Romanzen

Entstehung ab 1838.

1.
Ein Weib

Sie hatten sich beide so herzlich lieb,

Spitzbübin war sie, er war ein Dieb.

Wenn er Schelmenstreiche machte,

Sie warf sich aufs Bette und lachte.

Der Tag verging in Freud und Lust,

Des Nachts lag sie an seiner Brust.

Als man ins Gefängnis ihn brachte,

Sie stand am Fenster und lachte.

Er ließ ihr sagen: »O komm zu mir,

Ich sehne mich so sehr nach dir,

Ich rufe nach dir, ich schmachte« –

Sie schüttelt’ das Haupt und lachte.

Um sechse des Morgens ward er gehenkt,

Um sieben ward er ins Grab gesenkt;

Sie aber schon um achte

Trank roten Wein und lachte.

2.
Frühlingsfeier

Das ist des Frühlings traurige Lust!

Die blühenden Mädchen, die wilde Schar,

Sie stürmen dahin, mit flatterndem Haar

Und Jammergeheul und entblößter Brust: –

»Adonis! Adonis!«

Es sinkt die Nacht. Bei Fackelschein,

Sie suchen hin und her im Wald,

Der angstverwirret wiederhallt

Von Weinen und Lachen und Schluchzen und Schrein:

»Adonis! Adonis!«

Das wunderschöne Jünglingsbild,

Es liegt am Boden blaß und tot,

Das Blut färbt alle Blumen rot,

Und Klagelaut die Luft erfüllt: –

»Adonis! Adonis!«

3.
Childe Harold

Eine starke, schwarze Barke

Segelt trauervoll dahin.

Die vermummten und verstummten

Leichenhüter sitzen drin.

Toter Dichter, stille liegt er,

Mit entblößtem Angesicht;

Seine blauen Augen schauen

Immer noch zum Himmelslicht.

Aus der Tiefe klingt’s, als riefe

Eine kranke Nixenbraut,

Und die Wellen, sie zerschellen

An dem Kahn, wie Klagelaut.

4.
Die Beschwörung

Der junge Franziskaner sitzt

Einsam in der Klosterzelle,

Er liest im alten Zauberbuch,

Genannt der Zwang der Hölle.

Und als die Mitternachtstunde schlug,

Da konnt er nicht länger sich halten,

Mit bleichen Lippen ruft er an

Die Unterweltsgewalten.

»Ihr Geister! holt mir aus dem Grab

Die Leiche der schönsten Frauen,

Belebt sie mir für diese Nacht,

Ich will mich dran erbauen.«

Er spricht das grause Beschwörungswort,

Da wird sein Wunsch erfüllet,

Die arme verstorbene Schönheit kommt,

In weißen Laken gehüllet.

Ihr Blick ist traurig. Aus kalter Brust

Die schmerzlichen Seufzer steigen.

Die Tote setzt sich zu dem Mönch,

Sie schauen sich an und schweigen.

5.
Aus einem Briefe

Die Sonne spricht:

Was gehn dich meine Blicke an?

Das ist der Sonne gutes Recht,

Sie strahlt auf den Herrn wie auf den Knecht;

Ich strahle, weil ich nicht anders kann.

Was gehn dich meine Blicke an?

Bedenke, was deine Pflichten sind,

Nimm dir ein Weib und mach ein Kind,

Und sei ein deutscher Biedermann.

Ich strahle, weil ich nicht anders kann,

Ich wandle am Himmel wohl auf, wohl ab,

Ass Langeweile guck ich hinab –

Was gehn dich meine Blicke an?

Der Dichter spricht:

Das ist ja eben meine Tugend,

Daß ich ertrage deinen Blick,

Das Licht der ew’gen Seelenjugend,

Blendende Schönheit, Flammenglück!

Jetzt aber fühl ich ein Ermatten

Der Sehkraft, und es sinken nieder,

Wie schwarze Flöre, nächt’ge Schatten

Auf meine armen Augenlider…

Chor der Affen:

Wir Affen, wir Affen,

Wir glotzen und gaffen

Die Sonne an,

Weil sie es doch nicht wehren kann.

Chor der Frösche:

Im Wasser, im Wasser,

Da ist es noch nasser

Als auf der Erde,

Und ohne Beschwerde

Erquicken

Wir uns an den Sonnenblicken.

Chor der Maulwürfe:

Was doch die Leute Unsinn schwatzen

Von Strahlen und von Sonnenblicken!

Wir fühlen nur ein warmes Jücken,

Und pflegen uns alsdann zu kratzen.

Ein Glühwurm spricht:

Wie sich die Sonne wichtig macht,

Mit ihrer kurzen Tagespracht!

So unbescheiden zeig ich mich nicht,

Und bin doch auch ein großes Licht,

In der Nacht, in der Nacht!

6.
Unstern

Der Stern erstrahlte so munter,

Da fiel er vom Himmel herunter.

Du fragst mich, Kind, was Liebe ist?

Ein Stern in einem Haufen Mist.

Wie’n räudiger Hund, der verrecket,

So liegt er mit Unrat bedecket.

Es kräht der Hahn, die Sau, sie grunzt,

Im Kote wälzt sich ihre Brunst.

