23

Ich hatte die Marines auf meiner Seite. Ooh-rah.

Studiere Beute, die mit Muscheln hantiert. Weibchen. Wütend. Schauen nicht zum Wald. Nachtblind vom Menschenlicht im Baum. Keine guten Jäger, aber Vampirblut macht sie schnell. Sie haben geholfen, den Welpen wehzutun. Werde sie töten, um Welpen zu schützen.

Noch nicht, denkt Jane. Nicht als Beast. Wir müssen warten, bis die Vamps die Kinder hergebracht haben. Dann greifen wir an, mithilfe von Derek und seinen Soldaten.

Huste leise. Entrüstet. Beast stark. Beast tötet Blutdiener.

Aber Jane erhebt sich, zeigt mir Erinnerung von Pflöcken und Messern, die in Vampire schneiden. Wir können zusammen kämpfen. Ich/wir sind Beast.

Keuche Zustimmung. Tappe zurück in den Wald. Zurück zu dem Baum und Janes Ausrüstung. Will mich nicht wandeln. Will weiter Alpha sein. Aber Jane und Beast zusammen sind bessere Killer. Springe auf den Baum. Kauere mich nieder. Und denke an Jane. An die Schlange in ihren Knochen. Der graue Ort greift nach mir und packt mich mit Krallen. Schneidet in Beast mit scharfen Krallen, mit Messern. Schmerz. Schmerz, Schmerz, Schmerz.

Ich fiel von dem Baumstamm und landete hart auf dem Boden. Ich ächzte und atmete zitternd ein. Sofort meldeten sich meine geprellten Rippen. »Ohhh«, stöhnte ich leise, obgleich ich am liebsten laut geheult hätte. Mist. Das tat weh. Immer noch auf dem Boden liegend, streifte ich die Tasche, die nicht zum Einsatz gekommen war, vom Hals und öffnete sie mit bebenden Fingern. Riss die Plastiktüte mit den Snickers auf und schlug die Zähne in das klebrige, süße Zeug. Erst, als ich vier Stück verschlungen hatte, hörte das Zittern auf. Dann zog ich mich schnell an, doch nicht die leichten Sachen, wie ich geplant hatte. Sondern meinen Kampfanzug. Ich beeilte mich, denn Molly, Evan und Evangelina würden bald beim Fußballplatz sein, und ich wollte ungern überrascht werden, wenn ich noch nackt war. Ich brauchte Zeit, um sie von der magischen Stätte wegzulotsen. Mit so vielen Vamps würden selbst drei Hexen nicht fertigwerden. In Sekundenschnelle hätten die Vamps die Kontrolle über ihren Willen übernommen, und dann würden ihnen auch ihre Zauber nicht mehr helfen können.

Als ich angezogen war, aktivierte ich Dereks Peilsender und wählte Mollys Handynummer, um mich zu melden und ihr zu berichten, was ich gesehen hatte. »Ihr könnt nicht mit zu der Stätte kommen, Molly. Die vielen Vamps würden euch bemerken und euch ausschalten, bevor ihr Piep sagen könnt. Das ist zu gefährlich.«

»Wie viele?« Ihre Stimme klang angespannt. Sie wollte etwas tun, egal was, um ihre Kinder zu retten.

»Renée, Tristan und ihr namenloser Bruder. Diese drei sind schwache Vamphexen. Adrianna von St. Martin und Rafael Torrez von Mearkanis sind ebenfalls hier, und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie ihn heimlich zum Clanmeister gemacht haben. An ihm haften die Witterungen von mehreren Vamps, das ist typisch für einen Blutmeister. Ich glaube, Sabina hat sich geirrt, was den Zeitplan angeht. Meiner Meinung nach startet der Putsch hier und heute Nacht, mit Vamps, die über Menschen herrschen wollen wie damals in Haiti.«

»Was?«

Ich hatte ihnen nichts davon erzählt, dass Leo herausgefordert worden war. Dazu war keine Zeit gewesen. »Außerdem habe ich Bettina von Rousseau gesehen, aber sie roch, als sei sie schwach. Ich glaube, sie haben sie fast leer gesaugt. Adora und Donatien, die beiden Rogue-Teenager sind gefesselt, geknebelt und wehren sich wie die Wilden. Bliss und die Kinder. Bliss hat so viel Blut verloren, dass sie dem Tode nahe ist. Ich glaube nicht, dass sie die Nacht überleben wird.« Meine Schuld. Dieser Gedanke pulsierte durch meine Adern. Meine Schuld. Ich klemmte das Handy unter mein Kinn und schnürte mir die Boots zu, schlang das Geschirr der Flinte über die Schultern und schnallte es fest. Schob die Vampkiller zurück in ihre Schlaufen an meiner Lederhose. Ich stampfte mit den Stiefeln auf, um einen besseren Halt darin zu finden.

»Wir kommen trotzdem«, presste sie hervor.

