mutter,

Die Tochter ist ein schönes Kind.

Die weißen, unerfahrnen Glieder,

Sie sind so rührend anzusehn!

Doch reizend sind geniale Augen,

Die unsre Zärtlichkeit verstehn.

Es gleicht mein Herz dem grauen Freunde,

Der zwischen zwei Gebündel Heu

Nachsinnlich grübelt, welch’ von beiden

Das allerbeste Futter sei.

3.

Die Flaschen sind leer, das Frühstück ist gut,

Die Dämchen sind rosig erhitzet;

Sie lüften das Mieder mit Übermut,

Ich glaube, sie sind bespitzet.

Die Schulter wie weiß, die Brüstchen wie nett!

Mein Herz erbebet vor Schrecken.

Nun werfen sie lachend sich aufs Bett,

Und hüllen sich ein mit den Decken.

Sie ziehen nun gar die Gardinen vor,

Und schnarchen am End’ um die Wette.

Da steh ich im Zimmer, ein einsamer Tor,

Betrachte verlegen das Bette.

4.

Jugend, die mir täglich schwindet,

Wird durch raschen Mut ersetzt,

Und mein kühnrer Arm umwindet

Noch viel schlankre Hüften jetzt.

Tat auch manche sehr erschrocken,

Hat sie doch sich bald gefügt;

Holder Zorn, verschämtes Stocken

Wird von Schmeichelei besiegt.

Doch, wenn ich den Sieg genieße,

Fehlt das Beste mir dabei.

Ist es die verschwundne, süße,

Blöde Jugendeselei?

Emma

1.

Er steht so starr wie ein Baumstamm,

In Hitz’ und Frost und Wind,

Im Boden wurzelt die Fußzeh’,

Die Arme erhoben sind.

So quält sich Bagiratha lange,

Und Brahma will enden sein Weh,

Er läßt den Ganges fließen

Herab von der Himmelshöh’.

Ich aber, Geliebte, vergebens

Martre und quäl ich mich ab,

Aus deinen Himmelsaugen

Fließt mir kein Tropfen herab.

2.

Vierundzwanzig Stunden soll ich

Warten auf das höchste Glück,

Das mir blinzelnd süß verkündet,

Blinzelnd süß der Seitenblick.

Oh! die Sprache ist so dürftig,

Und das Wort ein plumpes Ding;

Wird es ausgesprochen, flattert

Fort der schöne Schmetterling.

Doch der Blick, der ist unendlich,

Und er macht unendlich weit

Deine Brust, wie einen Himmel

Voll gestirnter Seligkeit.

3.

Nicht mal einen einz’gen Kuß,

Nach so monatlangem Lieben!

Und so bin ich Allerärmster

Trocknen Mundes stehngeblieben.

Einmal kam das Glück mir nah –

Schon konnt ich den Atem spüren –

Doch es flog vorüber – ohne

Mir die Lippen zu berühren.

4.

Emma, sage mir die Wahrheit:

Ward ich närrisch durch die Liebe?

Oder ist die Liebe selber

Nur die Folge meiner Narrheit?

Ach! mich quälet, teure Emma,

Außer meiner tollen Liebe,

Außer meiner Liebestollheit,

Obendrein noch dies Dilemma.

5.

Bin ich bei dir, Zank und Not!

Und ich will mich fortbegeben!

Doch das Leben ist kein Leben

Fern von dir, es ist der Tod.

Grübelnd lieg ich in der Nacht,

Zwischen Tod und Hölle wählend –

Ach! ich glaube, dieses Elend

Hat mich schon verrückt gemacht.

6.

Schon mit ihren schlimmsten Schatten

Schleicht die böse Nacht heran;

Unsre Seelen, sie ermatten,

Gähnend schauen wir uns an.

Du wirst alt und ich noch älter,

Unser Frühling ist verblüht.

Du wirst kalt und ich noch kälter,

Wie der Winter näher zieht.