Oh, fiel’ ich doch in den Garten,

Wo die Blumen meiner harrten,

Wo ich mir oft gewünschet hab

Ein reinliches Sterben, ein duftiges Grab!

7.
Anno 1829

Daß ich bequem verbluten kann,

Gebt mir ein edles, weites Feld!

Oh, laßt mich nicht ersticken hier

In dieser engen Krämerwelt!

Sie essen gut, sie trinken gut,

Erfreun sich ihres Maulwurfglücks,

Und ihre Großmut ist so groß

Als wie das Loch der Armenbüchs’.

Zigarren tragen sie im Maul

Und in der Hosentasch’ die Händ’;

Auch die Verdauungskraft ist gut –

Wer sie nur selbst verdauen könnt!

Sie handeln mit den Spezerei’n

Der ganzen Welt, doch in der Luft,

Trotz allen Würzen, riecht man stets

Den faulen Schellfischseelenduft.

Oh, daß ich große Laster säh,

Verbrechen, blutig, kolossal –

Nur diese satte Tugend nicht,

Und zahlungsfähige Moral!

Ihr Wolken droben, nehmt mich mit,

Gleichviel nach welchem fernen Ort!

Nach Lappland oder Afrika,

Und sei’s nach Pommern – fort! nur fort!

Oh, nehmt mich mit – sie hören nicht –

Die Wolken droben sind so klug!

Vorüberreisend dieser Stadt,

Ängstlich beschleun’gen sie den Flug.

8.
Anno 1839

Oh, Deutschland, meine ferne Liebe,

Gedenk ich deiner, wein ich fast!

Das muntre Frankreich scheint mir trübe,

Das leichte Volk wird mir zur Last.

Nur der Verstand, so kalt und trocken,

Herrscht in dem witzigen Paris –

Oh, Narrheitsglöcklein, Glaubensglocken,

Wie klingelt ihr daheim so süß!

Höfliche Männer! Doch verdrossen

Geb ich den art’gen Gruß zurück. –

Die Grobheit, die ich einst genossen

Im Vaterland, das war mein Glück!

Lächelnde Weiber! Plappern immer,

Wie Mühlenräder stets bewegt!

Da lob ich Deuschlands Frauenzimmer,

Das schweigend sich zu Bette legt.

Und alles dreht sich hier im Kreise,

Mit Ungestüm, wie’n toller Traum!

Bei uns bleibt alles hübsch im Gleise,

Wie angenagelt, rührt sich kaum.

Mir ist, als hört’ ich fern erklingen

Nachtwächterhörner, sanft und traut;

Nachtwächterlieder hör ich singen,

Dazwischen Nachtigallenlaut.

Dem Dichter war so wohl daheime,

In Schildas teurem Eichenhain!

Dort wob ich meine zarten Reime

Aus Veilchenduft und Mondenschein.

9.
In der Frühe

Auf dem Faubourg Saint-Marceau

Lag der Nebel heute morgen,

Spätherbstnebel, dicht und schwer,

Einer weißen Nacht vergleichbar.

Wandelnd durch die weiße Nacht,

Schaut ich mir vorübergleiten

Eine weibliche Gestalt,

Die dem Mondenlicht vergleichbar.

Ja, sie war wie Mondenlicht

Leichthinschwebend, zart und zierlich;

Solchen schlanken Gliederbau

Sah ich hier in Frankreich niemals.

War es Luna selbst vielleicht,

Die sich heut bei einem schönen,

Zärtlichen Endymion

Des Quartier Latin verspätet?

Auf dem Heimweg dacht ich nach:

Warum floh sie meinen Anblick?

Hielt die Göttin mich vielleicht

Für den Sonnenlenker Phöbus?

10.
Ritter Olaf

1.

Vor dem Dome stehn zwei Männer,

Tragen beide rote Röcke,

Und der eine ist der König,

Und der Henker ist der andre.

Und zum Henker spricht der König:

»Am Gesang der Pfaffen merk ich,

Daß vollendet schon die Trauung –

Halt bereit dein gutes Richtbeil.«

Glockenklang und Orgelrauschen,

Und das Volk strömt aus der Kirche;

Bunter Festzug, in der Mitte

Die geschmückten Neuvermählten.

Leichenblaß und bang und traurig

Schaut die schöne Königstochter;

Keck und heiter schaut Herr Olaf;

Und sein roter Mund, der lächelt.

Und mit lächelnd rotem Munde

Spricht er zu dem finstern König:

»Guten Morgen, Schwiegervater,

Heut ist dir mein Haupt verfallen.

Sterben soll ich heut – Oh, laß mich

Nur bis Mitternacht noch leben,

Daß ich meine Hochzeit feire

Mit Bankett und Fackeltänzen.

Laß mich leben, laß mich leben,

Bis geleert der letzte Becher,

Bis der letzte Tanz getanzt ist –

Laß bis Mitternacht mich leben!«

Und zum Henker spricht der König:

»Unserm Eidam sei gefristet

Bis um Mitternacht sein Leben –

Halt bereit dein gutes Richtbeil.«

2.

Herr Olaf sitzt beim Hochzeitschmaus,

Er trinkt den letzten Becher aus.