»Molly, du könntest nie rechtzeitig bei mir sein. Geht zu ihrer Limousine auf der Harrison Avenue und passt auf, dass sie nicht abhauen. Und dann tötet jeden Vamp, der aus dem Wald kommt.« Sie weinte vor Hilflosigkeit und Wut. Meine Hände begannen zu schwitzen, als ich ihr ersticktes Schluchzen hörte. Ich wischte sie an der Lederhose ab, doch die saugte den Schweiß nicht auf, weder von der einen noch von der anderen Seite. »Molly!«

»Okay.« Sie schluckte schwer, rang um Beherrschung. »Wenn du einen Schutzschild benötigst, halte einfach die Rune wieder zwischen den Fingern. Wir denken uns etwas aus, um das Amulett zu finden und dich zu schützen.«

»Ein Findezauber, der als Relais wirkt?«

»Ja, ganz genau.« Sie klang elend, als wäre sie kurz davor zusammenzubrechen.

Ich atmete aus und zitterte vor Erleichterung. »Halte durch. Und danke, Molly.« Dann: »Kannst du es so einrichten, dass er drei Meter Durchmesser hat? Der Schild? Nicht mehr. Und dass Kugeln heraus-, aber keine magische Energie oder Kugeln hineinkönnen?«

»Ich kann nicht «

»Das geht in Ordnung«, sagte Evan aus dem Hintergrund. »Drei Meter.«

»Gut. Passt auf euch auf.« Ich beendete das Gespräch und drückte die Kurzwahltaste von Dereks Nummer.

Er meldete sich mit den Worten: »Wir sind noch zwei Kilometer entfernt.«

»Kommen Sie zu mir. Und, Lee? Wir haben es mit fünf gesunden Vamps zu tun, zwei wahnsinnigen in Fesseln, an die wir auch lieber nicht rühren, eine ausgeblutete und ausgehungerte Clanmeisterin, die uns sofort an die Gurgel geht, wenn sie auch nur die geringste Chance dazu bekommt, und drei Hexen als Geiseln.«

»Mädel, Sie wissen wirklich, wie man eine Party schmeißt.« Er legte auf.

Ich wusste nicht, wie lange sieben ehemalige Marines brauchen würden, um mich zu finden, aber vermutlich nicht sehr lange. So war es auch. Während ich wartete, betrachtete ich den Mond. Beast kündigte mir an, dass sie sich mir näherten, in zwei kleinen, getrennten Gruppen. Ich wandte mich nach Süden und wartete. Doch als sie nicht erschienen, als ich damit rechnete, sagte ich leise: »Warten Sie auf gedruckte Einladungen?«

Derek lachte ebenso leise und trat fast so lautlos wie Beast aus den Büschen. Ich sah in die andere Richtung und wartete. Hicklin trat ins Freie und zog eine Nachtsichtbrille ab. »Nicht schlecht, Mädel. Nicht schlecht.« Er hielt ein Kabel hoch, das, wie ich jetzt sah, ein Headset war. Zufrieden mit mir selbst, auch wenn ich nicht recht wusste warum, nahm ich es, in der Hoffnung, dass es dasselbe war, das ich schon einmal benutzt hatte, denn sonst, nun, alles andere wäre eklig gewesen. Aber ich wagte nicht zu fragen, aus Angst, ihre Bewunderung wieder zu verlieren. Als ich mich umsah, stellte ich fest, dass alle Nachtsichtbrillen trugen. Damit würden sie genauso gut sehen wie Beast. Vielleicht sogar besser.

Ich kniete mich hin, fand ein langes, scharfes Stück Holz, das vom Stutzen der Bäume liegen geblieben war, und begann damit etwas in die Erde zu ritzen. Einer der Männer richtete den dünnen Strahl seiner Taschenlampe auf die Skizze. »Ich übernehme die Spitze. Wir nähern uns gegen die Windrichtung, so können sie uns nicht riechen. Vor Ort finden wir einen drei Meter breiten Kreis vor mit einem Pentagramm in der Mitte und Kreuzen auf Kopfhöhe. Der Zugang, den die Vamps nutzen, um ihn zu betreten, ist hier.« Ich tippte auf die Erde. »Wenn wir uns von hier bis dort südlich halten, gehen wir immer gegen den Wind, wenn das Wetter sich nicht ändert. Dann können sie unsere Witterung nicht aufschnappen.

Die Kreuze schimmern, das kann die Nachtsichtbrillen beeinträchtigen. Keine Ahnung, ob es auch die Vamps stört. Unter anderen Umständen wären sie blind und hätten Schmerzen, aber diese hier sind völlig anders.« Ich hörte ein zustimmendes Grunzen zu meiner Linken. »Wenn es stimmt, was wir auf den Gemälden gesehen haben, befinden sich die Geiseln in der Mitte des Pentagramms, gefesselt und wahrscheinlich bewusstlos.«

»Schätze, das heißt, wir lassen die Panzerfaust lieber hier«, sagte einer von ihnen aus dem Dunkeln. Sie lachten, doch mich beschlich das Gefühl, dass er keinen Witz gemacht hatte.