Ach, das Ende ist so trübe!

Nach der holden Liebesnot

Kommen Nöten ohne Liebe,

Nach dem Leben kommt der Tod.

Der Tannhäuser

Eine Legende

Geschrieben 1836

1.

Ihr guten Christen, laßt euch nicht

Von Satans List umgarnen!

Ich sing euch das Tannhäuserlied,

Um eure Seelen zu warnen.

Der edle Tannhäuser, ein Ritter gut,

Wollt Lieb’ und Lust gewinnen,

Da zog er in den Venusberg,

Blieb sieben Jahre drinnen.

»Frau Venus, meine schöne Frau,

Leb wohl, mein holdes Leben!

Ich will nicht länger bleiben bei dir,

Du sollst mir Urlaub geben.«

»Tannhäuser, edler Ritter mein,

Hast heut mich nicht geküsset;

Küß mich geschwind, und sage mir:

Was du bei mir vermisset?

Habe ich nicht den süßesten Wein

Tagtäglich dir kredenzet?

Und hab ich nicht mit Rosen dir

Tagtäglich das Haupt bekränzet?«

»Frau Venus, meine schöne Frau,

Von süßem Wein und Küssen

Ist meine Seele geworden krank;

Ich schmachte nach Bitternissen.

Wir haben zuviel gescherzt und gelacht,

Ich sehne mich nach Tränen,

Und statt mit Rosen möcht ich mein Haupt

Mit spitzigen Dornen krönen.«

»Tannhäuser, edler Ritter mein,

Du willst dich mit mir zanken;

Du hast geschworen vieltausendmal,

Niemals von mir zu wanken.

Komm, laß uns in die Kammer gehn,

Zu spielen der heimlichen Minne;

Mein schöner lilienweißer Leib

Erheitert deine Sinne.«

»Frau Venus, meine schöne Frau,

Dein Reiz wird ewig blühen;

Wie viele einst für dich geglüht,

So werden noch viele glühen.

Doch denk ich der Götter und Helden, die einst

Sich zärtlich daran geweidet,

Dein schöner lilienweißer Leib,

Er wird mir schier verleidet.

Dein schöner lilienweißer Leib

Erfüllt mich fast mit Entsetzen,

Gedenk ich, wie viele werden sich

Noch späterhin dran ergetzen!«

»Tannhäuser, edler Ritter mein,

Das sollst du mir nicht sagen,

Ich wollte lieber, du schlügest mich,

Wie du mich oft geschlagen.

Ich wollte lieber, du schlügest mich,

Als daß du Beleidigung sprächest,

Und mir, undankbar kalter Christ,

Den Stolz im Herzen brächest.

Weil ich dich geliebet gar zu sehr,

Hör ich nun solche Worte –

Leb wohl, ich gebe Urlaub dir,

Ich öffne dir selber die Pforte.«

2.

Zu Rom, zu Rom, in der heiligen Stadt,

Da singt es und klingelt und läutet:

Da zieht einher die Prozession,

Der Papst in der Mitte schreitet.

Das ist der fromme Papst Urban,

Er trägt die dreifache Krone,

Er trägt ein rotes Purpurgewand,

Die Schleppe tragen Barone.

»O heiliger Vater, Papst Urban,

Ich laß dich nicht von der Stelle,

Du hörest zuvor meine Beichte an,

Du rettest mich von der Hölle!«

Das Volk, es weicht im Kreis zurück,

Es schweigen die geistlichen Lieder: –

Wer ist der Pilger bleich und wüst,

Vor dem Papste kniet er nieder?

»O heiliger Vater, Papst Urban,

Du kannst ja binden und lösen,

Errette mich von der Höllenqual

Und von der Macht des Bösen.

Ich bin der edle Tannhäuser genannt,

Wollt Lieb’ und Lust gewinnen,

Da zog ich in den Venusberg,

Blieb sieben Jahre drinnen.

