Nachlese
Die Heimkehr
~
Lieben und Hassen, Hassen und Lieben
Daß ich dich liebe, o Möpschen
Tag und Nacht hab ich gedichtet
Es faßt mich wieder der alte Mut
Etwas für den hinkenden Vetter
O, mein genädiges Fräulein, erlaubt
Hast du die Lippen mir wund geküßt
Als Sie mich umschlang mit zärtlichem Pressen
Himmlisch wars, wenn ich bezwang
Blamier mich nicht, mein schönes Kind
Zu der Lauheit und der Flauheit
~
[Du Lilje meiner Liebe]
Du Lilje meiner Liebe,
Du stehst so träumend am Bach,
Und schaust hinein so trübe,
Und flüsterst Weh und Ach!
»Geh fort mit deinem Gekose!
Ich weiß es, du falscher Mann,
Daß meine Cousine, die Rose,
Dein falsches Herz gewann.«
Burleskes Sonett
Wie nähm die Armut bald bei mir ein Ende,
Wüßt ich den Pinsel kunstgerecht zu führen
Und hübsch mit bunten Bildern zu verzieren
Der Kirchen und der Schlösser stolze Wände.
Wie flösse bald mir zu des Goldes Spende,
Wüßt ich auf Flöten, Geigen und Klavieren
So rührend und so fein zu musizieren,
Daß Herrn und Damen klatschten in die Hände.
Doch ach! mir Armen lächelt Mammon nie:
Denn leider, leider! trieb ich dich alleine,
Brotloseste der Künste, Poesie!
Und ach! wenn andre sich mit vollen Humpen
Zum Gotte trinken in Champagnerweine,
Dann muß ich dürsten, oder ich muß - pumpen.
[Die Wälder und Felder grünen]
Die Wälder und Felder grünen,
Es trillert die Lerch in der Luft,
Der Frühling ist erschienen
Mit Lichtern und Farben und Duft.
Der Lerchengesang erweicht mir
Das winterlich starre Gemüt,
Und aus dem Herzen steigt mir
Ein trauriges Klagelied.
Die Lerche trillert gar feine:
»Was singst du so trüb und bang?«
Das ist ein Liedchen, o Kleine,
Das sing ich schon jahrelang!
Das sing ich im grünen Haine,
Das Herz von Gram beschwert;
Schon deine Großmutter, o Kleine,
Hat dieses Liedchen gehört!
[Lieben und Hassen, Hassen und Lieben]
Lieben und Hassen, Hassen und Lieben,
Ist alles über mich hingegangen;
Doch blieb von allem nichts an mir hangen,
Ich bin der allerselbe geblieben.
[Daß ich dich liebe, o Möpschen]
Daß ich dich liebe, o Möpschen,
Das ist dir wohlbekannt.
Wenn ich mit Zucker dich füttre,
So leckst du mir die Hand.
Du willst auch nur ein Hund sein,
Und willst nicht scheinen mehr;
All meine übrigen Freunde
Verstellen sich zu sehr.
[Tag und Nacht hab ich gedichtet]
Tag und Nacht hab ich gedichtet,
Und hab doch nichts ausgerichtet;
Bin in Harmonien geschwommen,
Und bin doch zu nichts gekommen.
[Es faßt mich wieder der alte Mut]
Es faßt mich wieder der alte Mut,
Mir ist, als jagt ich zu Rosse,
Und jagte wieder mit liebender Glut
Nach meiner Liebsten Schlosse.
Es faßt mich wieder der alte Mut,
Mir ist, als jagt ich zu Rosse,
Und jagte zum Streite, mit hassender Wut,
Schon harret der Kampfgenosse.
Ich jage geschwind wie der Wirbelwind,
Die Wälder und Felder fliegen!
Mein Kampfgenoß und mein schönes Kind,
Sie müssen beide erliegen.
Etwas für den hinkenden Vetter
Augen, die nicht ferne blicken,
Und auch nicht zur Liebe taugen,
Aber ganz entsetzlich drücken,
Sind des Vetters Hühneraugen.