Der schöne Hicklin schlang sich den Riemen einer vollautomatischen Maschinenpistole um die Schultern. »Und die Hexen-Patrouille?«

»Stößt nicht zu uns. Aber ich bekomme einen Schutzzauber, den man allerdings nur einmal aktivieren kann. Drei Meter Durchmesser.«

»Impermeabel?«

Ich wusste zwar nicht genau, wonach er fragte, antwortete aber trotzdem. »Kugeln gehen raus, aber keine rein. Magie Ich weiß nicht, ob man Zauber hinauswerfen kann, aber rein kommen sie nicht.« Auf einmal war mir der Geruch von Mollys versengten und zerrissen Bannen in der Nase. Ich riss mich zusammen. Es brachte Unglück, wenn man kurz vor einem Kampf ans Scheitern dachte. »Sind Sie bereit?«

»Mädel, wir sind immer bereit.« Das kleine Grüppchen lachte anzüglich.

Na toll. Macho-Soldaten. Aber für das, was ich vorhatte, genau richtig.

»Was für einen Zauber veranstalten die denn da? Mit was haben wir es zu tun?«, fragte ein anderer. In seine Augenbrauen waren Striche rasiert, durch die die dunkle Haut zu sehen war. Und in sein kurzes Kopfhaar waren ebenfalls Symbole rasiert. »Kann der Zauber sich gegen uns richten?«

»Er soll die jungen Rogues oder Angekettete heilen. Vermutlich wirkt er nicht auf uns. Aber er könnte hinter einem Bann versteckt sein, der schwer zu durchbrechen ist. Wir müssen eingreifen, bevor sie den Kreis schließen, aber ich möchte sehen, wie sie anfangen.«

»Wachen?« Als ich den Kopf schüttelte, sagte Derek: »Wenn ihr auf Wachen stoßt, schaltet sie ohne Blutvergießen aus. Sonst riechen das die Vamps.« An mich gewandt sagte er: »Wir gehen auf Ihr Zeichen hin rein. Standort?«

Er meinte die GPS-Nummern. Ich seufzte. »Sie werden mir einfach folgen müssen. In einer Reihe, und wenn Sie die schimmernden Kreuze sehen, verteilen Sie sich rechts von mir.«

»Sie haben das GPS-Gerät nicht benutzt, oder?«

Beast hatte keine Finger, um es zu tragen, oder den Verstand, um eine Zahlenreihe zu verstehen. Doch das konnte ich ihm wohl kaum sagen. Und ich würde mich auch nicht entschuldigen. »Nein.«

Bevor sie etwas erwidern konnten, ging ich, Beasts Sinne und Geräuschlosigkeit nutzend, in den Wald hinein. Der Wald schloss sich um mich. Die Soldaten folgten mir leise, sogar für Beasts scharfe Ohren. Ich unterdrückte ein amüsiertes Husten und ließ mich von dem Wald führen.

Dieses Mal erschien mir der Weg zu dem Hexenkreis viel kürzer, vielleicht weil ich von einer größeren Feuerkraft umgeben war, als ich je gesehen hatte. Selbst ohne die Panzerfaust. Vielleicht auch, weil ich mich jetzt besser zurechtfand. Woran auch immer es lag, es wirkte. Ausnahmsweise hatte ich diesmal ein gutes Gefühl, bevor ich mich in einen Kampf gegen Vamps begab. Ich hatte die Marines auf meiner Seite. Ooh-rah.

Vor uns schimmerten die Kreuze, blass und silbrig, hell genug, um sich daran orientieren zu können. Offenbar waren die Vamps schon da. Derek bedeutete uns mit erhobener Hand und einem Flüstern in sein Mikro, stehen zu bleiben. Ich roch Menschen, einige davon ganz in unserer Nähe. Leise wie ein Geist war Derek bei mir und flüsterte: »Gangster. Crips. Ich habe drei gezählt. Und Sie?«

»Ich rieche vier«, entschlüpfte es mir. Das war unvorsichtig, doch andererseits wusste Derek schon, dass ich kein Mensch war. Dass die Crips hier waren, war ein weiterer Beweis dafür, dass der Putsch bald stattfinden würde, und dass Leos Widersacher die Gangs dazu benutzt hatten, die Aufmerksamkeit des NOPD auf andere Dinge und weg von den Vamps zu lenken. Der Krieg der Vampire würde bald beginnen.

Er lachte schnaufend und wies seine Männer an, in einem Halbkreis auszuschwärmen. Ich vernahm leises Scharren, einen Seufzer in der Nacht, aber keine Schreie. Und ich roch kein Blut. Um die Crips mussten wir uns keine Sorgen mehr machen.

Ich vergewisserte mich, dass meine Kreuze nicht freilagen. Ich spürte mehr, als ich sah, dass die Soldaten nach rechts weiterhuschten und sich verteilten. Geräuschlos. Gefährlich.

Sie umrundeten die Südseite des Hexenkreises, immer in Windrichtung von den Vamps und positionierten sich so, dass sie sich nicht selbst ins Kreuzfeuer nahmen. Dann warteten sie.

Die Blutdienerinnen packten die Schaufeln, die leeren Muschelsäcke und die Schubkarre zusammen und zuckelten geräuschvoll aus dem künstlichen Graben, während die Vamps auf und ab gingen und sich mit gesenkter Stimme unterhielten. Ich nutzte die Gelegenheit und schlich mich näher an den Kreis heran. Bei dem Radau, den sie machten, würde mich niemand hören. Ich spürte, dass auch Dereks Männer sich vorwärtsbewegten, hören tat ich jedoch nur wenig; für Menschen stellten sie sich nicht übel an. Mit geneigtem Kopf lauschte ich Sina und Brigit nach. Türen knallten, dann hörte ich nichts mehr von ihnen. In dem Kreis begannen die Vamps an den fünf Spitzen des Pentagramms Aufstellung zu nehmen.