Frau Venus ist eine schöne Frau,

Liebreizend und anmutsreiche;

Wie Sonnenschein und Blumenduft

Ist ihre Stimme, die weiche.

Wie der Schmetterling flattert um eine Blum’,

Am zarten Kelch zu nippen,

So flattert meine Seele stets

Um ihre Rosenlippen.

Ihr edles Gesicht umringeln wild

Die blühend schwarzen Locken;

Schaun dich die großen Augen an,

Wird dir der Atem stocken.

Schaun dich die großen Augen an,

So bist du wie angekettet;

Ich habe nur mit großer Not

Mich aus dem Berg gerettet.

Ich hab mich gerettet aus dem Berg,

Doch stets verfolgen die Blicke

Der schönen Frau mich überall,

Sie winken: komm zurücke!

Ein armes Gespenst bin ich am Tag,

Des Nachts mein Leben erwachet,

Dann träum ich von meiner schönen Frau,

Sie sitzt bei mir und lachet.

Sie lacht so gesund, so glücklich, so toll,

Und mit so weißen Zähnen!

Wenn ich an dieses Lachen denk,

So weine ich plötzliche Tränen.

Ich liebe sie mit Allgewalt,

Nichts kann die Liebe hemmen!

Das ist wie ein wilder Wasserfall,

Du kannst seine Fluten nicht dämmen!

Er springt von Klippe zu Klippe herab,

Mit lautem Tosen und Schäumen,

Und bräch er tausendmal den Hals,

Er wird im Laufe nicht säumen.

Wenn ich den ganzen Himmel besäß,

Frau Venus schenkt’ ich ihn gerne;

Ich gäb ihr die Sonne, ich gäb ihr den Mond,

Ich gäbe ihr sämtliche Sterne.

Ich liebe sie mit Allgewalt,

Mit Flammen, die mich verzehren –

Ist das der Hölle Feuer schon,

Die Gluten, die ewig währen?

O heiliger Vater, Papst Urban,

Du kannst ja binden und lösen!

Errette mich von der Höllenqual

Und von der Macht des Bösen.«

Der Papst hub jammernd die Händ’ empor,

Hub jammernd an zu sprechen:

»Tannhäuser, unglücksel’ger Mann,

Der Zauber ist nicht zu brechen.

Der Teufel, den man Venus nennt,

Er ist der schlimmste von allen;

Erretten kann ich dich nimmermehr

Aus seinen schönen Krallen.

Mit deiner Seele mußt du jetzt

Des Fleisches Lust bezahlen,

Du bist verworfen, du bist verdammt

Zu ewigen Höllenqualen.«

3.

Der Ritter Tannhäuser, er wandelt so rasch,

Die Füße, die wurden ihm wunde.

Er kam zurück in den Venusberg

Wohl um die Mitternachtstunde.

Frau Venus erwachte aus dem Schlaf,

Ist schnell aus dem Bette gesprungen;

Sie hat mit ihrem weißen Arm

Den geliebten Mann umschlungen.

Aus ihrer Nase rann das Blut,

Den Augen die Tränen entflossen;

Sie hat mit Tränen und Blut das Gesicht

Des geliebten Mannes begossen.

Der Ritter legte sich ins Bett,

Er hat kein Wort gesprochen.

Frau Venus in die Küche ging,

Um ihm eine Suppe zu kochen.

Sie gab ihm Suppe, sie gab ihm Brot,

Sie wusch seine wunden Füße,

Sie kämmte ihm das struppige Haar,

Und lachte dabei so süße.

»Tannhäuser, edler Ritter mein,

Bist lange ausgeblieben,

Sag an, in welchen Landen du dich

So lange herumgetrieben?«

»Frau Venus, meine schöne Frau,

Ich hab in Welschland verweilet;

Ich hatte Geschäfte in Rom und bin

Schnell wieder hierher geeilet.