An seine Schulter lehnt

Sein Weib und stöhnt –

Der Henker steht vor der Türe.

Der Reigen beginnt, und Herr Olaf erfaßt

Sein junges Weib, und mit wilder Hast

Sie tanzen, bei Fackelglanz,

Den letzten Tanz –

Der Henker steht vor der Türe.

Die Geigen geben so lustigen Klang,

Die Flöten seufzen so traurig und bang!

Wer die beiden tanzen sieht,

Dem erbebt das Gemüt –

Der Henker steht vor der Türe.

Und wie sie tanzen, im dröhnenden Saal,

Herr Olaf flüstert zu seinem Gemahl:

»Du weißt nicht, wie lieb ich dich hab –

So kalt ist das Grab –«

Der Henker steht vor der Türe.

3.

Herr Olaf, es ist Mitternacht,

Dein Leben ist verflossen!

Du hattest eines Fürstenkinds

In freier Lust genossen.

Die Mönche murmeln das Totengebet,

Der Mann im roten Rocke,

Er steht mit seinem blanken Beil

Schon vor dem schwarzen Blocke.

Herr Olaf steigt in den Hof hinab,

Da blinken viel Schwerter und Lichter.

Es lächelt des Ritters roter Mund,

Mit lächelndem Munde spricht er:

»Ich segne die Sonne, ich segne den Mond,

Und die Stern’, die am Himmel schweifen.

Ich segne auch die Vögelein,

Die in den Lüften pfeifen.

Ich segne das Meer, ich segne das Land,

Und die Blumen auf der Aue.

Ich segne die Veilchen, sie sind so sanft

Wie die Augen meiner Fraue.

Ihr Veilchenaugen meiner Frau,

Durch euch verlier ich mein Leben!

Ich segne auch den Holunderbaum,

Wo du dich mir ergeben.«

11.
Die Nixen

Am einsamen Strande plätschert die Flut,

Der Mond ist aufgegangen,

Auf weißer Düne der Ritter ruht,

Von bunten Träumen befangen.

Die schönen Nixen, im Schleiergewand,

Entsteigen der Meerestiefe.

Sie nahen sich leise dem jungen Fant,

Sie glaubten wahrhaftig, er schliefe.

Die eine betastet mit Neubegier

Die Federn auf seinem Barette.

Die andre nestelt am Bandelier

Und an der Waffenkette.

Die dritte lacht, und ihr Auge blitzt,

Sie zieht das Schwert aus der Scheide,

Und auf dem blanken Schwert gestützt

Beschaut sie den Ritter mit Freude.

Die vierte tänzelt wohl hin und her

Und flüstert aus tiefem Gemüte:

»Oh, daß ich doch dein Liebchen wär,

Du holde Menschenblüte!«

Die fünfte küßt des Ritters Händ’,

Mit Sehnsucht und Verlangen;

Die sechste zögert und küßt am End’

Die Lippen und die Wangen.

Der Ritter ist klug, es fällt ihm nicht ein,

Die Augen öffnen zu müssen;

Er läßt sich ruhig im Mondenschein

Von schönen Nixen küssen.

12.
Bertrand de Born

Ein edler Stolz in allen Zügen,

Auf seiner Stirn Gedankenspur,

Er konnte jedes Herz besiegen,

Bertrand de Born, der Troubadour.

Es kirrten seine süßen Töne

Die Löwin des Plantagenets;

Die Tochter auch, die beiden Söhne,

Er sang sie alle in sein Netz.

Wie er den Vater selbst betörte!

In Tränen schmolz des Königs Zorn,

Als er ihn lieblich reden hörte,

Den Troubadour, Bertrand de Born.

13.
Frühling

Die Wellen blinken und fließen dahin –

Es liebt sich so lieblich im Lenze!

Am Flusse sitzt die Schäferin

Und windet die zärtlichsten Kränze.

Das knospet und quillt, mit duftender Lust –

Es liebt sich so lieblich im Lenze!

Die Schäferin seufzt aus tiefer Brust:

»Wem geb ich meine Kränze?«

Ein Reuter reutet den Fluß entlang,

Er grüßt so blühenden Mutes!

Die Schäferin schaut ihm nach so bang,

Fern flattert die Feder des Hutes.

Sie weint und wirft in den gleitenden Fluß

Die schönen Blumenkränze.

Die Nachtigall singt von Lieb’ und Kuß –

Es liebt sich so lieblich im Lenze!

14.
Ali Bei

Ali Bei, der Held des Glaubens,

Liegt beglückt in Mädchenarmen.

Vorgeschmack des Paradieses

Gönnt ihm Allah schon auf Erden.

Odalisken, schön wie Huris,

Und geschmeidig wie Gazellen –

Kräuselt ihm den Bart die eine,

Glättet seine Stirn die andre.

Und die dritte schlägt die Laute,

Singt und tanzt, und küßt ihn lachend

Auf das Herz, worin die Flammen

Aller Seligkeiten lodern.

