27

Etliche Stunden später rasteten sie am Ufer des Sees und Elise nutzte die Gelegenheit, sich den Staub der Reise und den Schweiß abzuwaschen. Die Sonne brannte unbarmherzig auf sie nieder und ließ sie eher an Wüsten als an das Land des ewigen Frühlings denken. Im Hochland von Alta Verapaz sollte es weniger heiß sein, hatte ihre Mutter versprochen. Elise sah sich um und zog schnell die Bluse aus, um sich Wasser über die Arme laufen zu lassen.

»Oh nein!« Sie schaute voller Schrecken auf ihre bloßen Arme. Panisch hob sie den Rock und krempelte die weißen Unterhosen hoch. Auch ihre Beine waren mit seltsamen Bläschen bedeckt. »Hilfe!«

»Kind, was ist? Hat dich etwas gebissen?« Ihre Mutter stürmte zum Seeufer. »Elise, was hast du?«

»Ich werde sterben.« Elise hob ihren Arm und deutete mit der Hand auf die Bläschen.

»Ach was.« Henni Hohermuth machte eine abwiegelnde Geste. »Das ist nur der Rote Hund. Unangenehm, aber ungefährlich.«

»Der was?« Jetzt bekam es Elise erst recht mit der Angst.

»Du kennst es vielleicht als Frieseln. Oder Hitzepickel. Du musst die Stellen waschen und Zinkmixtur auftragen. Und dich leichter anziehen.«

Aus den Tiefen ihrer Handtasche holte ihre Mutter ein Fläschchen, das sie Elise in die Hand drückte. Kopfschüttelnd ging sie zurück zum Lager.

»Mehr nicht?« Elise senkte den Kopf. Niemals würde sie sich an das Land gewöhnen. Alle schienen sie zu hassen: Tiere, Pflanzen, ja selbst die Sonne, die über Guatemala schien. Eilig streifte sie sich ihre Bluse wieder über und hob den Rock etwas an. Neben ihr ertönten plötzlich seltsame Laute. Sie schaute sich um und entdeckte im Schilf einen großen Vogel mit dunkelbraunem Gefieder und weißen Flecken, die aussahen wie Pinselspritzer. »Pock! Pock«, ertönte es erneut aus dem kräftigen Schnabel und Elise hielt es für klüger, einen sicheren Abstand zu dem Vogel zu halten.

»Ein Atitlán-Taucher.« Johann Hohermuth war neben ihr aufgetaucht und lächelte. »Man nennt ihn auch Poc. Warum, das hast du ja gerade gehört. Endemisch.«

»Er kommt also nur hier vor?« Elise betrachtete den Vogel mit neugewonnenem Interesse.

»Du kennst den Begriff?« Ihr Vater musterte sie interessiert. »Das ist … ungewöhnlich.«

»Ich bin zwar nur ein Mädchen, aber ich kann lesen«, antwortete Elise und ärgerte sich, dass ihr Vater ihr so wenig zutraute.

»Wie kommst du nur darauf, dass ich von Mädchen weniger halte als von Jungen?« Anstatt sie wegen ihrer spitzen Zunge zu schelten, schüttelte Johann Hohermuth den Kopf. »Du hast doch deine Mutter erlebt. Die steckt zehn Männer in die Tasche, oder?«

Elise senkte den Kopf. Sie hätte wetten mögen, dass sich ihr Vater vielmehr um sie bemüht hätte, wenn sie ein Junge gewesen wäre. Hatte sie sich etwa in ihm getäuscht?

»Elise, mein Kind.« Behutsam legte ihr Johann Hohermuth seine Hand auf die Schulter. »Ich bin bestimmt nicht der beste Vater, das weiß ich. Aber … ich wäre zu einem Sohn nicht anders als zu dir.«

Vor Rührung traten Elise Tränen in die Augen. »Schon gut. Ich finde dich gar nicht so schlecht.« Sie räusperte sich. Auch bei ihrem Vater bemerkte sie ein verdächtiges Glitzern in den Augenwinkeln.

»Siehst du die Wellen? Und hörst du den Wind?« Johann Hohermuth schien das Thema wechseln zu wollen. »Die Indios nennen das Xocomil.«

»Xocomil?« Elise hatte sich zwar an einige seltsame Namen in diesem Land gewöhnt. »Das klingt ja wie Schokomilch.« Sie lachte laut auf.