Auf sieben Hügeln ist Rom gebaut,

Die Tiber tut dorten fließen;

Auch hab ich in Rom den Papst gesehn,

Der Papst, er läßt dich grüßen.

Auf meinem Rückweg sah ich Florenz,

Bin auch durch Mailand gekommen,

Und bin alsdann mit raschem Mut

Die Schweiz hinaufgeklommen.

Und als ich über die Alpen zog,

Da fing es an zu schneien,

Die blauen Seen, die lachten mich an,

Die Adler krächzen und schreien.

Und als ich auf dem Sankt Gotthard stand,

Da hört ich Deutschland schnarchen;

Es schlief da unten in sanfter Hut

Von sechsunddreißig Monarchen.

In Schwaben besah ich die Dichterschul’,

Gar liebe Geschöpfchen und Tröpfchen!

Auf kleinen Kackstühlchen saßen sie dort,

Fallhütchen auf den Köpfchen.

Zu Frankfurt kam ich am Schabbes an,

Und aß dort Schalet und Klöße;

Ihr habt die beste Religion,

Auch lieb ich das Gänsegekröse.

In Dresden sah ich einen Hund,

Der einst gehört zu den Bessern,

Doch fallen ihm jetzt die Zähne aus,

Er kann nur bellen und wässern.

Zu Weimar, dem Musenwitwensitz,

Da hört ich viel Klagen erheben,

Man weinte und jammerte: Goethe sei tot,

Und Eckermann sei noch am Leben!

Zu Potsdam vernahm ich ein lautes Geschrei –

›Was gibt es?‹ rief ich verwundert.

›Das ist der Gans in Berlin, der liest

Dort über das letzte Jahrhundert.‹

Zu Göttingen blüht die Wissenschaft,

Doch bringt sie keine Früchte.

Ich kam dort durch in stockfinstrer Nacht,

Sah nirgendswo ein Lichte.

Zu Celle im Zuchthaus sah ich nur

Hannoveraner – O Deutsche!

Uns fehlt ein Nationalzuchthaus

Und eine gemeinsame Peitsche!

Zu Hamburg frug ich: warum so sehr

Die Straßen stinken täten?

Doch Juden und Christen versicherten mir,

Das käme von den Fleeten.

Zu Hamburg, in der guten Stadt,

Wohnt mancher schlechte Geselle;

Und als ich auf die Börse kam,

Ich glaubte, ich wär noch in Celle.

Zu Hamburg sah ich Altona,

Ist auch eine schöne Gegend;

Ein andermal erzähl ich dir,

Was mir alldort begegent.«

Schöpfungslieder

1.

Im Beginn schuf Gott die Sonne,

Dann die nächtlichen Gestirne;

Hierauf schuf er auch die Ochsen,

Aus dem Schweiße seiner Stirne.

Später schuf er wilde Bestien,

Löwen mit den grimmen Tatzen;

Nach des Löwen Ebenbilde

Schuf er hübsche kleine Katzen.

Zur Bevölkerung der Wildnis

Ward hernach der Mensch erschaffen;

Nach des Menschen holdem Bildnis

Schuf er intressante Affen.

Satan sah dem zu und lachte:

»Ei, der Herr kopiert sich selber!

Nach dem Bilde seiner Ochsen

Macht er noch am Ende Kälber!«

2.

Und der Gott sprach zu dem Teufel:

»Ich, der Herr, kopier mich selber,

Nach der Sonne mach ich Sterne,

Nach den Ochsen mach ich Kälber,

Nach den Löwen mit den Tatzen

Mach ich kleine liebe Katzen,

Nach den Menschen mach ich Affen;

Aber du kannst gar nichts schaffen.«

3.

»Ich hab mir zu Ruhm und Preis erschaffen

Die Menschen, Löwen, Ochsen, Sonne;

Doch Sterne, Kälber, Katzen, Affen

Erschuf ich zu meiner eigenen Wonne.«

4.