Aber draußen plötzlich schmettern

Die Trompeten, Schwerter rasseln,

Waffenruf und Flintenschüsse –

»Herr, die Franken sind im Anmarsch!«

Und der Held besteigt sein Schlachtroß,

Fliegt zum Kampf, doch wie im Traume; –

Denn ihm ist zu Sinn, als läg er

Immer noch in Mädchenarmen.

Während er die Frankenköpfe

Dutzendweis’ heruntersäbelt,

Lächelt er wie ein Verliebter,

Ja, er lächelt sanft und zärtlich.

15.
Psyche

In der Hand die kleine Lampe,

In der Brust die große Glut,

Schleichet Psyche zu dem Lager,

Wo der holde Schläfer ruht.

Sie errötet und sie zittert,

Wie sie seine Schönheit sieht –

Der enthüllte Gott der Liebe,

Er erwacht und er entflieht.

Achtzehnhundertjähr’ge Buße!

Und die Ärmste stirbt beinah!

Psyche fastet und kasteit sich,

Weil sie Amorn nackend sah.

16.
Die Unbekannte

Meiner goldgelockten Schönen

Weiß ich täglich zu begegnen,

In dem Tuileriengarten,

Unter den Kastanienbäumen.

Täglich geht sie dort spazieren,

Mit zwei häßlich alten Damen –

Sind es Tanten? Sind’s Dragoner,

Die vermummt in Weiberröcken?

Niemand konnt mir Auskunft geben,

Wer sie sei. Bei allen Freunden

Frug ich nach, und stets vergebens!

Ich erkrankte fast vor Sehnsucht.

Eingeschüchtert von dem Schnurrbart

Ihrer zwei Begleiterinnen,

Und von meinem eignen Herzen

Noch viel strenger eingeschüchtert,

Wagt ich nie ein seufzend Wörtchen

Im Vorübergehn zu flüstern,

Und ich wagte kaum mit Blicken

Meine Flamme zu bekunden.

Heute erst hab ich erfahren

Ihren Namen. Laura heißt sie,

Wie die schöne Provenzalin,

Die der große Dichter liebte.

Laura heißt sie! Nun da bin ich

Just so weit wie einst Petrarca,

Der das schöne Weib gefeiert

In Kanzonen und Sonetten.

Laura heißt sie! Wie Petrarca

Kann ich jetzt platonisch schwelgen

In dem Wohllaut dieses Namens –

Weiter hat er’s nie gebracht.

17.
Wechsel

Mit Brünetten hat’s eine Ende!

Ich gerate dieses Jahr

Wieder in die blauen Augen,

Wieder in das blonde Haar.

Die Blondine, die ich liebe,

Ist so fromm, so sanft, so mild!

In der Hand den Lilienstengel,

Wäre sie ein Heil’genbild.

Schlanke, schwärmerische Glieder,

Wenig Fleisch, sehr viel Gemüt;

Und für Liebe, Hoffnung, Glaube

Ihre ganze Seele glüht.

Sie behauptet, sie verstünde

Gar kein Deutsch – ich glaub es nicht.

Niemals hättest du gelesen

Klopstocks himmlisches Gedicht?

18.
Fortuna

Frau Fortuna, ganz umsunst

Tust du spröde! deine Gunst

Weiß ich mir, durch Kampf und Ringen,

Zu erbeuten, zu erzwingen.

Überwältigt wirst du doch,

Und ich spanne dich ins Joch,

Und du streckst am End’ die Waffen –

Aber meine Wunden klaffen.

Es verströmt mein rotes Blut,

Und der schöne Lebensmut

Will erlöschen; ich erliege

Und ich sterbe nach dem Siege.

19.
Klagelied eines altdevtschen Jünglings

Wohl dem, dem noch die Tugend lacht,

Weh dem, der sie verlieret!

Es haben mich armen Jüngling

Die bösen Gesellen verführet.

Sie haben mich um mein Geld gebracht,

Mit Karten und mit Knöcheln;

Es trösteten mich die Mädchen,

Mit ihrem holden Lächeln.

Und als sie mich ganz besoffen gemacht

Und meine Kleider zerrissen,

Da ward ich armer Jüngling

Zur Tür hinausgeschmissen.

Und als ich des Morgens früh erwacht,

Wie wundr’ ich mich über die Sache!

Da saß ich armer Jüngling

Zu Kassel auf der Wache. –

20.
Laß ab!

Der Tag ist in die Nacht verliebt,

Der Frühling in den Winter,

Das Leben verliebt in den Tod –

Und du, du liebest mich!

Du liebst mich – schon erfassen dich

Die grauenhaften Schatten,

All deine Blüte welkt,

Und deine Seele verblutet.

Laß ab von mir, und liebe nur

Die heiteren Schmetterlinge,

Die da gaukeln im Sonnenlicht –

Laß ab von mir und dem Unglück.

21.
Frau Mette

Nach dem Dänischen

Herr Peter und Bender saßen beim Wein,

Herr Bender sprach: »Ich wette,

Bezwänge dein Singen die ganze Welt,

Doch nimmer bezwingt es Frau Mette.«

Herr Peter sprach: »Ich wette mein Roß,

Wohl gegen deine Hunde,

Frau Mette sing ich nach meinem Hof,

Noch heut, in der Mitternachtstunde.«

Und als die Mitternachtstunde kam,

Herr Peter hub an zu singen;

Wohl über den Fluß, wohl über den Wald

Die süßen Töne dringen.