Ich ging so nah heran, bis ich Angelina, Little Evan und Bliss unter dem Blattwerk eines Baumes hindurch sehen konnte. Sie lagen gefesselt und geknebelt in der Mitte des Kreises auf dem Boden. Bliss sah aus, als wäre sie mehr tot als lebendig. Sie war käsebleich und hatte die Arme auf dem Rücken. Und sie war nackt, an Hals, Armbeugen und Leiste waren Bissspuren zu sehen. Angie und der kleine Evan hatten bloße Füße und trugen Pyjamas, die ich nicht kannte. Sie hatten die Augen geschlossen. Über ihren Köpfen konnte ich die Energien eines Zaubers sehen; der von Evan war pink, der von Angie blassgrau. Ich war überrascht, auch Bettina innerhalb des Kreises zu sehen, ebenfalls nackt, weiß wie ein Gespenst, blutleer und mit den Händen auf dem Rücken. Sie war an Bliss gefesselt.

Ich erinnerte mich, sie in dem Bett der Damours gerochen zu haben. Welche Rolle sie hier spielen sollte, verstand ich nicht. Doch diese Vamps wurden gejagt und waren auf der Flucht. Vielleicht brauchten sie einfach etwas mehr Vampblut für ihr Ritual. Vielleicht hatten sie es aber auch geändert und benötigten eine neue Zutat. Doch eines war offensichtlich: Bettina sollte diese Nacht nicht überleben.

Für diese vielen Leute war nicht sehr viel Platz im Kreis. Ich war froh, dass die Kinder bewusstlos waren. So mussten sie das nicht mitansehen. Niemand sollte so etwas mitansehen müssen.

Ich ließ mich auf ein Knie hinunter, um durch eine Öffnung in den Büschen zu spähen. Die Kreuze glühten und erhellten die Bäume, doch die Vamps schienen völlig ungerührt zu sein. Sie schienen in ihrer Nähe überhaupt keine Schmerzen zu haben. Alle trugen dunkle Spiegelsonnenbrillen, und auf ihrer Haut roch ich Sonnencreme und einen Schutzzauber. Offenbar hatten sie einen Zauber gefunden, der sie vor den Kreuzen schützte. Wenn schon weder Sonnenlicht noch Kreuze ihnen etwas anhaben konnten, wie lange würde es dauern, bis sie eine Methode gefunden hatten, um auch andere Waffen wirkungslos zu machen: Holz ins Herz, Silberkugeln? Meine Arbeit würde um einiges schwerer werden, falls es uns nicht gelang, die Sache hier zu vereiteln.

Die Vamps waren nicht alle Hexen und keiner von ihnen wirkte besonders mächtig, aber sie rochen alle nach He-

Ich ließ die Hand auf mein Lieblingsmesser sinken und packte es fest am Knauf. Auf einmal verstand ich, warum Bliss hier war. Alle diese Vamps hatten von ihr getrunken, um ihr Hexenblut aufzunehmen. Damit waren sie zwar nicht automatisch in der Lage, Magie zu wirken, doch sie konnten in Ritualen eingesetzt werden, so wie nicht so mächtige Hexen, die während magischer Zeremonien Energien erspürten.

Doch auch Adrianna und Rafael konnte ich nicht einfach so abtun, auch sie konnten uns gefährlich werden. Sie waren Geistespartner und vielleicht mächtiger, als ich dachte. Also hing alles an dem fünften im Bunde, dem namenlosen Damours-Bruder, den ich auf den Gemälden gesehen hatte, die wir aus dem Nest der Damours geschafft hatten. Persönlich hatte ich ihn noch nie gesehen. Heute Abend war er rasiert, wirkte geschmeidig, wie ein Krieger. Auf fünf der Bilder hatte er einen Bart getragen, ohne diesen und kahl rasiert hätte ich ihn nie wiedererkannt. Ein Typ wie er war im Nahkampf gefährlich wie eine tollwütige Katze.

Von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet, stellte er sich an die nördliche Spitze des Pentagramms. In der Hand hatte er ein Athame mit Stahlgriff und einer Klinge aus Obsidian, in der sich das Licht fing und vielfach gebrochen zurückgeworfen wurde. Das sollte wohl heißen, dass er das Kommando hier hatte.

Er knöpfte sich das Hemd auf und streifte es sich über die Schultern. Um den Hals trug er das Amulett aus den Gemälden, den pinkfarbenen Stein an der schweren Goldkette.

»Kommt zusammen«, sagte er, »mit dem Mond als Wächter und Zeugen. Kommt zusammen und teilt Macht und Geist. Kommt zusammen und werdet eins.«

Renée beugte sich über ihre Kinder und zog das Klebeband von ihren Mündern. Sofort begannen sie zu stöhnen und zu kreischen. Die Vamps und Hexen/Vamps befanden sich weiterhin an den Spitzen des Pentagramms, Tristan stand mit dem Rücken zu mir, seine Frau zu seiner Linken und Adrianna und Rafael zu beiden Seiten des Glatzkopfes. Vorsichtig zog ich die Vampkiller aus ihren Futteralen, Griffe in den Fäusten, Spitzen nach hinten, die Klingen an meinen Unterarmen. Jetzt würde es hässlich.