»Kaum hab ich die Welt zu schaffen begonnen,

In einer Woche war’s abgetan.

Doch hatt ich vorher tief ausgesonnen

Jahrtausendlang den Schöpfungsplan.

Das Schaffen selbst ist eitel Bewegung,

Das stümpert sich leicht in kurzer Frist;

Jedoch der Plan, die Überlegung,

Das zeigt erst, wer ein Künstler ist.

Ich hab allein dreihundert Jahre

Tagtäglich drüber nachgedacht,

Wie man am besten Doctores juris

Und gar die kleinen Flöhe macht.«

5.

Sprach der Herr am sechsten Tage:

»Hab am Ende nun vollbracht

Diese große, schöne Schöpfung,

Und hab alles gut gemacht.

Wie die Sonne rosengoldig

In dem Meere widerstrahlt!

Wie die Bäume grün und glänzend!

Ist nicht alles wie gemalt?

Sind nicht weiß wie Alabaster

Dort die Lämmchen auf der Flur?

Ist sie nicht so schön vollendet

Und natürlich, die Natur?

Erd’ und Himmel sind erfüllet

Ganz von meiner Herrlichkeit,

Und der Mensch, er wird mich loben

Bis in alle Ewigkeit!«

6.

»Der Stoff, das Material des Gedichts,

Das saugt sich nicht aus dem Finger;

Kein Gott erschafft die Welt aus nichts,

Sowenig wie irdische Singer.

Aus vorgefundenem Urweltsdreck

Erschuf ich die Männerleiber,

Und aus dem Männerrippenspeck

Erschuf ich die schönen Weiber.

Den Himmel erschuf ich aus der Erd’

Und Engel aus Weiberentfaltung;

Der Stoff gewinnt erst seinen Wert

Durch künstlerische Gestaltung.«

7.

»Warum ich eigentlich erschuf

Die Welt, ich will es gern bekennen:

Ich fühlte in der Seele brennen

Wie Flammenwahnsinn, den Beruf.

Krankheit ist wohl der letzte Grund

Des ganzen Schöpferdrangs gewesen;

Erschaffend konnte ich genesen,

Erschaffend wurde ich gesund.«

Friedrike

1823

1.

Verlaß Berlin, mit seinem dicken Sande

Und dünnen Tee und überwitz’gen Leuten,

Die Gott und Welt, und was sie selbst bedeuten,

Begriffen längst mit Hegelschem Verstande.

Komm mit nach Indien, nach dem Sonnenlande,

Wo Ambrablüten ihren Duft verbreiten,

Die Pilgerscharen nach dem Ganges schreiten,

Andächtig und im weißen Festgewande.

Dort, wo die Palmen wehn, die Wellen blinken,

Am heil’gen Ufer Lotosblumen ragen

Empor zu Indras Burg, der ewig blauen;

Dort will ich gläubig vor dir niedersinken,

Und deine Füße drücken, und dir sagen:

»Madame! Sie sind die schönste aller Frauen!«

2.

Der Ganges rauscht, mit klugen Augen schauen

Die Antilopen aus dem Laub, sie springen

Herbei mutwillig, ihre bunten Schwingen

Entfaltend, wandeln stolzgespreizte Pfauen.

Tief aus dem Herzen der bestrahlten Auen

Blumengeschlechter, viele neue, dringen,

Sehnsuchtberauscht ertönt Kokilas Singen –

Ja, du bist schön, du schönste aller Frauen!

Gott Kama lauscht aus allen deinen Zügen,

Er wohnt in deines Busens weißen Zelten,

Und haucht aus dir die lieblichsten Gesänge;

Ich sah Wassant auf deinen Lippen liegen,

In deinem Aug’ entdeck ich neue Welten,

Und in der eignen Welt wird’s mir zu enge.

3.