Ihr Vater erwiderte ihr Lachen. »Ja, da hast du recht. Dahinter steht aber eher eine bittersüße Geschichte.« Johann Hohermuths Gesicht wurde ernst. »Die Legenden sagen, dass hier die Seelen des Cakquichel-Prinzen Utzil und seiner Geliebten, der Quiche-Prinzessin Zacar, ein Klagelied anstimmen, weil sie nicht zueinander finden konnten.«

»Erzähl Elise nicht so traurige Märchen.« Henni Hohermuth gesellte sich zu ihrem Mann und ihrer Tochter. »Es ist keine trauernde Prinzenseele, sondern – wenn überhaupt – ein Rendezvous der Winde. Die kalten Winde aus der Hochebene treffen auf die heißen des Südens und verbinden sich zum Xocomil.«

»Papas Geschichte gefällt mir besser«, sagte Elise schmunzelnd. »Sie ist romantischer.« Und ihre Gedanken schweiften in die Ferne.

»Wir müssen uns sputen, weil wir noch einen Abstecher zur Finca von Don Manuel Alvarado machen wollen«, mahnte Henni Hohermuth zum Aufbruch. »Er hat alles gesammelt, was bei Pflanzungsarbeiten auf Pompeya gefunden wurde.«

Das Wort riss Elise schlagartig aus ihren Gedanken. »Pompeya?«, fragte sie und bemühte sich nicht, das Erstaunen in ihrer Stimme zu verbergen. »Warum nennt jemand seine Plantage nach einer Stadt, die von einem Vulkan verschlungen wurde?«

»Vielleicht schwarzer Humor?« Henni Hohermuth zuckte die Schultern. »Ich habe mich das noch nie gefragt.«

»Vielleicht wollte er damit die Vulkangötter gnädig stimmen«, mischte sich Georg unvermittelt ein. Wie immer, wenn es um die Maya oder um Mythologie ging, beteiligte er sich an den Gesprächen. »Bei den vielen Vulkanen, die es in Guatemala gibt.«

»Trödelt nicht, ich will heute noch einen Papierabdruck erstellen.« Henni Hohermuth scheuchte sie zu den Reittieren. Die Träger warteten bereits mit stoischer Ruhe auf sie. Sie nickten Elise verstohlen zu, als ihre Eltern mit den Pferden beschäftigt waren.

Du willst wirklich nicht nach Tikal?«, fragte Johann Hohermuth seine Frau, nachdem sie endlich die Finca Pompeya erreicht hatten. Er schob sich den Hut in den Nacken und wischte sich mit einem karierten Taschentuch über die Stirn. Sein heller Anzug wies Grasflecken auf und die Fliege, ohne die Elise sich ihren Vater kaum hatte vorstellen können, hatte er schon lange abgelegt. Aber er bestand weiterhin darauf, ein Hemd mit steifem Kragen zu tragen und nicht so ein weites Baumwollhemd, wie Georg es trug. »Wir können uns dort einen Namen machen.«

»Du vielleicht. Ich bin nur eine Frau.« Henni Hohermuth rieb sich mit zwei Fingern über die Stirn und setzte den Hut wieder auf. Sie stand neben einem Maya-Relief und rieb vorsichtig Dreck und Erde herunter. »Die Herren Professoren würden mir nur Schreibarbeiten geben. Lass uns weitersuchen.«

»Schatz.« Etwas in der Stimme ihres Vaters ließ Elise aufhorchen. »Du willst doch nicht wirklich …«

»Ach, Johann.« Henni Hohermuth schob den Hut in den Nacken. Ihre Stimme klang flehend, als ob sie nicht nur die anderen, sondern auch sich selbst überzeugen musste. »Jeder von uns jagt seinen weißen Wal, oder? Ich bin mir sicher, dass es im Hochland von Alta Verapaz einen bedeutenden Tempel gibt.«

»Ach, Henni.« Johann Hohermuth war deutlich anzumerken, dass er dieses Gespräch nicht zum ersten Mal mit seiner Frau führte. »Ich wünsche mir doch auch, eine bedeutende Entdeckung zu machen, aber es gibt nichts, was auf einen unentdeckten Tempel an der Grenze zu Peten hinweist.«

»Doch!« Elise glaubte, nicht richtig zu hören. Ihre Mutter hörte sich an wie ein verzogenes Kind. »Es gibt Hinweise. Und du kennst sie.«

»Könntet ihr mir bitte mal verraten, was ihr meint?« Elise sah von ihrer Mutter zu ihrem Vater und fragte sich, was so wichtig sein konnte, dass die beiden sich stritten. »Was hat es mit diesem Tempel auf sich?«