Der Glatzkopf zog die Kette ab und umfing den Stein mit der Hand, sodass die Kette baumelnd herabhing. Er streckte das Athame aus, ritzte sich mit der Steinklinge in den Daumen und zischte vor Schmerz. Drei Tropfen Blut fielen auf den gefassten Edelstein, und ein beißender, säuerlicher Geruch stieg auf. Dann reichte er die Kette nach links weiter, gegen den Uhrzeigersinn, dabei glaubte ich zu wissen, dass magische Zeremonien immer mit dem Lauf der Sonne, also im Uhrzeigersinn durchgeführt wurden. Bedeutete das, dass er mit bösen Mächten im Bund stand?

Als der Edelstein und das Athame seine Hand verließen, löste sich ein Illusionszauber, und ich sah, dass ich mich geirrt hatte. Der Glatzkopf war ein mächtiger Hexer. Er schimmerte förmlich, so stark waren seine Energien, so hell, dass die Menschen in meiner Begleitung möglicherweise erkannten, was er war. Das änderte alles. Mit unseren Messern und Kugeln würden wir es niemals mit dieser Art von Magie und drei Hexen aufnehmen können. Wir brauchten Molly, Evan und Evangelina, um die Magie abzuwehren. Und ich hatte ihnen verboten zu kommen. Ein Fehler. Der die, die sich auf mich verließen, das Leben kosten konnte.

In zehn Meter Entfernung von dem Hexenkreis stand ich auf, richtete meine Waffen neu, flach und leise durch die Nase atmend. Ich tastete nach dem Samtbeutel in meiner Jackentasche. Ich hatte keinen blassen Schimmer, wie ich den kleinen Holzsplitter in der Praxis einsetzen sollte. Doch ich hatte ihn für alle Fälle mitgenommen.

Nun hielt Adrianna den Edelstein und das Athame in den Händen. Sie gab ebenfalls drei Tropfen ihres Blutes auf den Stein und reichte ihn an Tristan weiter. Dabei konnte ich den Stein gut sehen: Er hatte die Farbe gewechselt und war nun dunkler, als würde das Blut daran kleben. Oder wäre irgendwie hineingesickert. Jetzt umgab ihn ein Nebel aus magischen Energien, ein düsteres Licht von einer öligen Farbe, in dem schwarze Funken tanzten. Als Tristan den Stein an seine Frau weiterreichte, war er blutrot und schimmerte wie ein Rubin, umwirbelt von diesem schwarzen Licht.

Nach einem tiefen Schnitt in den Ballen ihres Daumens legte Renée den Stein in die offene Wunde, in das sich darin sammelnde Blut. Macht stieg von ihm auf wie ein kleiner Tornado. Die weißen Muscheln, die das Pentagramm bildeten, blitzten in einem grell-weißen Licht auf, das die Bäume und Blätter bestrahlte.

Der Glatzkopf nahm seine Spiegelglassonnenbrille ab und starrte auf die Mitte des Kreises. Seine Augen schimmerten schwarz, die Pupillen waren trotz der leuchtenden Kreuze riesig. Mit einem scharfen Schnappgeräusch fuhren seine Fangzähne heraus. Er beugte sich vor und entfaltete ein schwarzes Stoffquadrat, das ich vorher nicht bemerkt hatte. Daraus entnahm er ein zweites Athame, dieses war aus Silber, das in dem weißen Licht kalt glänzte. Er sah Little Evan an.

Deshalb hatte ich die ersten Schritte der Zeremonie beobachten wollen nun wusste ich es: Der Stein war der Schlüssel. Aber der Bann wurde schnell stärker. Der Kreis war dabei, sich zu schließen, und er würde mächtig sein. Das war der Moment, um einzugreifen.

Beast sprang in meine Augen, in meinen Kopf. Kraft durchströmte meine Adern. Leise sagte ich in das Mikro: »Go, go, go, go« und stürmte los. Die Zeit zerbrach in scharfkantige Teilstücke, verschiedenartig, aber doch miteinander verbunden. Der Halbkreis der menschlichen Angreifer geriet in Bewegung, die Gesichter zu einem entschlossenen Schrei verzerrt. Waffen gezückt. Sie feuerten über die Geiseln hinweg. Die Erschütterungen pulsierten an meinem Trommelfell.

Schnell wie Beast tauchte ich durch die Bäume, glitt um die Stämme herum. Noch im Laufen sah ich, dass Angelina die Augen geöffnet hatte und mich ansah. Sie ist bei Bewusstsein.

Der Glatzkopf hob den Blick, Überraschung lag darin, die bald Zorn wich. Auf seiner Brust erschienen zwei rote Flecken. Renée drehte sich zur Seite und hätte dabei fast den Stein fallen gelassen. Sie gab ihn an Rafael weiter. Rafael warf seinem Anam Chara einen Blick zu. Dann blickten beide den Glatzkopf an, der beide Arme gehoben hatte.