Der Ganges rauscht, der große Ganges schwillt,

Der Himalaja strahlt im Abendscheine,

Und aus der Nacht der Banianenhaine

Die Elefantenherde stürzt und brüllt –

Ein Bild! Ein Bild! Mein Pferd für’n gutes Bild!

Womit ich dich vergleiche, Schöne, Feine,

Dich Unvergleichliche, dich Gute, Reine,

Die mir das Herz mit heitrer Lust erfüllt!

Vergebens siehst du mich nach Bildern schweifen,

Und siehst mich mit Gefühl und Reimen ringen –

Und, ach! du lächelst gar ob meiner Qual!

Doch lächle nur! Denn wenn du lächelst, greifen

Gandarven nach der Zither, und sie singen

Dort oben in dem goldnen Sonnensaal.

Katharina

1.

Ein schöner Stern geht auf in meiner Nacht,

Ein Stern, der süßen Trost herniederlacht

Und neues Leben mir verspricht –

Oh, lüge nicht!

Gleichwie das Meer dem Mond entgegenschwillt,

So flutet meine Seele, froh und wild,

Empor zu deinem holden Licht –

Oh, lüge nicht!

2.

»Wollen Sie ihr nicht vorgestellt sein?«

Flüsterte mir die Herzogin. –

»Beileibe nicht, ich müßt ein Held sein,

Ihr Anblick schon wirrt mir den Sinn.«

Das schöne Weib macht mich erbeben!

Es ahnet mir, in ihrer Näh’

Beginnt für mich ein neues Leben,

Mit neuer Lust, mit neuem Weh.

Es hält wie Angst mich von ihr ferne,

Es treibt mich Sehnsucht hin zu ihr!

Wie meines Schicksals wilde Sterne

Erscheinen diese Augen mir.

Die Stirn ist klar. Doch es gewittert

Dahinter schon der künft’ge Blitz,

Der künft’ge Sturm, der mich erschüttert

Bis in der Seele tiefsten Sitz.

Der Mund ist fromm. Doch mit Entsetzen

Unter den Rosen seh ich schon

Die Schlangen, die mich einst verletzen

Mit falschem Kuß, mit süßem Hohn.

Die Sehnsucht treibt. – Ich muß mich näh’ren

Dem holden, unheilschwangern Ort –

Schon kann ich ihre Stimme hören –

Klingende Flamme ist ihr Wort.

Sie fragt: »Monsieur, wie ist der Name

Der Sängerin, die eben sang?«

Stotternd antworte ich der Dame:

»Hab nichts gehört von dem Gesang.«

3.

Wie Merlin, der eitle Weise,

Bin ich armer Nekromant

Nun am Ende festgebannt

In die eignen Zauberkreise.

Festgebannt zu ihren Füßen

Lieg ich nun, und immerdar

Schau ich in ihr Augenpaar;

Und die Stunden, sie verfließen.

Stunden, Tage, ganze Wochen,

Sie verfließen wie ein Traum,

Was ich rede, weiß ich kaum,

Weiß auch nicht, was sie gesprochen.

Manchmal ist mir, als berühren

Ihre Lippen meinen Mund –

Bis in meiner Seele Grund

Kann ich dann die Flammen spüren.

4.

Du liegst mir so gern im Arme,

Du liegst mir am Herzen so gern!

Ich bin dein ganzer Himmel,

Du bist mein liebster Stern.

Tief unter uns, da wimmelt

Das närrische Menschengeschlecht;

Sie schreien und wüten und schelten,

Und haben alle recht.

Sie klingeln mit ihren Kappen

Und zanken ohne Grund;

Mit ihren Kolben schlagen

Sie sich die Köpfe wund.

Wie glücklich sind wir beide,

Daß wir von ihnen so fern –

Du birgst in deinem Himmel

Das Haupt, mein liebster Stern!

5.

Ich liebe solche weiße Glieder,

Der zarten Seele schlanke Hülle,

Wildgroße Augen und die Stirne

Umwogt von schwarzer Lockenfülle!