Die Tannenbäume horchen so still,

Die Flut hört auf zu rauschen,

Am Himmel zittert der blasse Mond,

Die klugen Sterne lauschen.

Frau Mette erwacht aus ihrem Schlaf:

»Wer singt vor meiner Kammer?«

Sie achselt ihr Kleid, sie schreitet hinaus; –

Das ward zu großem Jammer.

Wohl durch den Wald, wohl durch den Fluß

Sie schreitet unaufhaltsam;

Herr Peter zog sie nach seinem Hof

Mit seinem Liede gewaltsam.

Und als sie morgens nach Hause kam,

Vor der Türe stand Herr Bender:

»Frau Mette, wo bist du gewesen zur Nacht,

Es triefen deine Gewänder?«

»Ich war heut nacht am Nixenfluß,

Dort hört ich prophezeien,

Es plätscherten und bespritzten mich

Die neckenden Wasserfeien.«

»Am Nixenfluß ist feiner Sand,

Dort bist du nicht gegangen,

Zerrissen und blutig sind deine Füß’,

Auch bluten deine Wangen.«

»Ich war heut nacht im Elfenwald,

Zu schauen den Elfenreigen,

Ich hab mir verwundet Fuß und Gesicht,

An Dornen und Tannenzweigen.«

»Die Elfen tanzen im Monat Mai,

Auf weichen Blumenfeldern,

Jetzt aber herrscht der kalte Herbst

Und heult der Wind in den Wäldern.«

»Bei Peter Nielsen war ich heut nacht,

Er sang, und zaubergewaltsam,

Wohl durch den Wald, wohl durch den Fluß,

Es zog mich unaufhaltsam.

Sein Lied ist stark als wie der Tod,

Es lockt in Nacht und Verderben.

Noch brennt mir im Herzen die tönende Glut;

Ich weiß, jetzt muß ich sterben.« –

Die Kirchentür ist schwarz behängt,

Die Trauerglocken läuten;

Das soll den jämmerlichen Tod

Der armen Frau Mette bedeuten.

Herr Bender steht vor der Leichenbahr’,

Und seufzt aus Herzensgrunde:

»Nun hab ich verloren mein schönes Weib

Und meine treuen Hunde.«

22.
Begegnung

Wohl unter der Linde erklingt die Musik,

Da tanzen die Burschen und Mädel,

Da tanzen zwei, die niemand kennt,

Sie schaun so schlank und edel.

Sie schweben auf, sie schweben ab,

In seltsam fremder Weise;

Sie lachen sich an, sie schütteln das Haupt,

Das Fräulein flüstert leise:

»Mein schöner Junker, auf Eurem Hut

Schwankt eine Neckenlilie,

Die wächst nur tief in Meeresgrund –

Ihr stammt nicht aus Adams Familie.

Ihr seid der Wassermann, Ihr wollt

Verlocken des Dorfes Schönen.

Ich hab Euch erkannt, beim ersten Blick,

An Euren fischgrätigen Zähnen.«

Sie schweben auf, sie schweben ab,

In seltsam fremder Weise,

Sie lachen sich an, sie schütteln das Haupt,

Der Junker flüstert leise:

»Mein schönes Fräulein, sagt mir, warum

So eiskalt Eure Hand ist?

Sagt mir, warum so naß der Saum

An Eurem weißen Gewand ist?

Ich hab Euch erkannt, beim ersten Blick,

An Eurem spöttischen Knickse –

Du bist kein irdisches Menschenkind,

Du bist mein Mühmchen, die Nixe.«

Die Geigen verstummen, der Tanz ist aus,

Es trennen sich höflich die beiden.

Sie kennen sich leider viel zu gut,

Suchen sich jetzt zu vermeiden.

23.
König Harald Harfagar

Der König Harald Harfagar

Sitzt unten in Meeresgründen

Bei seiner schönen Wasserfee;

Die Jahre kommen und schwinden.

Von Nixenzauber gebannt und gefeit,

Er kann nicht leben, nicht sterben;

Zweihundert Jahre dauert schon

Sein seliges Verderben.

Des Königs Haupt liegt auf dem Schoß

Der holden Frau, und mit Schmachten

Schaut er nach ihren Augen empor;

Kann nicht genug sie betrachten.

Sein goldnes Haar ward silbergrau,

Es treten die Backenknochen

Gespenstisch hervor aus dem gelben Gesicht,

Der Leib ist welk und gebrochen.

Manchmal aus seinem Liebestraum

Wird er plötzlich aufgeschüttert,

Denn droben stürmt so wild die Flut,

Und das gläserne Schloß erzittert.

Manchmal ist ihm, als hört’ er im Wind

Normannenruf erschallen;

Er hebt die Arme mit freudiger Hast,

Läßt traurig sie wieder fallen.

Manchmal ist ihm, als hört’ er gar,

Wie die Schiffer singen hier oben

Und den König Harald Harfagar

Im Heldenliede loben.

Der König stöhnt und schluchzt und weint

Alsdann aus Herzensgrunde.