»Das ist eine alte Geschichte«, antwortete ihr Vater. »Ein Märchen, so wie die Geschichte des Prinzen, der am Atitlán-See seine Geliebte betrauert.«

»Nein!« Ihre Mutter stampfte nun mit dem Fuß auf den Boden. »Es gibt einen Maya-Codex, der darauf hinweist, dass sich von Tikal aus Krieger aufmachten, um im Hochland eine Dynastie zu gründen. Da ist es nur konsequent, dass …«

»Märchen. Wunschdenken«, unterbrach Johann Hohermuth sie barsch. »Die Machthaber von Tikal haben die Stadt Dos Pilas als Außenposten gegründet und …«

»Die Herrscher von Tikal waren sehr expansiv, das weißt du. Niemals hätten die alten Könige sich mit einer Stadt begnügt.« Henni Hohermuth wirkte gleichzeitig entschlossen und verzweifelt. Zum ersten Mal erschien sie Elise als ein verletzlicher Mensch mit zerbrechlichen Träumen und Sehnsüchten. »Nur weil noch niemand etwas gefunden hat, heißt das nicht, dass die Stadt nicht existiert.«

»Es heißt aber auch nicht, dass wir sie finden werden«, antwortete Johann Hohermuth und wirkte angestrengt. »Ich gebe dir zwei Wochen. Wenn wir bis dahin nichts Bedeutendes entdeckt haben, reisen wir nach Tikal weiter.«

»Zwei Wochen?« Henni Hohermuth überlegte kurz. »Na, besser als nichts. Vorher nehmen Georg und ich noch einen Papierabdruck von diesem Maya-Relief.«

Sie nickte dem Jungen zu und gemeinsam gingen sie zu den Pferden und ließen Elise und ihren Vater zurück. Nach einer Weile trugen sie Wassereimer und Papier heran, das sie neben dem Monument ablegten.

»Was machen Mutter und Georg da?«, fragte Elise ihren Vater, der nach dem Streit mit seiner Frau froh zu sein schien, wieder eine Pflanze begutachten zu können. Erst beim dritten Mal antwortete er seiner Tochter.

»Sie nehmen einen Papierabdruck.« Damit wollte er sich erneut abwenden, doch Elise hielt ihn auf.

»Aber warum machen sie das?« Elise wünschte sich, dass ihr Vater sich mehr für ihre Fragen und weniger für die Flora und Fauna des Landes interessierte.

»Nun, ein Papierabdruck gibt eine wunderbare Reproduktion von Inschriften ab. Wir haben das schon in Ägypten gemacht. Daran solltest du dich doch noch erinnern.« Einen Augenblick lang schaute ihr Vater sie beinahe vorwurfsvoll an. »Geh einfach hin und hilf den beiden.«

Bevor Elise protestieren konnte, drehte er sich um und verschwand im Wald. Sie zuckte die Schultern. Warum nicht? Bevor sie hier weiter herumsaß, konnte sie auch etwas Neues lernen.

»Kann ich etwas tun?«

»Gern.« Der erstaunte und gleichzeitig dankbare Ausdruck ihrer Mutter machte Elise ein schlechtes Gewissen. Bisher hatte sie sich nicht gerade bemüht, ihre Eltern zu unterstützen, sondern war eher Ballast. »Du kannst mir hier zur Hand gehen.«

Elise schämte sich ein bisschen für ihr Verhalten und hoffte, dass ihre Mutter es nicht bemerkte.

»Als Erstes musst du die Felsplatte gründlich säubern.« Henni Hohermuth griff nach dem Eimer Wasser, in dem ein Schwamm lag, und fuhr mit kräftigen Bewegungen über den mit Dreck und Lehm verschmierten Stein. »Sei bitte so gründlich wie möglich. Die Schriftfläche muss möglichst sauber sein.«

Elise nickte und schrubbte an dem Stein herum. Schon nach kurzer Zeit begann sie zu schwitzen. Der Dreck von Jahrhunderten hatte sich dort eingefressen und widerstand ihren Bemühungen.

»Hier. Damit kannst du harten Schmutz entfernen.« Georg reichte ihr ein Messer und berührte dabei leicht ihre Hand. Auch ihm stand der Schweiß auf der Stirn. »Lass ihn erst ein bisschen einweichen.«

»Da… danke«, flüsterte Elise. Warum war sie nicht schon früher auf die Idee gekommen, Seite an Seite mit ihm zu arbeiten?