Ein Ast schlug mir ins Gesicht, knapp an meinen Augen vorbei, über meine Wange, doch ich spürte keinen Schmerz.

Ein weißes Licht entstieg dem weißen Muschelrand des Kreises, ein Nebel, in dem rote Funken tanzten. Summend. Lebendig

Meine Beine pumpten. Flink wie Beast. Überwanden die Entfernung in einem Herzschlag. Die Gewehrkugeln trafen die Vamps. Sie hatten die Fangzähne ausgefahren, ihre Pupillen waren riesig, und sie bluteten, doch sie gingen nicht zu Boden, trotz der Silberkugeln.

Angelina hob die Hand. Sie waren nicht gefesselt. Das kleine Mädchen bewegte die Finger.

Hicklin brach aus dem Dunkel. Schreiend. Warf sich über den Rand des Kreises in das weiße Licht. Blitzschnell schossen die roten Funken auf ihn zu und hüllten ihn ein. Aus seinem Wutschrei wurde ein Schmerzensschrei. Er stürzte in das Pentagramm. In ein und derselben Bewegung bückte sich der Glatzkopf und schlitzte Hicklin die Kehle auf. Blut schoss aus der Wunde. Sprudelte über die Silberklinge. Angelina hatte den Blick fest auf mich gerichtet. Hielt mich fest. Der Glatzkopf wirbelte herum, so schnell, dass ich ihm nicht mit meinen Augen folgen konnte.

Dann überschnitten sich die Bilder, und plötzlich schlug er mit dem Messer nach Little Evan.

Derek brach durch das weiße Licht. Den Mund zu einem Schrei aufgerissen.

Fing die nach unten sausende Klinge mit seiner eigenen ab.

Funken sprühten. Erst kurz darauf drang das Klirren von Metall auf Metall an mein Ohr.

Angies Finger bewegten sich, während sie mir weiter in die Augen sah. Etwas Schwarzes verdichtete sich in ihren Händen. Lebendige Dunkelheit. Die sich drehte und wand.

Ich stürzte durch das weiße Licht. Hinter mir blitzte strahlendes Weiß gen Himmel. Sofort sammelten sich die roten Funken um mich, brannten heiß auf meiner Haut, wichen dann plötzlich zurück und verschwanden in der Nacht. Die Silberkreuze an den Bäumen strahlten grell. Schüsse peitschten im Stakkato.

Die Vamps schrien vor Qual, schrill und durchdringend, ein Todesheulen, zu dem keine menschliche Kehle fähig war und das schmerzhaft in meinen Ohren gellte.

Die Vamps, an denen ich vorbeikam, versuchten, mich zu packen. Mit Bewegungen so langsam wie geronnenes Blut. Ich wirbelte herum. Blockte einen ab. Zog die Klinge diagonal nach oben, um nach dem anderen zu schlagen. Tristan. Schnitt in seine Augen. Blendete ihn. Rafaels Schlag hatte ich durch die Abwehrbewegung zur Seite gelenkt. Ich schleuderte das Bein in seine Kniekehle. Sein eigener Schwung warf ihn auf die Seite. Mit einem kräftigen Schnitt blendete ich auch ihn. Schnell wie Beast.

Sie hoben den Kopf und stimmten ebenfalls in das ohrenbetäubende Todesgeheul ein. Langsam tropfte ihr Blut hinab. Auf das Pentagramm. Gleißend weißes Licht schoss zum Himmel empor.

Der Glatzkopf schrie: »Nein!«, das Gesicht nach oben gestreckt. Auf seiner nackten Brust waren Schusswunden und in seiner Hose Einschusslöcher.

Die Arme zu beiden Seiten ausgestreckt, fuhr Derek herum. Streckte Adrianna mit einem Schlag nieder. Ein Pflock ins Herz. Ein anderer Marine pfählte Rafael. Ein dritter schlug ihm den Kopf ab. Leblos sackte der Torso zu Boden.

Nur einen Herzschlag später pfählten zwei weitere Marines Adrianna. Doch davor hatte ich ihr Gesicht gesehen. In dem kein Leben mehr gewesen war. Der Tod hatte die Geistespartner auseinandergerissen.

Ich drehte mich blitzschnell herum. Zu dem Glatzkopf. Der auf einmal den blutigen Edelstein in der Hand hielt. Er beugte sich vor. Er berührte mich damit. Presste ihn in die Wunde, die der Ast geschlagen hatte. In mein Blut. Der Stein fühlte sich eisig an meiner Wange an. Kälter als die Tiefen des Weltraums. Kälter als eine Nacht in der Hölle. Er entzog mir alle Wärme. Es war, als könnte ich zusehen, wie die Wärme, die mich am Leben hielt, dem Stein zustrebte.

Mir war, als würde ich den Schmerz mit jedem einzelnen Nerv meines Körpers spüren. Alle meine Muskeln krampften sich zusammen. Ich ächzte. Taumelte. Der Glatzkopf stand über mir. Und er rief ein Wort der Macht. Eine einzige Silbe, die einen Zauber beinhaltete. Ein Wyrd.