Du bist so recht die rechte Sorte,

Die ich gesucht in allen Landen;

Auch meinen Wert hat euresgleichen

So recht zu würdigen verstanden.

Du hast an mir den Mann gefunden,

Wie du ihn brauchst. Du wirst mich reichlich

Beglücken mit Gefühl und Küssen,

Und dann verraten, wie gebräuchlich.

6.

Der Frühling schien schon an dem Tor

Mich freundlich zu erwarten.

Die ganze Gegend steht im Flor

Als wie ein Blumengarten.

Die Liebste sitzt an meiner Seit’

Im rasch hinrollenden Wagen;

Sie schaut mich an voll Zärtlichkeit,

Ihr Herz, das fühl ich schlagen.

Das trillert und duftet so sonnenvergnügt!

Das blinkt im grünen Geschmeide!

Sein weißes Blütenköpfchen wiegt

Der junge Baum mit Freude.

Die Blumen schaun aus der Erd’ hervor,

Betrachten, neugierigen Blickes,

Das schöne Weib, das ich erkor,

Und mich, den Mann des Glückes.

Vergängliches Glück! Schon morgen klirrt

Die Sichel über den Saaten,

Der holde Frühling verwelken wird,

Das Weib, wird mich verraten.

7.

Jüngstens träumte mir: spazieren

In dem Himmelreiche ging ich,

Ich mit dir – denn ohne dich

Wär der Himmel eine Hölle.

Dort sah ich die Auserwählten,

Die Gerechten und die Frommen,

Die auf Erden ihren Leib

Für der Seele Heil gepeinigt:

Kirchenväter und Apostel,

Eremiten, Kapuziner,

Alte Käuze, ein’ge junge –

Letztre sahn noch schlechter aus!

Lange, heilige Gesichter,

Breite Glatzen, graue Bärte,

(Drunter auch verschiedne Juden) –

Gingen streng an uns vorüber,

Warfen keinen Blick nach dir,

Ob du gleich, mein schönes Liebchen,

Tändelnd mir am Arme hingest,

Tändelnd, lächelnd, kokettierend!

Nur ein einz’ger sah dich an,

Und es war der einz’ge schöne,

Schöne Mann in dieser Schar;

Wunderherrlich war sein Antlitz.

Menschengüte um die Lippen,

Götterruhe in den Augen,

Wie auf Magdalenen einst

Schaute jener auf dich nieder.

Ach! ich weiß, er meint es gut –

Keiner ist so rein und edel –

Aber ich, ich wurde dennoch

Wie von Eifersucht berühret –

Und ich muß gestehn, es wurde

Mir im Himmel unbehaglich –

Gott verzeih mir’s! mich genierte

Unser Heiland, Jesus Christus.

8.

Ein jeder hat zu diesem Feste

Sein liebes Liebchen mitgebracht,

Und freut sich der blühenden Sommernacht; –

Ich wandle allein, mir fehlt das Beste.

Ich wandle allein gleich einem Kranken!

Ich fliehe die Lust, ich fliehe den Tanz

Und die schöne Musik und den Lampenglanz; –

In England sind meine Gedanken.

Ich breche Rosen, ich breche Nelken,

Zerstreuten Sinnes und kummervoll;

Ich weiß nicht, wem ich sie geben soll; –

Mein Herz und die Blumen verwelken.

9.

Gesanglos war ich und beklommen

So lange Zeit – nun dicht ich wieder!

Wie Tränen, die uns plötzlich kommen,

So kommen plötzlich auch die Lieder.

Melodisch kann ich wieder klagen

Von großem Lieben, größerm Leiden,

Von Herzen, die sich schlecht vertragen

Und dennoch brechen, wenn sie scheiden.

Manchmal ist mir, als fühlt’ ich wehen

Über dem Haupt die deutschen Eichen –

Sie flüstern gar von Wiedersehen –

Das sind nur Träume – sie verbleichen.