Georg schien völlig fasziniert von den Steinfiguren, die sie nach und nach aus der Dreckschicht herausschälten. »Sieh nur, sie halten Messer in Händen. Das sind Maya-Priester, die ihren Göttern Menschenopfer darbringen wollten.«

Elise war zum Fürchten zumute.

Endlich wurde der Stein von Henni Hohermuth als sauber genug befunden. Gemeinsam mit Georg zog sie eine Papierbahn durchs Wasser und legte sie auf das Maya-Relief.

»Georg, bitte vorsichtig.« Henni Hohermuth holte ein trockenes Tuch aus ihrer Tasche und tupfte das Papier auf der Felsplatte fest. Kritisch musterte sie den Abdruck. »Georg, bitte streich da unten noch einmal drüber. Da ist eine Luftblase.«

»So, Elise. Jetzt kommt der wichtigste Teil.« Ihre Mutter suchte in den Satteltaschen und holte drei einfache Kleiderbürsten heraus, die sie ihnen überreichte. »Jetzt mit aller Kraft das Papier festdrücken, damit es die Vertiefungen der Schriftzeichen ausfüllt. Ungefähr so.«

Henni beugte sich vor und strich mit der Bürste so fest über das Papier, als ob es ihr Widerworte gegeben hätte. Auch Georg und Elise bürsteten kräftig auf dem Maya-Relief herum, bis das feuchte Papier wie eine Haut darüberlag.

»Geschafft!« Georg zwinkerte Elise zu und sie fühlte sich stolz wie nie zuvor. Warum nur hatte sie die ganze Zeit geschmollt und sich so jede Möglichkeit genommen, Georg besser kennenzulernen?

»Und jetzt? Warten wir, bis es getrocknet ist?«

»Es gibt zwei Schulen.« Henni Hohermuth wiegte den Kopf hin und her. »Die einen lassen das Papier auf dem Stein trocken werden, die anderen lösen es nass ab und legen es in die Sonne.«

»Und was machst du?«, fragte Elise.

»Ich schaue nach dem Wetter.« Ihre Mutter lächelte versonnen. »Heute lassen wir es etwas antrocknen und nehmen es nachher vorsichtig ab.«

»Wie wollen wir das Riesenstück dann transportieren?« Elise schaute die Felsplatte an, die bestimmt mannshoch war.

»Wir warten, bis es trocken ist. Dann lässt sich der Papierabdruck falten oder rollen.«

Ihre Mutter schien fröhlich zu sein wie selten. Lag es an dem Papierabdruck oder daran, dass sie zwei Wochen Zeit hatte, ihrem Traum zu folgen?

Am Abend saßen sie im Halbdunkel der Dämmerung um ein Feuer. Elise balancierte ihr Tagebuch auf den Knien und schrieb über die steinernen Fresken, von denen sie Abdrucke genommen hatten.

»Was fasziniert euch so an den Maya? Ist es ihr Glaube? Ist es vielleicht die Idee, Menschen aus Mais geschaffen haben?«, fragte Elise. »Oder sind es die Geheimnisse, die sie umgeben? Die verlassenen Städte, die versunkenen Tempel und all das?«

»Du verdankst den Maya die Schokolade. Ohne sie hätten wir vielleicht niemals den Kakao genießen können.« Ihr Vater lächelte und fuhr sich durch den struppigen Bart.

Ihre Mutter runzelte die Stirn, als ob sie nicht begreifen könnte, dass ausgerechnet ihre Tochter eine solche Frage stellte.

»Auf uns wirken sie fremd, aber …« Johann Hohermuth schien nach passenden Worten zu suchen. »… du musst dir ansehen, wie präzise sie gearbeitet haben. Wie weit ihre Wissenschaft gediehen war und …«

»… und wie wenig wir heute von dem begreifen, was die Maya erschaffen haben oder wie sie ihr Wissen erworben haben«, ergänzte Henni Hohermuth. Sie und ihr Mann wechselten einen Blick voller Verständnis, sodass Elise sich gleich wieder ausgeschlossen fühlte.