[Wenn junge Herzen brechen]
Wenn junge Herzen brechen,
So lachen drob die Sterne,
Sie lachen und sie sprechen
Herab aus der blauen Ferne:
»Die armen Menschen lieben
Sich zwar mit vollen Seelen,
Und müssen sich doch betrüben,
Und gar zu Tode quälen.
Wir haben nie empfunden
Die Liebe, die so verderblich
Den armen Menschen drunten;
Drum sind wir auch unsterblich.«
Erinnerung
Übersetzt aus dem Englischen.
Sentimental Magazine, Vol. XXXV.
Was willst du, traurig liebes Traumgebilde?
Ich sehe dich, ich fühle deinen Hauch!
Du schaust mich an mit wehmutvoller Milde;
Ich kenne dich, und ach! du kennst mich auch.
Ich bin ein kranker Jüngling jetzt, die Glieder
Sind lebensmatt, das Herz ist ausgebrannt,
Mißmut umflort mich, Kummer drückt mich nieder;
Viel anders wars, als ich dich einstens fand!
In stolzer Kraft, und von der Heimat ferne,
Ich jagte da nach einem alten Wahn;
Die Erd wollt ich zerstampfen, und die Sterne
Wollt ich entreißen ihrer Himmelsbahn. -
Frankfurt, du hegst viel Narrn und Bösewichter,
Doch lieb ich dich, du gabst dem deutschen Land
Manch guten Kaiser und den besten Dichter,
Und bist die Stadt, wo ich die Holde fand.
Ich ging die Zeil entlang, die schöngebaute,
Es war die Messe just, die Schacherzeit,
Und bunt war das Gewimmel, und ich schaute
Wie träumend auf des Volks Geschäftigkeit.
Da sah ich Sie! Mit heimlich süßem Staunen
Erblickt ich da die schwebende Gestalt,
Die selgen Augen und die sanften Braunen -
Es zog mich hin mit seltsamer Gewalt.
Und über Markt und Straßen gings, und weiter,
Bis an ein Gäßchen, schmal und traulich klein -
Da dreht sich um die Holde, lächelt heiter,
Und schlüpft ins Haus - ich eile hinterdrein.
Die Muhme nur war schlecht, und ihrem Geize
Sie opferte des Mädchens Blüten hin;
Das Kind ergab mir willig seine Reize,
Jedoch, bei Gott! es dacht nicht an Gewinn.
Bei Gott! auf andre Weiber noch als Musen
Versteh ich mich, mich täuscht kein glatt Gesicht.
So, weiß ich, klopft kein einstudierter Busen,
Und solche Blicke hat die Lüge nicht.
Und sie war schön! So hold ist nicht gewesen
Die Göttin, als sie stieg aus Wellenschaum.
Vielleicht war sie das wunderschöne Wesen,
Das ich geahnt im frühen Knabentraum!
Ich hab es nicht erkannt! Es war umnachtet
Mein Sinn, und fremder Zauber mich umwand.
Vielleicht das Glück, wonach ich stets geschmachtet,
Ich hielts im Arm - und hab es nicht erkannt!
Doch schöner war sie noch in ihren Schmerzen,
Als nach drei Tagen, die ich wundersüß
Verträumt an ihrem wundersüßen Herzen,
Der alte Wahn mich weiter eilen hieß;
Als sie, mit wild verzweifelnder Gebärde
Und aufgelöstem Haar, die Hände rang,
Und endlich niederstürzte auf die Erde,
Und laut aufweinend meine Knie umschlang!
Ach Gott! es hatte sich in meinen Sporen
Ihr Haar verwickelt - bluten sah ich sie -
Und doch riß ich mich los - und hab verloren
Mein armes Kind, und wieder sah ichs nie!
Fort ist der alte Wahn, jedoch das Bildnis
Des armen Kinds umschwebt mich, wo ich bin.
Wo irrst du jetzt, in welcher kalten Wildnis?
Dem Elend und dem Gram gab ich dich hin!
[O, mein genädiges Fräulein, erlaubt]
O, mein genädiges Fräulein, erlaubt
Mir kranken Sohn der Musen,
Daß schlummernd ruhe mein Sängerhaupt
Auf Eurem Schwanenbusen!