Die Marines schrien, als ich zu fallen begann. Schreckliche Schreie, als würden sie gefoltert. Sie schlugen auf sich selbst ein. Mit den Messern nach den eigenen Gliedern. Nach den roten Funken, die von oben herunterwirbelten und sich in ihre Haut bohrten. Bis jeder der Männer über und über mit den Funken bedeckt war. Und noch immer stiegen sie vom Boden auf. Fielen vom Himmel herunter. Brannten auf ihrer Haut. Bohrten sich in ihr Fleisch. Griffen an.

Ich schlug auf der Erde auf. Das Gesicht Angie zugewandt. Wie gelähmt. Unfähig zu atmen. Der Zauber hatte meinen Willen und mein vegetatives Nervensystem ausgeschaltet.

Sie lächelte. Ihr Mund bewegte sich, aber meine Ohren summten von den Erschütterungen der Schüsse, von den Schreien der Vamps und dem weißen Rauschen, sodass ich nicht verstand, was sie sagte. Sie streckte die Arme nach dem Glatzkopf aus, ihre Finger öffneten sich, und sie warf die Dunkelheit nach ihm. Ich konnte zusehen, wie sie durch die Luft flog. Ein spitzer Pfeil aus Macht. Doch bevor er ihn traf, wiederholte der Glatzkopf das Wyrd.

Mein Herz hörte auf zu schlagen. An den Rändern meines Gesichtsfeldes wurde es dunkler. Ich konnte mich nicht bewegen. Beast konnte sich nicht bewegen. Die Macht unserer Zwillingsseele erstarrte. Meine Hände öffneten sich. Ließen das Messer fallen. Das schwarze Licht traf den Glatzkopf.

Angie streckte die Hand nach mir aus. Berührte den Kieselstein mit der Rune um meinen Hals. Ich spürte, wie sich um uns herum der Schutzbann erhob. Um die Marines und die geblendeten und toten Vampire. Aber die roten Funken griffen weiter an. Nicht mich. Nicht die Kinder. Nicht die Vamps. Nur die Menschen. Ich war froh, dass ich ihre Schreie nicht hören konnte, meine Ohren waren taub von dem Kugelhagel.

Welpen, schrie Beast. Sie wehrte sich gegen die magischen Fesseln, die sie banden. Gegen den drohenden Tod. Welpen!

Wieder bewegte Angelina die Hände. Dieses Mal legte sie sie an mein Gesicht. Die dunkle Macht, die sie gerufen hatte, schoss durch mich hindurch. Wie ein schwarzer Blitz. Wie dunkles Leben. Mein Körper erbebte. Ein epileptischer Krampf packte mich. Fuhr durch mein Hirn wie ein Stromschlag. Mein Herz tat einen Schlag, pumpte einmal, hart und schmerzhaft. Und dann noch einmal. Ich sog die Luft ein. Dunkle Macht durchströmte mich. Meine Augen öffneten sich, und ich erblickte die kleine Angie.

Sie kicherte. »Gut gemacht, Tante Jane.«

Ich betrachtete das Bild des Todes um mich herum und tastete nach dem Samtbeutel mit dem Splitter des Blutkreuzes.

Die Vampkinder waren von ihren Ketten befreit worden. Waren über die Soldaten hergefallen. Tranken gierig. Nur Derek stand noch aufrecht da, ein Messer in jeder Hand. Mit dem einen schlug er nach Tristan, mit dem anderen nach Renées Hals, um ihnen den Kopf abzuschneiden. Aber lange würde Derek nicht mehr leben. Er blutete aus unzähligen Wunden. Die roten Funken hatten sich in seine Haut gebrannt. Fraßen seine Lebenskraft.

Der Samtbeutel öffnete sich. Fiel zu Boden. Ich hielt den Holzsplitter in der Hand. Er fühlte sich heiß an. Glühend heiß. Aber ich ließ ihn nicht los.

Der Glatzkopf stand außerhalb von Angies Bann, an der nördlichen Spitze des Pentagramms, die Beine breit auseinander. Die Arme dem Himmel entgegengestreckt, in den Händen die Athames aus Silber und Obsidian, mit den Klingenspitzen nach oben, sprach er ein weiteres Wyrd.

Der blutbedeckte Edelstein hing um seinen Hals. Lag schräg über seinem Herz. Ich sprang aus der Rückenlage auf die Füße und mit derselben Bewegung durch den Bann. Die rechte Hand ausgestreckt. Den Splitter nach vorn gerichtet. Ich sah, wie das dünne Stück Holz seine Haut durchbrach. Kurz über dem Stein. In das V der Goldkette. Er glitt zwischen seinen Rippen hindurch. Tief hinein.