»Findest du es nicht faszinierend, welche fundierten Kenntnisse die Maya in Mathematik und Astronomie hatten?« Die Augen ihrer Mutter leuchteten, wie immer, wenn sie über ihr Lieblingsthema sprach. »Allein ihr Kalendersystem zu verstehen, hat Forscher Jahre gekostet. Das Sonnenjahr umfasste achtzehn Maya-Monate, uninal, mit jeweils zwanzig Tagen, wahrscheinlich weil man Finger und Zehen zum Zählen nutzen konnte.«

Elise ahnte, dass ihre Mutter nun einen Vortrag halten würde. Schon mehrfach hatte sie sich auf der Reise gefragt, ob ihre Mutter nicht die treibende Kraft für die Expedition gewesen war. Ihr Vater schien zufrieden zu sein, wenn er in Büchern versinken oder Pflanzen und Bäume katalogisieren konnte. Henni hingegen wollte eine große Entdeckung machen, wollte aus ihrem Schattendasein treten. Was wäre aus ihrer Mutter für eine Wissenschaftlerin geworden, wenn Frauen nur studieren dürften?

»Die Maya verwendeten nicht nur einen Kalender, sondern eine dreifache Zählung.« Henni Hohermuth streckte drei Finger in die Luft. »Als Erstes haben wir den haab, eine Art Landwirtschaftskalender, der das Sonnenjahr zählte und Saat und Ernte bestimmte.«

»Sonnenjahr?« Elise runzelte die Stirn. »So etwas wie unser Kalender?«

»Nicht ganz.« Henni Hohermuth lächelte ihrer Tochter zu. »Die Maya teilten das Jahr in achtzehn Monate mit jeweils zwanzig Tagen auf.«

»Augenblick.« Elise hatte mitgerechnet. »Da fehlen doch fünf Tage.«

»Zählen kannst du.« Georg, der bisher zugehört hatte, ging in die Verteidigung. »Aber du hast wenig Vertrauen in die Maya.«

»Willst du?« Henni deutete auf Johann.

»Nein, nein. Es ist dein Steckenpferd.« Ihr Ehemann lächelte und schob seinen Hut in den Nacken.

»Uayeb, Tage ohne Namen, nannten die Maya einen Kurzmonat, den sie dem Jahr anhängten. Unglückstage, die zum Beten und Trauern dienten«, fuhr sie fort. »Als Zweites gibt es einen Ritualkalender, den tzolkin, der die Tage zählte.«

»Halt, halt.« Elise schwirrte der Kopf. »Zählt denn der haab nicht auch die Tage?«

»Du hast recht.« Ihre Mutter nickte. »Aber der tzolkin diente dazu, religiöse Feste zu bestimmen, und zählte zwanzig Monate mit dreizehn Tagen«

»Aber das Jahr ist doch viel zu kurz.« Elise verstand den Sinn eines Kalenders nicht, der nicht mit den Jahreszeiten übereinstimmte. »Warum wählten die Maya diese Zahlen?«

»Die Monate stehen für die zwanzig Schutzgötter und die dreizehn ist in der Maya-Mythologie das Symbol des Himmels.« Henni Hohermuth war nicht mehr aufzuhalten. »Ein Ritualkalender muss doch das Jahr nicht exakt wiedergeben, oder?«

»Aha.« Elise konnte den Sinn zwar immer noch nicht begreifen, fürchtete aber einen stundenlangen Vortrag, falls sie nachfragte.

»Das Interessanteste ist die lange Zählung, der Langzeitkalender der Maya.« Johann Hohermuth schaute seine Frau an. Sie nickte. »Der beginnt lange vor unserer Zeitrechnung. Im Jahr 3114 vor Christus. Am 13. August, um genau zu sein.«

»Was ist daran so besonders?« Elise zuckte die Schultern. »Dann beginnt er eben nicht am 1. Januar wie unser Kalender.«

»Die lange Zählung endet aber auch nicht am 31. Dezember, sondern zählt viel weiter. Nämlich vom Anfang der Schöpfung gerechnet dauert sie mehr als fünftausend Jahre.«

»Hm«, antwortete Elise und versuchte, sich einen Reim auf den Maya-Kalender zu machen. Sie musste ja nicht alles verstehen. Schließlich war die Kultur schon lange untergegangen. »Zählt heute wirklich noch jemand so?

»Am 21.12.2012 erreicht die lange Zählung mit dem Datum 13.0.0.0.0 das Ende eines Zyklus«, mischte sich ihr Vater noch mal ein. »Einige behaupten, dass damit auch das Ende der Welt vorhergesagt ist.«

»Das werden wir ja nicht mehr erleben«, scherzte Elise, trotzdem rann ihr ein kalter Schauer den Rücken hinunter.

Im Land der Kaffeeblüten
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