»Mein Herr! wie können Sie es wagen,
Mir so was in Gesellschaft zu sagen?«
[Hast du die Lippen mir wund geküßt]
Hast du die Lippen mir wund geküßt,
So küsse sie wieder heil,
Und wenn du bis Abend nicht fertig bist,
So hat es auch keine Eil.
Du hast ja noch die ganze Nacht,
Du Herzallerliebste mein!
Man kann in solch einer ganzen Nacht
Viel küssen und selig sein.
[Als Sie mich umschlang mit zärtlichem Pressen]
Als Sie mich umschlang mit zärtlichem Pressen,
Da ist meine Seele gen Himmel geflogen!
Ich ließ sie fliegen, und hab unterdessen
Den Nektar von Ihren Lippen gesogen.
[Himmlisch wars, wenn ich bezwang]
Himmlisch wars, wenn ich bezwang
Meine sündige Begier,
Aber wenns mir nicht gelang,
Hatt ich doch ein groß Pläsier.
[Blamier mich nicht, mein schönes Kind]
Blamier mich nicht, mein schönes Kind,
Und grüß mich nicht unter den Linden;
Wenn wir nachher zu Hause sind,
Wird sich schon alles finden.
[Schöne, wirtschaftliche Dame]
Schöne, wirtschaftliche Dame,
Haus und Hof ist wohlbestellt,
Wohlversorgt ist Stall und Keller,
Wohlbeackert ist das Feld.
Jeder Winkel in dem Garten
Ist gereutet und geputzt,
Und das Stroh, das ausgedroschne,
Wird für Betten noch benutzt.
Doch dein Herz und deine Lippen,
Schöne Dame, liegen brach,
Und zur Hälfte nur benutzet
Ist dein trautes Schlafgemach.
[Auf den Wolken ruht der Mond]
Auf den Wolken ruht der Mond,
Eine Riesenpomeranze,
Überstrahlt das graue Meer,
Breiten Streifs, mit goldnem Glanze.
Einsam wandl ich an dem Strand,
Wo die weißen Wellen brechen,
Und ich hör viel süßes Wort,
Süßes Wort im Wasser sprechen.
Ach, die Nacht ist gar zu lang,
Und mein Herz kann nicht mehr schweigen -
Schöne Nixen, kommt hervor,
Tanzt und singt den Zauberreigen!
Nehmt mein Haupt in euren Schoß,
Leib und Seel sei hingegeben!
Singt mich tot und herzt mich tot,
Küßt mir aus der Brust das Leben!
[Eingehüllt in graue Wolken]
Eingehüllt in graue Wolken,
Schlafen jetzt die großen Götter,
Und ich höre, wie sie schnarchen,
Und wir haben wildes Wetter.
Wildes Wetter! Sturmeswüten
Will das arme Schiff zerschellen -
Ach, wer zügelt diese Winde
Und die herrenlosen Wellen!
Kanns nicht hindern, daß es stürmet,
Daß da dröhnen Mast und Bretter,
Und ich hüll mich in den Mantel,
Um zu schlafen wie die Götter.
[Zu der Lauheit und der Flauheit]
Zu der Lauheit und der Flauheit
Deiner Seele paßte nicht
Meiner Liebe wilde Rauheit,
Die sich Bahn durch Felsen bricht.
Du, du liebtest die Chausseen
In der Liebe, und ich schau
Dich am Arm des Gatten gehen,
Eine brave, schwangre Frau.
[In den Küssen welche Lüge]
In den Küssen welche Lüge!
Welche Wonne in dem Schein!
Ach, wie süß ist das Betrügen,
Süßer das Betrogensein!
Liebchen, wie du dich auch wehrest,
Weiß ich doch, was du erlaubst:
Glauben will ich, was du schwörest,
Schwören will ich, was du glaubst.
Nachlese
Aus der Harzreise
[Steiget auf, Ihr alten Träume]
Steiget auf, Ihr alten Träume!
Öffne dich, du Herzenstor!
Liederwonne, Wehmutstränen
Strömen wunderbar hervor.