»Ein Splitter vom Blutkreuz«, flüsterte ich, »für deine Sünden.«

Seine Augen weiteten sich. Er öffnete den Mund. Ein Ausdruck des Entsetzens ging über sein Gesicht und blieb in seinen Augen hängen. Blut sprudelte aus der Wunde. Über den Stein. Verband den Splitter aus dem Blutkreuz und den Stein und meine Hand über seinem Herzen. Rotes Licht flammte daraus auf. Ergoss sich über mich. Über die Lichtung. Erfasste mich mit der Wucht eines Tsunamis und riss mich mit sich. Durchbrach das Licht des Hexenkreisbannes. Prallte gegen die Macht des Pentagramms und floss über Angies Bann, verband sich mit ihm. Fast meinte ich zu hören, wie das weiße Licht flackerte und das rote aufsog. Beide schienen stärker zu werden, als wären sie mehr als nur die Summe ihrer eigenen Energien. Es war eine Welle. Ein Fluss. Ein Ozean. Der alles in blutigem, strahlendem Licht badete. Über meinen Kopf hinwegrollte. Mich reinigte. Als ginge ich durch Wasser, wenn Wasser aus grellem dunkelrotem Licht bestünde. Es durchströmte mich.

Ich zog den Splitter der besten Waffe gegen Vamps aus seinem Leib. Kurz darauf leckte eine Flamme aus der Wunde. Erfasste blitzschnell seinen Oberkörper. Meine Haut wurde heiß. Ich roch, dass meine Haare brannten. Hastig sprang ich zurück. Aus meiner Hand stieg Rauch, und ich wusste, dass ich Brandwunden an den Fingern hatte. Doch ich fühlte keinen Schmerz. Noch nicht.

Der Schöpfer der jungen Rogues stand in Flammen. Innerhalb des Kreises aus roter Macht war die Hitze enorm.

Ich warf mich zurück und trat nach dem Glatzkopf. Mein Fuß landete mitten auf seiner Brust. Flammen leckten an meinem Stiefel. Wieder sprang ich und rammte den Glatzkopf mit Beasts ganzer Kraft. Der brennende Hexer/Vamp fiel hintenüber, durch das rote Licht hindurch. Auf den Waldboden. Ich wirbelte herum. Von den Vamps stand keiner mehr. Sie lagen alle am Boden. Starke Hitze kam von dem brennenden Vamp, und ich beschattete meine Augen mit der Hand vor dem blendenden Licht.

Auch die Soldaten lagen alle am Boden, schrien und stöhnten. Schnitten sich in ihr eigenes Fleisch. Auch Derek, der unter Ächzen mit dem Messer ein Stück Haut von seinem Arm schälte und die Muskeln darunter freilegte, dann die Finger in den bluttriefenden Muskel grub und verzweifelt versuchte, einen der roten Funken zu fassen zu bekommen. Dabei kaute er mit blutigen Zähnen an seiner Unterlippe, in die sich einer der Funken gebohrt hatte.

Ich blickte den Holzsplitter an. Ein Splitter vom Blutkreuz. Stammte es tatsächlich von dem wahren Kreuz? Ich wusste es nicht. Doch selbst wenn nicht, war es doch eine mächtige Reliquie. Ich wischte ihn sauber und stach Derek damit. Er schrie erneut auf, und die roten Funken stoben aus seiner Haut und in die Nacht. Wie Bienen summend stiegen sie in die Höhe. Dereks Wirbelsäule zuckte noch einmal wie unter einem Peitschenschlag, dann wurden seine Augen klar. »Was zur Hölle «

Ich drehte mich um und stach nacheinander auch die anderen, selbst Hicklin, der so schnell sein Leben gelassen hatte. Die roten Funken verließen ihre Haut, bildeten kleine Wolken und stiegen auf. Vereinten sich zu einem grellroten Schwarm am Himmel über uns. Da ich es zu gefährlich fand, sie dort zu lassen, deutete ich mit dem Splitter auf sie. Nichts geschah.

Angie stemmte sich auf einem Arm zum Sitzen hoch. »Tante Jane, versuch es mit der Halskette. Die, die der böse Mann benutzt hat.«

Ich fand zwar, dass sie alle ziemlich böse gewesen waren, aber ich trat zu den rauchenden Überresten des Glatzkopfes. Inmitten der versengten Rippen, die sich wie schützende Hände um sie bogen, lag die Kette, von der Hitze der Flammen unangetastet und immer noch hellrot von Blut. Um sie nicht zu berühren, nahm ich den Vampkiller mit der Silberklinge und schob die Spitze durch die Knochen. Hob den Stein an der Goldkette von den rauchenden Rückenwirbeln des Glatzkopfes. Er war sehr viel schwerer, als er aussah.

Dort stand ich dann, umgeben von keuchenden, blutenden Männern, bis auf einen alle noch am Leben, und hielt ein mächtiges Amulett mit der Klinge eines Vampkillers in die Höhe. Und ich brach in Gelächter aus. Es überkam mich einfach. Die wütend summende Wolke über mir verstummte. Ich hätte schwören können, dass sie mein Lachen gehört hatte und jetzt darauf reagierte. Sie bildete eine Art langen Schlauch und kam in einer Spirale heruntergeflogen. Direkt auf den blutroten Stein an der Messerklinge zu. Sie sammelte sich wieder in einer Wolke um den jetzt scharlachroten Edelstein. Und verschmolz mit ihm.

Bei ihrem Eindringen schwang der Stein hin und her und pulsierte, als wäre er lebendig. Vielleicht war er es auch, möglich wäre es.

Der Holzsplitter in meiner anderen Hand schimmerte weiß.

Und in Angelinas Händen ein schwarzes Licht pure Macht.