Manchmal ist mir, als hört’ ich singen

Die alten, deutschen Nachtigallen –

Wie mich die Töne sanft umschlingen! –

Das sind nur Träume – sie verhallen.

Wo sind die Rosen, deren Liebe

Mich einst beglückt? – All ihre Blüte

Ist längst verwelkt! – Gespenstisch trübe

Spukt noch ihr Duft mir im Gemüte.

In der Fremde

1.

Es treibt dich fort von Ort zu Ort,

Du weißt nicht mal warum;

Im Winde klingt ein sanftes Wort,

Schaust dich verwundert um.

Die Liebe, die dahinten blieb,

Sie ruft dich sanft zurück:

O komm zurück, ich hab dich lieb,

Du bist mein einz’ges Glück!

Doch weiter, weiter, sonder Rast,

Du darfst nicht stillestehn;

Was du so sehr geliebet hast,

Sollst du nicht wiedersehn.

2.

Du bist ja heut so grambefangen,

Wie ich dich lange nicht geschaut!

Es perlet still von deinen Wangen,

Und deine Seufzer werden laut.

Denkst du der Heimat, die so ferne,

So nebelferne dir verschwand?

Gestehe mir’s, du wärest gerne

Manchmal im teuren Vaterland.

Denkst du der Dame, die so niedlich

Mit kleinem Zürnen dich ergötzt?

Oft zürntest du, dann ward sie friedlich,

Und immer lachtet ihr zuletzt.

Denkst du der Freunde, die da sanken

An deine Brust, in großer Stund’?

Im Herzen stürmten die Gedanken,

Jedoch verschwiegen blieb der Mund.

Denkst du der Mutter und der Schwester?

Mit beiden standest du ja gut.

Ich glaube gar, es schmilzt, mein Bester,

In deiner Brust der wilde Mut!

Denkst du der Vögel und der Bäume

Des schönen Gartens, wo du oft

Geträumt der Liebe junge Träume,

Wo du gezagt, wo du gehofft?

Es ist schon spät. Die Nacht ist helle,

Trübhell gefärbt vom feuchten Schnee.

Ankleiden muß ich mich nun schnelle

Und in Gesellschaft gehn. O weh!

3.

Ich hatte einst ein schönes Vaterland.

Der Eichenbaum

Wuchs dort so hoch, die Veilchen nickten sanft.

Es war ein Traum.

Das küßte mich auf deutsch, und sprach auf deutsch

(Man glaubt es kaum,

Wie gut es klang) das Wort: »Ich liebe dich!«

Es war ein Traum.

Tragödie

1.

Entflieh mit mir und sei mein Weib,

Und ruh an meinem Herzen aus;

Fern in der Fremde sei mein Herz

Dein Vaterland und Vaterhaus.

Gehst du nicht mit, so sterb ich hier

Und du bist einsam und allein;

Und bleibst du auch im Vaterhaus,

Wirst doch wie in der Fremde sein.

2.

Dieses ist ein wirkliches Volkslied,
welches ich am Rheine gehört

Es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht,

Es fiel auf die zarten Blaublümelein,

Sie sind verwelket, verdorret.

Ein Jüngling hatte ein Mädchen lieb,

Sie flohen heimlich von Hause fort,

Es wußt weder Vater noch Mutter.

Sie sind gewandert hin und her,

Sie haben gehabt weder Glück noch Stern,

Sie sind verdorben, gestorben.

3.

Auf ihrem Grab, da steht eine Linde,

Drin pfeifen die Vögel und Abendwinde,

Und drunter sitzt, auf dem grünen Platz,

Der Müllersknecht mit seinem Schatz.

Die Winde, die wehen so lind und so schaurig,

Die Vögel, die singen so süß und so traurig,

Die schwatzenden Buhlen, die werden stumm,

Sie weinen und wissen selbst nicht warum.

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