Schnell beugt sich hinab die Wasserfee

Und küßt ihn mit lachendem Munde.

Unterwelt

1.

»Blieb’ ich doch ein Junggeselle!« –

Seufzet Pluto tausendmal –

»Jetzt, in meiner Eh’standsqual,

Merk ich, früher ohne Weib

War die Hölle keine Hölle.

Blieb’ ich doch ein Junggeselle!

Seit ich Proserpinen hab,

Wünsch ich täglich mich ins Grab!

Wenn sie keift, so hör ich kaum

Meines Zerberus Gebelle.

Stets vergeblich, stets nach Frieden

Ring ich. Hier im Schattenreich

Kein Verdammter ist mir gleich!

Ich beneide Sisyphus

Und die edlen Danaiden.«

2.

Auf goldenem Stuhl, im Reiche der Schatten,

Zur Seite des königlichen Gatten,

Sitzt Proserpine

Mit finstrer Miene.

Und im Herzen seufzet sie traurig:

»Ich lechze nach Rosen, nach Sangesergüssen

Der Nachtigall, nach Sonnenküssen –

Und hier unter bleichen

Lemuren und Leichen

Mein junges Leben vertraur’ ich!

Bin festgeschmiedet am Ehejoche,

In diesem verwünschten Rattenloche!

Und des Nachts die Gespenster,

Sie schaun mir ins Fenster,

Und der Styx, er murmelt so schaurig!

Heut hab ich den Charon zu Tische geladen –

Glatzköpfig ist er und ohne Waden –

Auch die Totenrichter,

Langweil’ge Gesichter –

In solcher Gesellschaft versaur’ ich.«

3.

Während solcherlei Beschwerde

In der Unterwelt sich häuft,

Jammert Ceres auf der Erde.

Die verrückte Göttin läuft,

Ohne Haube, ohne Kragen,

Schlotterbusig durch das Land,

Deklamierend jene Klagen,

Die euch allen wohlbekannt:

»Ist der holde Lenz erschienen?

Hat die Erde sich verjüngt?

Die besonnten Hügel grünen,

Und des Eises Rinde springt.

Aus der Ströme blauem Spiegel

Lacht der unbewölkte Zeus,

Milder wehen Zephirs Flügel,

Augen treibt das junge Reis.

In dem Hain erwachen Lieder,

Und die Oreade spricht:

›Deine Blumen kehren wieder,

Deine Tochter kehret nicht.‹

Ach wie lang ist’s, daß ich walle

Suchend durch der Erde Flur!

Titan, deine Strahlen alle

Sandt ich nach der teuren Spur!

Keiner hat mir noch verkündet

Von dem lieben Angesicht,

Und der Tag, der alles findet,

Die Verlorne fand er nicht.

Hast du, Zeus, sie mir entrissen?

Hat, von ihrem Reiz gerührt,

Zu des Orkus schwarzen Flüssen

Pluto sie hinabgeführt?

Wer wird nach dem düstern Strande

Meines Grames Bote sein?

Ewig stößt der Kahn vom Lande,

Doch nur Schatten nimmt er ein.

Jedem sel’gen Aug’ verschlossen

Bleibt das nächtliche Gefild’,

Und solang der Styx geflossen,

Trug er kein lebendig Bild.

Nieder führen tausend Steige,

Keiner führt zum Tag zurück;

Ihre Träne bringt kein Zeuge

Vor der bangen Mutter Blick.«

4.

»Meine Schwiegermutter Ceres!

Laß die Klagen, laß die Bitten!

Dein Verlangen, ich gewähr es –

Habe selbst soviel gelitten!

Tröste dich, wir wollen ehrlich

Den Besitz der Tochter teilen,

Und sechs Monden soll sie jährlich

Auf der Oberwelt verweilen.

Hilft dir dort an Sommertagen

Bei den Ackerbaugeschäften;

Einen Strohhut wird sie tragen,

Wird auch Blumen daran heften.

Schwärmen wird sie, wenn den Himmel

Überzieht die Abendröte,

Und am Bach ein Bauerlümmel

Zärtlich bläst die Hirtenflöte.

Wird sich freun mit Gret’ und Hänschen

Bei des Erntefestes Reigen;

Unter Schöpsen, unter Gänschen,

Wird sie sich als Löwin zeigen.

Süße Ruh’! Ich kann verschnaufen

Hier im Orkus unterdessen!

Punsch mit Lethe will ich saufen,

Um die Gattin zu vergessen.«

5.

»Zuweilen dünkt es mich, als trübe

Geheime Sehnsucht deinen Blick –

Ich kenn es wohl, dein Mißgeschick:

Verfehltes Leben, verfehlte Liebel

Du nickst so traurig! Wiedergeben

Kann ich dir nicht die Jugendzeit –

Unheilbar ist dein Herzeleid:

Verfehlte Liebe, verfehltes Leben!«

Zur Ollea

Überwiegend entstanden nach 1844.
Erstdruck in der 3. Aufl.
der Neuen Gedichte 1852.

1.
Maultiertum

Dein Vater, wie ein jeder weiß,

Ein Esel leider war der Gute;

Doch deine Mutter, hochgesinnt,

War eine edle Vollblutstute.