Durch die Tannen will ich schweifen,
Wo die muntre Quelle springt,
Wo die stolzen Hirsche wandeln,
Wo die liebe Drossel singt.
Auf die Berge will ich steigen,
Auf die schroffen Felsenhöhn,
Wo die grauen Schloßruinen
In dem Morgenlichte stehn.
Dorten setz ich still mich nieder
Und gedenke alter Zeit,
Alter blühender Geschlechter
Und versunkner Herrlichkeit.
Gras bedeckt jetzt den Turnierplatz,
Wo gekämpft der stolze Mann,
Der die Besten überwunden
Und des Kampfes Preis gewann.
Efeu rankt an dem Balkone,
Wo die schöne Dame stand,
Die den stolzen Überwinder
Mit den Augen überwand.
Ach! den Sieger und die Siegrin
Hat besiegt des Todes Hand -
Jener dürre Sensenritter
Streckt uns Alle in den Sand!
Nachlese
Die Nordsee. Zweiter Teil
Seekrankheit
Die grauen Nachmittagswolken
Senken sich tiefer hinab auf das Meer,
Das ihnen dunkel entgegensteigt,
Und zwischendurch jagt das Schiff.
Seekrank sitz ich noch immer am Mastbaum,
Und mache Betrachtungen über mich selber,
Uralte, aschgraue Betrachtungen,
Die schon der Vater Loth gemacht,
Als er des Guten zuviel genossen
Und sich nachher so übel befand.
Mitunter denk ich auch alter Geschichtchen:
Wie kreuzbezeichnete Pilger der Vorzeit,
Auf stürmischer Meerfahrt, das trostreiche Bildnis
Der heiligen Jungfrau gläubig küßten;
Wie kranke Ritter, in solcher Seenot,
Den lieben Handschuh ihrer Dame
An die Lippen preßten, gleich getröstet -
Ich aber sitze und kaue verdrießlich
Einen alten Hering, den salzigen Tröster
In Katzenjammer und Hundetrübsal!
Unterdessen kämpft das Schiff
Mit der wilden, wogenden Flut;
Wie’n bäumendes Schlachtroß, stellt es sich jetzt
Auf das Hinterteil, daß das Steuer kracht,
Jetzt stürzt es kopfüber wieder hinab
In den heulenden Wasserschlund,
Dann wieder, wie sorglos liebematt,
Denkt es sich hinzulegen
An den schwarzen Busen der Riesenwelle,
Die mächtig heranbraust,
Und plötzlich, ein wüster Meerwasserfall,
In weißem Gekräusel zusammenstürzt
Und mich selbst mit Schaum bedeckt.
Dieses Schwanken und Schweben und Schaukeln
Ist unerträglich!
Vergebens späht mein Auge und sucht
Die deutsche Küste. Doch ach! nur Wasser,
Und abermals Wasser, bewegtes Wasser!
Wie der Winterwandrer des Abends sich sehnt
Nach einer warmen, innigen Tasse Tee,
So sehnt sich jetzt mein Herz nach dir,
Mein deutsches Vaterland!
Mag immerhin dein süßer Boden bedeckt sein
Mit Wahnsinn, Husaren, schlechten Versen
Und laulich dünnen Traktätchen;
Mögen immerhin deine Zebras
Mit Rosen sich mästen statt Disteln;
Mögen immerhin deine noblen Affen
In müßigem Putz sich vornehm spreizen
Und sich besser dünken als all das andre
Banausisch dahinwandelnde Hornvieh;
Mag immerhin deine Schneckenversammlung
Sich für unsterblich halten,
Weil sie so langsam dahinkriecht,
Und mag sie täglich Stimmen sammeln,
Ob den Maden des Käses der Käse gehört?
Und noch lange Zeit in Beratung ziehen,
Wie man die ägyptischen Schafe veredle,
Damit ihre Wolle sich beßre
Und der Hirt sie scheren könne wie andre,
Ohn Unterschied -
Immerhin, mag Torheit und Unrecht
Dich ganz bedecken, o Deutschland!
Ich sehne mich dennoch nach dir:
Denn wenigstens bist du noch festes Land.