Tatsache ist dein Maultiertum,

Wie sehr du dessen dich erwehrest;

Doch sagen darfst du guten Fugs,

Daß du den Pferden angehörest –

Daß du abstammst vom Bucephal,

Dem stolzen Gaul, daß deine Ahnen

Geharnischt nach dem Heil’gen Grab

Gefolgt den frommen Kreuzzugfahnen –

Daß du zu deiner Sippschaft zählst

Den hohen Schimmel, den geritten

Herr Gottfried von Bouillon, am Tag,

Wo er die Gottesstatt erstritten; –

Kannst sagen auch, daß Roß-Bayard

Dein Vetter war, daß deine Tante

Den Ritter Don Quixote trug,

Die heldenmüt’ge Rosinante.

Freilich, daß Sanchos Grauchen auch

Mit dir verwandt, mußt du nicht sagen;

Verleugne gar das Eselein,

Das unsern Heiland einst getragen.

Auch ist nicht nötig, daß du just

Ein Langohr in dein Wappen setzest.

Sei deines eignen Werts Wardein –

Du giltst so hoch, wie du dich schätzest.

2.
Symbolik des Unsinns

Wir heben nun zu singen an

Das Lied von einer Nummer,

Die ist geheißen Nummer Drei;

Nach Freuden kommt der Kummer.

Arabischen Ursprungs war sie zwar,

Doch christentümlich frummer

In ganz Europa niemand war

Wie jene brave Nummer.

Sie war ein Muster der Sittlichkeit

Und wurde rot wie ein Hummer,

Fand sie den Knecht im Bette der Magd;

Gab beiden einen Brummer.

Des Morgens trank sie den Kaffee

Um sieben Uhr im Summer,

Im Winter um neun, und in der Nacht

Genoß sie den besten Schlummer.

Jetzt aber ändert sich der Reim,

Und ändern sich die Tage;

Es muß die arme Nummer Drei

Erdulden Pein und Plage.

Da kam ein Schuster und sagte: der Kopf

Der Nummer Drei, der sähe

Wie eine kleine Sieben aus,

Die auf einem Halbmond stehe.

Die Sieben sei aber die mystische Zahl

Der alten Pythagoreer,

Der Halbmond bedeute Dianendienst,

Er mahne auch an Sabäer.

Sie selber, die Drei, sei Schibboleth

Des Oberbonzen von Babel;

Durch dessen Buhlschaft sie einst gebar

Die heil’ge Dreieinigkeitsfabel.

Ein Kürschner bemerkte dagegen: die Drei

Sie eine fromme Trulle,

Verehrt von unsern Vätern, die einst

Geglaubt an jede Schrulle.

Da war ein Schneider, der lächelnd sprach,

Daß gar nicht existiere

Die Nummer Drei, daß sie sich nur

Befinde auf dem Papiere.

Als solches hörte die arme Drei,

Wie eine verzweifelte Ente,

Sie wackelte hin, sie wackelte her,

Sie jammerte und flennte:

»Ich bin so alt wie das Meer und der Wald,

Wie die Stern’, die am Himmel blinken;

Sah Reiche entstehn, sah Reiche vergehn

Und Völker aufsteigen und sinken.

Ich stand am schnurrenden Webstuhl der Zeit

Wohl manches lange Jahrtausend;

Ich sah der Natur in den schaffenden Bauch,

Das wogte brausend und sausend.

Und dennoch widerstand ich dem Sturm

Der sinnlich dunkeln Gewalten –

Ich habe meine Jungferschaft

In all dem Spektakel behalten.

Was hilft mir meine Tugend jetzt?

Mich höhnen Weise und Toren;

Die Welt ist schlecht und ungerecht,

Läßt niemand ungeschoren.

Doch tröste dich, mein Herz, dir blieb

Dein Lieben, Hoffen, Glauben,

Auch guter Kaffee und ein Schlückchen Rum,

Das kann keine Skepsis mir rauben.«

3.
Hoffart

O Gräfin Gudel von Gudelfeld,

Dir huldigt die Menschheit, denn du hast Geld!

Du wirst mit vieren kutschieren,

Man wird dich bei Hof präsentieren.

Es trägt dich die goldne Karosse

Zum kerzenschimmernden Schlosse;

Es rauschet deine Schleppe

Hinauf die Marmortreppe;

Dort oben, in bunten Reihen,

Da stehen die Diener und schreien:

»Madame la comtesse de Gudelfeld.«

Stolz, in der Hand den Fächer,

Wandelst du durch die Gemächer.

Belastet mit Diamanten

Und Perlen und Brüsseler Kanten,

Dein weißer Busen schwellet

Und freudig überquellet.

Das ist ein Lächeln und Nicken

Und Knicksen und tiefes Bücken!

Die Herzogin von Pavia,

Die nennt dich: »Cara mia.«

Die Junker und die Schranzen,

Die wollen mit dir tanzen;

Und der Krone witziger Erbe

Ruft laut im Saal: »Süperbe

Schwingt sie den Steiß, die Gudelfeld!«

Doch, Ärmste, hast du einst kein Geld,

Dreht dir den Rücken die ganze Welt.

Es werden die Lakaien

Auf deine Schleppe speien.

Statt Bückling und Scherwenzen

Gibt’s nur Impertinenzen.

Die cara mia bekreuzt sich,

Und der Kronprinz ruft und schneuzt sich:

»Nach Knoblauch riecht die Gudelfeld.«

4.
Wandere!

Wenn dich ein Weib verraten hat,

So liebe flink eine andre;

Noch besser wär es, du ließest die Stadt –

Schnüre den Ranzen und wandre!

Du findest bald einen blauen See,

Umringt von Trauerweiden;

Hier weinst du aus dein kleines Weh

Und deine engen Leiden.

Wenn du den steilen Berg ersteigst,

Wirst du beträchtlich ächzen;

Doch wenn du den felsigen Gipfel erreichst,

Hörst du die Adler krächzen.

Dort wirst du selbst ein Adler fast,

Du bist wie neugeboren,

Du fühlst dich frei, du fühlst: du hast

Dort unten nicht viel verloren.

5.
Winter

Die Kälte kann wahrlich brennen

Wie Feuer. Die Menschenkinder

Im Schneegestöber rennen

Und laufen immer geschwinder.

Oh, bittre Winterhärte!

Die Nasen sind erfroren,

Und die Klavierkonzerte

Zerreißen uns die Ohren.

Weit besser ist es im Summer,

Da kann ich im Walde spazieren,

Allein mit meinem Kummer,

Und Liebeslieder skandieren.

6.
Altes Kaminstück

Draußen ziehen weiße Flocken

Durch die Nacht, der Sturm ist laut;

Hier im Stübchen ist es trocken,

Warm und einsam, stillvertraut.

Sinnend sitz ich auf dem Sessel,

An dem knisternden Kamin,

Kochend summt der Wasserkessel

Längst verklungne Melodien.

Und ein Kätzchen sitzt daneben,

Wärmt die Pfötchen an der Glut;

Und die Flammen schweben, weben,

Wundersam wird mir zumut’.

Dämmernd kommt heraufgestiegen

Manche längst vergeßne Zeit,

Wie mit bunten Maskenzügen

Und verblichner Herrlichkeit.

Schöne Fraun, mit kluger Miene,

Winken süßgeheimnisvoll,

Und dazwischen Harlekine

Springen, lachen, lustigtoll.

Ferne grüßen Marmorgötter,

Traumhaft neben ihnen stehn

Märchenblumen, deren Blätter

In dem Mondenlichte wehn.

Wackelnd kommt herbeigeschwommen

Manches alte Zauberschloß;

Hintendrein geritten kommen

Blanke Ritter, Knappentroß.

Und das alles zieht vorüber,

Schattenhastig übereilt –

Ach! da kocht der Kessel über,

Und das nasse Kätzchen heult.

7.
Sehnsüchtelei

In dem Traum siehst du die stillen

Fabelhaften Blumen prangen;

Und mit Sehnsucht und Verlangen

Ihre Düfte dich erfüllen.

Doch von diesen Blumen scheidet

Dich ein Abgrund tief und schaurig,

Und dein Herz wird endlich traurig,

Und es blutet und es leidet.

Wie sie locken, wie sie schimmern!

Ach, wie komm ich da hinüber?

Meister Hämmerling, mein Lieber,

Kannst du mir die Brücke zimmern?

8.
Helena

Du hast mich beschworen aus dem Grab

Durch deinen Zauberwillen,

Belebtest mich mit Wollustglut –

Jetzt kannst du die Glut nicht stillen.

Preß deinen Mund an meinen Mund,

Der Menschen Odem ist göttlich!

Ich trinke deine Seele aus,

Die Toten sind unersättlich.

9.
Kluge Sterne

Die Blumen erreicht der Fuß so leicht,

Auch werden zertreten die meisten;

Man geht vorbei und tritt entzwei

Die blöden wie die dreisten.

Die Perlen ruhn in Meerestruhn,

Doch weiß man sie aufzuspüren;

Man bohrt ein Loch und spannt sie ins Joch,

Ins Joch von seidenen Schnüren.

Die Sterne sind klug, sie halten mit Fug

Von unserer Erde sich ferne;

Am Himmelszelt, als Lichter der Welt,

Stehn ewig sicher die Sterne.

10.
Die Engel

Freilich, ein ungläub’ger Thomas,

Glaub ich an den Himmel nicht,

Den die Kirchenlehre Romas

Und Jerusalems verspricht.

Doch die Existenz der Engel,

Die bezweifelte ich nie;

Lichtgeschöpfe sonder Mängel,

Hier auf Erden wandeln sie.

Nur, genäd’ge Frau, die Flügel

Sprech ich jenen Wesen ab;

Engel gibt es ohne Flügel,

Wie ich selbst gesehen hab.

Lieblich mit den weißen Händen,

Lieblich mit dem schönen Blick

Schützen sie den Menschen, wenden

Von ihm ab das Mißgeschick.

Ihre Huld und ihre Gnaden

Trösten jeden, doch zumeist

Ihn, der doppelt qualbeladen,

Ihn, den man den Dichter heißt.

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